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BSG Urteil vom 10.09.1987 - 10 RAr 13/86

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung der Jahressonderzahlung bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes

 

Orientierungssatz

1. Die Jahressondervergütungen oder Jahressonderzahlungen werden - wie allgemein anerkannt ist (vgl BSG vom 1.12.1978 - 12 RAr 9/78 = SozR 4100 § 141b Nr 8 und BAG vom 4.9.1985 - 5 AZR 655/84 = NJW 1986, 1063) - in der Regel für geleistete Arbeit und zur Belohnung der Betriebstreue gewährt. Da der Arbeitnehmer seine Gegenleistung für die Jahressondervergütung durch seine Arbeit im Laufe des Jahres erbringt, entspricht es im allgemeinen dem Sinn und Zweck der Jahressondervergütung, sie bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes zu zwölfteln und den einzelnen Monaten zuzuordnen. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Arbeitgeber sie in einem Betrag - regelmäßig im letzten oder vorletzten Monat des Jahres - an den Arbeitnehmer auszahlt.

2. Ob tarifvertragliche Regelungen über die Zahlung einer Jahressondervergütung die Zwölftelung und die Zuordnung zu einzelnen Monaten für die Bemessung des Konkursausfallgeldes ausschließen können, läßt der Senat offen.

 

Normenkette

AFG § 141b Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 11.09.1986; Aktenzeichen L 9 Ar 56/85)

SG Duisburg (Entscheidung vom 28.01.1985; Aktenzeichen S 16 Ar 312/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) bei der Berechnung des dem Kläger zustehenden Konkursausfallgeldes (Kaug) eine tarifliche Jahressonderzahlung (JSZ) in vollem Umfang oder nur zu 3/12 zu berücksichtigen hat.

