Leitsatz (amtlich)
Betriebsärzte sind regelmäßig nicht abhängig beschäftigt, wenn ihnen neben den kraft Gesetzes weisungsfreien Aufgaben (§§ 3, 8 ASiG) keine anderen weisungsgebundenen Aufgaben übertragen worden sind, die Bindung an die Arbeitszeit sich auf die Abhaltung bestimmter Sprechstunden im Betrieb beschränkt und dem Arzt freisteht, Zeit und Dauer seines Urlaubs selbst zu bestimmen und an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen.
Normenkette
SGB 4 § 7 Abs 1 Fassung: 1976-12-23; AVG § 2 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs 1 S 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; ASiG § § 1, 2 Abs 2, § 2 Abs 3, § 3 Abs 1, § 8 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 04.11.1980; Aktenzeichen I KRBf 5/80) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 08.01.1980; Aktenzeichen 23 Kr 210/78) |
Tatbestand
Streitig ist die Angestelltenversicherungspflicht einer Betriebsärztin.
Die 1925 geborene und früher als Angestellte beschäftigt gewesene Beigeladene zu 1) übt seit dem 1. April 1977 die Tätigkeit einer Betriebsärztin gem § 3 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) vom 12. Dezember 1973 für die Hauptverwaltung der Klägerin aus. Ihrer Tätigkeit lag zunächst der Vertrag vom 8. März 1977 zugrunde, der für die Zeit vom 1. Oktober 1977 durch den im wesentlichen gleichlautenden Vertrag vom 23. September 1977 ersetzt worden ist. Dieser Vertrag enthält ua folgende Bestimmungen:
1.
Frau Dr. Hopfeld übernimmt als freie Mitarbeiterin der Firma die
Aufgaben einer Betriebsärztin nach dem ASiG ... In der Ausübung
ihrer arbeitsmedizinischen Tätigkeit ist sie weisungsfrei und nur
dem Gesetz unterworfen. Die Firma stellt der Betriebsärztin nach
Maßgabe des § 2 Abs 2 ASiG das erforderliche Personal sowie Räume,
Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung. Die Betriebsärztin
ist gegenüber dem ihr zur Verfügung gestellten Personal
weisungsbefugt in bezug auf ihre fachliche Tätigkeit. Die Firma
informiert die Betriebsärztin über alle für ihre Tätigkeit im
Betrieb bedeutsamen Umstände.
2.
Der Betriebsärztin werden die in § 3 ASiG aufgeführten Aufgaben
übertragen. Außerdem hat sie die jährliche Grippeschutzimpfung
durchzuführen. Die Betriebsärztin unterliegt der ärztlichen
Schweigepflicht. Sie ist darüber hinaus zur unbedingten
Verschwiegenheit über alle ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Kenntnis
gelangenden Angelegenheiten der Firma, insbesondere Geschäfts- und
Betriebsgeheimnisse, verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht
besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses fort.
Die von der Betriebsärztin gefertigten Aufzeichnungen und die
Patientenkartei sind so aufzubewahren, daß sie vor dem Zugriff
Unbefugter geschützt sind.
Veröffentlichungen und Vorträge, die die Interessen der Firma
berühren, bedürfen der Zustimmung der Geschäftsleitung.
3.
Die Betriebsärztin ist in der Bestimmung ihrer Dienstzeit und in der
Erledigung der von ihr übernommen Aufgaben frei. Sie steht jedoch
den Beschäftigten der Firma in den Vormittagsstunden zur Verfügung.
Im Falle einer Verhinderung (Urlaub, Krankheit, Weiter- und
Fortbildung o.ä.) muß die Betriebsärztin sich um eine geeignete
Vertretung bemühen und selber die Kosten tragen. Eine voraussehbare
Verhinderung ist der Firma rechtzeitig mitzuteilen.
4.
Für ihre Tätigkeit in der Firma erhält die Betriebsärztin ein
Jahreshonorar von 52.000 DM. Das Honorar mindert sich weder durch
Krankheit, Urlaub, pp., soweit die Betriebsärztin entsprechend ihrer
Verpflichtung, auf ihre Kosten eine Ersatzkraft zu stellen,
nachkommt.
