Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Amtsermittlungspflicht beim Versorgungsausgleich. Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c
Leitsatz (redaktionell)
Beruft sich der Ausgleichspflichtige im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf einen Härtefall nach § 1587c BGB, hat das Gericht dessen Vorliegen im Rahmen der Amtsermittlung selbständig zu prüfen.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2, § 1587c; FGG §§ 12, 53b
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 30.06.2006; Aktenzeichen 33 F 211/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG Oranienburg zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 2.000 EUR.
Gründe
Die gem. § 621e ZPO zulässigen befristeten Beschwerden haben in der Sache insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das AG führen. Das Verfahren zum Versorgungsausgleich leidet an schweren Verfahrensmängeln, da das AG den aus § 12 FGG folgenden Grundsatz der Amtsermittlung in nicht hinreichender Weise beachtet hat. Wegen der noch vorzunehmenden Ermittlungen, die - je nach ihrem Ausgang - weitere Ermittlungen nach sich ziehen können, hat der Senat eine eigene Entscheidung nicht als sachdienlich angesehen.
1. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich ist im Scheidungsfall von Amts wegen zu betreiben; es bedarf für die Durchführung des Versorgungsausgleiches insbesondere keines Antrages der Eheleute oder eines sonstigen Beteiligten, § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Da sich das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach den Vorschriften des FGG bestimmt (§ 621 Abs. 1 Ziff. 6, § 621a Abs. 1 ZPO), gilt für die Ermittlungen von Amts wegen § 12 FGG. Hiernach hat das Gericht die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben.
Die Ermittlungspflichten aus § 12 FGG betreffen sämtliche Umstände, die die Höhe und die Art und Weise des Versorgungsausgleiches betreffen können. Für das Verfahren über den Versorgungsausgleich hat dies zunächst zur Folge, dass das AG sämtliche im Rahmen des Versorgungsausgleiches nach § 1587a BGB möglicherweise zu berücksichtigenden Rechte und deren Dynamik (dazu BGH v. 10.9.1997 - XII ZB 126/95, FamRZ 1998, 424 f.) zu ermitteln und sodann zu überprüfen hat, ob diese Anrechte tatsächlich dem Versorgungsausgleich unterfallen, da nur so die von Amts wegen zu treffende Entscheidung über den Versorgungsausgleich ordnungsgemäß vorbereitet werden kann. Zur Erfüllung dieser Pflichten hat das AG bei allen in Betracht kommenden Beteiligten des Versorgungsausgleichsverfahrens gem. § 53b FGG entsprechende Auskünfte einzuholen (st. Rspr. des Senats, OLG Brandenburg v. 16.2.2004 - 9 UF 154/03, FamRZ 2005, 38; 2002, 168).
2. Dem ist das AG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
a) Auf Seiten des Antragsgegners sind - möglicherweise - nicht sämtliche in Betracht kommenden Versorgungsanrechte ermittelt worden.
So hat das AG bislang nicht einmal einen ausgefüllten Fragebogen zum Versorgungsausgleich (Vordruck V 1) für den Antragsgegner vorliegen. Allein die Antragstellerin hat insoweit bereits umfassend Auskunft erteilt (vgl. dazu Bl. 19 ff.). Der Antragsgegner selbst hat diesen Fragebogen bislang nicht eingereicht. Damit kann nicht abschließend festgestellt werden, welche im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrechte auf Seiten des Antragsgegners möglicherweise vorhanden sind. Insoweit steht bislang allein fest, welche Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung der Antragsgegner erworben hat (vgl. die abschließende Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 15.5.2006 für den Antragsgegner, Bl. 140 ff.). Ob dem Antragsgegner aber darüber hinaus möglicherweise betriebliche, private oder sonstige Anwartschaften auf eine Versorgung wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit (§ 1587 Abs. 1 BGB) zustehen, ist danach offen. Insbesondere ist es aufgrund seiner Auslandstätigkeit durchaus denkbar, dass er ausländische Anwartschaften erworben hat, die möglicherweise ebenfalls dem Versorgungsausgleich unterfallen.
Unter Berücksichtigung der im vorliegenden Verfahren erkennbaren Schwierigkeiten bei Einholung der entsprechenden Auskünfte seitens des Antragsgegners ist es unverständlich, dass das AG allein auf die durch die Beteiligte zu 1. für den Antragsgegner erteilten Auskunft seine Entscheidung gestützt hat. Erst recht erschließt sich das Verhalten des AG unter Berücksichtigung dessen, dass die Antragstellerin bereits frühzeitig auf die lückenhaften Auskünfte des Antragsgegners hingewiesen hat (vgl. schon den Schriftsatz der Antragstellerin vom 20.5.2003, Bl. 76 ff.), nicht.
b) Seinen Ermittlungspflichten hat das AG weiter insoweit nicht entsprochen, als es Ausschlussgründe gem. § 1587c BGB nicht geprüft hat; jedenfalls fehlt es insoweit an jeglicher Begründung im angefochtenen Beschluss.
Zur Prüfung von Ausschlussgründ...