Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflich regelmäßige Arbeitszeit. Bereitschaftsdienst. Arbeitsbereitschaft. Rufbereitschaft. Bemessungsentgelt bei Bereitschaftsdienst
Leitsatz (amtlich)
Zum Bemessungsentgelt von dem Bundes-Angestelltentarifvertrag unterfallenden Angestellten im Pflegedienst (Krankenpflegepersonal), die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ständig zu Bereitschaftsdiensten herangezogen worden sind.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt für Angestellte im Pflegedienst (Krankenpflegepersonal), die dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unterfallen und nach den Regelungen des BAT verpflichtet sind, Bereitschaftsdienst zu leisten, 40 Stunden.
2. Bei der Ermittlung des in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts sind die Stunden des Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer lediglich zur Arbeit bereit war, gemäß § 112 Abs 2 S 1 AFG in der bis zum 31.12.1981 geltenden Fassung als Arbeitsstunden nicht zu veranschlagen; vielmehr sind bei der Ermittlung des durchschnittlichen Stundenlohnes nur die Stunden zu berücksichtigen, in der der Arbeitnehmer während der Bereitschaft Arbeit leistet. Hierbei darf zusätzlich zu den 173,33 monatlichen Normalarbeitsstunden auf die Mehrarbeitsstunden abgestellt werden, die erfahrungsgemäß durchschnittlich bei den Bereitschaftsdiensten anfallen.
Orientierungssatz
1. Tariflich regelmäßig iS des § 112 Abs 2 S 1 AFG ist eine Arbeitszeit nicht schon dann, wenn sie nach dem maßgeblichen Tarifvertrag überhaupt möglich ist; vielmehr muß die maßgebliche Arbeitszeit eine nach dem Tarifvertrag regelmäßige Arbeitszeit sein, dh eine Arbeitszeit, die der Tarifvertrag als regelmäßig vorsieht (Festhaltung an BSG 1980-09-23 7 RAr 109/79 = SozR 4100 § 112 Nr 14).
2. Bereitschaftsdienst ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um, sobald es notwendig ist, seine Arbeit aufzunehmen, ohne sich im Zustand wacher Achtsamkeit zu befinden.
Arbeitsbereitschaft liegt vor, wenn Zeiten angespannter Tätigkeit mit Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung wechseln.
Rufbereitschaft ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich an einer dem Arbeitgeber anzugebenden bestimmten Stelle auf Abruf zur Arbeit bereitzuhalten (vgl BAG 1960-11-23 4 AZR 257/59 = BAGE 10, 191).
3. Weil der Arbeitnehmer während der "bloßen" Bereitschaft weder Arbeit erbringt noch schuldet, erscheint es nicht gerechtfertigt, die Stunden des Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer lediglich zur Arbeit bereit war, gemäß § 112 Abs 2 S 1 AFG als Arbeitsstunden zu veranschlagen; vielmehr sind bei der Ermittlung des durchschnittlichen Stundenlohnes nur die Stunden zu berücksichtigen, in der der Arbeitnehmer während der Bereitschaft Arbeit leistet.
Normenkette
AFG § 112 Abs. 2 S. 1; BAT § 15
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 29.10.1981; Aktenzeichen V ARBf 59/80) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 26.09.1980; Aktenzeichen 6 AR 370/79) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Unterhaltsgeldes (Uhg).
Die Klägerin, zuletzt als Operationsschwester nach dem Bundes- Angestelltentarifvertrag (BAT) tätig, nahm in der Zeit vom 5. März 1979 bis 29. Februar 1980 an einer Fortbildungsmaßnahme zur leitenden Krankenschwester teil. Die Teilnahme förderte die Beklagte ua mit Uhg. Der Bemessung legte die Beklagte die in der Vergütungsmitteilung für Februar 1979 ausgewiesenen 3.354,49 DM (festes Monatsgehalt von 2.325,27 DM und Bereitschaftsdienstvergütungen von 1.029,22 DM), 242,53 Arbeitsstunden (173,33 Normalarbeitsstunden sowie 69,2 Bereitschaftsdienststunden) und einer tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zugrunde. Das ergab ein wöchentliches Arbeitsentgelt von gerundet 555,-- DM (3.354,49 : 242,53 x 40 = 553,24 DM), aus dem sich gemäß § 44 Abs 2a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und der AFG-Leistungsverordnung 1979 vom 20. Dezember 1978 (BGBl I 2037) für die Leistungsgruppe A ein Leistungssatz von 211,80 DM wöchentlich ableitet. In dieser Höhe gewährte die Beklagte der Klägerin das Uhg (Bescheid vom 12. März 1979, Widerspruchsbescheid vom 18. April 1979). Klage und die vom Sozialgericht (SG) zugelassene Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 26. September 1980, Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 29. Oktober 1981).
Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, bezüglich der Faktoren, die für die Höhe des Uhg maßgebend seien, sei unter den Beteiligten nur die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit umstritten. Zutreffend habe die Beklagte angenommen, daß diese 40 Stunden wöchentlich umfasse. Das ergebe sich aus § 15 Abs 1 Satz 1 BAT. Die Klägerin sei zwar nach Nr 6 B Abs 1 der Sonderregelungen für Angestellte in Kranken-, Heil-, Pflege- und Entbindungsanstalten sowie in sonstigen Anstalten und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen (SR 2a BAT) auf Anordnung des Arbeitgebers auch außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zum Bereitschaftsdienst verpflichtet gewesen und habe im Jahr vor der Fortbildungsmaßnahme durchschnittlich bis zu achtmal im Kalendermonat solche Dienste geleistet, dadurch sei jedoch keine Verlängerung der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit eingetreten. Der Begriff "tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit" bezeichne eine Wochenarbeitszeit, die nach dem Tarifvertrag eine regelmäßige sein könne. Die nach dem Tarifvertrag zulässige Anordnung von Bereitschaftsdienst bewirke nicht, daß dieser ganz oder auch nur teilweise zur tariflichen Arbeitszeit zu zählen sei. Die Arbeitszeitordnung (AZO) bestimme Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeitszeitrechtlich sei der Arbeitszeit auch noch die Arbeitsbereitschaft zuzurechnen. Für den Bereitschaftsdienst dagegen enthalte die AZO trotz ihres Schutzcharakters keine einschränkende Regelung. Bereitschaftsdienst zähle deshalb nicht zur Arbeitszeit, sondern stelle gegenüber der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung rechtlich eine andere Leistung dar. Diese bestehe darin, daß sich der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten habe, um im Bedarfsfall die Arbeit aufnehmen zu können. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung werde durch Nr 6 B Abs 2 SR 2a BAT die grundsätzliche Unterscheidung von Zeiten der Arbeitsleistung, der Arbeitsbereitschaft und des Bereitschaftsdienstes nicht aufgehoben, sondern bestätigt. Die Nichtberücksichtigung des Bereitschaftsdienstes bei der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit wirke sich für die Berechnung des Uhg der Klägerin zwar ungünstig aus. Diese Folge der generalisierenden und damit vereinfachend wirkenden Betrachtungsweise, die auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei, müsse jedoch hingenommen werden.
Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 AFG iVm Nr 6 B SR 2a BAT. Als Operationsschwester sei sie tarifvertraglich verpflichtet gewesen, regelmäßig Bereitschaftsdienste zu leisten. Die ihr im Monat zu den üblichen 173,33 Arbeitsstunden vergüteten 69,2 Bereitschaftsdienststunden ergäben eine tariflich regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von insgesamt 56 Stunden.Der Arbeitgeber dürfe Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten sei, daß zwar Arbeit anfalle, erfahrungsgemäß aber die Arbeit ohne Arbeitsleistungen überwiege ( Nr 6 B Abs 1 Satz 2 SR 2a BAT). Da es praktisch kaum möglich sei, die tatsächlich anfallenden Arbeitszeiten während des Bereitschaftsdienstes festzuhalten und für jeden einzelnen Arbeitnehmer auszuwerten, müsse man aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Je nach Art des Krankenhauses könnten Umfang und Intensität des Bereitschaftsdienstes sehr unterschiedlich sein. Folglich ließen sich in einem bundesweit gültigen Tarifvertrag nur Rahmenbedingungen über den Bereitschaftsdienst festlegen. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst stelle keine gelegentlich anfallende Mehrarbeit dar. Wie aus den eingereichten Dienstplänen hervorginge, sei die Klägerin regelmäßig zum Bereitschaftsdienst eingeteilt worden. Es sei deshalb unrichtig, die tarifliche Regelung über die Bewertung der Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes lediglich als Hilfe zur Vergütungsberechnung abzutun. Die normale tarifliche Arbeitszeit in § 15 Abs 1 Satz 1 BAT werde durch die Vorschrift der Nr 6 B SR 2a BAT um die im Bereitschaftsdienst enthaltene Arbeitszeit erweitert. Ob das angefochtene Urteil mit Gründen versehen sei, da die Zustellung erst nach mehr als sieben Monaten nach der Urteilsverkündung erfolgt sei, werde der Senat von Amts wegen zu prüfen haben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die ergangenen Urteile und den Widerspruchsbescheid aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 12. März 1979 zu verurteilen, ihr höheres Unterhaltsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Zurückzuweisen ist die Sache allerdings nicht schon deshalb, weil das LSG die schriftliche Abfassung des Urteils erst nach mehr als sieben Monaten nach der Verkündung zugestellt hat. Verzögerungen dieses Umfangs haben noch nicht zur Folge, daß Urteile deshalb generell als nicht mit Gründen versehen anzusehen sind (vgl BSGE 53, 186, 187 f = SozR 1750 § 551 Nr 10 mwN); auch geben Tatbestand und Entscheidungsgründe keine Anhaltspunkte, daß sie das Beratungsergebnis nicht zuverlässig beurkunden. Die Zurückverweisung ist vielmehr erforderlich, weil die bisher getroffenen Feststellungen dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht erlauben.
Höheres Uhg steht der Klägerin nur zu, wenn der Leistungsbemessung ein wöchentliches Arbeitsentgelt von mehr als 555,-- DM zugrunde zu legen ist; denn daß die Klägerin bei einem solchen Bemessungsentgelt nicht mehr als die gewährten 211,80 DM wöchentlich an Uhg zu beanspruchen hat, ist nach der Sachlage nicht zweifelhaft.
Bemessungsgrundlage des Uhg ist, abgesehen von den Fällen des § 44 Abs 3 AFG, das Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG (§ 44 Abs 2 und Abs 2a AFG in den seit dem 1. Januar 1976 geltenden Fassungen). Dieses ist das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Das Bemessungsentgelt ist demnach um so höher, je mehr Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum erzielt ist, je weniger an Arbeitszeit hierfür erforderlich war und je länger die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit war.
Ohne Erfolg bleibt die Revision, als sie geltend macht, die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit habe 56 und nicht, wie die Beklagte und die Vorinstanzen angenommen haben, nur 40 Stunden wöchentlich betragen.
Tariflich regelmäßig iS des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG ist eine Arbeitszeit nicht schon dann, wenn sie nach dem maßgeblichen Tarifvertrag überhaupt möglich ist; vielmehr muß, wie der Senat in Übereinstimmung mit der im Schrifttum herrschenden Auffassung in SozR 4100 § 112 Nr 14 = SGb 1981, 276 (mit Anmerkung Heuer) näher begründet hat, die maßgebliche Arbeitszeit eine nach dem Tarifvertrag regelmäßige Arbeitszeit sein, dh eine Arbeitszeit, die der Tarifvertrag als regelmäßig vorsieht. Hieran ist festzuhalten. Das Bemessungsentgelt soll dem Arbeitsentgelt entsprechen, das der Leistungsempfänger erzielen würde, stünde er in einem Arbeitsverhältnis. Dabei geht die gesetzliche Regelung davon aus, der Leistungsempfänger könne für die Arbeitsstunde das erzielen, was er durchschnittlich im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde erzielt hat. Wenn im Gegensatz dazu hinsichtlich der Arbeitszeit nicht die tatsächlich durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Bemessungszeitraum, sondern die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (bzw ggf der Durchschnitt mehrerer tariflicher regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeiten) zugrunde zu legen ist, so ist dies darauf zurückzuführen, daß nicht unterstellt werden kann, daß der Leistungsempfänger, der im Bemessungszeitraum eine besonders hohe Arbeitszeitleistung erbracht hat, diese fortlaufend, insbesondere in einem anderen Beschäftigungsverhältnis, leisten könnte (vgl BSGE 51, 64, 66 = SozR 4100 § 112 Nr 15). Die Nichtberücksichtigung einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, soweit sie die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit übersteigt, soll im übrigen aus Gründen der Vermittelbarkeit des Arbeitslosen gewährleisten, daß das Arbeitslosengeld, das § 112 AFG vornehmlich regelt, an das normale tarifliche Arbeitsentgelt nicht etwa heranreicht (vgl Heuer aaO). Verfassungsrechtlich ist diese Regelung unbedenklich (BVerfGE 51, 115 = SozR 4100 § 112 Nr 10).