5.
Die ärztliche Haftpflichtversicherung für ihre Tätigkeit im
Betrieb schließt die Betriebsärztin auf ihre Kosten ab.
6.
Die Betriebsärztin verpflichtet sich, die für ihre Tätigkeit gemäß
§ 4 ASiG erforderliche arbeitsmedizinische Fachkunde, soweit sie noch
nicht über sie verfügt, unverzüglich zu erwerben. Die für die
Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Fortbildung des
arbeitsmedizinischen Wissens wird durch den Besuch von
Fortbildungskursen und/oder -veranstaltungen gewährleistet.
Eine eventuelle Kostenübernahme wird im Einvernehmen mit der Firma
vor dem Fortbildungsmaßnahmen geklärt.
7.
Beide Parteien können das Vertragsverhältnis mit 6monatiger Frist
zum 30.06. bzw 31.12. kündigen.
8.
Beide Vertragspartner gehen davon aus, daß Steuern und sonstige
Abgaben von der Betriebsärztin zu zahlen sind. Sie ist auch
verpflichtet, erforderliche Meldungen selbst vorzunehmen.
9.
...
10.
...
Mit Bescheid vom 23. Mai 1978 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Beigeladene zu 1) für die Zeit vom 1. April 1977 bis - zunächst - zum 30. April 1978 Beiträge zur Rentenversicherung nach. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3. August 1978). Die Klage wurde abgewiesen (Urteil des Sozialgerichts -SG- Hamburg vom 8. Januar 1980). Auf die dagegen gerichtete Berufung hob das Landessozialgericht (LSG) Hamburg das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide auf (Urteil vom 4. November 1980) und führte zur Begründung aus: Die rechtliche Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ergebe, daß diese als selbständige freie Mitarbeiterin Dienste leiste; schon der Kennzeichnung des Vertragsverhältnisses als eines freien Mitarbeiterverhältnisses sei eine gewisse Indizwirkung zuzusprechen, weil § 2 Abs 3 ASiG den Beteiligten des Tätigkeitsverhältnisses die Macht einräume, dieses als abhängiges oder selbständiges auszugestalten; darüber hinaus trage die Beigeladene zu 1) ein echtes Unternehmerrisiko, weil sie wirtschaftlich gesehen für den Fall ihrer Verhinderung keine Bezahlung erhalte; demgegenüber könnten aus der Verteilung der Sprechstunden auf die Vormittagsstunden der Werktage, aus der Bereitstellung von Hilfskräften, Räumlichkeiten und Geräten, aus der Vereinbarung einer Kündigungsfrist, aus der Schweigepflicht und der Zustimmungsbedürftigkeit von Veröffentlichungen und Vorträgen, die die Interessen der Klägerin berührten, keine Schlüsse auf eine abhängige Beschäftigung gezogen werden, weil diese Merkmale im Rahmen des ASiG indifferent seien.
Dagegen hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie trägt vor: Eine eigenständige Beurteilung von Betriebsärzten gegenüber anderen Arbeitnehmern sei nicht gerechtfertigt; im einzelnen zeigten die mit der Beigeladenen zu 1) geschlossenen Verträge, daß eine abhängige Beschäftigung vorliege; so sei die Arbeitszeit an die Erfordernisse des Betriebes der Klägerin gebunden; des weiteren sei die Einhaltung einer Kündigungsfrist vereinbart worden, was bei ständigen Dienstleistungen anderer Selbständiger nicht üblich sei; für die Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin spreche auch die Garantie eines Mindesteinkommens, so daß von einem Unternehmerrisiko nicht gesprochen werden könne; es fehle ferner die eigene Betriebsstätte, die Beigeladene zu 1) sei vielmehr einer fremden Arbeitsorganisation eingegliedert; schließlich ergebe sich aus den weiteren Aufgaben der Betriebsärztin nach § 3 ASiG (Beratung bei der Unfallverhütung etc), daß die Beigeladene zu 1) der Klägerin im Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis untergeordnet sei.
Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. November 1980
aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts
Hamburg vom 8. Januar 1980 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 1) war während des Revisionsverfahrens nicht vertreten.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich dem Antrag und den Ausführungen der Beklagten an.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig angesehen; denn die Beigeladene zu 1) ist nicht abhängig Beschäftigte der Klägerin.
Ob die Beigeladene zu 1) für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden ist, richtet sich nach den dazu von der Rechtsprechung aufgestellten allgemeinen Grundsätzen. Das ASiG enthält insoweit keine besonderen Beurteilungsmaßstäbe, die von denjenigen abweichen, die für sonstige Tätigkeiten gelten. Daß das ASiG neben "als Arbeitnehmer" eingestellten Betriebsärzten ausdrücklich auch "nicht als Arbeitnehmer" eingestellte, dh selbständige Betriebsärzte erwähnt (§ 2 Abs 3, vgl auch § 9 Abs 3), trägt nur dem Umstand Rechnung, daß bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze beide Formen der Gestaltung möglich sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), insbesondere des erkennenden Senats, setzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus (BSGE 20, 6, 8 = SozR Nr 41 zu § 165 RVO; BSGE 35, 20, 21 = SozR Nr 34 zu § 539 RVO; BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1; SozR Nrn 62, 68, 71 und 72 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 1227 Nr 4; vgl ferner die Urteile des erkennenden Senats vom 16. Dezember 1976 - 12/3 RK 4/75 - USK 76196, vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - SozR 2200 § 1227 Nr 8 und vom 13. Juli 1978 - 12 RK 14/78 -). Bei einer Tätigkeit in einem fremden Betrieb ist erforderlich, daß der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem die Zeit, die Dauer, den Ort und die Art der Ausführung umfassenden Weisungsrechts des Arbeitgebers unterliegt (BSGE 13, 196, 197, 201 f = SozR Nr 5 zu § 1 AVG aF; SozR Nr 68 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 1227 Nr 4). Dieses Weisungsrecht kann allerdings - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerechte, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß" verfeinert sein (BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO; SozR Nr 68 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 1227 Nr 4; Urteil vom 25. September 1981 - 12 RK 5/80 -, ständige Rechtsprechung). Andererseits sind als Anzeichen für eine selbständige Tätigkeit anzusehen ua die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Befugnis, die Tätigkeit und die Arbeitszeit im wesentlichen frei zu gestalten (BSGE 13, 196, 201; 16, 289, 293; 35, 20, 21; 38, 53, 57; SozR Nr 68 zu § 165 RVO; SozR Nr 7 zu § 2 AVG = SGb 1973, 274 mit Anm von Bley; SozR 2200 § 1227 Nr 4; BSG USK 76196 und Urteil vom 13. Juli 1978 - 12 RK 14/78 -, ferner BSGE 51, 164, 167).
Ob jemand unter Anwendung der genannten Kriterien als abhängig beschäftigt oder als selbständig tätig zu beurteilen ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen; maßgebend hat stets das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Beachtung der Verkehrsanschauung zu sein (BSG SozR Nrn 8 und 51 zu § 165 RVO; SozR Nrn 4 und 7 zu § 2 AVG). Bei der Beurteilung des Gesamtbildes ist im übrigen von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen. Die Bestimmungen des Vertrages sind zwar ebenfalls von Bedeutung, jedoch dann unbeachtlich, wenn sie den tatsächlichen Verhältnissen widersprechen (BSGE 51, 164 Leitsatz 1; BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4 und 8).
Das LSG hat diese Grundsätze zutreffend angewandt und ist mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Beigeladene zu 1) die Betriebsarzttätigkeit für die Klägerin selbständig ausübt. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, daß sie keinerlei Weisungen der Klägerin unterliegt. Dies ergibt sich, was die fachliche Ausführung ihres Auftrags als Betriebsärztin betrifft, schon aus dem Gesetz (§ 8 Abs 1 ASiG) und ist in dem zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Vertrag lediglich bestätigt worden. Diese Weisungsfreiheit bedeutet, daß sie als Betriebsärztin frei darüber zu entscheiden hat, ob und welche arbeitsmedizinischen Prüfungen und Untersuchungen vorzunehmen oder welche sonstigen Maßnahmen zu treffen sind, wie die Maßnahmen durchzuführen sind und - innerhalb gewisser, häufig schon aus der Sache selbst (Arbeitszeit des Betriebes uä) sich ergebender Grenzen - auch zu welchem Zeitpunkt sie erfolgen sollen.
