Leitsatz (amtlich)
Ist die auf Alkoholgenuß zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls, so bleibt der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht deshalb bestehen, weil der Verletzte durch eine nicht betriebsbedingte Krankheit gehindert war, seinen Alkoholkonsum vernünftig zu steuern.
Normenkette
RVO § 548 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Juli 1973 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20. November 1970 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin ein Hinterbliebenenrentenanspruch nach ihrem an den Folgen eines am 11. Januar 1966 erlittenen Verkehrsunfalles verstorbenen Ehemann Hans H (H.) zusteht.
H. war als Depotleiter einer R Brauerei in S beschäftigt. Als er am 11. Januar 1966 mit seinem Lastkraftwagen auf der Bundesstraße 33 in Richtung S unterwegs war, fuhr er gegen 19,25 Uhr mit der rechten Vorderseite seines Wagens auf die linke hintere Seite eines im freien Gelände an einer Haltestelle haltenden Omnibusses auf. Es schneite zur Unfallzeit, die Straße war glatt. Der Omnibus war beleuchtet. Nach seiner Einlieferung in das Kreiskrankenhaus S wurde bei H. um 20,00 Uhr eine Blutprobe entnommen, die einen Blutalkoholgehalt von 2,13 0 / 00 ergab. H. erlag am nächsten Tag den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen. Sein Fahrzeug ließ keine technischen Mängel erkennen, die den Unfall wahrscheinlich hätten verursachen können.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche ab, weil der hohe Blutalkoholgehalt des H. die allein wesentliche Unfallursache gewesen sei (Bescheid vom 12. April 1966).
Mit ihrer Klage bestritt die Klägerin und die Kinder zunächst den festgestellten hohen Blutalkoholgehalt. H. habe lediglich während der Arbeitspause vier Glas Märzenbier und einen Steinhäger getrunken. Dagegen habe er wegen seines allgemeinen Gesundheitszustandes und wegen eines voraufgegangenen Verkehrsunfalles vom 15. Dezember 1965 Medikamente benutzt, die alkoholhaltig seien. Das Sozialgericht (SG) holte medizinische Auskünfte und ein Gutachten über den Gesundheitszustand des H. sowie die Wirkung der von ihm angeblich benutzten Medikamente ein, ließ durch den beauftragten Richter Zeugen vernehmen und vernahm schließlich selbst weitere Zeugen. Mit seinem Urteil vom 20. November 1970 hat das SG die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren, das nur von der Klägerin betrieben worden ist, wurden Berichte der behandelnden Ärzte Dr. O und Dr. E vorgelegt bzw. herangezogen. Schließlich erstatteten Prof. Dr. F und Assistenzarzt Dr. R ein Gutachten über die Höhe des Blutalkoholgehalts zur Unfallzeit sowie Dr. G ein Gutachten zu der Frage, ob der durch die Defektparalyse des H. bedingte Gesundheitszustand diesem noch ein vernunftgerechtes Handeln erlaubt habe, insbesondere ob er noch in der Lage gewesen sei, vernunftgerecht über seinen Alkoholkonsum zu entscheiden und sich im Straßenverkehr ordnungsgemäß zu verhalten. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben, soweit es die Klägerin betraf, und die Beklagte verurteilt, der Klägerin aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes Hans H Hinterbliebenenrente zu bewilligen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, H. habe sich am 11. Januar 1966 auf einer nach § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geschützten Geschäftsfahrt befunden. Hinsichtlich der Richtigkeit des festgestellten Blutalkoholgehalts von 2,13 0 / 00 bestünden keine Bedenken, die Aussagen der in diesem Zusammenhang gehörten Zeugen über den verhältnismäßig geringen Alkoholgenuß des H. seien nicht geeignet, das Untersuchungsergebnis zu entkräften. Auch die Annahme der Klägerin, der Blutalkoholgehalt sei durch die eingenommenen Medikamente erhöht worden, sei durch die gutachtlichen Äußerungen und Erklärungen der Herstellerfirmen widerlegt. Für eine Verwechslung der entnommenen Blutproben bestünden keine Anhaltspunkte. Aus der Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt ergebe sich ein Promillegehalt von 2,25 (BAK), wobei zu Gunsten der Klägerin unterstellt sei, daß H. seit wenigstens 18,15 Uhr keinen Alkohol mehr zu sich genommen hatte, ebenso keinen sogenannten Sturztrunk kurz vor dem Unfall. Damit sei H. absolut fahruntüchtig gewesen. Nach den zur Unfallzeit herrschenden äußeren Umständen wäre ein nichtalkoholisierter Kraftfahrer wahrscheinlich nicht verunglückt. Es seien keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß H. unabhängig von der Frage der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit wahrscheinlich schon deshalb verunglückt wäre, weil angesichts des Straßenzustandes ein Fahrzeug auch von einem nichtbetrunkenen Kraftfahrer nicht mehr ordnungsgemäß hätte beherrscht werden können.
