Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

1. … 2. … 3. … 4. … 5. …

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe der Vergütung für ambulante poliklinische Leistungen.

Die poliklinischen zahnärztlichen Institutsambulanzen der klagenden Universität wurden im Primärkassen- und im Ersatzkassenbereich ab 1. Januar 1989 zur ambulanten zahnärztlichen Behandlung der Versicherten ermächtigt. Bei den die Ermächtigung ergänzenden vertraglichen Regelungen, in denen für einen Teilbereich der Leistungen pauschalierte Vergütungen vereinbart wurden, erzielten die Klägerin und die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) kein Einverständnis darüber, ob die Vergütung neben dem Abschlag für Forschung und Lehre in Höhe von 20 v.H. zusätzlich um einen Investitionskostenabschlag in Höhe von 10 v.H. zu vermindern sei.

Die Beklagte kürzte bei den Abrechnungen der Klägerin für die Monate Januar bis April 1989 die Honoraranforderungen um jeweils 30 v.H. (20 v.H. Abschlag für Forschung und Lehre; 10 v.H. Investitionskostenabschlag). Die Widersprüche der Klägerin, mit denen sie sich gegen den Abzug des Investitionskostenabschlages wandte und geltend machte, bei ihren Polikliniken handele es sich nicht um Krankenhäuser i.S. des § 120 Abs. 3 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wies die Beklagte durch Bescheid vom 16. Mai 1990 zurück.

Mit Urteil vom 11. September 1991 hat das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin die streitigen Honorarabrechnungsbescheide i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 1990 insoweit abgeändert, als die Honoraranforderungen um den Investitionskostenabschlag gekürzt worden waren. Die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruches hat es abgewiesen.

Auf die Berufungen der Beigeladenen zu 1), 3), 4) und 5) hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Mai 1993) und zur Begründung ausgeführt, die Berechtigung der Beklagten zur Kürzung der Honorare um den Investitionskostenabschlag ergebe sich aus § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Die Regelung unterscheide hinsichtlich der vorzunehmenden Abschläge zwischen "Krankenhäusern" (§ 107 Abs. 1 SGB V) und "Polikliniken" (§ 117 Satz 1 SGB V). Eine Beschränkung in dem Sinne, daß unter "Polikliniken" nur solche Einrichtungen zu verstehen seien, die auch die Möglichkeit zur stationären Versorgung böten, enthalte weder § 117 noch § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Bereits aus dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift mit der Formulierung "zusätzlich" sei abzuleiten, daß die Vergütung der Polikliniken um insgesamt 30 v.H. zu kürzen sei. Dies entspreche, wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeige, auch dem Zweck der Regelung, eine Doppelfinanzierung durch öffentliche Förderung und durch den in den kassen (zahn) ärztlichen Gebühren enthaltenen Investitionskostenanteil zu vermeiden, wobei es weder auf die Rechtsgrundlage noch auf eine bestimmte Qualität der öffentlichen Förderung ankomme. Auch soweit die Vergütung nach einer Fallpauschale vereinbart worden sei, schließe dies den Abzug des Investitionskostenabschlages nicht aus. Zunächst stelle die "Vergütung nach Abs. 1" nach der Begründung des Regierungsentwurfs nicht zwangsläufig einen Gegensatz zu der Vergütung nach Abs. 3 Satz 1 a.a.O. dar. Zum anderen orientiere sich die vereinbarte Pauschalvergütung an der nach Einzelleistungen berechneten Vergütung aller Berliner Kassenzahnärzte, so daß der in deren Honorar enthaltene Investitionskostenanteil auch der Pauschalvergütung für die Leistungen der Klägerin zugrunde gelegt worden sei.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 120 SGB V. Ihre poliklinischen Institutsambulanzen fielen mangels stationärer Versorgungsmöglichkeiten nicht unter die "Krankenhäuser" i.S. § 120 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 107 SGB V, deren Vergütung um einen Investitionskostenabschlag von 10 v.H. zu kürzen sei. Bei ihnen sei darüber hinaus auch nicht das Tatbestandsmerkmal der "öffentlichen Förderung" i.S. des § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V erfüllt, das eine Förderung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) voraussetze. Sie, die Klägerin, sei nach § 5 Abs. 1 KHG ausdrücklich von einer Förderung nach diesem Gesetz ausgeschlossen, weil sie Mittel nach dem Hochschulbauförderungsgesetz (HBG) i.V.m. dem Berliner Hochschulgesetz erhalte. Die Unterstützung aus Landeshaushaltsmitteln als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern nach dem HBG stehe der öffentlichen Förderung durch das KHG nicht gleich.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Mai 1993 aufzuheben und die Berufungen der Beigeladenen zu 1), 3), 4) und 5) zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält ebenso wie die Beigeladenen zu 4) und 5) die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) bis 5) haben keine Anträge gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß ihr eine höhere Vergütung nicht zusteht.

