Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. August 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit zwei notariellen Verträgen vom 15. Mai 1992 kaufte die Rechtsvorgängerin der Klägerin von der Beklagten zur Grube Teutschenthal gehörende Betriebsgrundstücke nebst Zubehör sowie von der Treuhandanstalt das Bergwerkseigentum an den Feldern Teutschenthal/Angersdorf und Salzmünde. Der mit der Beklagten geschlossene Vertrag regelt deren Haftung – soweit hier von Interesse – wie folgt:
§ 6 Abs. 7
Für die vor dem Übergabestichtag verursachten Schäden, die aus dem Betrieb des Bergwerkes herrühren, übernimmt der Käufer die Bergschadenshaftung; ausgenommen von dieser Haftungsübernahme sind solche Schäden, die durch einen Gebirgsschlag oder vergleichbare schwerwiegende geologische oder bergtechnische Ereignisse entstehen, soweit ein Gebirgsschlag oder die genannten Ereignisse durch bergbauliche Tätigkeit vor dem Übergabestichtag verursacht wurden. … Sobald Schäden der vorgenannten Art auftreten und Schadensersatzansprüche gegenüber einer Vertragspartei durch Dritte geltend gemacht werden oder die Vornahme von Handlungen von einer Vertragspartei entgegen der vorstehenden Haftungszuordnung verlangt wird, stellen sich die Vertragsparteien gemäß dieser Haftungszuordnung gegenseitig frei und unternehmen alle notwendigen Schritte, um mögliche Nachteile von der jeweils anderen Vertragspartei abzuwenden.
§ 9 Abs. 1
Der Verkäufer übernimmt wegen der Größe, Beschaffenheit und etwaiger Mängel der Kaufgegenstände keinerlei Gewähr. Der Verkäufer haftet insbesondere nicht für Altlasten oder für Umstände, die Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften darstellen, gleich, ob diese Grund und Boden oder Gebäude betreffen.
§ 9 Abs. 3
Über die in dem Vertrag getroffenen Regelungen hinaus stehen dem Käufer gegen den Verkäufer keine anderen oder weitergehenden Gewährleistungs-, Schadensersatz- oder Freistellungsansprüche zu, gleich welcher Art sie sind oder aus welchem Rechtsgrund sie hergeleitet werden könnten; insbesondere sind das Recht auf Wandlung des Vertrages wie auch Schadensersatzansprüche, etwa wegen positiver Vertragsverletzung oder Verschuldens bei Vertragsschluß … ausgeschlossen.
Der Ausschluß von Schadensersatzansprüchen gilt nicht, wenn dem Verkäufer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
In dem von der Klägerin erworbenen Bergwerk hatte bis 1982 der VEB Kali- und Steinsalzbetrieb „Saale” Staßfurt bergmännisch Kali- und Steinsalze gewonnen. Die Beklagte war nach mehreren Umstrukturierungen Inhaberin des Werkes Teutschenthal geworden.
Am 11. September 1996 kam es in dem Ostfeld des Bergwerks zu einem Gebirgsschlag mit erdbebenähnlichen Auswirkungen, durch den nach ihrer Behauptung auch die Klägerin erhebliche Verluste an dem von ihr zum Versatz mit Abfallstoffen genutzten Bergwerk erlitt. Mit der Klage hat sie von der Beklagten als Teilbetrag Schadensersatz in Höhe von 8.847.771 DM gefordert. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ersatzansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil im ZfB 140 (1999), 291 abgedruckt ist, steht der Klägerin weder ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz ihrer Eigenschäden noch ein vertraglicher Ausgleichsanspruch zu. Nach dem Berggesetz der DDR, das im Streitfall Anwendung finde, sei die Klägerin vielmehr selbst zum Bergschadensersatz verpflichtet. Als nunmehriger Betreiber der bergbaulichen Anlage müsse jetzt sie als der verursachende Betrieb im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 BergG angesehen werden, ohne Rücksicht darauf, ob der Bergschaden durch ihre eigene Tätigkeit herbeigeführt worden sei oder, wie die Klägerin behauptet habe, durch die bis 1982 erfolgte Salzgewinnung. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte könne die Klägerin auch nicht aus § 6 Abs. 7 des Kaufvertrags herleiten. Mit dieser Bestimmung werde lediglich eine interne Verteilung der gesetzlichen Bergschadenshaftung geregelt. Da ein gesetzlicher Bergschadensersatzanspruch der Klägerin gegen sich selbst nicht bestehe, gehe ihre Forderung auf Erstattung ihrer Eigenschäden ins Leere.