Es ist hier nicht zu erörtern, in welchen Fällen und in welchem Umfang der Arbeitgeber einem angestellten Betriebsarzt Weisungen geben könnte, bestimmte Maßnahmen nach einem vorgegebenen Plan und/oder zu von ihm festgelegten Zeiten durchzuführen (vgl hierzu zB Kliesch/Nöthlichs/Wagner, Kommentar zum ASiG, § 8 Anm 4.1); denn der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) geschlossene Vertrag läßt erkennen, daß die Beigeladene auch außerhalb des Einsatzes ihrer arbeitsmedizinischen Fachkunde keinen Weisungen unterliegt. Nach dem Vertrag soll sie "als freie Mitarbeiterin" tätig werden; irgendwelche Weisungsbefugnisse der Klägerin sind nicht vorgesehen. Ein Anhalt, daß die tatsächliche Gestaltung der Beziehungen der vertraglichen Regelung insoweit nicht entspricht, hat sich im Verfahren nicht ergeben.
Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, daß auch eine inhaltlich weitgehend weisungsfreie Tätigkeit als abhängige Beschäftigung ausgeübt werden kann; das gilt namentlich dann, wenn mit der weisungsfreien Tätigkeit andere, in das betriebliche Weisungsgefüge einbezogene Aufgaben verbunden sind oder zusätzlich übernommen werden. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bei einem in seiner ärztlichen Tätigkeit ebenfalls weisungsfreien Chefarzt einen Hinweis auf eine abhängige Beschäftigung darin gesehen, daß er in der Leitung seiner Krankenhausabteilung, also in organisatorisch-verwaltungsmäßiger Hinsicht, insbesondere in der Ausübung von Aufsichtsbefugnissen, dem Weisungsrecht des Vertragspartners unterlag (BAG AP Nr 24 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche Bl 1276 R). Ähnlich hat der erkennende Senat die Arbeitnehmerstellung eines mit "weisungsfreien" Forschungsaufgaben betrauten Hochschulprofessors damit begründet, daß er hinsichtlich der ihm daneben obliegenden Verwaltungsaufgaben Weisungen unterworfen war (BSG SozR 5750 Art 2 § 46 Nr 5 S 11). Andererseits hat der Senat Lehrbeauftragte, die nicht oder nur sehr lose in die Selbstverwaltung der Hochschule einbezogen waren, ua aus diesem Grunde nicht als abhängig Beschäftigte angesehen (BSG SozR 2200 § 165 Nr 45 S 68). Entsprechendes ist für die auf rein wissenschaftlich-fachliche Aufgaben beschränkte Tätigkeit eines Strahlenphysikers (BAGE 12, 303), eines nebenamtlich als Fleischbeschauer tätigen Tierarztes (BSG SozR Nr 55 zu § 165 RVO), eines Lotsen (BGH AP Nr 1 zu § 611 BGB Lotse), einer Lehrkraft (BSG SozR 2200 § 165 Nr 36) oder von ärztlichen Praxisvertretern (BSGE 10, 41; BSG SozR Nr 14 zu § 165 RVO) angenommen werden. Auch im Falle der Beigeladenen zu 1) sind die von ihr vertraglich übernommenen Aufgaben auf die rein fachliche Tätigkeit als Betriebsärztin beschränkt. Eine Einbindung in die Weisungsstränge der betrieblichen Hierarchie oder eine Verpflichtung, weitere dem Betriebszweck dienende Aufgaben zu übernehmen, ist nicht vorgesehen.
Die völlige Weisungsunabhängigkeit ist im Falle der Beigeladenen zu 1) so bestimmend für das Gesamtbild, daß andere Merkmale, die für eine abhängige Stellung sprechen könnten, demgegenüber zurücktreten. Das gilt vor allem für die "Eingliederung" der Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin.
Auch bei Diensten höherer Art, wie sie von Betriebsärzten geleistet werden, kann die Eingliederung des Dienstpflichtigen in einen übergeordneten Betriebsorganismus allerdings ein Hinweis auf eine abhängige Beschäftigung sein; dabei kann dieses Merkmal umso größer Bedeutung gewinnen, je mehr die Erteilung von (fachlichen) Weisungen nach der Art der Aufgabe zurücktritt oder völlig ausgeschlossen ist (BSGE 16, 289, 294). Es kommt dann darauf an, wie eng die Tätigkeit in den Betriebsorganismus eingebunden ist; je enger die Einbindung ist, umso mehr spricht in solchen Fällen für eine abhängige Beschäftigung. Eine gewisse "Einbindung" in den Betrieb kann - und wird in der Regel - zwar auch bei der Tätigkeit eines Betriebsarztes vorliegen, insbesondere wenn er sie nur in den Räumen des Betriebes ausübt, zumal ihm beratende Aufgaben im Zusammenhang mit der Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen, der Beschaffung technischer Arbeitsmittel und Einführung von Arbeitsverfahren oder Arbeitsstoffen, der Gestaltung des Arbeitsrhythmus, der Pausenregelung, der Arbeitsplätze und des Arbeitsablaufs sowie hinsichtlich der Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung übertragen sind (vgl dazu § 3 Abs 1 und Abs 3 ASiG). Jedoch vermag regelmäßig - und so auch hier - die organisatorische "Einbindung" dieser Aufgaben in einen Betrieb allein noch nicht - jedenfalls nicht ohne weiteres - die Stellung als abhängig Beschäftigter zu begründen, weil bestimmte Teilaufgaben eines Betriebes, vor allem wenn sie eine gehobene spezielle Fachkunde erfordern, auch an selbständig Tätige vergeben werden können; das gilt selbst dann, wenn diese Aufgaben ihrer Art nach nur im Betrieb des Vertragspartners verrichtet werden können. Ob sie selbständig oder abhängig ausgeübt werden, hängt dann davon ab, ob die Gestaltung der gegenseitigen Beziehung dem einzelnen noch einen für eine selbständige Tätigkeit der betreffenden Art typischen und nach der Eigenart des Betriebes möglichen Freiraum läßt. Für den Bereich betriebsärztlicher Tätigkeit bedeutet dies, daß dem Betriebsarzt hinsichtlich Art, Umfang und Zeit der Durchführung seiner gesetzlich vorgesehenen Aufgaben eine ausreichende Dispositionsfreiheit gegeben sein muß und andere weisungsgebundene Aufgaben ihm nicht übertragen sein dürfen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Daß der Beigeladenen zu 1) weitere Aufgaben der genannten Art nicht zugewiesen sind, ist bereits hervorgehoben worden. Was die Frage ausreichender Freiräume betrifft, so enthält allerdings der Vertrag die Bestimmung, daß die Beigeladene zu 1) den Beschäftigten der Firma in den Vormittagsstunden zur Verfügung steht. Damit wird aber lediglich dem Bedürfnis der Betriebsleitung und der Mitarbeiter entsprochen, den Betriebsarzt in bestimmten Zeiten erreichen zu können. Ohne eine enge Kooperation mit der Betriebsleitung und der Belegschaft kann die betriebsärztliche Tätigkeit nicht störungsfrei verlaufen. Die Festlegung von Sprechstunden spräche deshalb nur dann für eine abhängige Beschäftigung, wenn die zeitliche Bindung über das von der Sache her notwendige Maß hinausginge und etwa die gesamte Tätigkeit innerhalb fester "Dienstzeiten" zu verrichten wäre. Das ist hier aber nicht der Fall.