Neben den betriebsbezogenen Umständen und der Alkoholeinwirkung müsse jedoch als weitere Mitursache des Unfalles auch die Krankheit des H. in die Erörterung einbezogen werden. Es habe sich um eine "recht akute progressive Paralyse mit tabischem Einschlag" gehandelt. Trotz wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit sei das Krankheitsbild nicht ausgeheilt gewesen. So habe Dr. E in seinem Bericht vom 10. November 1972 ein hirnorganisches Defektsyndrom bestätigt. Zur Zeit des Unfalles sei H. auch ohne Alkoholeinfluß, d.h. allein schon wegen des durch die progressive Paralyse bedingten Gesundheitszustandes "in einem vernunftgerechten Handeln behindert oder gemindert" gewesen. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. G sei H. auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit außerstande gewesen, vernünftig über seinen Alkoholkonsum zu entscheiden. Schließlich sei es auch wahrscheinlich, daß H. zumindest zeitweilig nicht in der Lage gewesen sei, sich im Straßenverkehr vernunftgerecht zu verhalten. Auch Dr. R habe insoweit erklärt, es könne wohl unterstellt werden, H. habe nicht mehr die Eigenschaft des voll und einwandfrei Fahrtüchtigen besessen. Wenn daher H. zur Zeit des Unfalls als Paralytiker ganz allgemein im vernünftigen Handeln gemindert und behindert gewesen sei und sein Alkoholkonsum nicht mehr durch Vernunft habe gesteuert werden können, der Alkoholismus also die sekundäre Folge seiner Krankheit und die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit damit auch nur ein Ausdruck seiner Krankheit gewesen sei, so stehe im Vordergrund der zum Unfall führenden Ursachen neben der betriebsbedingten gefährlichen Tätigkeit des Autofahrens die progressive Paralyse mit ihren Folgeerscheinungen einer allgemein geminderten Vernunft. Die alkoholbedingte Fahrtüchtigkeit habe zwar auch ursächlich zu dem Unfall beigetragen, ihr komme aber keine überragende Bedeutung zu. Die betriebsbezogenen gefährdenden Umstände würden also durch den hohen Blutalkoholgehalt nicht derart in den Hintergrund gedrängt, daß sie ihre rechtliche Bedeutung als Mitursache des Unfalles verlören. Die entgegenstehenden Ausführungen von Dr. R am Schluß seines Gutachtens seien insoweit eine rechtliche Folgerung. Medizinisch habe Dr. R der Alkoholeinwirkung einen größeren Einfluß auf die Fahruntüchtigkeit beimessen wollen als den allgemeinen paralytischen Erscheinungen. Er bevorzuge damit das letzte Glied in der Kausalreihe. Überzeugender seien die Darlegungen von Prof. Dr. G und Dr. E über die paralysebedingte Beeinträchtigung vernunftgemäßen Handelns bzw. den krankheitsbedingten (sekundären) Alkoholismus.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel in rechter Form und Frist eingelegt und begründet. Sie führt u.a. aus: Nach den Feststellungen des LSG wäre H., wenn er nicht unter Alkoholeinfluß gestanden hätte, nicht verunglückt. Da das LSG zutreffend auch nicht festgestellt habe, daß die BAK von 2,25 0 / 00 mit betriebsbezogenen Umständen in Zusammenhang gestanden habe, sei die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache. Wenn die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die Folge der progressiven Paralyse gewesen sei, so erhalte die BAK von 2,25 0 / 00 dadurch keine Betriebsbeziehung. H. sei bei der Beklagten nicht als Paralytiker, sondern als Depotleiter einer Brauerei versichert gewesen. Die Auffassung des LSG würde dazu führen, daß ein süchtiger Gewohnheitstrinker, der in solch alkoholisiertem Zustand Kraftwagen fahre, stets unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Bei einem Blutalkoholgehalt von mehr als 2,0 0 / 00 habe sich der Fahrer eines Kraftwagens im übrigen schlechthin von dem Betrieb gelöst. Er sitze nur noch körperlich hinter dem Steuer, während er in