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Allein auf das Berggesetz der ehemaligen DDR gestützte Schadensersatzansprüche der Klägerin kommen nicht in Betracht, ohne daß es dafür auf die vom Berufungsgericht im einzelnen geprüften tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs ankäme. Sie scheitern jedenfalls an dem Ausschluß aller über die vertraglichen Haftungsbestimmungen hinausgehenden Schadensersatzansprüche in § 9 Abs. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags. Das kann der Senat, da das Berufungsgericht eine umfassende Auslegung dieser Klausel nicht vorgenommen hat und weitere Feststellungen hierzu nicht zu erwarten sind, selbst entscheiden (vgl. hierzu etwa BGHZ 121, 284, 289; BGH, Urteil vom 16. November 1995 – IX ZR 148/94 – NJW 1996, 661, 663). Anders wäre es nach dem letzten Satz der Vertragsklausel nur dann, wenn der Beklagten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fiele. Diese Einschränkung bezieht sich jedoch mangels anderweitigen Parteivortrags nach Sinn und Zweck, ähnlich wie die gesetzliche Regelung in § 476 BGB, nur auf etwaige Pflichtverletzungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Abschluß des Kaufvertrags, nicht auf eine von der Klägerin behauptete frühere Vernachlässigung von Sicherungsvorkehrungen beim Abbau von Bodenschätzen durch den damaligen Betreiber des Bergwerks, wie die Revision meint. Vorsätzliche oder auch nur grob fahrlässige Vertragsverletzungen der Beklagten hat die Klägerin jedoch nicht geltend gemacht.
2. Demgegenüber rügt die Revision mit Erfolg die Auslegung der Haftungsverteilung in § 6 Abs. 7 des Kaufvertrags durch das Berufungsgericht als fehlerhaft. Richtig ist, so versteht der Senat das Berufungsurteil, daß der Wortlaut der Klausel lediglich für eine interne Zuweisung von Bergschadensersatzansprüchen Dritter spricht und deswegen objektiv keine Grundlage für eigene vertragliche Ersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte im Falle eines Gebirgsschlags zu bieten scheint. Der objektive Erklärungssinn bleibt jedoch unbeachtlich, wenn Erklärender und Empfänger übereinstimmend etwas anderes meinen; das gilt auch für beurkundungsbedürftige Erklärungen (st. Rspr.; vgl. BGHZ 87, 150, 152 ff.; BGH, Urteil vom 24. Juli 1998 – V ZR 74/97 – NJW 1998, 3196). Eine vom übereinstimmenden Willen der Parteien abweichende Auslegung kommt unter solchen Umständen nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 14. Februar 1997 – II ZR 32/96 – ZIP 1997, 1205, 1206). Die Feststellung des wirklichen Parteiwillens durch das Gericht setzt allerdings die schlüssige Behauptung voraus, daß die Parteien diesen Willen einander auch zu erkennen gegeben haben (BGH, Urteil vom 30. April 1992 – VII ZR 78/91 – NJW 1992, 2489).
Im Streitfall hatte die Klägerin, worauf die Revision zu Recht hinweist, in ihrer Berufungsbegründung erneut behauptet und durch Zeugnis des gegnerischen Beraters und Verhandlungsbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. B., unter Beweis gestellt, man habe nach dem ausdrücklich übereinstimmenden Willen beider Vertragsparteien bei der Formulierung des Kaufvertrags bewußt nicht zwischen Drittschäden und Eigenschäden unterschieden; die „Freistellung” der Klägerin von Eigenschäden im Falle eines Gebirgsschlags habe hiernach gerade das Hauptziel des § 6 Abs. 7 des Kaufvertrags sein sollen. Diese Behauptung war entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung – jedenfalls in Verbindung mit dem zitierten, weitere Einzelheiten zu Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen enthaltenden erstinstanzlichen Schriftsatz der Klägerin vom 10. November 1997 – noch hinreichend substantiiert. Das Berufungsgericht hätte ihr deswegen nachgehen müssen. Dieser Verpflichtung war es nicht deshalb enthoben, weil es das Vorbringen im Hinblick auf die Interessenlage auf seiten der Beklagten für unwahrscheinlich hielt. Das ist nachzuholen.
Unterschriften
Streck, Schlick, Kapsa, Dörr, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.09.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 510826 |
NJ 2001, 99 |