Leitsatz (amtlich)
Kündigt ein Handelsunternehmen durch Hinweisschilder an, daß auf die reduzierten Preise, mit denen die Waren ausgezeichnet sind, an der Kasse ein nochmaliger prozentualer Nachlaß gewährt werde, ist der darin liegende Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 1 PAngV regelmäßig geeignet, den Wettbewerb auf dem maßgeblichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).
Normenkette
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2; PAngV § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Aktenzeichen 2 U 129/96) |
LG Stuttgart (Aktenzeichen 10 KfH O 45/96) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. November 1996 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 15. Mai 1996 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, erwirkte gegen die Klägerin, eine Kaufhauskette, ein durch Nichtannahme der Revision (Beschluß des Senats v. 23.6.1994 - I ZR 244/93) rechtskräftig gewordenes Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. November 1993. Der Klägerin ist danach unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken anläßlich eines Abschnittsschlußverkaufes Preisauszeichnungen bei reduzierten Artikeln vorzunehmen, sofern die tatsächlich berechneten Preise nicht den an der Ware angegebenen Preisen entsprechen und dies dadurch geschieht, daß an der Kasse von dem an der Ware selbst ausgezeichneten Preis, wie an anderer Stelle angekündigt, ein bestimmter Prozentsatz in Abzug gebracht wird.
Diesem Urteil lag zugrunde, daß die Klägerin gegen Ende des Sommerschlußverkaufs 1993 durch blickfangmäßig herausgestellte Hinweise in ihren Geschäftsräumen wie „Für jeden Artikel an der Kasse nochmals 20 % Vergütung” und „Bereits großzügig reduzierte Ware nochmals 20 % günstiger – Abzug an den Kassen” damit geworben hatte, daß von den bereits reduzierten, an der Ware ausgezeichneten Preisen an der Kasse nochmals 20 % abgezogen werden. Die Preisauszeichnungen an der Ware selbst hatte die Klägerin nicht entsprechend verändert.
Das Landgericht hatte hierin einen Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 1 PAngV gesehen, da der tatsächliche Endpreis der Ware nicht ausgewiesen sei und die Klägerin sich hierdurch gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern einen ungerechtfertigten wirtschaftlichen Vorsprung verschaffe.
Die Klägerin hat nunmehr mit der im März 1996 erhobenen Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht, durch die am 1. August 1994 in Kraft getretene Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG sei dem Urteil die Grundlage entzogen, da der Beklagte nur noch zur Verfolgung solcher Wettbewerbsverstöße klagebefugt sei, die geeignet seien, den Wettbewerb auf dem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Dies sei bei dem vorliegend in Frage stehenden Verstoß gegen die Preisangabenverordnung nicht der Fall.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. November 1993 für unzulässig erklärt.
Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. November 1993 für unzulässig gehalten. Es hat dazu ausgeführt:
Nach Inkrafttreten der Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zum 1. August 1994 sei der Beklagte wegen des hier gegebenen Verstoßes gegen § 1 UWG i.V. mit § 1 PAngV nicht mehr klagebefugt, weil der Verstoß nicht geeignet sei, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Die Klägerin könne diesen Einwand im Wege der Vollstreckungsgegenklage verfolgen.
Der Beklagte habe die Verkaufsaktion der Klägerin nur unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 PAngV angegriffen und lediglich beanstandet, daß die „tatsächlich berechneten Preise nicht den an der Ware angegebenen Preisen entsprechen”. Gegenstand des Verfahrens sei somit nicht die nochmalige Preisherabsetzung als solche und insbesondere die hierauf blickfangmäßig gerichtete Werbung mit nochmaligen prozentualen Preisnachlässen gewesen. Ob die Werbehinweise als solche zu beanstanden gewesen seien, könne daher dahingestellt bleiben. Einen Verstoß gegen das Rabattgesetz habe der Beklagte seinerzeit nicht geltend gemacht, so daß er auch nicht zur weiteren Begründung des nun mit der Vollstreckungsgegenklage angegriffenen Urteils nachgeschoben werden könne.
Durch den somit allein zu würdigenden Verstoß gegen die Preisangabenverordnung würden Interessen der Verbraucher nicht nachhaltig berührt. Die Preisangabenverordnung diene der Preiswahrheit und Preisklarheit. Für den Kunden solle in unmißverständlicher und unzweifelhafter Weise der Endpreis, den er für die angebotenen Waren zu zahlen habe, deutlich werden. Diesem Ziel habe die Klägerin durch die allgemeinen, blickfangmäßig herausgestellten Hinweise auf die von ihr vorgenommene Preisherabsetzung Rechnung getragen. Der Verbraucher sei durch diese über den wahren Preis informiert worden. Wenn auch der verlangte Preis nicht auf jeder Ware ausgezeichnet sei, sei er doch aufgrund der von der Klägerin angebrachten Hinweise zumindest errechenbar, wobei die vorliegend allein in Frage stehende Reduzierung in Zehnerschritten auch ein im Rechnen eher schwacher Verbraucher nachvollziehen und so den tatsächlichen Preis ermitteln könne. Der Verbraucher solle durch die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit insbesondere davor geschützt werden, daß er von einem geringeren als dem tatsächlich verlangten Preis ausgehe. Diese Gefahr könne vorliegend weitgehend vernachlässigt werden, da auf der Ware ein höherer Preis als der tatsächlich verlangte ausgewiesen worden sei und daher eher die Gefahr bestehe, daß der Verbraucher bei Prüfung des Preises nicht bedenke oder vergesse, daß er auf den angegebenen Preis noch einen Abschlag erhalte, als daß er sich bei Berechnung der Preisreduzierung verrechne und einen niedrigeren als den tatsächlich verlangten Preis ermittele. Somit habe die Klägerin durch die fehlende Preisauszeichnung auch keinen erheblichen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Wettbewerbern erzielt.
Vorteile habe die Klägerin lediglich dadurch, daß sie sich den Aufwand für die Auszeichnung der neuen Preise erspare. Dieser Wettbewerbsvorsprung sei aber nicht so schwerwiegend, daß er zu einem wesentlichen Wettbewerbsverstoß führen könne. Erspart würden nur die Kosten der Auszeichnung der zweiten Preisreduzierung im Rahmen des Schlußverkaufs, die zu einer Zeit stattfinde, zu der bereits ein großer Teil der Schlußverkaufsware abgesetzt worden sei. Auch sei zu berücksichtigen, daß der ersparte Preisauszeichnungsaufwand lediglich zweimal jährlich, nämlich anläßlich der Schlußverkäufe, in Betracht komme. Im Rahmen der Gesamtkalkulation falle der ersparte Aufwand daher nicht ins Gewicht. Auch sei bei der Vielzahl der Mitarbeiter der Klägerin davon auszugehen, daß sie die Preisauszeichnungen ohne erhebliche zusätzliche Personalkosten bewerkstelligen könnte. Der Wettbewerb werde auch dann nicht wesentlich beeinträchtigt, wenn in vergleichbaren Situationen auch die Konkurrenten der Klägerin sich entsprechend verhielten. Eine mögliche Nachahmungsgefahr falle nicht ins Gewicht.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt – unter Aufhebung des angefochtenen Urteils – zur Abweisung der Klage.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die zulässige Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) unbegründet, da der Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 1 PAngV vorliegend geeignet ist, den Wettbewerb auf dem hier maßgeblichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin die Möglichkeit offensteht, die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. November 1993 im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklären zu lassen, wenn die Sachbefugnis des Beklagten entfallen wäre (BGHZ 133, 316, 323 - Altunterwerfung I). Das aber ist vorliegend nicht der Fall.
2. Die Frage, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb auf dem relevanten örtlichen und sachlichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen, bestimmt sich im Einzelfall nach Art und Schwere des jeweiligen Verstoßes und den von ihm zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen u.a. ein besonderes Interesse der Allgemeinheit einschließlich der Verbraucher, eine besondere Anreizwirkung der Werbung für den Umworbenen sowie die Größe des erzielten Wettbewerbsvorsprungs gehören können (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 138/92, GRUR 1995, 122, 124 = WRP 1995, 104 - Laienwerbung für Augenoptiker; Urt. v. 19.1.1995 - I ZR 209/92, GRUR 1995, 419, 422 = WRP 1995, 386 - Knoblauchkapseln; BGHZ 133, 316, 318 - Altunterwerfung I; BGH, Urt. v. 30.1.1997 - I ZR 20/94, GRUR 1997, 927, 929 = WRP 1997, 846 - Selbsthilfeeinrichtung der Beamten; Beschl. v. 30.4.1998 - I ZR 40/96, GRUR 1998, 955 f. = WRP 1998, 867 - Flaschenpfand II). Bei der hiernach gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände hat das Berufungsgericht wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt und ist so rechtsirrig zu der Auffassung gelangt, der Verstoß gegen die Preisangabenverordnung sei nicht geeignet, den Wettbewerb auf dem hier maßgeblichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen.
Die Erwägung des Berufungsgerichts, die Ziele der Preisangabenverordnung seien nicht verletzt, weil der Endpreis unschwer auszurechnen sei, greift nicht durch. Zweck der Preisangabenverordnung ist es, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1993 - I ZR 218/91, GRUR 1994, 222, 224 = WRP 1994, 101 - Flaschenpfand I; Urt. v. 28.11.1996 - I ZR 197/94, GRUR 1997, 767, 769 = WRP 1997, 735 - Brillenpreise II). Dem wird nur dann genügt, wenn der Verbraucher hinreichend deutlich erkennt, zu welchem Preis er die Ware erwerben kann. Das ist aber nicht gewährleistet, wenn die Ware selbst nicht mit dem Endpreis ausgezeichnet ist, dieser vielmehr erst durch einen mehr oder weniger schwierigen zusätzlichen Rechenvorgang ermittelt werden muß. Damit wird dem Gebot der Preistransparenz nicht genügt und wesentlichen Interessen der Allgemeinheit nicht genügend Rechnung getragen. Die Möglichkeit des Preisvergleichs, der als ein unerläßlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch die Preisangabenverordnung geschützt ist, wird erheblich erschwert. Es ist auch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nach der allgemeinen Lebenserfahrung eher fernliegend, daß es den Verbrauchern ohne weiteres möglich ist, den exakten Preis rechnerisch dadurch zu ermitteln, daß von dem ausgezeichneten Preis ein prozentualer Abzug gemacht wird. Denn es geht – anders als vom Berufungsgericht angenommen – keineswegs nur um einfache Rechnungen in „Zehnerschritten”. Das Verbot erfaßt Preisreduzierungen mit allen denkbaren Prozentsätzen. Die mit der Preisangabenverordnung verfolgten Ziele werden nicht unerheblich gefährdet, wenn Verbraucher auf eigene – nicht für alle einfache – Rechenüberlegungen verwiesen werden, um einen Preisvergleich vornehmen zu können.
Das Berufungsgericht hat ferner dem Vortrag der jetzigen Klägerin und damaligen Beklagten im Vorprozeß vor dem Landgericht Stuttgart, eine Einzelpreiskorrektur bei rund 900.000 Artikeln sei – auch im Kosteninteresse des Verbrauchers – im Schlußverkauf nicht zumutbar, nicht die für die Beurteilung der Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs notwendige Bedeutung beigemessen. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin deutlich gemacht, daß die Kosten der Auszeichnung nicht nur die Gewinne ihres Unternehmens betreffen, sondern sich auch in den Verbraucherpreisen niederschlagen (vgl. dazu BGHZ 120, 320, 325 - Tariflohnunterschreitung). Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß im Rahmen der Gesamtkalkulation der ersparte Aufwand nicht ins Gewicht falle. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, daß ihre Position im Wettbewerb durch einen Verzicht auf eine erneute Preisauszeichnung der einzelnen Ware nicht unerheblich verbessert wird. Damit sind die Interessen der Mitbewerber – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – wesentlich berührt. Zudem besteht wegen der mit der gebotenen zusätzlichen Preisauszeichnung verbundenen wirtschaftlichen Belastungen der Handelsunternehmen auch eine besonders große Gefahr der Nachahmung. Es ist Sache des Gesetzgebers, das von der Klägerin angewandte Verfahren der Ankündigung von abermaligen Preisherabsetzungen im Verlaufe von Saisonabschlußverkäufen vom Verbot der Preisangabenverordnung freizustellen, sofern – wie von der Klägerin vorgebracht – beim Handel allgemein ein entsprechendes Interesse besteht und dieses gegenüber dem Interesse der Verbraucher als vorrangig bewertet wird.
Der Beklagte ist nach alledem auch nach Inkrafttreten des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1738) nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG befugt, Verstöße der Klägerin gegen das Verbot des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 18. November 1993 zu verfolgen.
III. Danach war auf die Revision des Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Mees, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.02.1999 durch Küpferle Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538579 |
BB 1999, 1403 |
DB 1999, 2208 |
NJW 1999, 2195 |
EBE/BGH 1999, 175 |
GRUR 1999, 762 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1475 |
GewArch 1999, 424 |
MDR 1999, 1216 |
WRP 1999, 845 |
NJWE-WettbR 1999, 193 |