Wirklichkeit überhaupt nicht mehr fahre, sondern nur betrunken sei. Von einer echten Arbeitstätigkeit, hier einem wirklichen Steuern eines Kraftwagens, könne keine Rede mehr sein. Zudem bestreite die Klägerin selbst mit aller Entschiedenheit, daß H. ein Trinker gewesen sei. Im übrigen ergebe sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. G bei näherer Betrachtung nichts Entscheidendes, was den Kausalzusammenhang zwischen der Paralyse und dem Alkoholismus angehe. Zumindest werde man nicht sagen können, die luetische Paralyse habe den Verunglückten gerade zu jenem Trinken veranlaßt, das zu der unfallbringenden BAK von 2,25 0 / 00 geführt habe. Der Gutachter halte es zwar für wahrscheinlich, daß bei dem Verunglückten zeitweilig Ausfallerscheinungen infolge seiner Paralyse eingetreten sein mögen. Er vermöge das aber gerade hinsichtlich des Geschehens am Unfalltage nicht zu präzisieren. Seine Ausführungen seien so vage, daß das LSG den Alkoholmißbrauch am Unfalltage nicht der Krankheit hätte anlasten dürfen. Selbst wenn man aber einen Zusammenhang zwischen Paralyse und Trunkenheit annehme, könne einem solchen chronischen Trinker der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zugesprochen werden, weil dieser dann weit besser gestellt werde als ein Gelegenheitstrinker, der bei entsprechendem Alkoholeinfluß auf jeden Fall den Unfallversicherungsschutz verlieren würde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 9. Juli 1973 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Die Folgerungen des LSG, die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit sei durch die progressive Paralyse verursacht worden, ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten von Dr. E, im übrigen aber auch aus demjenigen von Prof. Dr. G Die Feststellungen des LSG über einen Blutalkoholgehalt von mindestens 2,13 0 / 00 zum Unfallzeitpunkt stünden jedoch im Widerspruch zu den Zeugenaussagen, die eine fast lückenlose Rekonstruktion des Unfalltages zuließen. Für eine Unglaubwürdigkeit insbesondere der Aussage des Zeugen V bestünden keine Anhaltspunkte. Wenn dieser Zeuge noch um 19,00 Uhr keine alkoholische Beeinflussung des H. bemerkt habe, so sei es ausgeschlossen, daß um 19,25 Uhr der Verunglückte praktisch im Zustand des Vollrausches gewesen sei. Die Beweisführung des LSG sei insofern nicht folgerichtig, als ein Vollrausch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen sei. Im übrigen habe das LSG zu Recht bei der Prüfung der wesentlichen Unfallursache auch auf Eigenschaften des Arbeitnehmers wie rational nicht steuerbare psychische Erkrankungen abgestellt. Ob eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die allein maßgebliche Unfallursache gewesen sei, könne nur beurteilt werden, wenn das unternehmensbedingte Risiko in bezug auf den Unfall klar sei. Das hänge aber wesentlich von der Person des Arbeitnehmers ab. Der Umfang des versicherten Risikos richte sich weitgehend nach der ganzen Persönlichkeit des Arbeitnehmers mit all seinen Eigenschaften, Krankheiten usw. Ein paralysebedingter Alkoholismus erhöhe daher das versicherte betriebliche Risiko. Sei dies unerträglich, so dürfe sich der Arbeitgeber der Arbeitskraft dieses Arbeitnehmers nicht mehr bedienen. Am Unfalltage sei der psychische Defekt des Verunglückten zum Tragen gekommen und habe ihn außerstande gesetzt, vernünftig über seinen Alkoholkonsum zu entscheiden. Dieser das Betriebsrisiko erhöhende Umstand sei dem der absoluten Fahruntüchtigkeit mindestens gleichwertig gegenüberzustellen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist begründet.
Zu Unrecht hat das LSG angenommen, der Ehemann der Klägerin (H.) habe, als er auf der Betriebsfahrt am 11. Januar 1966 verunglückte, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.
