Leitsatz (amtlich)
Finden die materiell-rechtlichen Bestimmungen des ÜGRG nach dessen Übergangsregelungen noch keine Anwendung, ist eine auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gerichtete Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen.
Wurde die überlange Dauer eines bürgerlichen Rechtsstreits geltend gemacht, so stellte die Verfassungsbeschwerde jedenfalls vor dem In-Kraft-Treten des ÜGRG keinen effektiven Rechtsbehelf gemäß dem Verständnis von Art. 13 EMRK dar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verfassungsbeschwerde bei dem BVerfG oder bei einem Landesverfassungsgericht eingereicht wurde. Für den Beginn der Sechsmonatsfrist des Art. 35 EMRK ist daher auf die abschließende Entscheidung im Ausgangsrechtsstreit abzustellen.
Normenkette
GVG § 198; ÜGRG Art. 23; EMRK Art. 35 Abs. 1
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Niederschrift des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG abgesehen, da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist (§ 543 ZPO und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO sowie § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG; vgl. hierzu insb. BGH, Beschl. v. 25.7.2013 - III ZR 413/12, LS und Rz. 4 ff., NJW 2013, 2762 = MDR 2013, 1240).
II.A. Die auf Zahlung einer Entschädigung in Geld wegen der - nach Auffassung des Anspruchstellers überlangen - Dauer des bei dem OLG Brandenburg in zweiter Instanz unter dem Aktenzeichen 15 UF 93/07 anhängig gewesenen Umgangsrechtsverfahrens gerichtete Klage bleibt erfolglos. Es kann letztlich dahinstehen, ob sie - wofür nach wie vor Vieles spricht - schon deshalb abzuweisen ist, weil der Kläger - infolge eines ihm gem. § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG zuzurechnenden Verschuldens seines früheren Prozessbevollmächtigten - mangels rechtzeitiger Einzahlung des Kostenvorschusses selbst unter Berücksichtigung des § 167 ZPO die Frist zur Klageerhebung nach Art. 23 Satz 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 (ÜGRG) versäumt hat. Denn die - materiell-rechtlichen (vgl. dazu BSG, Beschl. v. 27.6.2013 - B 10 ÜG 9/13 B, Rz. 19 ff., NJW 2014, 253 = NZS 2013, 958) - Vorschriften dieses Gesetzes, das am 3.12.2011 in Kraft getreten ist, gelten für die hier in Rede stehende Kindschaftssache, die - wovon der Anspruchsteller zutreffend ausgeht - spätestens im Laufe des Monats April 2009 mit der Entscheidung des OLG Brandenburg betreffend die Anhörungsrüge im Ausgangsverfahren abgeschlossen war (BeiA IV 1053 ff.), nicht, was sich zweifelsfrei (im Umkehrschluss) aus Art. 23 Satz 1 ÜGRG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt. Ein "Feststellungsinteresse" betreffend "die Verzögerung des Verfahrens sowie die Höhe des potentiellen Schadensersatzes" zur Vorbereitung eines möglichen Anwaltsregresses, das der Kläger mit dem Schriftsatz seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 17.3.2014 geltend gemacht hat (GA I 149, 151), besteht - wie im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde - nicht. Ebenso wenig gibt es eine rechtliche Grundlage, um das vorliegende Verfahren gemäß dem klägerischen Antrag im Anwaltsschriftsatz vom 17.4.2014 (GA II 216 ff.) ruhen zu lassen, bis das BVerfG über Verfassungsbeschwerden Dritter gegen die unter den Aktenzeichen III ZR 361/12 und III ZR 73/13 ergangenen Entscheidungen des BGH befunden hat. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Art. 23 Satz 1 ÜGRG bezieht zwar auch solche Verfahren in den zeitlichen Geltungsbereich der materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes ein, die bei dessen In-Kraft-Treten - wie der hiesige Ausgangsrechtstreit - schon abgeschlossen waren; das gilt aber lediglich dann, wenn die Verfahrensdauer am 3.12.2011 entweder bereits Gegenstand einer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängigen Beschwerde war oder noch werden konnte. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen indes nicht erfüllt. Nach eigenem Vorbringen hatte der Anspruchsteller seinerzeit das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg und nicht den EGMR angerufen. Ob er sich noch mit einer Individualbeschwerde gem. Art. 34 Satz 1 EMRK an Letzteren hätte wenden können, ist speziell unter Berücksichtigung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 35 Abs. 1 EMRK zu beurteilen (vgl. die Begründung zu Art. 22 ÜGRG-Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/3802, 15, 31). Dementsprechend darf sich der Gerichtshof mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe und nur binnen einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen. Abzustellen ist dabei im vorliegenden Falle - entgegen der Meinung des Klägers - nicht auf den Beschluss des Landesverfassungsgerichtes vom 16.12.2011 - VfGBbg 16/11 (Kopie Anlage K14/GA II 368 ff...