Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme an interessengebundener Maßnahme

 

Orientierungssatz

Zur Frage, wann eine Maßnahme zur beruflichen Fortbildung (hier: Lehrgang der Bayerischen Verwaltungsschule mit dem Ziel der Ablegung der Verwaltungsprüfung I für Verwaltungsangestellte) iS der Ausschlußvorschrift der § 43 Abs 2 AFG "überwiegend im Interesse des Betriebes" liegt.

 

Normenkette

AFG § 43 Abs 2 S 1 Fassung: 1975-12-18

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 24.08.1982; Aktenzeichen L 11 Al 46/81)

SG Würzburg (Entscheidung vom 01.12.1980; Aktenzeichen S 6 Al 276/79)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Förderung seiner Teilnahme an einem Lehrgang der Bayerischen Verwaltungsschule.

Der 1951 geborene Kläger übte bis 30. September 1974 seinen erlernten Beruf als Buchhändler aus. Seit 1. Oktober 1974 ist er in der Verwaltung der Universität W als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Von Oktober 1979 bis Herbst 1980 nahm er an einem Lehrgang der Bayerischen Verwaltungsschule mit dem Ziel der Ablegung der Fachprüfung I für Verwaltungsangestellte teil. Sein Arbeitsverhältnis bestand in dieser Zeit ununterbrochen fort.

Den Antrag des Klägers vom 19. Juli 1979, seine Teilnahme an diesem Lehrgang zu fördern, lehnte die Beklagte ab, weil die Teilnahme an dem betreffenden Lehrgang überwiegend im Interesse des Betriebes liege (Bescheid vom 17. August 1979; Widerspruchsbescheid vom 14. September 1979).

Das Sozialgericht (SG) hat nach Beiladung der Bayerischen Verwaltungsschule die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Teilnahme des Fortbildungslehrganges an der Bayerischen Verwaltungsschule mit dem Maßnahmeziel der Fachprüfung I die Zuschußleistungen für Lehrgangs- und Prüfungsgebühren, Lehrmittel, Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Urteil vom 1. Dezember 1980).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. August 1982). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei zulässig. Soweit der Kläger Zuschüsse zu Lernmitteln begehre, handele es sich um wiederkehrende Leistungen für mehr als 13 Wochen. Hinsichtlich der übrigen Ansprüche handele es sich entweder um einmalige Leistungen (Lehrgangs- und Prüfungsgebühren) oder um wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (Fahrkosten, Unterkunft und Verpflegung für die Zeit des vierwöchigen Lehrgangsabschnittes - Abschlußlehrgang - in H). Die insoweit an sich ausgeschlossene Berufung sei nach § 150 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) jedoch zulässig, da das Verfahren des SG an wesentlichen Mängeln leide, die von der Beklagten zutreffend gerügt worden seien. Insbesondere habe das SG nicht das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen geprüft, obwohl die Beklagte dies schon vor dem SG beanstandet habe.

In der Sache sei die Berufung begründet. Der Kläger habe bereits nach § 43 Abs 2 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) keinen Anspruch auf Förderung, weil seine Teilnahme an dem streitigen Lehrgang überwiegend in dem Interesse des Betriebes liege, dem er angehöre. Die Universität W sei eine staatliche Hochschule und nehme die eigenen Angelegenheiten als Körperschaft des öffentlichen Rechts und die staatlichen Angelegenheiten als staatliche Einrichtung wahr. Zu letzteren gehörten auch die Personalangelegenheiten. Der Staat habe die ihm gestellten Aufgaben optimal zu erfüllen. Hierzu gehöre insbesondere auch, die Funktion des Staates und seiner Einrichtungen durch geeignetes Personal sicherzustellen. Dieser Verpflichtung sei der Freistaat Bayern durch die Errichtung der Bayerischen Verwaltungsschule nachgekommen. Der Kläger habe auf der ihm übertragenen und nach dem Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) Gruppe Vc vergüteten Stelle die Aufgabe gehabt, eigenverantwortlich Diplomprüfungsordnungen zu vollziehen. Diese Stelle erfordere von ihrem Inhaber die Kenntnisse, die erforderlich seien, die Prüfungsordnungen sowie die damit im Zusammenhang stehenden Gesetze und einschlägigen Vorschriften zu kennen und anzuwenden. Um Schaden von der Öffentlichkeit fernzuhalten, bestehe daher auch ein allgemeines öffentliches Interesse daran, diese Stelle mit einem ausreichend ausgebildeten Bediensteten zu besetzen. Da der Kläger die Stelle als Sachbearbeiter nur unter der Voraussetzung erhalten habe, später auch die Verwaltungsprüfung I abzulegen, sei zu folgern, daß er zunächst die erforderlichen Kenntnisse nicht gehabt habe und die Universität deshalb, um ihrer Aufgabenstellung überhaupt erst gerecht werden zu können, gezwungen gewesen sei, vom Kläger die Teilnahme an der streitigen Maßnahme zu fordern.

