Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 17.09.2021; Aktenzeichen 11 O 173/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. September 2021, Az. 11 O 173/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.937,50 EUR
Gründe
I. Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 9. Januar 2016 einen gebrauchten PKW VW Passat zum Kaufpreis von 15.750 EUR mit einem Kilometerstand von 59.100. In dem Fahrzeug ist ein TDI-Motor des Typs EA189 der Schadstoffklasse Euro 5 verbaut.
Wegen der weiteren Einzelheiten und der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch nach § 826 BGB bestehe nicht. Ab dem Herbst 2015 sei eine Haftung der Beklagten generell zu verneinen, da sie sich ab diesem Zeitpunkt öffentlich zum Abgasskandal erklärt und sich mit der Aufarbeitung befasst habe und dies bereits die Beurteilung ihres Verhaltens als vorsätzlich oder sittenwidrig entfallen lasse. Ein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung sei auch nicht das aufgespielte Software-Update. Der Kläger habe insoweit nichts für eine sittenwidrige Täuschung der Beklagten dargetan. Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder den europarechtlichen Abgasnormen bestünden ebenfalls nicht. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Restschaden scheitere ebenfalls an einem Anspruch nach § 826 BGB. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner in formeller Hinsicht bedenkenfreien Berufung. Er hat zunächst sein Begehren weiterhin auf § 826 BGB gestützt und Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten, jedoch mindestens 3.937,50 EUR betragenden sog. kleinen Schadensersatzes gerichtet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei trotz der AdHoc-Mitteilung Sittenwidrigkeit gegeben. Die Beklagte habe auch durch das Software-Update getäuscht, weil hierdurch der NOx-Ausstoß nicht bzw. kaum reduziert worden sei. Auch habe sie über das Thermofenster im Software-Update getäuscht. Zudem stehe ihm ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu, weil die Beklagte eine unzutreffende EG-Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt und damit ein Schutzgesetz verletzt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 22. März 2022 (Bl. 1013 d.A.) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2024 hat der Kläger den Differenzschaden nach § 823 Abs. 2 BGB, §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV in Höhe von 15% des Kaufpreises geltend gemacht und - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - die ursprünglich weitergehende Berufung zurückgenommen. Das Fahrzeug habe - unstreitig - am 19. Februar 2024 einen Kilometerstand von 226.948 aufgewiesen. Er behauptet, neben dem Thermofenster habe das Fahrzeug eine sog. Taxischaltung, bei der nach 900 Sekunden im Stand die Abgasrückführung reduziert werde. Die im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu schätzende Nutzungsentschädigung sei nicht auf Basis des Kaufpreises, sondern des tatsächlichen, also geminderten Wertes des Fahrzeugs zu ermitteln. Zudem sei von einer Gesamtfahrleistung von 350.000 km auszugehen. Der Restwert sei ausgehend von einem Händlereinkaufswert für ein vergleichbares Fahrzeug von 4.200 EUR mit maximal 3.000 EUR anzusetzen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. September 2021, Az. 11 O 173/20, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag bezüglich des VW Passat (FIN: ...) in Höhe von 2.362,50 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags. Sie beruft sich auf Verjährung. Das Thermofenster stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Die Beklagte habe die Bedatung des Thermofensters vor der Freigabe des Software-Updates gegenüber dem KBA offengelegt. Es begründe keine Verwerflichkeit. Das Software-Update lasse den nun als sog. kleinen Schadensersatz geltend gemachten Minderwert des Fahrzeugs entfallen; gleiches gelte für den Differenzschaden. Zudem habe der Kläger sich Vorteile für die Nutzung des Fahrzeugs auf Basis einer Gesamtkilometerleistung von 250.000 in Höhe von mindestens 15.366 EUR und einen Restwert von 7.077 EUR anrechnen zu lassen. Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB bestünden nicht. Bei einem Kilometerstand von 241.313 betrage der Restwert ent...