Die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt danach für Angestellte im Pflegedienst (Krankenpflegepersonal), die wie die Klägerin dem BAT unterfallen und nach Nr 6 B SR 2a BAT verpflichtet sind, Bereitschaftsdienst zu leisten, 40 Stunden. Das folgt aus § 15 BAT. Nach § 15 Abs 1 Satz 1 BAT beträgt nämlich die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich.
Diese tarifliche regelmäßige Arbeitszeit kann zwar nach § 15 Abs 2 bis 4 BAT in bestimmten Fällen verlängert werden, jedoch sehen weder der § 15 BAT noch die SR 2a BAT (1979 geltend in der zuletzt durch den 43. Änderungstarifvertrag vom 28. April 1978 geänderten Fassung) eine tarifliche Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit für Angestellte im Pflegedienst wegen ihrer Verpflichtung vor, Bereitschaftsdienst zu leisten.
Der Bereitschaftsdienst besteht nach Nr 6 B Abs 1 SR 2a BAT darin, sich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Mit dieser Definition hat der BAT die von der Rechtsprechung in Abgrenzung zur Arbeitsbereitschaft und zur Rufbereitschaft entwickelten Begriffe des Bereitschaftsdienstes aufgenommen. Arbeitsbereitschaft liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn Zeiten angespannter Tätigkeit mit Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung wechseln. Demgegenüber ist Bereitschaftsdienst gegeben, wenn der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um, sobald es notwendig ist, seine Arbeit aufzunehmen, ohne sich im Zustand wacher Achtsamkeit zu befinden. Rufbereitschaft schließlich ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich an einer dem Arbeitgeber anzugebenden bestimmten Stelle auf Abruf zur Arbeit bereitzuhalten (vgl BAGE 8, 25, 27 f; 8, 63, 71; 8, 245, 252; 10, 191, 194 f). Wird bei der Arbeitsbereitschaft eine gewisse, wenn auch im Zustand der Entspannung geleistete Arbeit vorausgesetzt, so genügt beim Bereitschaftsdienst die bloße körperliche Anwesenheit des Arbeitnehmers. Während bei der Arbeitsbereitschaft noch eine im Vergleich zur Vollarbeit geringere Leistung geschuldet wird, besteht beim Bereitschaftsdienst die vertragliche Verpflichtung primär nicht in der Arbeitsleistung, sondern lediglich im "Anwesendsein". Dies stellt eine andere, mindere vertragliche Leistung dar (vgl BAGE 8, 25, 30; BAG AP Nr 11 zu § 15 AZO; BAG DB 1981, S 1195 f). Erst mit der Aufforderung zum Einsatz wird die eigentliche vertragliche Leistung gefordert, erst mit dem Einsatz beginnt somit die volle Arbeit.
Angestellte im Pflegedienst sind zum Bereitschaftsdienst "auf Anordnung des Arbeitgebers" verpflichtet (Nr 6 B Abs 1 Satz 1 SR 2a BAT). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt (Nr 6 B Abs 1 Satz 2 SR 2a BAT). Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sollen, auch zusammen, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht mehr als achtmal im Kalendermonat angeordnet werden (Nr 6 B Abs 7 Satz 1 SR 2a BAT). Die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst und zu der während dieses Dienstes anfallenden Arbeit ist demnach zwar tariflich. Das trifft aber auch für Überstunden zu, ohne daß diese die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit erhöhen. Daß die Bereitschaftsdienstverpflichtung die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit nicht erhöhen sollte, ergibt sich im übrigen aus den getroffenen Sonderregelungen.
