Leitsatz (amtlich)

1. Der Einsatzbereich einer Betriebshilfe iS der §§ 7 und 9 GAL deckt sich mit dem Bereich des landwirtschaftlichen Unternehmens iS des § 1 GAL.

2. Eine Tierhaltung gehört zum landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 1 GAL, wenn sie nach dem BewG, insbesondere nach dessen § 51 zur landwirtschaftlichen Nutzung gehört und damit in den für die Grundsteuererhebung maßgebenden Einheitswert (§ 1 Abs 4a GAL aF) einfließt.

3. Maßgebend für die Zuordnung zur landwirtschaftlichen Nutzung ist in erster Linie der Einheitswertbescheid des Finanzamts.

 

Normenkette

GAL § 1 Abs. 4 Fassung: 1972-07-26, Abs. 4a Fassung: 1972-07-26, § 7 Fassung: 1972-07-26, § 9 Fassung: 1972-07-26; BewG § 51 Abs. 1 Fassung: 1974-09-26

 

Verfahrensgang

SG Heilbronn (Entscheidung vom 11.12.1980; Aktenzeichen S 4 Lw 1495/78)

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit der Kläger Ersatz der Kosten einer selbstbeschafften Ersatzkraft von der Beklagten verlangen kann.

Der Kläger bewirtschaftet als Landwirt 7, 17 ha Ackerland, 3, 16 ha Obstanlagen sowie geringere Flächen an Wald und Ödland; daneben hält er ca 4200 Legehennen. Am 18. und 19. Juli 1978 befand er sich wegen einer Operation an der rechten Hand in stationärer Behandlung; anschließend war er bis zum 31. august 1978 arbeitsunfähig.

Auf seinen Antrag vom 18. Juli 1978 übernahm die Beklagte die Kosten der vom Kläger selbstbeschafften Ersatzkraft gem § 9 Abs 1  des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) zwar für vier Wochen ab dem 20. Juli 1978, aber lediglich für vier Stunden täglich (Schreiben vom 9. August 1978,  Bescheid vom 8. September 1978). Betriebshilfe könne nur für Betriebsteile gewährt werden, die auf Bodenbewirtschaftung beruhten; dazu gehöre die Legehennenhaltung (mit Eiervermarktung) nicht; sie sei bei der Ermittlung der Existenzgrundlage und somit auch bei der Betriebshilfe nicht zu berücksichtigen. Der Widerspruch des Klägers, der ua darauf hinwies, das Finanzamt habe bei ihm die Hühnerhaltung als landwirtschaftlichen Betriebszweig anerkannt, wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1978).

Auch die Klage auf ganztägige Kostenerstattung blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Heilbronn vom 11. Dezember 1980). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, Grundlage für die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Alterskasse sei die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Unternehmens, das eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bilde. Nur in diesem auf Bodenbewirtschaftung beruhenden Rahmen bestehe Anspruch auf eine Betriebshilfe gem § 9 iVm § 7 GAL und § 38 der Allgemeinen Richtlinien der Beklagten. Der Kläger betreibe eine (sogenannte) Intensivgeflügelhaltung; diese beruhe nicht auf Bodenbewirtschaftung, da dafür nahezu ausschließlich gekaufte (auf die Intensivhaltung abgestellte) Futtermittel verwandt würden; daß deren Kauf durch den Verkauf von Ackerfrüchten finanziert werde, begründe keine Verbindung zur Bodenbewirtschaftung und sei zudem nicht überzeugend. Somit müsse die Geflügelhaltung nicht nur bei der Mitgliedschaft zur Alterskasse und bei der Unternehmensabgabe, sondern auch bei den Leistungen nach dem GAL außer Betracht bleiben.

Mit der zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger Verletzung des § 1 Abs 3 GAL. Eine Intensivtierhaltung sei auch im Rahmen des GAL zu berücksichtigen, wenn sie nach steuerlichen Grundsätzen nicht als Gewerbebetrieb, sondern als Teil der Landwirtschaft anzusehen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufzuheben und