Erweise sich bereits hieraus das überwiegende Interesse der Universität an der beruflichen Fortbildung des Klägers, so verdeutliche sich das noch dadurch, daß die Auswahl des Klägers, der Inhalt der Schulung und das Ausbildungsziel auf den Betrieb der Universität ausgerichtet gewesen seien. An den Maßnahmen hätten gemäß den einschlägigen Vorschriften nur Angestellte im Verwaltungsdienst des Freistaates Bayern, der Gemeinden, der Landkreise und Bezirke sowie der sonstigen der Rechtsaufsicht des Freistaates Bayern unterliegenden Körperschaften teilnehmen dürfen. Die Teilnahme habe einer Voranmeldung durch den jeweiligen Dienstherrn und Arbeitgeber bedurft. Darüber hinaus habe auch die Zulassung zu den Prüfungen nur auf Antrag des jeweiligen Arbeitgebers erfolgen dürfen. Die Teilnahmeberechtigung an Bildungsmaßnahmen der Bayerischen Verwaltungsschule sei mithin nicht nur auf Angehörige des öffentlichen Dienstes als solche beschränkt gewesen, vielmehr habe der Arbeitgeber bei der Voranmeldung auch noch die Auswahl unter den in Betracht kommenden Angestellten gehabt. Es sei davon auszugehen, daß die Auswahl den bestgeeigneten Bewerber treffe. Dies scheine im vorliegenden Falle der Kläger gewesen zu sein. Daß dieser seinerseits interessiert gewesen sei, die betreffende Stelle zu erhalten und an der Maßnahme teilzunehmen, trete demgegenüber in den Hintergrund. Es könne offenbleiben, ob es derzeit, wie das SG angenommen habe, keinen Mangel an geeigneten Kräften gebe. Dies ändere an der Interessengebundenheit der Maßnahme für die Universität nichts. Selbst wenn kein Mangel an geeigneten Bewerbern bestünde, unterstreiche dies gerade ihr Interesse, die Stelle mit dem Kläger zu besetzen, wenn sie diesen für die streitige Fortbildungsmaßnahme ausgewählt habe.

Auch der Inhalt der Schulung und das Ausbildungsziel seien auf den Betrieb der Universität W ausgerichtet gewesen. Dies folge aus den einschlägigen Vorschriften der Beigeladenen. Danach beträfen die Lehrfächer insbesondere die Rechtsgebiete der öffentlichen Verwaltung, die Rechtsanwendung, Behörden- und Verwaltungsorganisation und Verwaltungstechnik, Gebiete also, die im gesamten Bereich der kommunalen und staatlichen Verwaltung erheblich seien. Folgerichtig habe deshalb die Universität die Teilnahme des Klägers an der betreffenden Maßnahme zur Bedingung für seine Verwendung als Sachbearbeiter in BAT Vc gemacht. Infolgedessen sei es unerheblich, daß für Angestellte des Freistaates Bayern die Ablegung der in § 25 BAT vorgesehenen Prüfung weder vorgeschrieben sei, noch unter Berufung auf eine abgelegte Prüfung tarifliche Ansprüche geltend gemacht werden könnten. Maßgebend sei allein der Charakter der Maßnahme.

