Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin ist Diplom-Volkswirtin. Sie begehrt von der Beklagten die Förderung eines zweisemestrigen wirtschaftspädagogischen Ergänzungsstudiums am Institut für Wirtschafts- und Sozialpädagogik der Universität München, das sie nach ihren Angaben am 15. November 1971 mit der ersten Lehramtsprüfung beendet hat. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 29. Dezember 1971). Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 15. Januar 1976, das der Klägerin am 7. Februar 1976 zugestellt worden ist, hat die Klägerin die – zugelassene – Revision beim Bundessozialgericht (BSG) am 8. März 1976 (der 7. März 1976 war ein Sonntag) eingelegt. Der erkennende Senat hat durch Beschluß vom 20. April 1967 – 12 RAr 20/76 – die Revision der Klägerin als unzulässig verworfen, weil sie das Rechtsmittel nicht innerhalb zweier Monate nach Urteilszustellung begründet hat.
Mit Schriftsatz vom 6. Mai 1976, der am 7. Mai 1976 beim BSG eingegangen ist, beantragt der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, dieser für die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er trägt dazu vor: Nach vorausgegangener schwerer Grippe mit mehrtätigem Fieber bei 39,6 Grad und Bettlägerigkeit ab 16. März 1976 habe er über Nacht am Spätabend des 26. März 1976 wegen eines blutenden Magengeschwürs und Zustand nach Herzinfarkt in eine Münchener Klinik eingewiesen werden müssen. Er habe sich entgegen dem Bat der Ärzte aus beruflichen Gründen – offensichtlich doch zu früh – am 21. April 1976 nach Hause entlassen lassen. Er führe seine Kanzlei allein. Die so plötzliche Einweisung in das Krankenhaus habe es ihm unmöglich gemacht, einen Vertreten zu bestellen. Die ihm bekannten Kollegen hätten seine Bitte, die Vertretung zu übernehmen, wegen eigener Arbeitsüberlastung ablehnen müssen, insbesondere im vorliegenden Fall auch deshalb, weil sie keine einschlägigen Erfahrungen mit der Anwendung des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hätten. Nach Entlassung aus der Klinik habe er die Arbeit in der Kanzlei, soweit es sich nicht um einfache Routinearbeiten handele, noch nicht aufnehmen können und sei auch jetzt noch beschränkt arbeitsfähig. Zum Beweis hat er seine Angaben an Eides Statt versichert und eine Bestätigung der Stiftsklinik Augustinum in München vom 21. April 1976 über seinen Klinikaufenthalt vom 26. März bis 21. April 1976 vorgelegt.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht stattgegeben werden.
Einer Wiedereinsetzung steht allerdings nicht schon der Umstand entgegen, daß die Revision bereits wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen worden ist (BSG SozR Nr. 6 zu § 67 SGG), Sie scheitert aber daran, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Von einem Rechtsanwalt ist nämlich zu verlangen, daß er im Hinblick auf die Wahrung laufender Fristen rechtzeitig Vorsorge für den Fall plötzlich eintretender Arbeitsunfähigkeit trifft und sein Büro allgemein anweist, in Fällen seiner plötzlichen Verhinderung, insbesondere durch Krankheit, für eine ausreichende Vertretung zu sorgen (BGH, Beschluß vom 30. April 1958 – IV ZB 89/58 – NJW 1958, 995; Beschluß vom 11. Januar 1961 – IV ZB 405/60 – VersR 1961, 310; Beschluß vom 21. Dezember 1972 – VII ZB 15/72 – VersR 1973, 278). Besondere Umstände, die es im vorliegenden Fall rechtfertigten, vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eine solche Vorsorge nicht verlangen zu können (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Januar 1973 – IV ZB 92/72 – VersR 1973, 317), liegen nicht vor und sind insbesondere auch nicht dargetan worden.
Einmal sind keine Anhaltspunkte ersichtlich und auch von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht vorgetragen, daß er nicht in der Lage gewesen ist, für den Fall der plötzlichen Verhinderung sein Büropersonal so anzuweisen, daß dieses in der Lage gewesen wäre, unmittelbar nach seiner Erkrankung am 16. März 1976 – die Revisionsbegründungsfrist lief am 8. April 1976 ab – einen anderen Anwalt zu beauftragen, wenigstens bis zu diesem Zeitpunkt beim BSG um eine weiträumige Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG wegen der plötzlichen Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nachzusuchen. Auch ist nicht ersichtlich, warum der Kläger seine Kanzlei nicht generell angewiesen hatte, für den Fall einer plötzlichen Verhinderung die Bestellung eines Vertreters bei der Landesjustizverwaltung nach § 53 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zu veranlassen, wenn kein anderer Rechtsanwalt kurzfristig bereit war, die notwendigen Fristsachen zu erledigen oder wenigstens eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zu beantragen. Da der Kläger aber selbst vorträgt, daß er noch in der Lage war, sich während seiner Krankheit bei ihm bekannten Rechtsanwälten um eine Vertretung zu bemühen, hätte er wenigstens selbst oder durch einen ihm bekannten anderen Rechtsanwalt die Bestellung eines Vertreters bei der zuständigen Landesjustizverwaltung in die Wege leiten können. Da der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin keine besonderen Umstände dargetan hat, die ihn ausnahmsweise von der rechtzeitigen generellen Vorsorge für den Fall einer plötzlich eintretenden Verhinderung ohne Verschulden gemäß § 67 Abs. 1 SGG entbinden könnten, ist die Revisionsbegründungsfrist nicht ohne sein Verschulden versäumt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihm deshalb nicht gewährt werden.
Unterschriften
Dr. Heußner, Dr. Gagel, Oestreicher
Fundstellen