Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 2. wird das am 6. November 2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 173/19, abgeändert.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 5.000,33 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.08.2019 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. gegenüber der Klägerin zum Ausgleich sämtlicher weiterer Schadenersatzansprüche anlässlich des Unfallereignisses vom 10.10.2010 zu Lasten ihres Versicherten, Herrn B..., geboren am ..., verpflichtet ist, soweit diese gemäß §§ 116, 119 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1. jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt diese selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 2. sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Klägerin stützt ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verletzung ihrer Kontroll- und Überwachungspflichten durch die Beklagte zu 1. verneint, obwohl die von der Beklagten zu 2. vorgenommene unzureichende Beschilderung seitens der Beklagten zu 1. offensichtlich nicht einmal nach der Ersteinrichtung der Baustelle festgestellt worden sei. Die Beklagte zu 2. stützt ihre Berufung unter anderem darauf, das Landgericht habe bereits verkannt, dass Ersatzansprüche allein gegen den Träger der Straßenbaulast bestünden, da dieser die ihn treffende Verkehrssicherungspflicht nicht auf die Beklagten habe übertragen können. Die Klägerin und die Beklagte zu 2. machen damit Rechtsfehler geltend, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.
2. In der Sache haben beide Berufungen Erfolg.
a) Die Klägerin kann wegen des Unfalls ihres Versicherungsnehmers B... vom ...2010 auf Höhe des Hauses ... von der Beklagten zu 1. aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 116, 119 SGB X Schadensersatz i. H. v. 5.000,33 EUR verlangen.
Die Beklagte zu 1. hat ihre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Baustelle, in der der Versicherungsnehmer der Klägerin mit seinem Motorrad zu Fall gekommen ist, verletzt. Wie der Senat bereits in der Terminsverfügung ausgeführt hat, ist der eine Baustelle im Bereich des öffentlichen Verkehrsraums betreibende Bauunternehmer für diese in der Weise verkehrssicherungspflichtig, dass er die Baustelle deutlich zu kennzeichnen und abzusichern hat, wobei diese Pflicht aus dem allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsatz folgt, dass jeder, der eine Gefahrenquelle für den Verkehr schafft, alles ihm Zumutbare zu tun hat, um eine Verwirklichung der Gefahr zu verhindern; daneben besteht die Verkehrssicherungspflicht des Trägers der Straßenbaulast, die dieser - wenn auch in eingeschränkter Weise - auf den Bauunternehmer übertragen kann (BGH VersR 1989, S. 730; OLG Karlsruhe VersR 2006, S. 855; Hager in Staudinger, BGB, Kommentar, Neubearbeitung 2009, § 823, Rn. E 56, 95; Wagner in Münchener Kommentar, 8. Aufl., § 823 BGB, Rn. 697). Der Verkehrssicherungspflichtige hat die Verkehrsteilnehmer insbesondere vor unvermuteten, von der Straße ausgehenden bzw. sich aus ihrer Beschaffenheit ergebenden und bei zweckgerechter und nicht ganz fernliegender, bestimmungswidriger Benutzung drohenden Gefahren in geeigneter Weise zu schützen (OLG Düsseldorf VersR 1998, S. 1021; Hager, a.a.O., Rn. E 74). Dazu ist im Regelfall eine Absperrung und Beschilderung von Straßenbaustellen erforderlich (BGH VersR 2014, S. 642; OLG Karlsruhe, a.a.O.; Wagner, a.a.O.). Auch bei Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten verbleibt bei dem Übertragenden die Pflicht, die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht durch den Dritten zu überwachen und erforderlichenfalls durchzusetzen; eine vollständige Delegierung ist nicht möglich (BGH VersR 2006, S. 326; VersR 2005, S. 1397; OLG Zweibrücken NJW-RR 2012, S. 94; Hager, a.a.O., Rn. E 95; Wagner, a.a.O., Rn. 628). Nach diesen Grundsätzen war die Aufstellung der Verkehrsschilder im Baustellenbereich in erster Linie der hoheitlichen Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde mit der Folge zuzurechnen, dass eine fehlerhafte Ausschilderung zu einer deliktischen Haftung der öffentlichen Hand nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG führte (vgl. BGH VersR 2019, S. 1145, vgl. auch BGH VersR 2015, S. 123). Daneben besteht indes eine Haftung der Beklagten zu 1. als Betreiberin der Straßenbaustelle, weil es an einer Kennzeichnung und Absicherung des Beginns der Baustelle fehlte, jedenfalls in Form einer Absperrung der Straße spätestens im Bereich des Beginns der abgefrästen Asphaltdecke. Auch wenn diesbezüglich von der Straßenverkehrsbehörde...