Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8. September 2017 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 12 O 16/17, teilweise abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.103,99 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 2.103,99 EUR aus § 1 Abs. 1 StHG oder § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG.

Ob, worauf der Senat in seiner Entscheidung vom 17.04.2018 (Az. 2 U 21/17) abgestellt hat, der Anwendungsbereich des Staatshaftungsgesetzes überhaupt eröffnet ist, oder - wie der Senat in der genannten Entscheidung weiter ausgeführt hat - § 79 Abs. 2 BVerfGG sowie ein fehlendes Verschulden der Bediensteten des Beklagten im Rahmen des § 839 BGB einem Anspruch entgegensteht, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Senat folgt den Ausführungen des Bundesgerichtshofes in dem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall im Urteil vom 27.06.2019 (Az. III ZR 93/18). Danach war auch mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.11.2015 (Az. 1 BvR 2961/14; 1 BvR 3051/14) bei Erlass des Bescheides am 23.09.2011 weder gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG Bbg i.V.m. §§ 169, 170 AO Festsetzungsverjährung eingetreten, noch standen allgemeine Vertrauensschutzgesichtspunkte der Beitragserhebung entgegen. Der Bescheid ist mithin nicht rechtswidrig und vermag deshalb einen Schadensersatzanspruch nicht zu begründen.

1. Der Senat hat eigenständig die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu prüfen. Wird der Amtshaftungsanspruch darauf gestützt, dass die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht, haben die Zivilgerichte die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts ohne Rücksicht auf seine Rechtswirksamkeit zu überprüfen. Diese Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, den Verwaltungsakt mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen anzufechten; die Bestandskraft wird durch die in die Vorfragenkompetenz der Zivilgerichte fallende Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht berührt (BGH, Urteil vom 15. November 1990 - III ZR 302/89 -, BGHZ 113, 17-26, Rn. 12).

2. Der Kläger nimmt vergeblich für sich in Anspruch, der Bescheid vom 23.09.2011 sei deshalb rechtswidrig, weil bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Der Senat folgt dem Bundesgerichtshof in seinen Erwägungen im Urteil vom 27.06.2019 und nimmt ergänzend auf diese Bezug, nach denen bereits im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 7 KAG a.F. für den Beginn der Festsetzungsverjährung eine rechtswirksame, mithin auch materiell wirksame Beitragssatzung erforderlich ist. Die Festsetzungsverjährung kann mithin erst zu diesem Zeitpunkt und nicht rückwirkend in Gang gesetzt werden. Sowohl der Wortlaut der Vorschrift wie auch die Genese des Gesetzgebungsverfahrens und des Verfahrens zur Änderung des § 8 Abs. 7 KAG, die Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für eine solche Auslegung. Auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts lässt eine Beitragspflicht erst entstehen, wenn eine rechtswirksame, "gültige" Satzung vorliegt (vgl. nur Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 08.06.2000 - 2 D 29/98.NE -, Rn. 43f, juris). Nur auf einer rechtswirksamen Basis kann eine Behörde Beiträge erheben. Dies hatte der Gesetzgeber bei Fassung des § 8 Abs. 7 KAG a.F. im Blick, wenn er auf das "Inkrafttreten" der Beitragssatzung als Tatbestandsvoraussetzung für einen Beitrag abstellt.

Den weiterführenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, nach denen die Beitragspflicht auf den Zeitpunkt, in dem die Gemeinde oder der Zweckverband erstmals eine Beitragssatzung in Kraft setzen wollte, zurückwirken soll (OVG a.a.O; ebenso Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. September 2019 - OVG 9 S 18.18 -, Rn. 18ff, juris), vermag der Senat nicht zu folgen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, steht diese Auslegung nämlich nicht mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang. Der Bundesgerichtshof hat in der v.g. Entscheidung (Rnrn. 12 bis 15, 27 bis 50) überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass sich der Gesetzgeber insoweit an der in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelung und insbesondere an der dort seinerzeit geübten Rechtspraxis orientieren wollte. Bis zur Aufgabe der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung im Mai 1999 konnte die Regelung auch vom Gesetzgeber nur so verstanden werden, dass die Beitragspflicht erst mit dem Inkrafttreten der ersten gültigen Satzung entstand, also vorherige Beitragssatzungen, die an zur Unwirksamkeit führenden Mängeln litten, für die Frage des Zeitpunkt...

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