Im vorliegenden Falle trete hinzu, daß der Kläger an einer Maßnahme teilgenommen habe, die mittelbar bzw unmittelbar von dem Betrieb getragen worden sei, dem er angehöre. Personalangelegenheiten im Bereich der Universität W gehörten zu staatlichen Aufgaben. Mit der vom Freistaat Bayern eingerichteten Verwaltungsschule komme der Staat seiner Aufgabe nach, seine Funktionen durch geeignetes Personal sicherzustellen. Die betreffenden Maßnahmen würden daher zumindest mittelbar von dem im umfassenden Sinne zu verstehenden Betrieb (Freistaat Bayern) getragen; denn die Beigeladene wie auch die Universität W seien Einrichtungen des Freistaates, so daß hier ein identischer Betriebs- und Interessenbereich vorliege. Im übrigen habe der Freistaat Bayern bis vor einigen Jahren die insoweit anfallenden Kosten weitgehend selbst getragen. Daraus ergebe sich ein weiterer Hinweis darauf, daß Träger von Fortbildungsmaßnahmen der vorliegenden Art eigentlich der Freistaat Bayern sei, zumal da eine Änderung der Interessenlage nicht eingetreten sei. Es entspreche nicht dem in § 43 Abs 2 AFG zum Ausdruck gelangten Willen des Gesetzgebers, traditionell und zumutbarer Weise übernommene Belastungen auf die Beklagte zu verlagern.

Ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Förderung des Klägers iS von § 43 Abs 2 Satz 2 AFG sei nicht zu erkennen. Zwar fördere seine Teilnahme die Mobilität des Klägers; dies sei indessen die regelmäßige Folge einer beruflichen Fortbildung. Auch wenn er infolge einer durch seine Fortbildung verursachten Beförderung eine Arbeitsstelle für Nachfolger freimachen würde, begründe dies nicht ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse im Sinne des AFG.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 144 Abs 1 Nr 1 SGG und von § 43 Abs 2 AFG durch das LSG. Er trägt dazu vor: Die Berufung sei vom SG ausdrücklich nicht zugelassen worden; dieser Ausspruch sei für das LSG verbindlich gewesen. Im übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit der Berufung aus anderen Gründen nicht vor. So stelle die verlangte Erstattung insgesamt eine einmalige Leistung iS von § 144 Abs 1 Nr 1 SGG dar, da der Lehrgang im Herbst 1980 beendet und der Erstattungsanspruch von da an in einer Summe entstanden gewesen sei. Auch hätten keine von der Beklagten zu Recht gerügten Verfahrensmängel vorgelegen. Die Förderungsfähigkeit von Lehrveranstaltungen der Bayerischen Verwaltungsschule nach § 34 AFG seien in den mündlichen Verhandlungen vor dem und vom SG so ausführlich erörtert und klargestellt worden, daß sich jedes Wort darüber in den schriftlichen Urteilsgründen erübrigt hätte. Die arbeitsmarktpolitsche Zweckmäßigkeit der Maßnahme iS von § 36 Nr 3 AFG sei unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen so offenkundig, daß jeder gewußt habe und wisse, daß nur noch der hochwertig ausgebildete Arbeitnehmer Aussicht habe, einen Arbeitsplatz zu behalten oder zu erhalten. Jedes Wort darüber in den Urteilsgründen sei daher ebenfalls überflüssig gewesen. Das SG habe demgemäß nur über die vom Kläger erhobenen Ansprüche zu entscheiden gehabt und dabei § 123 SGG beachten müssen. Eine andere, als die vom SG gewählte Fassung sei nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte sei zur Leistung verurteilt worden, und zwar dem Grunde nach; sie habe die Höhe der Leistung aus den dafür vorgesehenen Unterlagen entnehmen können. Mithin fehle es dem Urteil nicht an ausreichenden Entscheidungsgründen.

Auch in der Sache habe das SG zutreffend entschieden. Allein aus der Bestätigung des Kanzlers der Universität, wonach die Teilnahme des Klägers an dem streitigen Lehrgang in dessen ureigenstem Interesse erfolgt sei, ergebe sich, daß für ein überwiegendes Interesse der Universität an dieser Teilnahme kein Raum bestehe. Nicht die Universität, sondern allein der Kläger habe die Fortbildung benötigt. Das LSG habe im übrigen § 159 SGG verletzt, weil es bei seiner Annahme eines wesentlichen Mangels im Verfahren des SG die Sache nicht dorthin zurückverwiesen habe.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Würzburg vom 1. Dezember 1980 zurückzuweisen und der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf das ihrer Auffassung nach zutreffende Urteil des LSG.

