Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedeutung des Willens des (hier 17-jährigen) Kindes für Sorgerechtsänderung
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen einer Sorgerechtsabänderung kommt dem Kindeswillen grundsätzlich eine doppelte Bedeutung zu: zum einen ist er der verbale Ausdruck für die relativ stärkste Personenbindung, zum anderen ist er mit zunehmendem Alter ein Akt der Selbstbestimmung des Kindes als einer zur Selbständigkeit erzogenen und strebenden Person. Je älter das Kind wird, umso stärker tritt die zweite Funktion in den Vordergrund.
Normenkette
BGB §§ 1671, 1696
Verfahrensgang
AG Eisenhüttenstadt (Beschluss vom 19.11.2007; Aktenzeichen 7 F 253/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin und der betroffenen Jugendlichen wird der Beschluss des AG Eisenhüttenstadt vom 19.11.2007 abgeändert. Die elterliche Sorge für die Jugendliche C. A. wird der Mutter übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Das AG hat durch den angefochtenen Sorgerechtsausspruch vom 19.11.2007 die bisherige Sorgerechtsregelung vom 11.12.2006 geändert. In dem Beschluss vom 11.12.2006 war die elterliche Sorge für C. - in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 31.8.1999 - dem Vater allein übertragen worden. Durch den vorliegend angefochtenen Sorgerechtsausspruch hat das AG das Aufenthaltsbestimmungsrecht für C. sowie das Recht, Vertragsund Behördenangelegenheiten für sie zu regeln, der Mutter übertragen. Im Übrigen hat es angeordnet, dass es beim alleinigen Sorgerecht des Vaters bleibt.
Die gegen die Abänderungsentscheidung vom 19.11.2007 gerichteten Rechtsmittel von Mutter und Tochter sind zulässig und begründet. In Abänderung des Sorgerechtsbeschlusses vom 11.12.2006 und des angefochtenen Beschlusses ist die elterliche Sorge für die Tochter C. auf die Mutter allein zu übertragen. Die vom AG getroffene Regelung einer nur teilweisen Sorgerechtsübertragung erweist sich unter den gegebenen Umständen als nicht ausreichend. Bei seiner Entscheidung hat sich der Senat im Einzelnen von folgenden Überlegungen leiten lassen:
1. Die mit Schreiben vom 23.11.2007 eingelegten Rechtsmittel sind als zulässige Beschwerden gegen den Sorgerechtsbeschluss des AG vom 19.11.2007 zu beurteilen.
Die Beschwerden sind form- und fristgerecht eingelegt worden. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann auch die Tochter selbst ohne Mitwirkung ihres gesetzlichen Vertreters die Beschwerde einlegen. Das Sorgerechtsverfahren betrifft die Person der Tochter, die das 14. Lebensjahr vollendet hat. Aus § 59 Abs. 1 und 3 FGG ergibt sich die Befugnis des Mädchens, neben dem zur Rechtsmitteleinlegung befugten Elternteil und unabhängig von seinen gesetzlichen Vertreter in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten selbständig das Beschwerderecht auszuüben (vgl. hierzu auch Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Aufl., § 59 Rz. 8 bis 11).
2. Eine erneute persönliche Anhörung der Eltern und der betroffenen Jugendlichen selbst kann in der Beschwerdeinstanz unterbleiben.
Der Verpflichtung, die Eltern und die Jugendlichen persönlich anzuhören (§§ 50a, 50b FGG), ist das AG nachgekommen. Die erstinstanzliche Anhörung erfolgte am 5.11.2007 und liegt damit erst verhältnismäßig kurze Zeit zurück. Die Anhörung braucht im Beschwerdeverfahren nicht wiederholt zu werden. Es sind dem Senat keine Umstände mitgeteilt oder in sonstiger Weise bekannt geworden, die auf eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkte seit dem 5.11.2007 hindeuten oder eine erneute Anhörung aller Beteiligten aus anderen Gründen als sachdienlich erscheinen lassen. Angesichts des erst kurzen Zeitablaufs und mit Blick auf die besonderen Umstände hält der Senat daher im Streitfall ausnahmsweise eine erneute persönliche Anhörung von Eltern und Tochter für entbehrlich (vgl. hierzu auch Keidel/Engel-hardt, a.a.O., § 50a, Rz. 19 und § 50b, Rz. 20). Hinzu kommt, dass es für die Entscheidung nicht maßgebend auf den persönlichen Eindruck der Beteiligten ankommt. Dementsprechend ist vorliegend auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Gegen ein solches vom Senat angekündigtes Verfahren ohne erneute mündliche Verhandlung haben die Beteiligten auch keine Einwände erhoben bzw. ihr Einverständnis damit zum Ausdruck gebracht.
3. Die Beschwerden von Mutter und Tochter haben in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss des AG vom 19.11.2007 ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Er wird der gegenwärtigen Situation nicht gerecht.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Mutter auf Grund des Senatsbeschlusses vom 31.8.1999 das Sorgerecht für C. zunächst allein ausübte. Ende 2006 änderten sich die Lebensumstände der betroffenen Jugendlichen. C. zog zum Vater und lehnte eine Rückkehr in den mütterlichen Haushalt ab. Entsprechend dem Willen der betroffenen Jugendlichen hat das AG mit Beschluss vom 11.12.2006 in Abänderung der Sen...