Die Beigeladene zu 1) ist im übrigen frei, Zeit und Umfang ihres Urlaubs zu bestimmen und Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen. Diese Befugnis schließt das Recht ein, aus solchen Gründen auch gelegentlich die Sprechstunde ausfallen zu lassen. Dies ist allerdings im Hinblick darauf, daß die Beigeladene zu 1) bei Verhinderungen die Kosten für eine Ersatzkraft selbst tragen muß, für sie nur dann eine wirkliche Freiheit, wenn die ihr gezahlte Vergütung nicht nur die bei Angestellten sonst anfallenden, hier aber von der Beigeladenen zu 1) zu tragenden Lohnnebenkosten enthält, sondern auch einen angemessenen weiteren Betrag, der ihr erst die Nutzung der ihr zugestandenen Freiheiten ermöglicht. Auch insoweit bestehen hier aber angesichts der Höhe der Vergütung keine Bedenken.
Als ein für eine abhängige Beschäftigung sprechendes Merkmal ist regelmäßig auch die Tätigkeit in den Räumen und mit den Mitteln und dem Personal des Vertragspartners anzusehen (s zB BSG SozR Nr 71 zu § 165 RVO; BSG DAngVers 72, 211). Dieses Merkmal hat indessen bei betriebsärztlicher Tätigkeit ein geringeres Gewicht, weil diese Tätigkeit ihrer Art nach notwendig überwiegend im Betrieb stattfinden muß und das Gesetz darüber hinaus ausdrücklich - auch für den selbständig tätigen Arzt - vorschreibt, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsärzten, soweit dies zur Erfüllung Aufgaben erforderlich ist, Hilfspersonal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen (§ 2 Abs 2). Entscheidend kann deshalb nur sein, inwieweit der Betriebsarzt bei der Inanspruchnahme von Räumen, Geräten und Personal Einschränkungen unterliegt. Solche Einschränkungen sind aber im Falle der Beigeladenen zu 1) weder vertraglich festgelegt noch bestehen sie tatsächlich. Im Gegenteil enthält der Vertrag ausdrücklich die Bestimmung, daß die Beigeladene zu 1) dem ihr zur Verfügung gestellten Personal gegenüber weisungsbefugt ist. Daraus und aus der ihr gesetzlich garantierten Unabhängigkeit in der Durchführung der betriebsärztlichen Aufgaben ist zu entnehmen, daß die Betriebsleitung in ihre Weisungen grundsätzlich nicht eingreifen darf.
Schließlich wird vielfach auch eine feste Vergütung (laufendes Gehalt) als Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses angesehen (s zB BSG SozR Nr 8 zu § 165 RVO; BSG SozR Nr 22 zu § 3 AVG; BSG Urteil vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 24/78 -). Das gilt aber nur insoweit, als die Vergütung für den Beschäftigten risikofrei vereinbart ist. Hier trägt die Beigeladene zu 1) jedoch nach dem Vertrag weitgehend das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft. Sie hat nämlich für die Kosten einer Ersatzkraft aufzukommen, wenn sie durch Krankheit, Urlaub oder auf sonstige Weise an der Ausübung ihrer Tätigkeit verhindert ist. Der Senat hat zwar mehrfach ausgesprochen, daß das Überbürden eines bestimmten Risikos allein einen Arbeitnehmer noch nicht zum Selbständigen macht, es sei denn, daß diesem Risiko größere Verdienstchancen oder größere Freiräume gegenüberstehen (BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17). Gerade ein Fall der letzteren Art liegt hier jedoch vor, weil - wie dargelegt - der Beigeladenen zu 1) vielfältige Freiheiten verbleiben, die ihre Tätigkeit zu der eines Selbständigen machen.
Demgegenüber können auch weitere Klauseln des Vertrages insbesondere über dessen Kündigung und über Beschränkungen bei Vorträgen und Veröffentlichungen (Nrn 2, 7), das Gesamtbild nicht entscheidend ändern. Eine Kündigungsklausel ist in jedem Dauerschuldverhältnis sinnvoll und meist auch üblich. Beschränkungen der Veröffentlichungspraxis des Betriebsarztes dienen der Sicherung von berechtigten Geheimhaltungsinteressen, die gleichermaßen gegenüber einem im Betrieb selbständig tätigen Arzt bestehen.
Aus diesem Gründen konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen