Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 12 O 334/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 07.03.2022, Az. 12 O 334/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der es sich um die Herstellerin sowohl des streitgegenständlichen Fahrzeugs als auch des darin verbauten Motors handelt, auf Schadensersatz wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 11.02.2016 aufgrund eines mit der Autohaus M... GmbH in Berlin geschlossenen Kaufvertrages einen gebrauchten VW Golf VI 1.6 TDI mit einem Kilometerstand von 95.291 km zu einem Kaufpreis von 11.000 EUR. In dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 189 verbaut.
Der Kläger hat insbesondere geltend gemacht, auch nachdem die Beklagte die ursprüngliche Manipulation der zur Reduzierung der Stickoxidemissionen dienenden Abgasrückführung durch Umschaltung des im Prüfstand verwandten Modus in einen im Realverkehr weniger effektiven Modus beginnend ab dem 22.09.2015 offengelegt und das KBA Fahrzeuge mit dem Motor des Typs EA189 zurückgerufen habe, habe die Beklagte ihr Verhalten nicht geändert. Sie habe vielmehr mit dem anschließend entwickelten Software-Update eine neue unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters aufgespielt, das dazu führe, dass die gesetzlichen Vorschriften weiterhin nicht eingehalten würden, sondern die Fahrzeuge den Grenzwert für NOx-Emissionen von 180 mg/km unter normalen Bedingungen weiterhin erheblich überschritten. Darüber hinaus seien mit dem Software-Update weitere Nachteile, u.a. ein höherer Kraftstoffverbrauch verbunden. Ebenso habe die Beklagte das OBD in der Weise manipuliert, dass es einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Abgassysteme im Normalbetrieb im Fehlerspeicher nicht anzeige.
Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht, sie habe gegenüber dem KBA die Funktionsweise des Software-Updates umfassend, insbesondere auch in Bezug auf das Thermofenster, offengelegt. Bei dem Thermofenster handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung; es sei vielmehr zum Motorschutz erforderlich und deshalb zulässig. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, die Verjährung sei nicht durch die Beteiligung des Klägers an der Musterfeststellungsklage gehemmt; der Kläger habe seine Ansprüche nicht hinreichend identifizierbar - insbesondere ohne Benennung der FIN des von ihm erworbenen Fahrzeugs - angegeben.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch aus § 826 BGB stehe dem Kläger nicht zu, da sich das Verhalten der Beklagten zum Zeitpunkt des Erwerbs des Klägers infolge der mit der Verlautbarung vom 22.09.2015 einhergegangenen Verhaltensänderung nicht mehr als sittenwidrig darstelle. Ansprüche des Klägers aus Kauf eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen Fahrzeugs seien im Übrigen verjährt, da sich der Kläger nicht wirksam zu der Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig angemeldet habe. Der Beklagten sei auch in Bezug auf die Ausgestaltung des Software-Updates kein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Schon im Ausgangspunkt lasse sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit aus dem Vorhandensein einer Steuerung des Emissionskontrollsystems, die in der Fahrsituation auf der Straße ebenso arbeite wie im Prüfzyklus, nicht rechtfertigen. Jedenfalls scheide ein Schädigungsvorsatz ebenso aus wie das für die Sittenwidrigkeit erforderliche Bewusstsein der Rechtswidrigkeit angesichts der nicht eindeutigen Gesetzeslage zu Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a der VO (EG) Nr. 71572007.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang zur Überprüfung stellt. Er hält insbesondere daran fest, dass die Beklagte durch das erneute Aufspielen einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit dem Software-Update gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB verstoßen habe und dieser Anspruch auch nicht verjährt sei; die Verjährung habe vielmehr frühestens nach der Rückrufaktion wegen des Software-Updates betreffend das Fahrzeugmodell VW EOS mit Ablauf des Jahres 2020 begonnen, die im Übrigen auch die fehlende Offenlegung der konkreten Wirkungswiese...