Die Beigeladene wiederholt ohne ausdrücklichen Antrag ihren Sachvortrag aus den Vorinstanzen und führt ergänzend aus, das LSG habe den Kreis der an Lehrgängen der Bayerischen Verwaltungsschule teilnahmeberechtigten Angestellten zu eng verstanden. Danach seien auch Angestellte von Arbeitgebern zugelassen, die nicht unmittelbar zum Kreis der staatlichen oder kommunalen Verwaltung gehörten, wie Angestellte von Kirchen, kirchliche Organisationen, von Trägern der freien Wohlfahrtspflege und ähnlichem. Man könne die Angestelltenlehrgänge der Schule auch nicht dem Interessenbereich des Freistaates Bayern zuordnen. Maßgebend sei insofern die tarifrechtliche Ausgangslage, die lediglich für Angestellte der kommunalen Einrichtungen eine Prüfungspflicht vorsähen. Für Angestellte, die dieser Prüfungspflicht nicht unterlägen, sei davon auszugehen, daß sie aus eigenem Interesse an den Lehrgängen teilnähmen. Infolgedessen könne die Schule als Institution nicht generell dem Interessenbereich des Freistaates Bayern zugerechnet werden. Es treffe jedenfalls nicht zu, daß der Inhalt der Ausbildung auf den Betrieb der Universität Würzburg ausgerichtet gewesen sei.

Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß in der Sache ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden wird (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das LSG zu Recht von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen. Hinsichtlich der geltend gemachten Zuschüsse zu Lernmitteln folgt dies aus deren Charakter als wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten (§§ 143, 144 Abs 1 Nr 2 SGG), der sich nicht deshalb verändert hat, weil der Kläger die angefallenen Kosten zunächst selbst aufgebracht hat und sie im nachhinein in einer Summe geltend macht (BSG SozR 1500 § 144 Nr 10). Hinsichtlich der übrigen selbständigen Ansprüche, die nach § 144 Abs 1 SGG an sich von der Berufung ausgeschlossen sind, folgt die Zulässigkeit der Berufung aus dem Vorliegen eines seitens der Beklagten wirksam gerügten Verfahrensmangels gem § 150 Nr 2 SGG. Wie das LSG des Näheren zutreffend ausgeführt hat, greift schon die Rüge durch, daß das der Anfechtungs- und Leistungsklage stattgebende Urteil des SG keine hinreichenden Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG enthält, weil es sich zu Anspruchsvoraussetzungen nicht äußert, deren Fehlen die Beklagte vor dem SG ausdrücklich und wiederholt beanstandet hat. Der Kläger kann diesen Mangel nicht damit rechtfertigen, die hierbei ua maßgebliche Rechtsfrage der Förderungsfähigkeit des besuchten Lehrganges iS des § 34 AFG sei in den mündlichen Verhandlungen vor dem SG ausführlich erörtert worden. Gerade in einem solchen Falle muß das Gericht seine Rechtsauffassung hierzu in den Entscheidungsgründen offenlegen, damit die Beteiligten die Entscheidung überprüfen können. Keinesfalls macht die Erörterung von Rechtsfragen in der mündlichen Verhandlung deren Erörterung in den Entscheidungsgründen völlig entbehrlich. In der Regel belegt dies vielmehr deren Bedeutung für die Entscheidung; dies gilt insbesondere für streitige Anspruchsvoraussetzungen, wie hier. Folgt die Zulässigkeit der Berufung bereits aus diesem Verfahrensmangel, bedarf es keines Eingehens mehr auf die Frage, ob auch noch weitere Mängel von der Beklagten wirksam gerügt worden sind, wie das LSG angenommen hat.

Der Zulässigkeit der Berufung steht es schließlich nicht entgegen, daß das SG im Tenor seiner Entscheidung ausdrücklich die Berufung nicht zugelassen hat. Daraus folgt lediglich, daß die Berufung nicht kraft Zulassung iS des § 150 Nr 1 SGG zulässig ist. Ihre Zulässigkeit aus anderen Gründen wird davon nicht berührt.