diese zu verurteilen, die Kosten der selbstbeschafften Ersatzkraft für

die Dauer von vier Wochen für täglich 8 Stunden zu erstatten sowie

den Erstattungsbetrag ab 26. Januar 1979 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des Klägers war das Urteil des SGG aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Gesetzliche Grundlage für den Anspruch des Klägers ist § 9 Abs 1 GAL; danach können die landwirtschaftlichen Alterskassen weitere Mittel für die dort bestimmten allgemeinen Maßnahmen und Einzelmaßnahmen aufwenden. Zu dessen Durchführung erlassen sie allgemeine Richtlinien (§ 9 Abs 1 Satz 3 iVm § 7 Abs 5 GAL), die die Beklagte - weil das Urteil des SG über deren Inhalt nichts besagt - dem Senat auf Anforderung in der für sie ab dem 1. Juli 1978 gültigen Fassung vorgelegt hat. Diese Richtlinien behandeln die nach § 9 Abs 1 GAL von der Beklagten gewährte Betriebshilfe in ihren §§ 33 ff; sie sehen in § 38 bei einer auf Krankheit beruhenden ambulanten Heilbehandlung, sofern ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit besteht, die Stellung einer Ersatzkraft in der Regel bis zur Dauer von vier Wochen vor, wenn Art und Schwere der Erkrankung die Gestellung einer Ersatzkraft rechtfertigen (und kein Übergangsgeld gezahlt wird); nach § 35 Abs 1 Satz 2 erstattet die Alterskasse die Kosten für eine betriebsfremde Ersatzkraft in angemessener Höhe, wenn eine Ersatzkraft (von ihr) nicht gestellt werden kann oder wenn Grund besteht, von der Gestellung abzusehen. Besondere (einschlägige) Richtlinien enthält noch die Anlage C.

Auf die danach erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen ist das SG nicht im einzelnen eingegangen; sein klagabweisendes Urteil beruht allein darauf, daß die Legehennenhaltung des Klägers nicht zu seinem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des GAL gehöre und ihm deshalb (von vornherein) keine Betriebshilfe für diesen Betriebsteil zustehe. Dem kann der Senat nicht beipflichten.

Zutreffend ist zwar, daß der Bereich der nach den §§ 7 und 9 GAL iVm den Richtlinien möglichen Betriebshilfe, auch wenn das Gesetz dies nicht ausspricht, sich mit dem Bereich des Unternehmens deckt, das nach § 1 GAL das landwirtschaftliche Unternehmen bildet. Richtig ist ferner, daß das GAL den Begriff der Landwirtschaft - anders als die Unfallversicherung in § 776 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) - auf die Bodenbewirtschaftung beschränkt und daß deshalb diese für die vom GAL erfaßten landwirtschaftlichen Unternehmen kennzeichnend ist (BSGE 48, 181, 183). Ebensowenig läßt sich nach dem festgestellten Sachverhalt und der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (BSGE 22, 39, 40; SozR Nr 7 zu § 776 RVO; Urteil vom 21. März 1974, 8/7 R U 58/72 - die beiden letzten Urteile betrafen eine Hühnerhaltung -) schließlich bestreiten, daß die Intensivtierhaltung des Klägers keine Bodenbewirtschaftung zur Grundlage hat, selbst wenn man dafür den im Urteil vom 21. März 1974 herangezogenen mildesten Maßstab eines selbsterzeugten Futtermittelanteils von 20 % genügen läßt.

Das SG hat jedoch nicht beachtet, daß für die Abgrenzung des landwirtschaftlichen Unternehmens nach dem GAL auch steuerrechtliche Bestimmungen über die landwirtschaftliche Nutzung von Bedeutung sind. Das ergibt sich aus den in § 1 GAL enthaltenen Vorschriften über die Feststellung des Unternehmenswertes, aufgrund dessen das Vorhandensein einer Existenzgrundlage zu prüfen ist. Im Anspruchszeitraum galt noch § 1 Abs 4a GAL idF des 6. Änderungsgesetzes vom 26. Juli 1972; nach dessen Satz 1 (die weiteren Sätze sind hier ohne Bedeutung) war als Einheitswert des Unternehmens der für die Erhebung der Grundsteuer maßgebende Einheitswert zugrunde zu legen. Er bestimmte sich gem §§ 1, 17 Abs 2 und 19 des Bewertungsgesetzes (idF vom 10. Dezember 1965, BGBl I S 1861; insoweit übereinstimmend mit der Fassung vom 26. September 1974) nach diesem Gesetz (vgl auch § 13 Abs 1 des Grundsteuergesetzes). Das Bewertungsgesetz enthält aber in den §§ 33 ff Bestimmungen über das landwirtschaftliche Vermögen, dessen Einheit einen Betrieb der Landwirtschaft bildet; sie haben über den Wirtschaftswert Einfluß auf den Einheitswert. Danach gehören zur landwirtschaftlichen Nutzung auch die Tierbestände, die sich zahlenmäßig im Rahmen des § 51 des Bewertungsgesetzes halten.