Nach den insoweit nicht zu beanstandenden und für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) betrug der Blutalkoholgehalt des H. im Unfallzeitpunkt 2,25 0 / 00 . Das LSG hat diese Feststellung aufgrund der nach den für die Blutalkoholbestimmung anerkannten wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden gewonnenen Ergebnissen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles getroffen und ohne Rechtsirrtum dargelegt, daß die erhobenen Zeugenbeweise demgegenüber kein entscheidendes Gewicht haben. Ein Verstoß gegen das Recht der freien richterlichen Beweiswürdigung ist nicht ersichtlich. Wenn die Klägerin, die keine Revision eingelegt hat, nun meint, die Aussage des Zeugen V stehe den auf objektive Befunde gestützten Feststellungen des LSG entgegen, weil dieser noch um 19,00 Uhr keine alkoholische Beeinflussung des H. bemerkt habe, so ist dieser Hinweis auf die unverbindliche Äußerung eines medizinischen Laien ("Mir ist nicht aufgefallen") nicht geeignet, die Feststellungen des LSG, die übrigens insoweit von der Revision nicht angegriffen sind, in Frage zu stellen. Mit einem Blutalkoholgehalt von 2,25 oder auch nur 2,13 0 / 00 war H. aber absolut, d.h. unwiderlegbar, fahruntüchtig (BSG 12, 242, 243; 13, 13, 14; 34, 261, 262).
Nach der seit dem Urteil vom 30. Juni 1960 (BSG 12, 242 ff) ständigen Rechtsprechung des 2. Senats des BSG (vgl. BSG 13, 13, 15; 14, 64, 66; 18, 101, 103; 34, 261, 264; 35, 216, 217), der sich der erkennende Senat ohne Bedenken anschließt, fällt der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung fort, wenn eine alkoholbedingte nichtbetriebsbezogene Fahruntüchtigkeit die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, daß sie als die rechtlich allein wesentliche Ursache eines Unfalles anzusehen ist. Das LSG hat das nicht verkannt, jedoch gemeint, im vorliegenden Fall wäre H. zwar nicht verunglückt, wenn er nicht unter Alkoholeinfluß gestanden hätte, weil die Verhältnisse am Unfallort nicht so ungünstig waren, daß auch ein nichtalkoholbeeinflußter Kraftfahrer wahrscheinlich verunglückt wäre, jedoch sei die Trunkenheit nicht die überragende Unfallursache; vielmehr seien die Krankheit des H., nämlich die progressive Paralyse, und damit betriebsbezogene Umstände eine wesentliche Mitursache gewesen. Soweit das LSG einen Ursachenzusammenhang zwischen Krankheit und Alkoholgenuß angenommen hat, ist diese Feststellung verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Revision insoweit gegen das Beweisergebnis vorgebrachten Bedenken sind allgemeiner Art und stellen keine hinreichend substantiierte Verfahrensrüge im Sinne von §§ 128 Abs. 1 Satz 1; 164 Abs. 2 Satz 2 SGG dar.
Der Senat vermag dem LSG jedoch nicht in der Auffassung zu folgen, der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung bleibe erhalten, wenn der Unfall sich zwar ohne die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht ereignet hätte, die Ursache der Trunkenheit aber die (sekundäre) Folge einer Krankheit des Verunglückten gewesen sei, die ihn an einem vernünftigen Handeln in bezug auf den Genuß von Alkohol hinderte. Es trifft zwar zu, daß der Versicherungsschutz für denjenigen nicht ausgeschlossen ist, der einer Betriebsgefahr erliegt und für den Unfall innere Ursachen, wie schlechter Gesundheitszustand, Leichtsinn oder ähnliches mitursächlich waren, soweit nicht ein selbst geschaffener erhöhter Gefahrenbereich vorlag. So steht etwa auch ein Betrunkener im Betrieb oder auf dem Arbeitsweg so lange unter Versicherungsschutz, als er noch in der Lage ist, eine nützliche und zweckgerichtete Arbeit zu leisten (vgl. dazu Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., 23. Lfg., Anm. 28 und 70 zu § 548 RVO). Er löst sich erst vom Betrieb und ist nicht mehr geschützt, wenn er sich im Zustand des Vollrausches befindet, was bei H. offensichtlich nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht der Fall war. Er übte also trotz seiner Krankheit und trotz seiner Trunkenheit eine nach §§ 539 Abs. 1, 548 RVO geschützte Beschäftigung aus. Wäre er allein infolge seiner Krankheit, d.h. aus innerer Ursache, verunglückt, wäre ihm dieser Schutz wohl nicht verloren gegangen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1974, Bd. II, S. 488).