Mit seiner Entscheidung in der Sache hat das LSG nicht eine Verfahrenspflicht verletzt, die Sache an das SG zurückzuverweisen, wie der Kläger rügt. Nach § 159 Abs 1 SGG kann das LSG die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das SG zurückverweisen, wenn - ua - das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt es im Ermessen des LSG, ob es selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich und auch nichts vorgetragen, daß das LSG die Grenzen seines Ermessens überschritten hat, wenn es die Sache trotz eines zur Zulässigkeit der Berufung führenden Verfahrensmangels in eigener Zuständigkeit für entscheidungsreif gehalten hat (vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, RdNr 5 zu § 159 mwN).

Der Senat pflichtet dem LSG auch in der Sache bei. Der Klageanspruch ist schon deshalb nicht begründet, weil es sich vorliegend um die Teilnahme an einer von der Förderung ausgeschlossenen interessengebundenen Maßnahme iS des § 43 Abs 2 AFG handelt. Nach dieser in der Fassung des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) anzuwendenden Vorschrift wird die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung, wie hier, nicht gefördert, wenn die Teilnahme überwiegend im Interesse des Betriebes liegt, dem der Teilnehmer angehört; dies gilt insbesondere, wenn die betreffende Maßnahme unmittelbar oder mittelbar von dem Betrieb getragen wird oder im überwiegenden Interesse dieses Betriebes liegt; ausnahmsweise rechtfertigt ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse die Förderung dennoch.

Nach der bis zum Inkrafttreten des HStruktG-AFG am 1. Januar 1976 geltenden Fassung des § 43 Abs 2 AFG war die Förderung ausgeschlossen, wenn die in Rede stehende Maßnahme auf Zwecke eines Betriebes oder Verbandes ausgerichtet war. Daraus hat das Bundessozialgericht (BSG) gefolgert, daß die Förderung nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Maßnahme als solche interessengebunden ist, nicht aber dann schon, wenn der Teilnehmer mit der Teilnahme an einer für jedermann offenen Maßnahme lediglich Interessen eines Betriebes verfolgt (BSG SozR 4100 § 43 Nr 15). Aus der Neufassung des § 43 Abs 2 AFG ergibt sich, daß dieser Gesichtspunkt nicht mehr entscheidend ist (so auch Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, 4. Lieferung, § 43 RdNr 2). Es kommt danach darauf an, ob die Teilnahme als solche an irgend einer Maßnahme überwiegend im Interesse des Betriebes liegt, dem der Antragsteller angehört (§ 43 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 AFG). Die Trägerschaft oder das besondere Interesse des Betriebes an der Maßnahme sind allerdings (weiterhin) ein gesetzlich umschriebenes Indiz dafür; denn diese Umstände belegen kraft Fiktion das Interesse des Betriebes an der Teilnahme des Arbeitnehmers an der Maßnahme (§ 43 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 AFG). Im übrigen hat die Vorschrift hinsichtlich ihres Zweckes und ihrer inhaltlichen Bedeutung keine Änderung erfahren; dies lag auch nicht in der Absicht des Gesetzgebers des HStruktG-AFG (vgl BT-Drucks 7/4243, Bericht des Haushaltsausschusses zu Artikel 20 § 1 Nr 5a - S 8 -).

Soweit § 43 Abs 2 AFG nur den Begriff des Betriebes verwendet, anstelle der früheren Doppelbezeichnung "Betrieb oder Verband" gilt nichts anderes. Der Gesetzgeber folgte mit dieser Vereinfachung im Ausdruck lediglich der Rechtsprechung des BSG, die die früheren Bezeichnungen "Betrieb oder Verband" nicht als Alternativen, sondern als allgemeinen Sammelbegriff für diejenigen Einrichtungen verstanden hat, die überhaupt als Zweckträger von Fortbildungsmaßnahmen in Betracht kommen können. Schon das Wort "Betrieb" in § 43 Abs 2 AFG aF war danach im weitesten Sinne aufzufassen (BSG SozR 4100 § 43 Nrn 2, 8, 9, 10, 16, 18; § 42 Nr 5). Im übrigen bestand für die Beibehaltung des Verbandsbegriffs auch deshalb kein Bedürfnis mehr, weil es für den Ausschluß der Förderung jetzt nicht mehr auf den objektiven Charakter der Maßnahme ankommt, die sich in ihrer zweckbestimmten Ausrichtung ausdrückte, sondern lediglich auf das der Teilnahme an jeglichen Maßnahmen zugrundeliegende subjektive Interesse (vgl dazu auch Gagel/Jülicher, AFG, 1. Lieferung, RdNr 9 zu § 43).

