Leitsatz (amtlich)
1. Allein der Umstand, dass die Eltern nur schriftlich miteinander kommunizieren, spricht nicht zwingend für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge, wenn die Kinder durch die nicht optimale Kommunikation zwischen den Eltern nicht belastet werden.
2. Dass der Vater am Kindesleben unmittelbar nicht mehr teilhat, ist jedenfalls dann nicht ausschlaggebend, wenn der Vater sich auch dadurch zurückgenommen hat, dass er die Ablehnung des Umgangs durch die Kinder gegenwärtig akzeptiert.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Bernau (Beschluss vom 15.10.2014; Aktenzeichen 6 F 895/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG Bernau bei Berlin vom 15.10.2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Mutter begehrt im Rahmen der nach § 140 Abs. 2 Nr. 3 FamFG abgetrennten Folgesache über die elterliche Sorge, ihr die elterliche Sorge für die beiden gemeinsamen Kinder L., geb. am... 8.2001 (14 Jahre), und Le..., geb. am... 10.2005 (9 Jahre), allein zu übertragen, hilfsweise ihr die Gesundheitsfürsorge für die Kinder allein zu übertragen.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 15.10.2014 hat das AG die Anträge der Mutter zurückgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf diesen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Sie trägt vor:
Das AG sei selbst davon ausgegangen, dass zwischen den Eltern schwerwiegende Verständigungsprobleme beständen. Das gestörte Verhältnis habe sich auch knapp vier Jahre nach der Trennung nicht nachhaltig verbessert. Deutliches Indiz seien die zahlreichen gerichtlichen Streitigkeiten. Bereits die Sachverständige W. habe in den Verfahren zum Umgang die mangelnde Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern festgestellt. Gemeinsame Elterngespräche seien gescheitert.
Auch sie, die Mutter, halte es für zwingend notwendig, die Umgangsverweigerung der Kinder zu überwinden. Ihre Bereitschaft, insoweit professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, habe das AG falsch gedeutet. Jedenfalls stelle die Kontaktverweigerung der Kinder einen weiteren Grund für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dar.
Es stelle sich die Frage, ob ein am Kindesleben seit Jahren nicht mehr teilhabender Vater überhaupt in der Lage sei, gleich in welcher Situation und bei welcher Frage, eine im direkten und tatsächlichen Interesse des Kindeswohls liegende Entscheidung zu treffen.
Der Hilfsantrag hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge werde gestellt, weil jedenfalls in Notsituationen die Möglichkeit eines direkten Kontakts zwischen den Eltern nicht gegeben sei.
Deutlich werde die fehlende Kommunikation auch daran, dass der Vater eine Zustimmung zur "HPV-Impfung" L.s zunächst nicht erteilt habe, dann aber, ohne sie, die Mutter, zu informieren, die Zustimmung direkt gegenüber dem Arzt gegeben habe, was erst im Verhandlungstermin von 9.10.2014 offenbar geworden sei.
Inzwischen hätten ihre, der Mutter, Lebensumstände durch die Geburt eines weiteren Kindes Veränderungen erfahren. Sie sei daher nur eingeschränkt in der Lage, Zeit in die Kommunikation mit dem Vater zu investieren.
Die Sozialpädagogin K. von der Arbeiterwohlfahrt habe noch Einzelgespräche mit den Eltern geführt und sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Basis für eine Kommunikation nicht gegeben sei und es aus diesen Gründen nicht als sinnvoll erachtet, die Bemühungen weiter fortzuführen.
Soweit der Vater erklärt habe, sich wegen der schulischen Belange nun im Rahmen von Elternversammlungen über den Stand der Kinder kundig zu machen, treffe dies nicht zu. Er sei jedenfalls bisher bei Elternversammlungen, deren Termine ihm mitgeteilt worden seien, nicht erschienen; es habe auch kein Gespräch zwischen ihm und den Lehrern an der Schule gegeben.
Die Antragstellerin beantragt, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und ihr die Sorge für die Kinder allein zu übertragen, hilfsweise, die gemeinsame Gesundheitsfürsorge aufzuheben und ihr die Gesundheitsfürsorge für die Kinder allein zu übertragen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Man habe nach Trennung und Scheidung eine Reihe von Angelegenheiten betreffend die Kinder klären können. Die Kommunikation zwischen den Eltern sei bezüglich des Umgangs nachhaltig gestört und teilweise nur über die Anwälte möglich gewesen. Die Störung der Kommunikation sei maßgeblich von der Mutter ausgegangen. Auch die (nicht) zahlreichen Verfahren betreffend die elterliche Sorge seien stets von ihr ausgegangen. Es könne dahinstehen, ob die Kinder den Kontakt zu ihm derzeit wirklich verweigerten oder ob sie von der Mutter dahingehend beeinflusst seien. Jedenfalls sei die Kontaktverweigerung der Kinder kein Grund, die gemeinsame Entscheidungsbefugnis in wichtigen Fragen aufzuheben.
Hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge habe es gerade die Mutter in der Vergangenheit unterlassen, für L. vereinbarte notwendige Behandlungen zu veranlassen und zu unterst...