Leitsatz (amtlich)

Finden die materiell-rechtlichen Bestimmungen des ÜGRG nach dessen Übergangsregelungen noch keine Anwendung, ist eine auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gerichtete Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen.

Wurde die überlange Dauer eines bürgerlichen Rechtsstreits geltend gemacht, so stellte die Verfassungsbeschwerde jedenfalls vor dem In-Kraft-Treten des ÜGRG keinen effektiven Rechtsbehelf gemäß dem Verständnis von Art. 13 EMRK dar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verfassungsbeschwerde bei dem BVerfG oder bei einem Landesverfassungsgericht eingereicht wurde. Für den Beginn der Sechsmonatsfrist des Art. 35 EMRK ist daher auf die abschließende Entscheidung im Ausgangsrechtsstreit abzustellen.

 

Normenkette

GVG § 198; ÜGRG Art. 23; EMRK Art. 35 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 14 O 55/09)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Niederschrift des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG abgesehen, da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist (§ 543 ZPO und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO sowie § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG; vgl. hierzu insb. BGH, Beschl. v. 25.7.2013 - III ZR 413/12, LS und Rz. 4 ff., NJW 2013, 2762 = MDR 2013, 1240).

II.A. Die auf Zahlung einer Entschädigung in Geld wegen der - nach Auffassung des Anspruchstellers überlangen - Dauer des bei dem OLG Brandenburg in zweiter Instanz unter dem Aktenzeichen 15 UF 93/07 anhängig gewesenen Umgangsrechtsverfahrens gerichtete Klage bleibt erfolglos. Ebenso wenig gibt es eine rechtliche Grundlage, um das vorliegende Verfahren gemäß dem klägerischen Antrag im Anwaltsschriftsatz vom 17.4.2014 ruhen zu lassen, bis das BVerfG über Verfassungsbeschwerden Dritter gegen die unter den Aktenzeichen III ZR 361/12 und III ZR 73/13 ergangen Entscheidungen des BGH befunden hat.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Art. 23 Satz 1 ÜGRG bezieht zwar auch solche Verfahren in den zeitlichen Geltungsbereich der materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes ein, die bei dessen In-Kraft-Treten - wie der hiesige Ausgangsrechtstreit - schon abgeschlossen waren; das gilt aber lediglich dann, wenn die Verfahrensdauer am 3.12.2011 entweder bereits Gegenstand einer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängigen Beschwerde war oder noch werden konnte. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen indes nicht erfüllt. Nach eigenem Vorbringen hatte der Anspruchsteller seinerzeit das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg und nicht den EGMR angerufen. Ob er sich noch mit einer Individualbeschwerde gem. Art. 34 Satz 1 EMRK an Letzteren hätte wenden können, ist speziell unter Berücksichtigung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 35 Abs. 1 EMRK zu beurteilen (vgl. die Begründung zu Art. 22 ÜGRG-Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/3802, 15, 31). Dementsprechend darf sich der Gerichtshof mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe und nur binnen einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen. Abzustellen ist dabei im vorliegenden Falle - entgegen der Meinung des Klägers - nicht auf den Beschluss des Landesverfassungsgerichtes vom 16.12.2011 - VfGBbg 16/11 (Kopie Anlage K14), der ihm nach seinem Vorbringen am 28.12.2011 zuging und aus dem sich - dies sei hier lediglich ergänzend angemerkt - nicht ergibt, dass die Dauer des Umgangsrechtsverfahrens überhaupt Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war, sondern auf die abschließende Entscheidung des 3. Familiensenats des OLG Brandenburg im Ausgangsrechtsstreit, die spätestens im April 2009 ergangen und den dortigen Verfahrensbeteiligten bekannt gemacht worden ist. Angesichts dessen lief die Sechs-Monats-Frist hier bereits mit dem Oktober 2009 ab.

a) Gemäß der ganz einhelligen Auffassung, die überzeugt und die der Senat deshalb teilt, erfordert die Erschöpfung des Rechtsweges i.S.v. Art. 35 Abs. 1 EMRK - nicht anders als nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG oder § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg - nur die Einlegung effektiver Rechtsbehelfe, die sich auf die geltend gemachten Verstöße beziehen, die wirklich zur Verfügung stehen und die hinreichend geeignet sind, entweder die behauptete Rechtsverletzung respektive deren Fortdauer zu verhindern oder bezüglich eines schon eingetretenen Rechtsverstoßes angemessene Abhilfe zu schaffen (vgl. insb. EGMR, Urt. v. 11.7.2007 - 20027/02, Herbst v. Deutschland, Rz. 62 und 64, EuGRZ 2007, 420 = NVwZ 2008, 289; Urt. v. 29.5.2012 - 53126/07, Taron v. Deutschland, Rz. 35, EuGRZ 2012, 514 = NVwZ 2013, 47). Wurde die überlange Dauer eines bürgerlichen Rechtsstreits geltend gemacht, so stellte die Verfassungsbeschwerde jedenfalls vor dem In-Kraft-Treten des ÜGRG nach gefestigter Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kein...

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