Auch in sonstiger Hinsicht hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung verwertet. Besonders deutlich wird dies an der Verwendung des Begriffs des "Interesses" des Betriebes, den das BSG schon bisher so als Inhalt des früher verwendeten Begriffs der Zweckausrichtung verstanden hat (BSG aa0). Mit Rücksicht auf den deshalb in seinen Grundzügen unverändert gebliebenen Bedeutungsgehalt des § 43 Abs 2 AFG gelten die vom BSG insoweit zum Vorläuferrecht entwickelten Grundsätze auch für die neue Fassung. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist für ihre Zweckbestimmung zu beachten, daß sie den Verbrauch von Förderungsmitteln für solche Maßnahmen nach Möglichkeit verhindern soll, die bisher schon von anderen Stellen in deren eigenem Interesse finanziert wurden. Es sollte insoweit einer Verlagerung der Leistungen zur Fortbildungsförderung von der Wirtschaft auf die Beklagte entgegengewirkt werden (vgl BSGE 37, 172 = SozR 4100, § 43 Nr 2, ferner Nrn 8, 16, 18). Die Neufassung des § 43 Abs 2 AFG durch das HStruktG-AFG verfolgt ausdrücklich dasselbe Ziel (BT-Drucks 7/4243 aa0). Infolgedessen spricht es (weiterhin) für eine Interessengebundenheit iS des § 43 Abs 2 AFG, wenn eine Fortbildung von der Beklagten gefördert werden soll, die bisher üblicherweise oder sogar aufgrund rechtlicher Verpflichtung von dem Betrieb getragen wurde (vgl insbes. BSG SozR 4100 § 43 Nr 10).

Weitere Indizien für die Frage eines überwiegenden Interesses des Betriebes an der Teilnahme eines ihm angehörenden Arbeitnehmers an einer Maßnahme ergeben sich aus der Auswahl des Teilnehmerkreises für diese Maßnahme, aus dem Inhalt der in ihr vermittelten Schulung und ihrem besonderen Ausbildungsziel. Es handelt sich hierbei um Kriterien, die der Senat schon für die Frage der Ausrichtung einer Maßnahme auf die Zwecke des Betriebes iS des § 43 Abs 2 AFG aF für wesentlich erachtet hat (vgl zusammenfassend BSG SozR 4100 § 43 Nr 18). Sie besitzen nach Auffassung des Senats eine gleichartige Bedeutung für die Beurteilung eines Sachverhalts gem § 43 Abs 2 AFG nF; dabei bedarf es einer Gesamtwürdigung aller Merkmale, die sich nicht nur ergänzen, sondern auch überschneiden können. Dem LSG ist zwar darin beizupflichten, daß ein überwiegendes Betriebsinteresse iS des § 43 Abs 2 Satz 1 AFG jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die berufliche Fortbildung des Teilnehmers notwendig ist, um Schaden von dem Betrieb abzuwenden. Indes erachtet der Senat dies nicht für das ausschließliche Merkmal dafür.

Im vorliegenden Falle ist es unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Grundsätze aufgrund der vom LSG getroffenen und den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) zu bejahen, daß die Teilnahme des Klägers an dem in Rede stehenden Lehrgang an der Bayerischen Verwaltungsschule überwiegend im Interesse der Universität W lag, der der Kläger als ihr Arbeitnehmer im Sinne von § 43 Abs 2 AFG angehörte.

Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger die Stelle als Sachbearbeiter für den eigenverantwortlichen Vollzug von Diplomprüfungsordnungen mit einer Vergütung nach BAT Vc nur unter der Voraussetzung erhalten hat, später die Verwaltungsprüfung I abzulegen. Die Universität war zu dieser Forderung als einer Bedingung für die Übertragung der Aufgaben nach BAT Vc gezwungen, weil der Kläger die erforderlichen Kenntnisse zunächst nicht besaß. Der Kläger hat diese Feststellungen nicht wirksam angegriffen. Mit seinem Hinweis, in der Bescheinigung des Kanzlers der Universität vom 25. März 1980, von der das LSG ausgegangen ist, sei ausgeführt worden, die Fortbildung habe im ureigensten Interesse des Klägers gelegen, stellt er jedenfalls die oa Feststellungen des LSG nicht in Frage; vielmehr möchte er aus diesem Inhalt der Bescheinigung nur eine andere Schlußfolgerung in bezug auf die Interessenlage der Universität ziehen als das LSG aus den oa Feststellungen. Seinem Vorbringen ist aber nicht zu entnehmen, daß das LSG zwingend zu dem von ihm gewünschten Beweisergebnis hätte gelangen müssen. Der Kläger legt nicht dar, warum das überwiegende Interesse eines Betriebes an einer bestimmten Fortbildung eines Arbeitnehmers, dem bereits im Vorgriff darauf ein entsprechender Dienstposten übertragen worden ist, deshalb fehlen muß, weil auch der Arbeitnehmer ein starkes eigenes Interesse an der Fortbildung besitzt.

Vorliegend ergibt sich die Rechtsfolge jedenfalls aus dem Zusammenhang mit den übrigen Feststellungen des LSG. Danach durften an dem streitigen Lehrgang nur Angestellte im Verwaltungsdienst des Freistaates Bayern, der Gemeinden, Landkreise und Bezirke sowie der der staatlichen Rechtsaufsicht unterliegenden Körperschaften, wie der Universität W, teilnehmen. Die Teilnahme am Lehrgang und die Zulassung zur Prüfung bedurften eines Antrages bzw einer Anmeldung des Arbeitgebers, dem deshalb die Auswahl unter den Arbeitnehmern zustand, die für eine derartige Fortbildung in Betracht kamen. Der Inhalt der Schulung betraf die Rechtsgebiete der öffentlichen Verwaltung, Rechtsanwendung, Behörden- und Verwaltungsorganisation und Verwaltungstechnik. Es handelte sich um Lerninhalte, die für den gesamten Bereich der kommunalen und staatlichen Verwaltung erheblich sind. Schließlich hat das LSG festgestellt, daß die Universität es als (staatliche) Aufgabe zu gewährleisten habe, geeignetes Personal für die Erfüllung ihrer Funktionen zu besitzen, und daß sie insoweit ebenso eine Einrichtung des Freistaates Bayern ist wie die Beigeladene. Der Freistaat Bayern hat im übrigen die für Fortbildungen der vorliegenden Art anfallenden Kosten bis vor einigen Jahren weitgehend selbst getragen.

Soweit die Beigeladene hinsichtlich der Lehrgänge an der Bayerischen Verwaltungsschule davon abweichende Sachverhalte vorträgt, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das das Revisionsgericht nicht berücksichtigen kann (§ 163 SGG). Ein wirksamer Angriff gegen die Feststellungen des LSG ist ihm nicht zu entnehmen, so daß diese weiterhin für das BSG maßgebend sind.

In ihrer Gesamtbeurteilung führen sie zur Bejahung eines überwiegenden Interesses der Universität W an der Teilnahme des Klägers an dem in Rede stehenden Lehrgang iS des § 43 Abs 2 AFG. Wie das LSG sieht der Senat ein gewichtiges Indiz dafür bereits in dem Umstand, daß die Universität dem Kläger die Stelle als Sachbearbeiter nur unter der Bedingung übertragen hat, daß er die Verwaltungsprüfung I ablegt und sich der streitigen Fortbildung bei der Beigeladenen unterzieht. Der Kläger benötigte die dort erworbenen Kenntnisse für die Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben. Das LSG folgert daraus zu Recht ein überwiegendes Interesse der Universität an dieser Fortbildung des Klägers; denn vor allem ihr mußte es an der ausreichenden Qualifikation eines Arbeitnehmers gelegen sein, dem sie eine Funktion bereits vor deren Erwerb endgültig übertragen hatte.