Bereitschaftsdienst ist, wie sich aus Nr 6 B Abs 1 Satz 1 SR 2a BAT ergibt, "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" zu leisten. Das bezieht sich nicht nur auf die Lage, sondern auch die Dauer der Arbeitszeit (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar zum BAT, Anm 3 zu Nr 6 SR 2a BAT, Februar 1983). Der Bereitschaftsdienst kann mithin schon begrifflich die regelmäßige Arbeitszeit des § 15 Abs 1 Satz 1 BAT nicht erhöhen. Folgerichtig behandeln die Sonderregelungen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft nicht als Sondervorschriften zu dem die regelmäßige Arbeitszeit betreffenden § 15 BAT (vgl Nr 5 SR 2a BAT), sondern im Zusammenhang mit der Überstundenregelung des § 17 BAT. Das wird auch aus der Überschrift der Nr 6 ("Zu § 17 - Überstunden") deutlich. Entsprechend ist in Nr 6 B SR 2a BAT an keiner Stelle vorgesehen, daß die regelmäßige Arbeitszeit nach § 15 BAT um Zeiten regelmäßigen Bereitschaftsdienstes, oder während dieser Zeit tatsächlich oder erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallende Arbeitszeiten verlängert wird oder sonst durch Vereinbarung verlängert werden kann. Die Bewertung als Arbeitszeit erfolgt vielmehr ausschließlich "zum Zwecke der Vergütungsberechnung" (Nr 6 B Abs 2 Satz 1 SR 2a BAT) und der in Nr 6 B Abs 4 SR 2a BAT möglichen Abgeltung durch Freizeit (Böhm/Spiertz/Claus/Steinherr, Kommentar zum BAT, RandNr 19 zu Nr 6 SR 2a BAT, August 1983). Die Nr 6 B SR 2a BAT räumt dem Angestellten auch kein tarifliches Recht ein, überhaupt oder regelmäßig in einem bestimmten Umfange Bereitschaftsdienste zu leisten; allein aufgrund der SR 2a BAT kann der Angestellte somit nicht damit rechnen, neben den festen Bezügen (Grundvergütung, Ortszuschlag usw) regelmäßig die in Nr 6 B Abs 2 bis 5 SR 2a BAT vorgesehenen Vergütungen zu erhalten. Schließlich muß trotz geleisteten Bereitschaftsdienstes die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Wochenstunden nicht überschritten werden; das ist dann nicht der Fall, wenn die zum Zwecke der Vergütungsberechnung nach Nr 6 B Abs 2 Buchst a SR 2a BAT errechnete Arbeitszeit, die der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung zumindest entspricht, durch entsprechende Freizeit abgegolten wird, wie das nach Nr 6 B Abs 4 SR 2a BAT möglich ist. Auch diese Bestimmung macht deutlich, daß die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit so wenig erhöht, wie dies durch die Anordnung von Überstunden bewirkt wird, die grundsätzlich auch durch entsprechende Arbeitsbefreiung auszugleichen sind (§ 17 Abs 5 BAT). Allerdings mag die Anordnung von Bereitschaftsdiensten in Krankenanstalten eher zur Regel gehören als die Anordnung von Überstunden, die auf dringende Fälle zu beschränken ist. Doch hat die Nr 6 B SR 2a BAT auch davon abgesehen, innerhalb der Grenzen des Abs 7 eine regelmäßige Anzahl von Bereitschaftsdiensten vorzusehen, die der Arbeitgeber nicht durch Freizeit abgelten kann. Ob neben der regelmäßigen Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienste mehr an Arbeit zu erbringen ist, richtet sich somit nicht nach einem vom Tarifvertrag als regelmäßig angesehenen Maß an Bereitschaftsdiensten, sondern nach den Umständen in der jeweiligen Krankenanstalt. Auch das verbietet die Annahme, entgegen dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang führe Nr 6 B SR 2a BAT zu einer Erhöhung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.
Obwohl das LSG somit die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zutreffend bestimmt hat, führt die Revision zur Zurückverweisung. Das LSG hat sich nur mit der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit befaßt, nicht dagegen mit dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt, obwohl der Durchschnittslohn in gleicher Weise wie die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Höhe des Bemessungsentgelts bestimmt. Einer eigenständigen Prüfung dieses Faktors des Bemessungsentgelts war das LSG nicht deshalb enthoben, weil die Beteiligten hierüber nicht gestritten haben; denn das Gericht hat seine rechtliche Prüfung auf alle Punkte zu erstrecken, die für und gegen den geltend gemachten Klaganspruch sprechen könnten, der hier auf höheres Uhg gerichtet ist. Da sich das LSG nicht mit dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt befaßt hat, hat es diesbezüglich keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Dem angefochtenen Urteil läßt sich insoweit nur entnehmen, daß die Beklagte ihrer Berechnung ein festes Monatsgehalt von 2.325,27 DM sowie 1.029,22 DM Bereitschaftsdienstvergütungen zugrunde gelegt und als Arbeitszeit 173,33 Normal- sowie 69,2 Bereitschaftsdienststunden bewertet hat. Ob die Klägerin in dem für sie maßgeblichen Bemessungszeitraum in 242,53 Arbeitsstunden 3.354,49 DM, dh in der Arbeitsstunde durchschnittlich 13,83 DM erzielt hat, hat das LSG damit nicht selbst festgestellt. Schon deshalb ist dem Senat eine abschließende Entscheidung verwehrt.
Das wäre im übrigen auch der Fall, wenn das LSG die Zahlen über das erzielte Arbeitsentgelt, die Normal- und die "Bereitschaftsdienststunden", von denen die Beklagte bei der Berechnung ausgegangen ist, als eigene Feststellungen bzw eigene Bewertungen übernommen hätte, denn aus ihnen ergibt sich die Anzahl der maßgeblichen Arbeitsstunden nicht. Arbeitsentgelt, das nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zahl von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden mit 13 vervielfacht und durch 3 geteilt wird (§ 112 Abs 2 Satz 2 AFG). Für das feste Monatsgehalt der Klägerin sind daher bei der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden 173,33 (= 40 x 13 : 3) Arbeitsstunden zu veranschlagen. Hinzu kommen die Mehrarbeitsstunden (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 112 RdNr 18, Stand August 1972), die die Klägerin während des Bereitschaftsdienstes zurückgelegt hat. Das hat die Beklagte nicht verkannt; doch kann nicht von den 69,2 Arbeitsstunden ausgegangen werden, nach denen der Arbeitgeber die Bereitschaftsdienstvergütungen berechnet hat.
Nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG ist, soweit nicht wie in Satz 2 eine besondere Regelung getroffen worden ist, grundsätzlich auf die Zahl der im Bemessungszeitraum tatsächlich zurückgelegten Arbeitsstunden abzustellen. Solange der Arbeitnehmer sich während des Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit lediglich an der vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, erbringt er keine Arbeit, wie sie seinem Beschäftigungsverhältnis das Gepräge gibt. Während dieser Zeit kann der Arbeitnehmer vielmehr schlafen, ruhen oder sich sonstwie beschäftigen; lediglich die Bereitschaft, jederzeit die Arbeit aufzunehmen, darf durch die Art der Beschäftigung nicht leiden. Weil der Arbeitnehmer während der "bloßen" Bereitschaft weder Arbeit erbringt noch schuldet, erscheint es nicht gerechtfertigt, die Stunden des Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer lediglich zur Arbeit bereit war, gem § 112 Abs 2 Satz 1 AFG als Arbeitsstunden zu veranschlagen; vielmehr sind bei der Ermittlung des durchschnittlichen Stundenlohnes nur die Stunden zu berücksichtigen, in der der Arbeitnehmer während der Bereitschaft Arbeit leistet. Mit den 69,2 Arbeitsstunden hat die Beklagte aber nicht die Zahl der von der Klägerin während der Bereitschaftsdienste im Bemessungszeitraum erbrachten Arbeitszeit erfaßt, sondern eine Rechnungsgröße wiedergegeben, mit der der Arbeitgeber in der Vergütungsmitteilung für Februar 1979 die Zeit des Bereitschaftsdienstes gem Nr 6 B Abs 2 SR 2a BAT als Arbeitszeit gewertet hat, um den Bereitschaftsdienst einschließlich der geleisteten Arbeit tarifgemäß zu vergüten. Diese Bewertung gibt von ihrem Ansatz her nicht einmal die erfahrungsgemäß durchschnittlich während des Bereitschaftsdienstes anfallende Arbeitszeit wieder. Zwar orientiert sich die Bewertung nach Nr 6 B Abs 2 Buchst a SR 2a BAT noch an den erfahrungsgemäß anfallenden Arbeitsleistungen, doch wird nicht ein Durchschnittswert, sondern jeweils der Höchstwert angesetzt. So wird in der Stufe A, in die die Tätigkeit der Klägerin nach ihren Angaben im Berufungsverfahren eingruppiert worden war, eine innerhalb des Bereitschaftsdienstes durchschnittlich anfallende Arbeitsleistung von 0 bis 10 vH schon mit 15 vH als Arbeitszeit gewertet; es werden also 5 % Punkte (dh hier 50 vH) mehr als Arbeitszeit gewertet, als höchstens durchschnittlich anfallen. Bei der in allen Fällen zusätzlich erfolgenden Bewertung nach Nr 6 B Abs 2 Buchst b SR 2a BAT besteht überhaupt keine Anknüpfung an die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung; denn diese zusätzliche Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit, die in Stufen mit der Zahl der in einem Kalendermonat geleisteten Bereitschaftsdienste ansteigt, vergütet nicht eine Arbeitsleistung, sondern die erzwungene Anwesenheit an einem vom Arbeitgeber zu bestimmenden Ort und die besonderen Nachteile, die sich durch mehr als 8 bzw 12 Bereitschaftsdienste im Kalendermonat ergeben.
Lassen somit die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht zu, den für das Bemessungsentgelt weiteren maßgeblichen Faktor des im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts zu bestimmen, ist schon aus diesen Gründen das angefochtene Urteil gem § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LSG zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können.
Für die erneute Entscheidung reicht es aus, wenn das LSG zusätzlich zu den 173,33 Normalarbeitsstunden die Mehrarbeitsstunden ermittelt, die erfahrungsgemäß durchschnittlich bei den Bereitschaftsdiensten anfallen, wie sie die Klägerin im Bemessungszeitraum abgeleistet hat. Ein Abstellen auf die während der Bereitschaftsdienste im Bemessungszeitraum tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen stößt nicht nur auf praktische Schwierigkeiten; es führte zudem zu Zufallsergebnissen, bei denen überdurchschnittliche Arbeitsleistungen die Klägerin benachteiligen, unterdurchschnittliche sie dagegen bevorzugen. Das LSG wird daher an Hand des zu ermittelnden Durchschnittssatzes und der ebenfalls zu ermittelnden Stunden, die die Klägerin in Bereitschaftsdiensten während des Bemessungszeitraums zurückgelegt hat, die Arbeitsstunden ermitteln, in der die Klägerin die Bereitschaftsdienstvergütungen erzielt hat. In welchem Umfange erfahrungsgemäß durchschnittlich bei den Bereitschaftsdiensten Arbeitsleistungen anfielen, wird von dem Krankenhausträger bzw den Tarifpartnern einer bezirklichen oder örtlichen Vereinbarung über die Zuweisung der Bereitschaftsdienste zu den Stufen A bis D (vgl Nr 6 B Abs 5 SR 2a BAT) zu erfahren sein, da eine solche Vereinbarung jeweils zum Jahresende gekündigt werden kann und jede neue Zuweisung die während der Bereitschaftsdienste tatsächlich anfallende Arbeit berücksichtigen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1659286 |
Breith. 1984, 902 |