Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 27.01.2022; Aktenzeichen 4 O 384/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.01.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 4 O 384/19 - unter Klageabweisung im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückwirkend eine monatliche Schmerzensgeldrente i.H.v. 300,00 EUR beginnend mit Januar 2020 bis einschließlich April 2021, mithin 4.800,00 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2021 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Mai 2021 eine monatliche Schmerzensgeldrente in von 300,00 EUR zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 30 % der materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aus dem Unfall vom ... 2014 am H... ... in 1...P... in Zukunft entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen oder übergegangen sind.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen.
II. 1. Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Streitwert für die Berufungsinstanz: 156.000,00 EUR
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Der Kläger bewohnt mit seinen Eltern eine Erdgeschosswohnung im H... ...in P.... Die Wohnung liegt in einer Wohnanlage, zu der die Häuser H... ... bis ... gehören. Eigentümerin und Vermieterin der gesamten Anlage ist die Beklagte. Bestandteil der Wohnanlage ist ein Teich. Die südlich vom H... gelegenen Häuser stehen teilweise auf Betonstelzen in diesem Teich (sogenannte "Anglerhäuser"). Der offen zugängliche Teil des Teiches ist mit einem 80 cm hohen Zaun umgeben, der an den Anglerhäusern endet, so dass unterhalb dieser Häuser ein freier Zugang zum Wasser besteht. Der H... ist eine Spielstraße. Es gibt in der Wohnsiedlung keine Zäune oder Einfriedungen, die die Grundstücke voneinander oder von der Spielstraße abtrennen. Alle Grundstücke sind frei zugänglich. In den Mietverträgen aller Mieter wird darauf hingewiesen, dass das Betreten der Teichanlage und der Aufenthalt unter den Anglerhäusern nicht gestattet ist und in den Außenanlagen ausnahmslos die öffentlich geschaffenen Wege zu nutzen sind.
Die Mieter U... im Haus H... ..., einem Anglerhaus, zu deren Haushalt ebenfalls ein Kleinkind gehört, hatten einen kleinen Zaun unter diesem Gebäude angebracht, um Kinder vom Wasser fernzuhalten, da ihr eigener Sohn bereits einmal in den Teich gefallen war. Auf Verlangen der von der Beklagten beauftragten Hausverwaltung musste dieser Zaun wieder abgebaut werden und war am 04.08.2014 nicht mehr vorhanden.
Am 04.08.2014 gegen 18.00 Uhr fiel der zwei Jahre und einen Monat alte Kläger unterhalb des Hauses H... ... in den Teich, nachdem er sich, von den Eltern unbemerkt, von der Terrasse der elterlichen Wohnung entfernt hatte. Der Kläger war bis zu diesem Tag sehr lebhaft, mit ausgeprägtem Bewegungsdrang. Er war auch schon mehrfach weggelaufen, jedoch stets nicht in Richtung H... Nummer .... Gegen 18:00 Uhr hielt sich der Kläger im Außenbereich auf. Als Eltern und Geschwister bemerkten, dass der Kläger verschwunden war, begaben sie sich auf die Suche. Der Kläger wurde kopfüber im Wasser unterhalb des Wohngebäudes H... ... (ein Anglerhaus) aufgefunden. Er konnte reanimiert werden, ist jedoch seit diesem Tag zu 100 % schwerbehindert. Die Beklagte hat nach dem Unfall einen engmaschigen und massiven Zaun unterhalb der Anglerhäuser errichten lassen.
Der Kläger hat behauptet, ein Schreiben der Hausverwaltung der Beklagten vom 31.01.2014 mit den Hinweisen auf das Verbot, Teich und Teichanlage zu betreten und sich unter den anderen Häusern aufzuhalten, nicht erhalten zu haben. Der Kläger sei nicht länger als ca. 5 Minuten unbeaufsichtigt gewesen. Seit diesem Unfall werde er 24 Stunden am Tag gepflegt. Er ist der Ansicht, unabhängig von einer beanstandungsfreien bauordnungsrechtlichen Abnahme der Wohnanlage habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, da ihr die Gefahren, die aus der mangelnden Absicherung des Teichufers unterhalb der Anglerhäuser herrühren, bewusst gewesen seien und sie trotzdem keine Absicherungsmaßnahmen getroffen habe. Ihm stehe der Beklagten gegenü...