Der Kläger war bis zum 1. Dezember 1982 bei der Firma G. GmbH und Co. KG beschäftigt. Über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde am 1. Dezember 1982 das Konkursverfahren eröffnet. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 20. Juli 1983 für die Zeit vom 2. September bis 1. Dezember 1982 Kaug in Höhe von 5.880,17 DM. Die JSZ wurde dabei lediglich zu 3/12, dh in Höhe von 285,10 DM brutto berücksichtigt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 21. September 1983 zurück.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beklagte habe die dem Kläger nach dem Tarifvertrag über Sonderzahlungen für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende für das Maschinenbauer-, Schlosser-, Schmiede-, Werkzeugmacher-, Dreher-, Metallformer- und Metallgießerhandwerk Nordrhein-Westfalen (TV) - gültig ab 1. Januar 1977 - zustehende JSZ bei der Berechnung des Kaug zu Recht nur mit 3/12 berücksichtigt. Denn nur ein solcher Anteil der ausgefallenen JSZ entfalle auf den maßgeblichen Kaug-Zeitraum. Der Senat wende insoweit die vom Bundessozialgericht (BSG) zur Behandlung des 13. Monatsgehalts entwickelten Grundsätze an. Danach stehe dem Arbeitnehmer bei rückständigem Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt lediglich ein Anspruch auf Kaug in Höhe von 3/12 des auf das ganze Jahr entfallenden Gesamtbetrages zu. Auch nach dem hier anzuwendenden TV lasse sich die JSZ nicht anderen Zeiträumen zuordnen als das 13. Monatsgehalt in den vom BSG entschiedenen Fällen. Denn die Bestimmungen des TV ließen erkennen, daß die JSZ jeweils monatlich erarbeitet worden sei und daß es sich bei der JSZ nicht um eine Leistung für einen Auszahlungszeitpunkt, sondern für einen bestimmten Zeitraum, nämlich für ein Kalenderjahr, handele. Dies ergebe sich zunächst daraus, daß der Anspruch nach § 2 Nr 1 TV "je Kalenderjahr", also wie ein 13. Monatsgehalt am Ende eines Jahreszeitraumes, bestehe. Ferner sei auch hier zu berücksichtigen, daß der TV nach seiner Präambel "zur tariflichen Absicherung eines Teils eines 13. Monatsgehaltes" abgeschlossen worden sei. Ein 13. Monatsgehalt werde aber im allgemeinen im Laufe eines Jahres erarbeitet. Desweiteren sei von Bedeutung, daß im TV die Möglichkeit einer anteiligen Auszahlung enthalten sei. Nach § 2 Nr 5 TV hätten Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf eine anteilige Leistung, die sich nach dem Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit im Berechnungszeitraum zu der tariflichen Arbeitszeit bemesse. In § 2 Nr 6 TV sei eine anteilige Leistung für den Fall vorgesehen, daß das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis im Kalenderjahr teilweise kraft Gesetzes oder Vereinbarung geruht habe.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 141b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sowie des TV und macht geltend, nach § 2 TV entstehe ein Anspruch auf die JSZ nur, wenn der Arbeitnehmer noch am konkreten Auszahlungstermin - hier: 1. Dezember 1982 - in stehe. Bei vorzeitigem Ausscheiden könne die JSZ weder anteilig noch insgesamt verlangt werden. Insofern seien die tarifvertraglichen Bestimmungen, die im vorliegenden Falle Anwendung fänden, anders als in den von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen. Die Rechtsansicht des LSG lasse sich auch nicht auf § 2 Nrn 5 und 6 TV stützen. Diese Vorschriften enthielten Sonderregelungen für Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmer mit ruhenden Arbeitsverhältnissen. Auch für sie gelte, daß ein Anspruch auf die JSZ nicht mehr bestehe, wenn am Auszahlungstag das Beschäftigungsverhältnis gelöst sei. Die Tarifvertragsparteien hätten auch ausdrücklich davon abgesehen, die Sonderzahlung als Weihnachtsgeld zu bezeichnen oder als Gratifikation zu vereinbaren. Es sei ihnen allein darum gegangen, eine Einmalzahlung zu vereinbaren, mit der die Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnt werden solle. Dieser Gesichtspunkt werde insbesondere durch die in § 2 Nr 2 TV festgelegte Staffelung des JSZ nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit erkennbar. Es könne deshalb keine Rede davon sein, daß mit der JSZ eine konkrete Arbeitsleistung pro Beschäftigungszeitraum abgegolten werden solle. Vielmehr habe die JSZ allein den Zweck, den Lebensstandard des Arbeitnehmers im Weihnachtsmonat zu erhöhen. Das LSG habe im übrigen die Vorschriften des § 2 Nr 4 TV unberücksichtigt gelassen. Die Berechnung der JSZ orientiere sich danach nicht etwa an den Lohn- und Gehaltsansprüchen in den einzelnen Bezugsmonaten. Bei Arbeitern sei der 13-Wochen-Zeitraum vor Auszahlung der Leistung, bei Angestellten seien die letzten sechs abgerechneten Gehaltsperioden zugrunde zu legen. Auch dies spreche dafür, daß nicht das gesamte Kalenderjahr, jeweils Monat für Monat anteilig, bedacht werde.

Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. September 1986 und des Sozialgerichts Duisburg vom 28. Januar 1985 aufzuheben und unter Änderung der Bescheide der Beklagten vom 20. Juli 1983 und vom 21. September 1983 die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes die dem Kläger zustehende Jahressonderzahlung in voller Höhe zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend, bei der JSZ handele es sich um "aufgestautes" Arbeitsentgelt, das - dem dreimonatigen Kaug-Zeitraum entsprechend - nur zu 3/12 einen Kaug-Anspruch begründen könne. Die JSZ sei als zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit gedacht. Hierfür sprächen, daß der Anspruch auf die JSZ erst nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten entstehe und entsprechend der individuellen Betriebszugehörigkeit der einzelnen Arbeitnehmer gestaffelt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf ein höheres als das festgestellte Kaug.

Nach § 141b Abs 1 AFG hat Anspruch auf Konkursausfallgeld ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die unabhängig von der Zeit, für die sie geschuldet werden, Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Konkursordnung (KO) sein können (§ 141b Abs 2 AFG).