Ob eine Unfallursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn wesentliche Ursache nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung herrschenden Kausalitätslehre ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSG 1, 72, 76; 12, 242, 246). Maßgebend ist die Qualität der einzelnen Ursachen, nicht dagegen die Quantität oder die zeitliche Reihenfolge des Eintritts der Bedingung in die Kausalkette. Insbesondere ist eine Bedingung nicht schon deshalb wesentliche Ursache, weil sie als letzte eingetreten und den Erfolg sichtbar gemacht hat (BSG 13, 40, 42; Brackmann, aaO, Bd. II, S. 480 i mit weiteren Hinweisen). Bei der Wertbestimmung der einzelnen für den Unfall ursächlichen Bedingungen ist jedoch auch der Schutzzweck der jeweiligen Norm miteinzubeziehen, um zu ermitteln, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz reicht. Hierauf beruht u.a. die Rechtsprechung zur selbst geschaffenen Gefahr und zur Trunkenheit (Brackmann aaO S. 480 k, k I). Bei dieser Wertbestimmung kommt der nicht betriebsbezogenen alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit eine beträchtliche Bedeutung zu, die wegen des Schutzzweckes im oben genannten Sinn die Anlegung strengerer Maßstäbe rechtfertigt als bei der Bewertung der Unfallursachen sonstiger Arbeitsunfälle aus innerer Ursache (Brackmann aaO S. 488). Hat sich der Versicherte aus anderen als betriebsbezogenen Gründen in den Zustand einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit versetzt, so ist es grundsätzlich unerheblich, welche inneren Vorgänge ihn dazu veranlaßt haben. Wollte man bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit, abgesehen von dem Fall der betriebsbedingten Trunkenheit, bei der Wertbestimmung der Unfallursachen auch nach den Gründen der jeweiligen Trunkenheit forschen und danach fragen, weshalb der Versicherte es an vernunftgemäßen Handeln, das ihn vor der Fahrt mit dem PKW oder LKW von übermäßigem Alkoholgenuß hätte abhalten müssen, hat fehlen lassen, so würde dies bedeuten, daß man sich von den eigentlichen Ursachen des Unfalls abwendete und sich statt dessen mit der Ermittlung der Ursachen menschlicher Unzulänglichkeiten begnügte. Damit wäre die Trunkenheitsrechtsprechung praktisch aufgegeben. Denn die Trunkenheit wird in aller Regel auf inneren, den Versicherungsschutz an sich nicht ausschließenden Ursachen, wie etwa Charakter- oder Willensschwäche, Ärger, Leichtsinn, Unbedachtsamkeit usw. beruhen. Der Versicherungsschutz bliebe daher bei Trunkenheit, abgesehen vielleicht vom Vollrausch, bestehen und ginge auch bei eindeutig nachgewiesener alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit selbst dann nicht verloren, wenn diese offensichtlich die alleinige unmittelbare Ursache des Verkehrsunfalls gewesen ist. Diese Konsequenzen hat das LSG nicht hinreichend beachtet, weshalb seiner Auffassung nicht gefolgt werden kann. Da die Unfallversicherung - anders als die Krankenversicherung - nur für unternehmensbezogene Risiken einzutreten hat, können die Ursachen der Trunkenheit nur insoweit beachtlich sein, als sie in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Andere, die Trunkenheit ihrerseits bedingenden Ursachen, können demgegenüber nicht wesentliche Unfallursachen sein, gleichgültig welcher Art sie sind. Auch in diesen Fällen ist der Versicherte nur "bei Gelegenheit einer versicherten Tätigkeit" verunglückt und nicht einer von dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfaßten Gefahr erlegen, wenn er, ohne unter Alkoholeinfluß zu stehen, wahrscheinlich nicht verunglückt wäre (BSG 12, 242, 246). Wenn der Ehemann der Klägerin daher auch infolge seiner nicht betriebsbedingten Krankheit nicht in der Lage gewesen sein mag, seinen Alkoholkonsum vernünftig zu steuern, so war doch seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein maßgebende Unfallursache; die Klägerin hat deshalb keinen Hinterbliebenenrentenanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Das angefochtene Urteil des LSG war somit aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen