Leitsatz (amtlich)
Ein System zur Sammlung von Altkleidung, bei dem für gebrauchte, aber noch tragfähige Kleidung Wertgutscheine ausgegeben werden (je nach Zustand zwischen 5 bis 50 DM), die beim Einkauf in Höhe des Zehnfachen des Nennwertes des Gutscheins bei bestimmten Einzelhändlern in Zahlung gegeben werden können, ist grundsätzlich weder als unzulässige Wertreklame noch als Rabattverstoß zu beanstanden.
Normenkette
UWG § 1; RabattG §§ 1-2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Aktenzeichen 6 U 72/95) |
LG Lübeck (Aktenzeichen 8 O 119/95) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 29. Oktober 1996 und auf den Einspruch der Beklagten wird das Versäumnisurteil vom 28. Mai 1996 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Lübeck vom 26. September 1995 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die der Beklagten auferlegt werden.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte hat ein System zur Sammlung gebrauchter Textilien entwickelt, mit dem sie seit Mai 1995 – auch unter Mitwirkung von Franchise-Nehmern – auf dem Markt tätig ist. Durch sog. Annahmestellen (überwiegend Wäschereien) nimmt sie gebrauchte, noch tragfähige Kleidung an. Die Einlieferer erhalten hierfür sog. Wertgutscheine in unterschiedlicher Höhe, die sich nach den Vorgaben der Beklagten nach der Art und dem Erhaltungszustand der gebrauchten Kleidung richten, z.B. für einen Anzug, Kostüm oder Mantel bis 20 DM, wobei die Wertgutscheine in der Stückelung von 5 bis 50 DM ausgegeben werden. Diese Wertgutscheine können bei sog. Akzeptanzstellen (= Einzelhändler, die überwiegend der Textilbranche angehören) beim Kauf neuer Waren eingelöst werden. Dabei muß der Bareinkaufswert mindestens das Zehnfache des Nennwerts des Gutscheins betragen. Die Wertgutscheine werden von der Beklagten den Einzelhändlern nicht durch Zahlung eines Entgelts erstattet; die Beklagte wertet vielmehr den Aufwand der Einzelhändler durch die Inzahlungnahme der Gutscheine als Vergütung der von ihr für die Einzelhändler erbrachten Werbeleistungen, insbesondere durch den Aufdruck ihrer Geschäftsbezeichnungen auf den Wertgutscheinen, und erteilt den Einzelhändlern eine Rechnung für erbrachte Werbemaßnahmen in Höhe der Summe der von den Einzelhändlern an sie zurückgegangenen Wertgutscheine. Die Beklagte hat die Zahl der Akzeptanzstellen im Oktober 1996 für alle Bundesländer mit insgesamt 2.000 bis 3.000 angegeben.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat dieses System beanstandet, weil die Beklagte als Störerin an einem Rabattverstoß mitwirke, und ferner, weil die Inhaber der Wertgutscheine – in unlauterer Weise angelockt – einem Kaufzwang ausgesetzt seien und über die Möglichkeit der Einlösung der Gutscheine wegen des damit verbundenen Rabattverstoßes irregeführt würden.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Wertgutscheine gegen Hingabe von Textilien auszugeben und/oder ausgeben zu lassen und/oder mit Dritten Verträge über die Ausgabe von solchen Wertgutscheinen zu schließen, die von bestimmten Gewerbetreibenden auf Warenverkäufe und/oder nach Inanspruchnahme gewerblicher Leistungen zur teilweisen Tilgung der zu zahlenden Entgelte und im Rahmen vertraglicher Verpflichtungen einzulösen sind, sowie in öffentlichen Mitteilungen zu Wettbewerbszwecken für das vorbeschriebene System der Ausgabe und Verrechnung von Wertgutscheinen zu werben.