Daß die Maßnahme überwiegend im Interesse der Universität lag, ergibt sich ferner aus deren Einfluß auf die Auswahl der aus ihrem Bereich dafür in Frage kommenden Arbeitnehmer. Dafür spielt es keine Rolle, ob die Universität im Falle des Klägers ohne weiteres mit dessen Lehrgangsteilnahme einverstanden war. Nach den Feststellungen des LSG stand jedenfalls allein ihr das Recht zu, einem Arbeitnehmer den Zugang zur Teilnahme durch Anmeldung zu eröffnen; ohne ihren Antrag konnte er auch nicht zu Prüfungen zugelassen werden. Diese allein auf die Belange des Arbeitgebers zugeschnittenen Auswahlrechte stimmen überein mit dem von der Beigeladenen angebotenen Lehrstoff; denn er betraf insbesondere diejenigen Kenntnisse, die für die Bereiche der kommunalen und staatlichen Verwaltung, zu der auch die Universität W gehört, erheblich sind. Dieses Angebot stimmt wiederum überein mit der Zweckbestimmung der Beigeladenen zur Durchführung der Berufsbildung des Personals im kommunalen und staatlichen Dienst des Freistaates Bayern, die sich auch in der Beschränkung des Zugangs auf dieses Personal äußert. An dieser Sachlage ändert es nichts, daß für Angestellte von Universitäten anders als für kommunale Angestellte eine tarifrechtliche Prüfungspflicht nicht besteht (so schon BSG SozR 4100 § 43 Nr 10). Ebensowenig wäre dies übrigens der Fall, wenn die Beigeladene ihre Lehrgänge in gewissem Umfange auch für Arbeitnehmer anderer Stellen eröffnet, wie sie vorträgt (vgl BSGE 38, 138, 142 = SozR 4100 § 43 Nr 9).

Wie vom LSG festgestellt wurde, ist vom Kläger jedenfalls die Ablegung der Prüfung in einer rechtlich bindenden Form erwartet worden. Unter diesen Umständen tritt es in den Hintergrund, daß der Kläger keinen Anspruch gegen die Universität auf Ersatz der ihm durch die Lehrgangsteilnahme erwachsenen Aufwendungen besitzt. Diesem Umstand hatte der Senat übrigens schon zur Auslegung des § 43 Abs 2 AFG aF keine entscheidende Bedeutung beigemessen (BSG SozR 4100 § 43 Nr 10). Zudem hat das LSG festgestellt, daß der Freistaat Bayern bis vor wenigen Jahren die Kosten derartiger Fortbildungslehrgänge auch für Angestellte in staatlichen Stellen weitgehend getragen hat. Es bedarf keiner näheren Aufklärung, ob dies durch Mittelzuweisung an die jeweilige, rechtlich selbständige Beschäftigungsbehörde geschah oder auf sonstige Weise; denn es genügt die Indizwirkung eines derartigen Verhaltens, um das überwiegende Interesse des Staates und seiner Gliederungen an der für seine Bedürfnisse geeigneten beruflichen Bildung seines Personals zu dokumentieren. Gerade die bloße Aufgabe dieser Förderung soll aber nicht zu einer Pflicht der Beklagten führen, derartige Bildungsbestrebungen nun aus dem Beitragsaufkommen der bei ihr versicherten Personen zu finanzieren.

Dem Kläger könnte der Anspruch nach allem nur zustehen, wenn an seiner Lehrgangsteilnahme ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse bestünde. Das LSG hat dies zu Recht verneint. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß insoweit einer der Tatbestände des § 9 der Anordnung der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung -AFuU- vom 23. März 1976 (ANBA S 559), der hier in der Fassung vom 6. April 1978 (ANBA S 731) anzuwenden ist, vorliegt. Nach dem Inhalt dieses Anordnungsrechts bestimmt sich aber die Eingrenzung des unbestimmten Rechtsbegriffs des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses (BSG SozR 4100 § 43 Nr 9; § 41 Nr 19).

Zwar wird nach § 9 Abs 1 Nr 2 AFuU auch die Teilnahme an einer interessengebundenen Maßnahme gefördert, wenn ua der Teilnehmer für Tätigkeiten auf einem Arbeitsplatz fortgebildet wird, der für die Sicherung oder Bereitstellung von anderen Arbeits- oder Ausbildungsplätzen notwendig ist. Ob dies für den vom Kläger besetzten Arbeitsplatz bei der Universität W überhaupt gelten kann, bedarf keiner Prüfung; denn nach § 9 Abs 2 AFuU darf die Teilnahme jedenfalls nicht von einer betrieblichen Bindung abhängig gemacht sein. Gerade dies ist aber nach den schon erörterten Feststellungen des LSG hier der Fall.

Die Revision ist nach allem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659549

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