Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages über ein sog. "Mauergrundstück"
Leitsatz (amtlich)
Ein im Jahr 1962 auf der Grundlage des Verteidigungsgesetzes der DDR abgeschlossener Grundstückskaufvertrag über ein im Geltungsbereich des Gesetzes über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer vom 15.7.1996 belegenes Grundstück ist, gemessen an den in der ehemaligen DDR zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages geltenden Wertmaßstäben, nicht sittenwidrig und damit nicht nichtig.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1, § 894; EGBGB Art. 232 § 1, Art. 237 Abs. 1 S. 1; GG Art. 14 Abs. 3; EinigungsV Art. 21 Abs. 1; MauerG §§ 1-2; VertG/DDR § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 06.06.2003; Aktenzeichen 10 O 401/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Potsdam vom 6.6.2003 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 24.7.2003 - Az. 10 O 401/01 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 58.041,85 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin macht hinsichtlich des Grundstücks Flur ..., Flurstück ..., eingetragen im Grundbuch des AG Potsdam von ..., Bl. ..., einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung geltend.
Das bezeichnete Grundstück stand ursprünglich im Eigentum der Eheleute ... . Erbe des am 20.9.1960 verstorbenen ... war dessen Ehefrau ..., die wiederum nach ihrem Tod im Jahre 1975 von der Klägerin beerbt wurde.
Im Jahre 1962 wurde das Flurstück ... der Flur ... geteilt in die Flurstücke 14/1 (344 qm) und 14/2 (1.327 qm). Das unmittelbar an der Grenze zu West-Berlin belegene Grundstück 14/1 wurde im Zuge der Grenzsicherung in Volkseigentum überführt. Dies erfolgte durch Verkauf des Rates der Gemeinde ... als staatlicher Verwalter an den Rat des Kreises ... durch Grundstückskaufvertrag vom 27.6.1962; der Kaufpreis betrug 2.408 DM-Ost. Für das verbleibende Restgrundstück (Flurstück 14/2) wurde im Grundbuch am 28.12.1962 der Vermerk der vorläufigen staatlichen Verwaltung eingetragen. Das Flurstück 14/2 wurde 1965 in die Flurstücke 14/3 (312 qm) und 14/4 (1.015 qm) geteilt und das Flurstück 14/3 mit Bescheid des Rates des Kreises ..., Abteilung Finanzen vom 13.8.1965 auf Grund § 10 des Gesetzes zur Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik - Verteidigungsgesetz vom 20.9.1961 (VertG; GBl. I S. 175) - in Verbindung mit dem Gesetz vom 25.4.1960 über die Entschädigung bei Inanspruchnahmen nach dem Aufbaugesetz - Entschädigungsgesetz (GBl. I S. 257) - in Anspruch genommen und mit Wirkung vom 1.9.1965 in Volkseigentum überführt.
Die Klägerin beantragte in dem Verwaltungsverfahren - bislang - erfolglos die Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks unter Berufung auf die Regelungen des Vermögensgesetzes. Ihr Restitutionsantrag wurde mit Teilbescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises ... vom 12.1.1999 (GA 24 ff.) abgelehnt. Das Amt begründete seine Entscheidung damit, es liege kein Fall des § 1 Abs. 1 lit. c) VermG vor. Der staatliche Verwalter habe bei dem Verkauf des Grundstücks kein eigenes Geschäft betrieben, sondern sei lediglich einer drohenden Enteignung nach § 10 VertG der DDR zuvorgekommen. Es liege auch keine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG vor, weil es insoweit an einem Zugriff in manipulativer und sittlich anstößiger Weise - gemessen an der Rechtsprechung der DDR im Einzelfall - fehle. Die Enteignung sog. Mauergrundstücke sei von der Rechtspraxis der DDR gedeckt gewesen. Gegen den ihren Widerspruch zurückweisenden Bescheid vom 19.3.2001 (GA 30 ff.) hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Potsdam erhoben, über die bislang noch nicht entschieden ist.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, für den von ihr mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Anspruch auf Grundbuchberichtigung sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Der Kaufvertrag aus dem Jahr 1962 sei nach den Maßstäben des § 138 BGB bzw. des § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB sittenwidrig und damit nichtig. Die Anlegung des Todesstreifens sei auch nach den in der DDR geltenden anerkannten moralischen Anschauungen nicht im Sinne des Gemeinwohls der DDR gewesen; der Verteidigungszweck des § 10 VertG sei gleichfalls nicht gewahrt gewesen. Der Kaufvertrag vom 27.6.1962 habe einem sittenwidrigen Zweck gedient, nämlich einem Verbrechen gegen das Volk der DDR. Damit sei aber das Geschäft schon im Jahre 1962 sittenwidrig und damit nichtig gewesen; eine Heilung könne demgemäß auch nicht nach Art. 237 § 1 EGBGB eingetreten sein.
Das LG hat mit der angefochtenen Ent...