Nach dieser Vorschrift spielt es indessen keine Rolle, ob (und inwieweit) bei der Tierhaltung Erzeugnisse der eigenen Bodenbewirtschaftung verfüttert worden sind. Während der Gesetzgeber auch im Steuerrecht früher (vgl § 29 Abs 3 des Bewertungsgesetzes von 1934) noch eine überwiegende derartige Verfütterung verlangt und zeitweise auf die Einordnung in einen üblichen Rahmen der Landwirtschaft nach Gesamtbild und Verkehrsauffassung abgestellt hatte (Blümlich-Falk, Einkommenssteuergesetz, § 13 Anm 5 b), bestimmt § 51 des Bewertungsgesetzes in der genannten Fassung, daß Tierbestände in vollem Umfang zur landwirtschaftlichen Nutzung und damit zum landwirtschaftlichen Vermögen und landwirtschaftlichen Betrieb rechnen, wenn sie nach Maßgabe der Anlage 1 in "Vieheinheiten" umgerechnet eine bestimmte Anzahl je ha bewirtschafteter landwirtschaftlicher Fläche - gestaffelt nach der Größe des Gesamtbetriebes - nicht übersteigen. Dem entspricht die Abgrenzung zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Gewerbebetrieb in § 13 des Einkommensteuergesetzes. Sind die in beiden Vorschriften übereinstimmend festgelegten Grenzen eingehalten, wird die Tierhaltung der Landwirtschaft zugeordnet, auch wenn die Produkte der eigenen Landwirtschaft verkauft werden und das Futter in vollem Umfang hinzugekauft wird (Klein/Flockermann/Kühr, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl, § 13 RdNr 17).

Wenn unter diesen Umständen jedoch eine Tierhaltung auch ohne zugrunde liegende Bodenbewirtschaftung als landwirtschaftliche Nutzung bei der Feststellung des Einheitswertes des landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 1 GAL zu berücksichtigen ist, dann muß die Tierhaltung ebenso darüber hinaus im Rahmen des gesamten GAL zum landwirtschaftlichen Unternehmen rechnen. Es wäre widersprüchlich, eine solche Tierhaltung zwar bei der Ermittlung der Existenzgrundlage und damit bei der Mitgliedschaft und Beitragspflicht zur Alterskasse zu berücksichtigen, bei den nach dem GAL zu gewährenden Leistungen dagegen nicht.

Das SG hätte deshalb nicht mit der von ihm gegebenen Begründung die Klage abweisen dürfen. Damit hat der Senat zu prüfen, ob er gleichwohl abschließend in der Sache entscheiden kann (§ 170 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 1 SGG). Dazu reichen die vom SG festgestellten Tatsachen nicht aus. Das SG ist, wie schon hervorgehoben, auf die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen nicht näher eingegangen. Nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt ist aber selbst hinsichtlich der Zuordnung der Legehennenhaltung nach dem Bewertungsgesetz zur landwirtschaftlichen Nutzung keine abschließende Beurteilung möglich. Hierfür kommt es nämlich in erster Linie darauf an, ob und welche Feststellungen das Finanzamt in dem für die Grundsteuer des Klägers maßgebenden Einheitswertbescheid getroffen hat. Diese Bedeutung des Einheitswertbescheides folgt daraus, daß das Finanzamt in diesem Bescheid den Einheitswert feststellt; sie wird durch § 1 Abs 4a Satz 2 GAL in der hier anzuwendenden Fassung dadurch unterstrichen, daß auch im dortigen Zusammenhang (für den Wohnungswert) darauf abgestellt wird, ob er "im Einheitswertbescheid ausgewiesen" ist. Dementsprechend hat der Senat zu einer ähnlichen Regelung im Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bereits entschieden, daß der Einheitswertbescheid des Finanzamtes für die Frage bedeutsam sei, welche Grundstücke dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen sind (SozR 5420 § 4 Nr 3); das muß entsprechend für die Zuordnung einer Tierhaltung gelten. Über den Einheitswertbescheid und seinen Inhalt enthält das Urteil des SG trotz des Hinweises des Klägers keine Angabe. Das bedarf daher gegebenenfalls noch der Klärung. Sollte sich ergeben, daß für die streitige Zeit kein Einheitswertbescheid vorhanden ist oder nur ein Bescheid, der bei den bewirtschafteten Flächen und der gehaltenen Hühnerzahl von wesentlich anderen Größen ausgeht (in den Verwaltungsakten ist verschiedentlich von 2500 Hühnern die Rede), so müßte die Zuordnung zur landwirtschaftlichen Nutzung unabhängig von einem Bescheid des Finanzamtes bestimmt werden.

Aus allen diesen Gründen war daher der Rechtsstreit zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das SG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1659871

BSGE, 75

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