Rn 42
Neben den originären Pflichten, müssen alle übrigen Pflichten und Befugnisse dem vorläufigen Insolvenzverwalter des § 22 Abs. 2 ausdrücklich durch einen gerichtlichen Beschluss zugewiesen werden. Die damit in der Praxis einhergehenden Schwierigkeiten liegen auf der Hand. Das Gericht muss, ohne umfangreiche eigene Ermittlungen durchgeführt zu haben, auf unsicherem Grund die Handlungsanforderungen an einen vorläufigen Insolvenzverwalter im Rahmen des gerade anlaufenden Eröffnungsverfahrens erkennen und entsprechende Pflichten festlegen. Daher empfiehlt es sich für das Gericht, vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ohne allgemeines Verfügungsverbot die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dies wird nur durch kurzfristige Einsetzung eines vorgeschalteten (isolierten) Sachverständigen nach § 5 Abs. 1 möglich sein mit dem Auftrag, die individuellen Verhältnisse im Schuldnerunternehmen festzustellen und zu den notwendigen Mindestkompetenzen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verfügungsmacht zu berichten.
3.2.1 Grenzen der Zuweisung
Rn 43
Die Obergrenze ist dabei durch § 22 Abs. 2 Satz 2 vorgegeben. Wird dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, dürfen dem vorläufigen Verwalter keine Pflichten übertragen werden, die über diejenigen eines starken vorläufigen Verwalters hinausgehen. Daraus folgt auch, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter keine weitergehenden Befugnisse übertragen werden können, als der endgültige Verwalter mit der Eröffnung kraft Gesetzes erhält. Weiterhin verbietet es sich schon systematisch im Verhältnis zu § 22 Abs. 1, dem vorläufigen Insolvenzverwalter über § 22 Abs. 2 faktisch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners zu übertragen, insbesondere darf das Insolvenzgericht den Umfang der Verfügungs- bzw. Verpflichtungsermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht pauschal in das Ermessen eines nur "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters stellen. Das Gericht ist vielmehr in solchen Fällen verpflichtet, gem. § 21 Abs. 1 dem Insolvenzschuldner konkrete bzw. beschränkte Verfügungsverbote (s. u. Rdn. 47) aufzuerlegen oder dem vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechende Verpflichtungsermächtigungen im Einzelfall (sog. Einzelermächtigung, s. u. Rdn. 54 ff.) zu erteilen. So kann das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigen, hinsichtlich der Betriebsgrundstücke des Schuldners Betretungsverbote auszusprechen; dagegen kann keine Ermächtigung erteilt werden, bei einer Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin in die organschaftliche Stellung der Vertreter einzugreifen. Auch eine pauschale Ermächtigung, mit rechtlicher Wirkung für den Insolvenzschuldner zu handeln, ist nach § 22 Abs. 2 Satz 1 unzulässig. Ohne eindeutig geregelte Befugnis kommt es sowohl im Verhältnis zum Schuldner, als auch zu den beteiligten Gläubigern zu Kompetenzkonflikten und Unsicherheiten über die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Verwalters. Die damit verbundenen, teilweise unabsehbaren Risiken dürften sich meist verfahrensschädlich auswirken, da sich alle Beteiligten vorrangig mit der Lösung der Kompetenzprobleme beschäftigen, anstatt die meist im Übermaß vorhandenen Sachprobleme anzugehen.
Rn 44
Die gleichzeitige Erteilung eines Sachverständigenauftrags nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (s. u. Rdn. 98 ff.) an einen vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis ist unproblematisch, da die Befugnisse des starken vorläufigen Insolvenzverwalters nicht überschritten werden.
3.2.2 Verfügungsbeschränkungen
Rn 45
In der Praxis wird überwiegend die vorläufige Insolvenzverwaltung mit der Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 kombiniert (Normalfall der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung). Dies bietet sich auch dann an, wenn der Schuldner noch über einen laufenden Geschäftsbetrieb verfügt, insbesondere um die spätere Insolvenzmasse nicht mit zusätzlichen Masseverbindlichkeiten aus dem Insolvenzantragsverfahren nach § 55 Abs. 2 zu belasten (siehe auch die Kommentierung bei § 21 Rdn. 55 ff.). Dabei ist der vorläufige Verwalter ohne Verfügungsbefugnis natürlich bei Fortführung des Geschäftsbetriebes gezwungen, die Bezahlung der in diesem Verfahrensstadium in Anspruch genommenen Leistungen auch später noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sicherzustellen. Dies kann zum einen durch eine gerichtliche Einzelermächtigung des vorläufigen Verwalters zur Begründung von Masseverbindlichkeiten geschehen oder zum anderen durch das sog. Treuhandkontenmodell (s. u. Rdn. 52 ff.). Europarechtlich gilt die Anordnung einer schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung für Art. 19 EuInsVO nur dann als "Eröffnung eines Insolvenzverfahrens", wenn diese mit einem allgemeinen Zustimmungsvorbehalt kombiniert wird.
Rn 46
Der ...