Der Honoraranspruch für die in ihren zahnmedizinischen Polikliniken erbrachten ambulanten Leistungen ergibt sich aus § 120 Abs. 1 und 3 SGB V i.V.m. den zwischen der Klägerin und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen. Diese schließen die Anwendung des § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht aus; denn die Beteiligten konnten sich über die Frage, ob die Vorschrift auch für die Vergütung der von der Klägerin erbrachten Leistungen gilt, nicht einigen.

Die Beklagte war berechtigt, die Vergütung der Klägerin um den in § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V genannten Investitionskostenabschlag zu kürzen. Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut des Gesetzes. Danach ist bei den öffentlich geförderten Krankenhäusern die Vergütung nach Abs. 1 um einen Investitionskostenabschlag von 10 v.H., bei den Polikliniken "zusätzlich" um einen Abschlag von 20 v.H. für Forschung und Lehre zu kürzen. Nach dem Satzzusammenhang kann sich das Wort "zusätzlich" nur auf die in der ersten Satzhälfte angeordnete Rechtsfolge, nämlich die Kürzung um den Investitionskostenabschlag, beziehen. Aus dieser durch den Begriff "zusätzlich" erfolgten Zuordnung des Halbsatzes 2 zu Halbsatz 1 a.a.O. ist abzuleiten, daß das Gesetz die Polikliniken bezüglich des Investitionskostenabschlages den öffentlich geförderten Krankenhäusern gleichstellt. Ihrem Wortlaut nach kann die Vorschrift damit nur so verstanden werden, daß die Vergütung der Leistungen der Polikliniken nach § 120 Abs. 3 Satz 2 1. Halbs SGB V um 10 v.H. und zusätzlich um einen Abschlag von 20 v.H. - also insgesamt um 30 v.H. - zu kürzen ist (im Ergebnis wie hier: Hencke in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 120 RdNr 12; Hauck/Haines, SGB V, K § 120 RdNr 6).

Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits der Entwurf der Bundesregierung enthielt die in § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V Gesetz gewordene Fassung (§ 129 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.d.F. des Entwurfs, BT-Drucks 11/2237, S. 45). Die mit dem Entwurf des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) befaßten Bundestagsausschüsse hatten demgegenüber empfohlen, in § 129 Abs. 3 Satz 2 a.a.O. das Wort "zusätzlich" zu streichen; eine zusätzliche Belastung der Vergütung der Polikliniken sei nicht gerechtfertigt, weil die Investitionskosten der Hochschulkliniken weit überwiegend von den Ländern als Hochschulträgern finanziert würden. Zudem würden Investitionen, die nicht der stationären Versorgung dienten, nicht nach dem KHG gefördert, so daß insoweit auch keine Doppelfinanzierung vorliege (vgl. Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf des GRG, BR-Drucks 200/1/88, Nr. 137, S. 117, Nr. 138, S. 118). Dem entsprach die Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drucks 200/88, Nr. 113, S. 111), in der u.a. ausgeführt wurde, daß Anlagen, die teilweise ambulant genutzt würden, für diesen Anteil keine Förderung erhielten. Ambulant genutzte medizinisch-technische Geräte müßten also über entsprechende Entgelte refinanziert werden, so daß insoweit keine Doppelfinanzierung vorliege und ein Abzug in Höhe von 10 v.H. in diesen Fällen sachlich nicht gerechtfertigt sei. Der Bundesrat schlug daher vor, § 129 Abs. 3 Satz 2 a.a.O. wie folgt zu fassen: "Bei den Polikliniken ist die Vergütung nach Abs. 1 um einen Abschlag von 20 v.H. für Forschung und Lehre zu kürzen". Dieser Vorschlag zeigt, daß die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Ausschüsse und der Bundesrat davon ausgingen, daß ohne eine Änderung der Entwurfsregelung auch bei den Polikliniken der Investitionskostenabschlag anfalle.

