Leitsatz (amtlich)
Das Berufungsgericht darf die Berufung des Beklagten nicht zurückweisen, ehe es nicht einen vom Beklagten mit der Berufung gerügten Widerspruch im entscheidungserheblichen Klagevortrag aufgeklärt hat.
Normenkette
ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Cottbus |
Brandenburgisches OLG |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. November 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente von 200 DM ab 25. Juli 1996 bestätigt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nahm am 16. Mai 1995 zusammen mit dem Beklagten und anderen Personen an einer Feier im Garten des Zeugen T. teil. Der Beklagte verletzte den Kläger gegen 19.30 Uhr mit einem Schuß aus einem Luftgewehr schwer. Der Kläger ist – trotz zahlreicher und intensiver ärztlicher Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen – seit diesem Unfall nicht mehr in der Lage, seinen Beruf auszuüben. Ab dem 25. Juli 1996 war eine Berufsunfähigkeit zu 100% festgestellt; der Kläger bezieht seitdem eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente. Hinzu treten Renten aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen, nachdem er zuvor Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse und aus privaten Versicherungen ein Krankenhaustagegeld bezogen hatte.
Mit seiner Klage hat der Kläger den Ersatz bezifferter materieller Schäden (vermehrte Aufwendungen, Kleiderschaden, Besuchskosten, Behandlungskosten), ein Schmerzensgeld sowie eine monatlich zu zahlende Rente von 200 DM begehrt. Mit Teilversäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 22. Oktober 1998 ist der Beklagte unter anderem zur Zahlung einer monatlichen Rente von 200 DM verurteilt worden. Der Einspruch des Beklagten und seine Berufung hiergegen blieben ohne Erfolg. Die Revision, mit der der Beklagte sein Ziel auf Abweisung der Klage insgesamt zu 50% weiterverfolgt hat, hat der Senat lediglich hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente von 200 DM seit 25. Juli 1996 angenommen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Rente im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch gemäß § 843 Abs. 1 1. Alternative BGB in der zugesprochenen Höhe zu. Infolge der vom Beklagten zu vertretenden Verletzung sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers vollständig aufgehoben worden. Der Höhe nach sei eine Rente von 200 DM/Monat jedenfalls gerechtfertigt, ohne daß es darauf ankomme, ob Einkünfte des Klägers im Jahre 1995 zu berücksichtigen seien. Jedenfalls auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1994 ergebe sich ein monatlicher Verdienstausfall von 2.547,48 DM, der sich nach Abzug einer privaten Berufsunfähigkeitsrente sowie der Erwerbsunfähigkeitsrente auf 618,25 DM verringere. Hiervon seien weitere Abzüge nicht vorzunehmen, weil nicht das Nettogehalt, sondern das Bruttoeinkommen des Klägers maßgeblich sei. Der Geschädigte müsse sowohl die Rente versteuern wie auch eine Altersvorsorge treffen.
II.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Der Beklagte ist allerdings – wie infolge der Nichtannahme der Revision im übrigen feststeht – dem Grunde nach zu Recht zur Leistung von Schadensersatz verurteilt worden, ohne daß ein Mitverschulden des Klägers an der Schädigung (§ 254 Abs. 1 BGB) haftungsmindernd zu berücksichtigen wäre.
2. Die Begründung des Berufungsgerichts, der Kläger sei infolge des Unfalls erwerbsunfähig, vermag die Zubilligung einer Rente nicht zu tragen.
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist mit dem Wegfall der Arbeitskraft ein zu ersetzender Schaden nur dann verbunden, wenn und soweit sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung sichtbar im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt haben (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 1995 – VI ZR 62/94 – VersR 1995, 422, 423; BGHZ 90, 334, 336). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen getroffen. Zwar ist es von monatlichen Einnahmeausfällen ausgegangen, die 200 DM übersteigen. Es hat jedoch nicht berücksichtigt – darauf weist die Revision zu Recht hin –, daß der Beklagte in seiner Berufungsbegründung gerügt hatte, der Kläger habe in der Klage selbst vorgetragen, ab dem 25. Juli 1996 beanspruche er keinen weiteren Schadensersatz für Verdienstausfall mehr, weil ein solcher infolge Zahlung einer weiteren privaten Berufsunfähigkeitsrente nicht mehr entstanden sei. Andererseits hat der Kläger in seinen Anträgen und in seinem übrigen Prozeßvorbringen stets eine Rente von 200 DM/Monat wegen eines unfallbedingten Verdienstausfalles verlangt, wovon die Revisionserwiderung zutreffend ausgeht. Das Berufungsgericht hätte dem Kläger wegen dieses widersprüchlichen Parteivorbringens keine Rente für die Zeit nach dem 25. Juli 1996 zusprechen dürfen, bevor es diesen Widerspruch nicht aufgeklärt hatte. Das angefochtene Urteil enthält dazu keine Feststellungen. Es ist deshalb aufzuheben (Art. 103 Abs. 1 GG; §§ 286, 287 Abs. 1 ZPO).
Die Revision beanstandet zudem mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Rente ohne zeitliche Begrenzung zugesprochen hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, ist eine Verdienstausfallrente auf die voraussichtliche Dauer der Erwerbstätigkeit des Verletzten, wie sie sich ohne den Unfall gestaltet hätte, zu begrenzen (vgl. Senatsurteile vom 26. September 1995 – VI ZR 245/94 – VersR 1995, 1447; vom 27. Juni 1995 – VI ZR 165/94 – VersR 1995, 1321).
3. Das Urteil hat auch nicht aus einem anderen Grund Bestand (§ 563 ZPO).
Der Kläger hat zwar die Rente in seinen Schriftsätzen vom 25. August 1999 und vom 20. September 1999 ausdrücklich hilfsweise als Schmerzensgeld geltend gemacht. Feststellungen zu einer immateriellen Grundlage der Rente hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Es hat vielmehr die Rente auf § 843 Abs. 1 BGB gestützt und damit kein Schmerzensgeld zugesprochen. Ohne die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen ist dem Revisionsgericht eine Auswechslung der Begründung für die Rente nicht möglich.
Unterschriften
Dr. Lepa, Dr. Dressler, Dr. Greiner, Wellner, Diederichsen
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.11.2000 durch Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507853 |
BB 2001, 385 |
NJW 2001, 684 |
BGHR 2001, 182 |
Nachschlagewerk BGH |
DAR 2001, 159 |
MDR 2001, 450 |
VersR 2001, 730 |
MittRKKöln 2001, 63 |