Mit den Beteiligten ist - auch aufgrund der insoweit rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts (SG) - davon auszugehen, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kaug gegeben sind. Entgegen der Auffassung des Klägers darf aber bei der Berechnung des Kaug die JSZ nur zu 3/12 berücksichtigt werden. Die Gewährung von Kaug hängt nämlich gemäß § 141b Abs 1 AFG auch davon ab, daß die rückständige Forderung "für" die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Konkurseröffnung zu beanspruchen ist. Die Jahressondervergütungen oder Jahressonderzahlungen werden - wie allgemein anerkannt ist (vgl zB BSG SozR 4100 § 141b Nr 8 und BAG, Urteil vom 4. September 1985 - 5 AZR 655/84 - NJW 1986, 1063) - in der Regel für geleistete Arbeit und zur Belohnung der Betriebstreue gewährt. Da der Arbeitnehmer seine Gegenleistung für die Jahressondervergütung durch seine Arbeit im Laufe des Jahres erbringt, entspricht es im allgemeinen dem Sinn und Zweck der Jahressondervergütung, sie bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes zu zwölfteln und den einzelnen Monaten zuzuordnen. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Arbeitgeber sie in einem Betrag - regelmäßig im letzten oder vorletzten Monat des Jahres - an den Arbeitnehmer auszahlt. Der vereinbarte Zahlungszeitpunkt ist nämlich für die Frage, wann und wodurch der Anspruch auf die Leistung des Arbeitgebers entsteht, ohne rechtliche Bedeutung. Es handelt sich insoweit nur um eine Fälligkeitsregelung.

Ob tarifvertragliche Regelungen über die Zahlung einer Jahressondervergütung die Zwölftelung und die Zuordnung zu einzelnen Monaten für die Bemessung des Kaug ausschließen können, läßt der Senat offen. Der hier maßgebliche TV widerspricht jedenfalls nicht den allgemeinen Erwägungen über die Behandlung der Jahressondervergütung im Rahmen der Konkursausfallversicherung. Bei Anwendung des TV hat der Senat allerdings die Auslegung des LSG zugrunde zu legen, weil es sich um irrevisibles Recht handelt (vgl dazu BSG SozR § 162 SGG Nr 82). Der TV gilt nur für Nordrhein-Westfalen, also für den Bezirk des Berufungsgerichts (§ 162 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), und es ist nicht ersichtlich, daß es Tarifverträge in einem oder mehreren Bezirken anderer Landessozialgerichte gibt, die bezüglich aller hier heranzuziehenden Vorschriften bewußt und gewollt inhaltlich völlig übereinstimmend gestaltet sind (vgl dazu BSGE 13, 189, 191). Das LSG ist unter Hinweis auf zahlreiche Bestimmungen des TV zu dem Ergebnis gekommen, daß die JSZ, auf die der Kläger einen Anspruch hat, jeweils monatlich erarbeitet worden ist und daß der Zwölftelung der JSZ und ihrer Zuordnung zu den einzelnen Monaten keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Soweit sich der Kläger gegen diese Auslegung wendet, kann seine Revision schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Revisionsgericht die Auslegung irrevisiblen Rechts nicht überprüfen darf. Das gilt auch, soweit die Verletzung allgemeiner Auslegungsregeln gerügt wird. Denn eine an sich irrevisible Norm wird nicht dadurch revisibel, daß die Verletzung allgemeiner Auslegungsregeln gerügt wird (BSGE 55, 115, 116f = SozR 1500 § 162 Nr 17).

Ist somit nach dem hier maßgeblichen TV eine Zwölftelung der JSZ möglich, so kann der Kläger - wie die Vorinstanzen ebenfalls zu Recht angenommen haben - nur für den Teil der JSZ Kaug verlangen, der in die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Insolvenzereignisses fällt (BSG SozR 4100 § 141b Nr 8 mit eingehender Begründung).

Die Revision des Klägers konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663312

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