Die Bundesregierung widersprach in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 11/2493, zu Nr. 113, S. 66) dem Vorschlag mit dem Hinweis, die Änderung führe nicht nur bei den Polikliniken, sondern auch bei den öffentlich geförderten Krankenhäusern zu einer Doppelfinanzierung der für die Krankenhausambulanzen aufgewendeten Investitionen, zum einen aus öffentlichen Steuermitteln, zum anderen über den Investitionskostenanteil in den kassenärztlichen Gebühren. Der Bundesrat konnte sich, wie die Fassung des § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V zeigt, mit seinem Änderungsvorschlag nicht durchsetzen. Den Gesetzesmaterialien ist mithin zu entnehmen, daß die Polikliniken in die Regelung über den Abzug des Investitionskostenanteils eingeschlossen sein sollten.

Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich zugleich, daß ihre Anwendung auf Polikliniken nicht von deren Förderung nach dem KHG abhängt. Entscheidend ist die Förderung aus öffentlichen Mitteln; denn angesichts der aufgezeigten Diskussion der Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren wäre es, sofern sich der Begriff der "öffentlichen Förderung" allein auf eine Förderung nach dem KHG hätte beziehen sollen, geboten gewesen, dies im Gesetzeswortlaut zu verdeutlichen. Das ist jedoch nicht geschehen, und die Vorschrift ist im Gesetzgebungsverfahren so auch nicht verstanden worden (vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks 11/2493, zu Nr. 113, S. 66, in der auf eine Förderung "aus öffentlichen Steuermitteln" abgehoben wird). Daraus ist zu schließen, daß unter "öffentliche Förderung" auch eine finanzielle Bezuschussung fällt, die - außerhalb der Förderung nach dem KHG - aus Steuermitteln fließt. Bei den Polikliniken der Klägerin liegt eine Förderung im aufgezeigten Sinne vor; denn nach den Feststellungen des LSG werden sie mit Mitteln des Landes Berlin gefördert.

Die Regelung des § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V setzt ferner nicht voraus, daß die Polikliniken die Merkmale des Begriffs "Krankenhaus" i.S. des § 107 Abs. 1 SGB V erfüllen müssen. Die Begriffe "öffentlich geförderte Krankenhäuser" und "Polikliniken" stehen in der genannten Vorschrift selbständig nebeneinander. Anhaltspunkte für ein Verständnis des Ausdrucks "Polikliniken" in dem Sinn, daß hier nur solche Einrichtungen gemeint sind, die die Möglichkeit zur Unterbringung und Verpflegung von Patienten böten, lassen sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte der Norm herleiten. Eine Auslegung in diesem Sinne widerspräche im übrigen auch ihrem Sinn und Zweck, eine Doppelfinanzierung der Investitionskosten zu verhindern. Dazu käme es aber, wenn ambulante ärztliche Leistungen, die in öffentlich geförderten Polikliniken erbracht werden, nach ungekürzten kassenärztlichen Vergütungssätzen zu honorieren wären. Mit diesen werden nämlich auch die Investitionskosten der niedergelassenen Ärzte abgegolten (vgl. dazu schon BSG SozR 3-2500 § 120 Nr. 2, S. 15). Deshalb wird in § 120 Abs. 1 Satz 2 SGB V klargestellt, daß die mit den ambulanten ärztlichen Leistungen in Krankenhäusern oder Polikliniken verbundenen allgemeinen Praxiskosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Geräten entstehenden Kosten sowie die sonstigen Sachkosten mit den Gebühren abgegolten sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Ohne den Abzug des Investitionskostenabschlages käme es aber bei der Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen in gewissem Umfang zu einer - gerade nicht gewollten - Doppelfinanzierung.

Schließlich steht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die von den Beteiligten für einen Teil der Vergütung vereinbarte Pauschalierung der Kürzung um den Investitionskostenabschlag nicht entgegen. Die nach § 120 Abs. 3 Satz 1 SGB V vereinbarte pauschalierte Vergütung ist qualitativ keine andere als die nach Abs. 1 Satz 1 a.a.O. Hiernach erfolgt die Vergütung der poliklinischen Leistungen nach den für Vertragsärzte geltenden Grundsätzen. Gemäß Abs. 3 Satz 1 a.a.O. kann die Vergütung der Leistungen der Polikliniken pauschaliert werden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BT-Drucks 11/2237, zu § 129, S. 203) sollte sowohl der Hinweis auf die für Kassenärzte geltenden "Grundsätze" als auch die vorgesehene Möglichkeit der Pauschalierung den Beteiligten einen Gestaltungsspielraum einräumen. Aus dem Umstand, daß eine pauschalierte Vergütung vereinbart worden ist, kann mithin nicht gefolgert werden, daß bei dieser Form der Vergütung die in Abs. 3 Satz 2 a.a.O. vorgeschriebene Rechtsfolge des Investitionskostenabschlages entfiele.

Die Revision der Klägerin war nach allem unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.6/14a RKa 2/93

BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517762

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