Es hat die Beklagte ferner verurteilt, an die Klägerin 267,50 DM nebst Zinsen als Auslagenersatz zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten, die zunächst durch Versäumnisurteil zurückgewiesen worden ist, ist nach dem Einspruch der Beklagten ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten im Ergebnis bestätigt. Es hat dazu ausgeführt:
Ein Anspruch aus § 3 UWG sei nicht gegeben. Das Vorbringen der Klägerin, ein nicht unerheblicher Teil der umworbenen Kunden nehme an, die Hingabe der Wertgutscheine sei bei den sog. Akzeptanzstellen ohne weiteres möglich, während dem rabattrechtliche Gründe entgegenstünden, begründe keine Irreführung. Denn ein Kunde mache sich in aller Regel keine Gedanken über die rabattrechtliche Zulässigkeit eines solchen Geschäfts.
Auch ein Verstoß gegen §§ 1, 2 RabattG liege nicht vor. Denn der Kunde erhalte aus seiner Sicht keinen Preisnachlaß, sondern bezahle den vollen Preis für die gekaufte Ware. Für ihn stelle sich der unter Verwendung der Gutscheine abgewickelte Einkauf von Waren so dar, daß er einen Teil des Kaufpreises durch den Wertgutschein bezahle. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Wertgutscheine den Wert der in Zahlung gegebenen Kleidung derart überstiegen, daß es sich um einen „verschleierten” Preisnachlaß handele. Das System der Beklagten sei auch nicht darauf angelegt, einen rabattrechtlich unzulässigen Preisnachlaß unter Mitwirkung Dritter zu gewähren. Bei dem Verbraucher entstehe der Eindruck, daß er für den Gutschein einen Gegenwert in Form gebrauchter Kleidung hingegeben habe, so daß er davon ausgehe, daß die bislang nur auf dem Papier stehende finanzielle Vergütung für die Hingabe dieser Kleidung realisiert werde; das aber sei keine Rabattgewährung im Sinne des Gesetzes.
Das System der Beklagten verstoße jedoch gegen § 1 UWG, weil damit Kundenfang in Form der „Wertreklame” betrieben werde. Unzulässig sei insbesondere der rechtliche Kaufzwang, bei dem der Kunde geldwerte Vergünstigungen nur für den Fall in Aussicht gestellt erhielte, daß er Ware oder eine bestimmte Warenmenge kauft. So läge der Fall auch hier. Der Kunde könne den sog. Wertgutschein nur unter bestimmten Voraussetzungen einlösen. Er müsse eine bestimmte Warenmenge und zudem auch bei solchen Händlern kaufen, die als sog. Akzeptanzstellen von der Beklagten in deren System vertraglich eingebunden seien. Zwar seien nach dem Konzept der Beklagten branchenübergreifende Akzeptanzstellen vorgesehen, nämlich nicht nur Textileinzelhandelsgeschäfte und Modehäuser, sondern auch Einzelhandelsgeschäfte anderer Branchen sowie Dienstleistungsunternehmen. Dabei handele es sich aber – bundesweit – insgesamt nur um eine begrenzte Zahl von Unternehmen. Da der Kunde seinen Bedarf in seinem regionalen Bereich nur bei wenigen bestimmten Händlern befriedigen könne, werde er möglicherweise zu für ihn ungünstigen – weil im Vergleich zu anderen Geschäften, z.B. Handelsketten oder Kaufhäusern, zu hohen – Normalpreisen Waren einkaufen. Er werde in dem Bestreben, den Wert der Gutscheine zu realisieren, vielfach von einem echten Preis- und Gütevergleich absehen und somit von einer an sachgerechten Kriterien orientierten Kaufentscheidung abgehalten. Angesichts des nicht ganz unerheblichen Wertes der Gutscheine bestehe auch die Gefahr, daß Kunden mit ihrer Kaufentscheidung nicht warteten, bis sie vielleicht auch einmal in einer der wenigen Akzeptanzstellen ihren Bedarf zu günstigen Bedingungen befriedigen könnten, sondern sie würden ohne längeres Zögern Waren zu ungünstigen Preisen und in größerer als eigentlich benötigter Menge kaufen. Dabei handelten sie in dem – nicht von vernünftigen Überlegungen motivierten – Bestreben, den Wert des Gutscheins oder die Möglichkeit zur Realisierung nicht durch zu langes Zuwarten „aufs Spiel zu setzen”, sondern um möglichst früh in den Genuß eines sonst nicht möglichen geldwerten Vorteils zu kommen.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung.
Die Durchführung des von der Beklagten entwickelten Systems zur Sammlung gebrauchter Textilien und die Werbung hierfür sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die mit dem Altkleidersammelsystem der Beklagten verbundene Ausgabe und Einlösung von Wertgutscheinen sei als nach § 1 UWG unzulässige Wertreklame zu beurteilen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend beachtet, daß die Besonderheit der sog. Wertreklame im Vergleich zur Bild- und Wortreklame darin besteht, daß dem Kunden zu Werbezwecken geschenkweise eine Vergünstigung gewährt wird. Es hat auch berücksichtigt, daß Werbegeschenke nicht ohne weiteres unzulässig sind. Es müssen vielmehr im Einzelfall weitere Umstände hinzutreten, die die Vergünstigung als sittenwidrig erscheinen lassen. Für die Einordnung ist insbesondere entscheidend, ob sich ein Werbegeschenk nach Zweck und Wirkung noch im Rahmen einer Aufmerksamkeitswerbung entsprechend der Wort- und Bildreklame hält. Das ist dann zu verneinen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise durch die besondere Art und Ausgestaltung des Werbegeschenks in ihren wirtschaftlichen Entschließungen in unsachlicher Weise beeinflußt werden (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 13.6.1973 - I ZR 65/72, GRUR 1974, 345, 346 = WRP 1974, 23 - Geballtes Bunt; Urt. v. 26.3.1998 - I ZR 231/95, GRUR 1998, 1037, 1038 = WRP 1998, 727 - Schmuck-Set, m.w.N.). Denn es ist mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht zu vereinbaren, daß der umworbene Verbraucher verleitet wird, seine Kaufentscheidung statt nach Preiswürdigkeit und Qualität der angebotenen Ware danach zu treffen, ob ihm beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt werden (BGH, Urt. v. 7.5.1992 - I ZR 176/90, GRUR 1992, 621, 622 = WRP 1992, 644 - Glücksball-Festival). Für die Beurteilung der Wertreklame als unlauter ist demnach maßgeblich darauf abzustellen, ob die in der Werbung in Aussicht gestellte Gratisgabe die Kaufentscheidung des Kunden in dem beschriebenen Sinne entscheidend zu beeinflussen und ihn davon abzuhalten vermag, sich mit den Angeboten der Mitbewerber zu befassen. Ein starker Kaufanreiz geht dabei erfahrungsgemäß von der mit einem rechtlichen Kaufzwang verbundenen Wertreklame aus, bei der eine Geldzuwendung vom Kauf einer Hauptware abhängig gemacht wird (vgl. BGH GRUR 1974, 345, 346 - Geballtes Bunt; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., § 1 UWG Rdn. 88; Köhler/Piper, UWG, § 1 Rdn. 42).
b) Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht diese Anforderungen an eine unzulässige Wertreklame in der Erscheinungsform des rechtlichen Kaufzwangs im Streitfall rechtsfehlerhaft bejaht hat.
aa) Dem Berufungsurteil lassen sich bereits keine hinreichenden Feststellungen dazu entnehmen, ob vorliegend überhaupt eine besondere Vergünstigung gewährt wird. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es das Vorliegen eines Rabattverstoßes verneint (vgl. nachfolg. unter II. 2. b), sprechen eher dagegen. Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei ausgeführt, daß sich das beanstandete System der Beklagten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus der Sicht des Verkehrs so darstelle, daß er keinen Preisnachlaß erhalte, sondern für die Ware den vollen Wert bezahle; denn für den Wertgutschein habe er seinerseits einen Wert in Form von Waren (gebrauchte Textilien) hingegeben, ohne daß festgestellt werden könne, daß der Wert des Gutscheins den Wert der gebrauchten Kleidung derart übersteige, daß von einem „verschleierten” Preisnachlaß ausgegangen werden könne. Bei dieser Sicht stellt sich die Ausgabe der streitgegenständlichen Wertgutscheine für den Verkehr nicht als eine geschenkweise gewährte Vergünstigung dar.
Eine solche Vergünstigung kann entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht darin gesehen werden, daß der Kunde für seine gebrauchten, aber noch tragfähigen Kleidungsstücke, die er sonst vielleicht entsorgt oder unentgeltlich in eine Altkleidersammlung gegeben hätte, noch ein Entgelt erhält. Dabei bliebe unberücksichtigt, daß gebrauchte Kleidung nicht ohne jeden Wert ist. Es ist heute allgemein bekannt, daß gebrauchte Kleidung – wovon die Revisionserwiderung in anderem Zusammenhang selbst ausgeht (RE 10) –, in Geschäften für sog. Second-hand-Ware veräußert wird und damit aus der Sicht des Verkehrs noch einen gewissen Wert besitzt. Der Umstand, daß der Verkehr diesen Wert – aus karitativen Gründen oder aus Bequemlichkeit – vielfach nicht realisiert, ändert daran nichts. Erkennt das beteiligte Publikum, daß seine gebrauchten Sachen, für die es den Gutschein erhält, nicht völlig wertlos sind, so wird es in dem Gutschein jedenfalls keine unentgeltliche Zuwendung sehen.
bb) Dem Berufungsgericht kann aber auch nicht darin beigetreten werden, daß das System der Beklagten geeignet sei, den Kunden zu sachfremden Überlegungen und Kaufentscheidungen zu veranlassen. Das Berufungsgericht hat maßgebend darauf abgestellt, daß der Kunde den Gutschein in seinem regionalen Bereich nur bei wenigen – zudem überwiegend der Textilbranche angehörenden – Einzelhändlern einlösen könne; er werde dadurch von einem echten Preis- und Gütevergleich und der Inanspruchnahme von Sonderangeboten anderer Unternehmen abgehalten und überdies zu übereilten Kaufentscheidungen veranlaßt. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Sie beruft sich auf das – vom Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigte – unwidersprochen gebliebene Vorbringen der Beklagten, wonach sich seit Einführung im Jahre 1995 in kürzester Zeit zahlreiche Akzeptanzstellen dem von der Beklagten entwickelten und ständig expandierenden System angeschlossen hätten. Bei diesen Stellen handelt es sich nicht nur um Textilgeschäfte, sondern um Anbieter der unterschiedlichsten Branchen. Die Beklagte hat beispielhaft angeführt, daß allein im Bereich Bamberg/Erlangen/Schweinfurt folgende Geschäftszweige an dem System beteiligt seien: Schuhgeschäfte, Sportgeschäfte, Kosmetikstudio, Restaurants, Videoland, Sonnenstudios, Spielwarengeschäft, Hifi-Geschäft, Samen- und Zoohandlung, Schmuckgeschäft, Friseur, Bastelgeschäft, Elektrogeschäft sowie zahlreiche Boutiquen. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, daß die Beklagte sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im Oktober 1996, in dem die Zahl ihrer Akzeptanzstellen nach ihren Angaben bundesweit bereits 2.000 bis 3.000 betrug, noch in der Aufbauphase befunden hat. Für diese Zeit sind ohnehin keine überhöhten Anforderungen zu stellen; vielmehr ist aufgrund der bisherigen Entwicklung zugunsten der Beklagten von einer weiteren Steigerung auszugehen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auch nicht alle Umstände in seine Erwägungen einbezogen. Bei seiner Annahme, angesichts des nicht ganz unerheblichen Wertes der Gutscheine (von 5 bis 50 DM) bestehe die Gefahr, daß die Kunden Ware ohne längeres Zuwarten zu ungünstigen Preisen und in größerer als eigentlich benötigter Menge kauften, hat es unberücksichtigt gelassen, daß die Gutscheine nur bei Einkäufen in Höhe des Zehnfachen ihres Nennbetrages eingelöst werden können. Bei Einkäufen in einer solchen Größenordnung erscheint es aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung wenig naheliegend, daß Kunden sich zu einem völlig unüberlegten und von sachfremden Erwägungen geleiteten Spontankauf ohne jeglichen Preis- oder Gütevergleich entschließen, nur um in den Genuß des jedenfalls im Vergleich zum Gesamtkaufpreis relativ geringen Gutscheinwertes zu gelangen.
Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, Kunden würden zu einer raschen Einlösung der Gutscheine gedrängt und würden deren Wert nicht durch zu langes Zuwarten „aufs Spiel setzen”, sondern möglichst früh in den Genuß eines sonst nicht möglichen geldwerten Vorteils kommen wollen, spricht aber vor allem der von der Revision angeführte Umstand, daß die Gutscheine kein Verfalldatum enthalten und daher unbegrenzt gültig sind.
c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist in der Ausgabe und dem Einlösen der Gutscheine auch kein nach § 1 UWG unzulässiges Vorspannangebot, das ebenfalls zu den Erscheinungsformen der Wertreklame gehört, zu sehen. Die damit angesprochene Werbemethode besteht darin, daß als Lockmittel für den Kauf einer zu marktüblichen Preisen angebotenen Hauptware eine andere – meist betriebs- oder branchenfremde – Ware zu einem besonders günstig erscheinenden Preis derart angeboten wird, daß die Nebenware nicht ohne die Hauptware abgegeben wird (vgl. BGHZ 65, 68, 69, 71 f. - Vorspannangebot; BGH, Urt. v. 30.6.1976 - I ZR 119/74, GRUR 1976, 637, 638 = WRP 1976, 555 - Rustikale Brettchen; Urt. v. 30.6.1976 - I ZR 150/75, GRUR 1977, 110, 111 = WRP 1976, 557 - Kochbuch). Danach liegt hier schon begrifflich kein Vorspannangebot vor, da es an einer Kopplung von Haupt- und Nebenware fehlt. Selbst wenn man mit der Revisionserwiderung das Angebot der Beklagten zur Abnahme von Altkleidern einer Nebenware gleichstellen wollte, obwohl die Ware vorliegend gekauft und nicht verkauft wird, wären die Voraussetzungen eines unzulässigen Vorspannangebots zu verneinen. Das Angebot muß so günstig sein, daß von ihm eine erhebliche Anlockwirkung ausgeht, die geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entschließungen unsachlich zu beeinflussen, so daß sie ihre Einkaufsentscheidungen nicht in erster Linie nach Preiswürdigkeit und Qualität treffen, sondern vor allem danach, wie sie in den Genuß der Vergünstigung gelangen können (vgl. BGHZ 65, 68, 72 - Vorspannangebot; BGH GRUR 1976, 637, 638 - Rustikale Brettchen; 1977, 110, 111 - Kochbuch). Diese Anforderungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Dies ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen unter II. 1. b) zur Frage der unzulässigen Wertreklame in der Erscheinungsform des rechtlichen Kaufzwangs.
Nach alledem ist das angegriffene System der Beklagten nicht unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Wertreklame zu beanstanden, da es sowohl an einer schenkweise gewährten Vergünstigung bzw. einer besonderen Preisgünstigkeit als auch an dem Erfordernis sachfremder Einflüsse auf die Kaufentscheidung fehlt.
2. Das Berufungsurteil kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten bleiben (§ 563 ZPO).
a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß eine Irreführung nach § 3 UWG verneint. Die von der Revisionserwiderung insoweit vorgebrachten Gegenrügen greifen nicht durch.
aa) Eine Irreführung läßt sich nicht mit dem Vorbringen der Klägerin begründen, ein nicht unerheblicher Teil der umworbenen Kunden nehme an, die Einlösung der Wertgutscheine bei den sog. Akzeptanzstellen sei ohne weiteres möglich, was indessen nicht der Fall sei, weil insbesondere rabattrechtliche Gründe entgegenstünden. Dem steht bereits entgegen, daß die Einlösung der Gutscheine rabattrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. nachfolg. unter II. 2. b). Überdies ist die rabattrechtliche Beurteilung für die Verkehrserwartung ohne Bedeutung, da sich der Verkehr nicht mit rechtlichen Erwägungen aufhält (vgl. BGH GRUR 1974, 345, 346 - Geballtes Bunt; BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 187/97, GRUR 1999, 264, 266 = WRP 1999, 90 - Handy für 0,00 DM). Die Erwartung der angesprochenen Verkehrskreise wird losgelöst von rechtlichen Erwägungen lediglich dahin gehen, daß der Wertgutschein bei den genannten Akzeptanzstellen auch eingelöst werden kann. Anhaltspunkte dafür, daß dies nicht der Fall ist, lassen sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen und werden von der Revisionserwiderung auch nicht vorgebracht.
bb) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung läßt sich eine Irreführung auch nicht mit der Erwägung begründen, das beanstandete System der Beklagten diene – für den Verkehr nicht erkennbar – lediglich der kostenlosen Altkleiderbeschaffung für die Beklagte. Denn der Händler, der bei Entgegennahme des Gutscheines einen 10%igen Preisnachlaß auf seinen Normalpreis gewähre, erhalte den entsprechenden Betrag nicht von der Beklagten erstattet, sondern es erfolge nur eine Verrechnung mit einer angeblichen Werbeleistung. Es ist indessen nicht ersichtlich, daß ein etwaiger Irrtum der Käufer über die Hintergründe der Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und den Akzeptanzstellen für ihre Kaufentscheidung relevant ist. Die Motive, aus denen heraus ein Kaufmann seine geschäftlichen Dispositionen trifft, sind für die Kaufentscheidung des Kunden nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig ohne Bedeutung.
b) Das Berufungsgericht hat auch einen Rabattverstoß nach §§ 1, 2 RabattG rechtsfehlerfrei verneint. Die Betreiber der Akzeptanzstellen gewähren den Kunden, die die Altkleider-Wertgutscheine einlösen, keinen Rabatt i.S. des § 1 Abs. 2 RabattG. Die Kunden erhalten keinen Preisnachlaß, sondern sie haben den allgemein verlangten Normalpreis zu zahlen, wobei ein Teil des Kaufpreises durch Hingabe des Wertgutscheins beglichen wird.
Die Frage, ob der Kaufmann einen Preisnachlaß einräumt, entscheidet sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise (vgl. BGHZ 117, 230, 233 - Rent-o-mat; Köhler/Piper aaO § 1 RabattG Rdn. 23 m.w.N.). Nach den vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen, begleicht der Kunde aus seiner Sicht den vollen Kaufpreis für die Ware. Für ihn stellt sich die Kaufpreiszahlung wirtschaftlich so dar, daß er einen Teil des Kaufpreises durch Hingabe des Wertgutscheines bezahlt, für den er seinerseits einen Wert in Form von Waren (gebrauchte Kleidung) hingegeben hat. Er hat bei dieser Sicht keinen Anlaß zu der Annahme, ihm werde ein Sonderpreis gewährt. Das Berufungsgericht hat auch keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, daß der in den Wertgutscheinen ausgewiesene Betrag nicht dem wirtschaftlichen Wert der gebrauchten Kleidung entspräche. Gerade der Umstand, daß die Annahmestellen die Wertgutscheine nicht in einer von vornherein festgelegten Höhe ausgeben, sondern – dem Zustand der Altkleidung entsprechend – unterschiedliche Beträge festsetzen, macht dem Verbraucher deutlich, daß bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise durch die Verwendung der Wertgutscheine der Teil des Kaufpreises, der dem Wert der gebrauchten Kleidung entspricht, durch die Inzahlungnahme der Altkleidung erfolgt.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist das System der Beklagten auch – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – nicht unter dem Gesichtspunkt eines rabattrechtlich unzulässigen Preisnachlasses unter Mitwirkung Dritter zu beanstanden (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl aaO § 1 RabattG Rdn. 56, 57 sowie 57a und 57b). Zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen Rabattverstoß in dieser Form bereits deshalb verneint, weil er ebenfalls voraussetzt, daß der Kunde – durch wen auch immer – überhaupt einen Preisnachlaß erhält. Daran fehlt es angesichts der Feststellungen des Berufungsgerichts, daß der wirtschaftliche Wert der gebrauchten Kleidung aus der Sicht des Kunden dazu dient, einen Teil des Preises beim Kauf von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu begleichen.
III. Danach war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil und auf den Einspruch der Beklagten das Versäumnisurteil aufzuheben. Auf die Berufung der Beklagten war die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 344 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Mees, Starck, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.01.1999 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538539 |
DB 1999, 1953 |
EBE/BGH 1999, 170 |
NJW-RR 2000, 117 |
EWiR 1999, 571 |
GRUR 1999, 755 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1433 |
WRP 1999, 828 |