Leitsatz (amtlich)
1. Zur Haftungsverteilung bei einer Kollision zwischen einem Linienbus und einem entgegenkommenden Motorradfahrer an einer Engstelle.
2. Bei einer Fraktur des linken Schulterblattes mit Nervschädigung des Oberarms, einer Fraktur des linken Handgelenks, einer offenen Fraktur des linken Unterschenkels mit erheblichem Weichteilverlust 3. Grades und einem Kompartmentsyndrom im linken Unterschenkel, einem fast ununterbrochenen stationären Aufenthalt über einen Zeitraum von über 9 Monaten, während dessen der Geschädigte mehr als 14mal operiert werden musste, einer verbleibenden Gehbehinderung mit einem GdB von 100, einer vollständigen Lähmung des Nervus peronealis und einer teilweisen Lähmung des Nervus tibialis, einer dauerhaften Instabilität des linken Knies und einer Beinverkürzung des linken Beines um 6 cm ist unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 40 % ein Schmerzensgeld von 50.000,00 EUR angemessen.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1; StVG § 18 Abs. 1; BGB §§ 253, 823 Abs. 1; StVO § 2 Abs. 2, § 41 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 21.12.2015; Aktenzeichen 6 O 148/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.12.2015 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Potsdam, Az.: 6 O 148/14, teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.5.2014 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, an die Klägerin 3.677,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.5.2014 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin sämtliche nach dem 1.6.2014 entstehenden materiellen Schäden aus dem Unfall vom 19.5.2012 auf der...straße in B. unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils von 40 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin die aus dem vorgenannten Unfall resultierenden zukünftigen immateriellen Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils von 40 % zu ersetzen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 48 % und die Beklagten 52 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 19.05.2012 auf der...straße in B. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Das LG hat unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote aufseiten der Klägerin von 20 % die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 100.000,00 EUR und materieller Schäden in Höhe von 4.903,59 EUR verurteilt und hat im Übrigen festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin auch weiter gehende materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.
Aufseiten der Klägerin hat das LG einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot gem. § 2 Abs. 2 StVO angenommen, weil sie sich im Zeitpunkt des Zusammenstoßes mit ihrem Motorrad in ihrer Fahrtrichtung links über die tatsächliche Mitte der Fahrbahn hinaus auf die Gegenfahrbahn begeben habe. Dem Beklagten zu 2. sei vorzuwerfen, vorsätzlich in den eingeengten Fahrbahnbereich hinter dem Vorschriftszeichen 208 eingefahren zu sein, obwohl er sowohl das Vorschriftszeichen 208 mit den Zusatzzeichen 1048-12 und 1048-16 als auch die sich im eingeengten Fahrbahnbereich befindliche Gruppe der Motorradfahrer bemerkt habe. Soweit er angenommen habe, das Vorschriftszeichen 208 sei nur für entgegenkommende mehrspurige Fahrzeuge zu berücksichtigen, unterliege er einem vermeidbaren Verbotsirrtum. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führe zu einer Haftungsverteilung von 20 %: 80 % zulasten der Beklagten.
Angesichts der Schwere der von der Klägerin erlittenen Verletzungen sei auch unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote ein Schmerzensgeld von 100.000,00 EUR angemessen. Die durch die Beschädigung des Motorrades entstandenen Schäden seien ebenfalls unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote erstattungsfähig. Schließlich seien auch die Feststellungsanträge unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote von 20 % zulässig und begründet.
Die Beklagten haben gegen das ihnen am 23.12.2015 zugestellte Urteil mit einem am 20.01.2016 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und haben diese mit einem am 23.03.2016 n...