Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Frage des Ersatzanspruchs der KK gegen die Versorgungsverwaltung für das einem Kriegsbeschädigten satzungsgemäß gewährte Krankengeld im Falle der rückwirkenden Gewährung einer Rente aus der Angestelltenversicherung wegen Erwerbsunfähigkeit.

2. Das Gericht braucht die Frage des Eintritts der Verjährung nicht zu prüfen, wenn der Schuldner gegenüber dem Gläubiger ausdrücklich erklärt, er werde die Einrede der Verjährung nicht erheben.

3. Hat die Krankenkasse für einen an Schädigungsfolgen erkrankten Versorgungsberechtigten Krankengeld gezahlt und ist diesem rückwirkend eine den Krankengeldanspruch beseitigende Rente bewilligt worden (RVO § 183 Abs 3 S 1), so hat die Versorgungsverwaltung für die nach dem Rentenübergang verbleibenden Krankengeld-Spitzenbeträge (RVO § 183 Abs 3 S 3) nach BVG § 19 Abs 2 Ersatz zu leisten.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12; BVG § 19 Abs. 2 Fassung: 1964-02-21; SGG § 103 Fassung: 1953-09-03; RVO § 183 Abs. 3 Sätze 3, 1

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. April 1969 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von DM 131,95 zu zahlen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin gewährte ihrem Mitglied, dem Kriegsbeschädigten Herbert D (D.) aus Anlaß seiner auf den anerkannten Schädigungsfolgen beruhenden Arbeitsunfähigkeit Krankengeld für die Zeit vom 15. April bis 16. Oktober 1963 in satzungsmäßiger Höhe. Mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 11. Oktober 1963 wurde D. rückwirkend vom 1. April 1963 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) gewährt. Die Klägerin nahm die Rentennachzahlung in Höhe von 1.912,30 DM gemäß § 183 Abs. 3 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Anspruch. Den nicht gedeckten Restbetrag von 131,95 DM forderte sie von dem Versorgungsamt (VersorgA) Berlin. Dieses lehnte mit Schreiben vom 1. September 1967 die Ersatzleistung endgültig ab. Die Klägerin hat am 2. Januar 1968 Klage auf Kostenersatz in Höhe von 131,95 DM erhoben.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 16. April 1969 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, durch die rückwirkende Gewährung der EU-Rente sei der Krankengeldzahlung nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen worden, wie sich eindeutig aus § 183 Abs. 3 Satz 1 RVO ergebe. Nach dieser Vorschrift ende der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage, von dem an Rente wegen EU oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt werde. Der Hinweis der Klägerin auf § 183 Abs. 3 Satz 3 RVO sei nicht geeignet, ihr Begehren zu stützen. Bei § 183 Abs. 3 Satz 3 RVO handele es sich um eine reine Schutzvorschrift zugunsten des Versicherten, die gerade voraussetze, daß das Krankengeld zu Unrecht gezahlt worden sei.

Das SG hat die Berufung zugelassen.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 9. Mai 1969 zugestellt, die dagegen mit Schriftsatz vom 28. Mai, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 3. Juni 1969, Sprungrevision eingelegt und diese in demselben Schriftsatz begründet hat. Der Beklagte hat seine Einwilligung zur Einlegung der Sprungrevision erteilt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das beklagte Land zur Ersatzleistung an die Klägerin im Betrage von 131,95 DM zu verurteilen.

Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 19 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und trägt zur Begründung vor, durch die rückwirkende Gewährung einer EU-Rente werde nicht nachträglich der Krankengeldzahlung die Rechtsgrundlage entzogen. Sie, die Klägerin, sei mit den sich aus § 183 Abs. 2 RVO ergebenden Beschränkungen bis zum Erlaß des Rentenbescheides zur laufenden Auszahlung des Krankengeldes verpflichtet gewesen. Der Kriegsbeschädigte D. habe bis zum 16. Oktober 1963 einen gesetzlichen und satzungsmäßigen Anspruch auf das bis zu diesem Tage gezahlte Krankengeld gehabt; sie habe diesen Anspruch nicht etwa im Hinblick auf die zu erwartende Rentenzubilligung zurückweisen können. Der "Anspruch auf Krankengeld" im Sinne des § 183 Abs. 3 Satz 1 RVO falle mit der Gewährung der Rente nicht etwa rückwirkend weg; vielmehr solle der Versicherte das bis zur Zustellung des Rentenbescheides schon gezahlte Krankengeld unter Anrechnung auf die Rente behalten. Bei der Prüfung des Ersatzanspruches sei vom Sinn und Zweck des § 19 Abs. 2 BVG auszugehen. Danach seien die Aufwendungen für Krankengeld und Hausgeld zu erstatten, wenn die Arbeitsunfähigkeit oder die Krankenhauspflege durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sei. Eine die grundsätzliche Erstattungspflicht des Bundes ausschließende gesetzliche Bestimmung enthalte weder § 183 Abs. 3 Satz 1 RVO noch irgendeine Vorschrift des BVG. Der rückwirkende Wegfall des Anspruchs auf Kranken- oder Hausgeld wegen rückwirkender Rentengewährung beeinträchtige den Erstattungsanspruch der Krankenkasse nicht, weil die Voraussetzung für diesen Anspruch die tatsächliche Kranken- und Hausgeldzahlung sei, sofern die Zahlung aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung erfolgt und eine Rückforderung der Zahlung nicht zugelassen sei.

Der Beklagte beantragt,

die Sprungrevision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend und führt weiter aus, das von der Krankenkasse über den Zeitpunkt des Rentenbeginns hinaus gezahlte Krankengeld werde durch die rückwirkende Rentenbewilligung zu einer zu Unrecht erbrachten Leistung und stelle damit keine gesetzliche Geldleistung wegen Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 5 BVG mehr dar. Der "überschießende Betrag", der nach § 183 Abs. 3 letzter Satz RVO vom Versicherten nicht zurückgefordert werden dürfe, könne auch nicht nach § 19 Abs. 2 BVG erstattet werden.

II

Die Klägerin hat die Sprungrevision frist- und formgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet (§§ 150 Nr. 1, 161, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist daher zulässig. Die Sprungrevision ist auch begründet.

Maßgebend für den Ersatzanspruch der Klägerin ist § 19 BVG idF des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG vom 27. Juni 1960 - BGBl I S. 453 -). Das SG ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, daß hier § 19 BVG idF des 2. NOG (vom 21. Februar 1964 - BGBl I S. 85 -) anzuwenden ist. Das SG scheint insoweit jedoch übersehen zu haben, daß die Krankengeldzahlung an D. im Jahre 1963 erfolgt und auch abgeschlossen worden ist, der Ersatzanspruch der Klägerin also vor dem Inkrafttreten des 2. NOG (1. Januar 1964; vgl. Art VI § 5 des 2. NOG) entstanden ist (vgl. Urteil des BSG vom 19. Januar 1971 - 10 RV 483/68 -).

Nach § 19 Abs. 1 BVG idF des 1. NOG wird den Krankenkassen, sofern sie nicht nur nach den Vorschriften des BVG verpflichtet sind, Heilbehandlung zu gewähren, "für ihre Aufwendungen bis zum 31. Dezember 1963 ... Ersatz geleistet". Die Ersatzleistung ist an die Voraussetzung geknüpft, daß der Zusammenhang der Krankheit mit einer Schädigung anerkannt ist. Das trifft für den vorliegenden Fall zu, denn die Arbeitsunfähigkeit des D. war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des SG durch die anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden (vgl. Bescheid des VersorgA I Berlin vom 21. Juni 1956). Der Umfang der Ersatzleistung ergibt sich aus § 19 Abs. 3 BVG. Danach wird bei ambulanter Behandlung, wenn und solange Krankengeld gewährt wird, "das satzungsmäßige Krankengeld" gewährt. Der Wortlaut des Gesetzes ergibt nicht, was unter "Krankengeld" zu verstehen ist. Da aber das BVG die Gewährung von Krankengeld als unmittelbare Versorgungsleistung nicht vorsieht und § 19 BVG den Kostenersatz an die Krankenkassen für ihre Aufwendungen regelt, die wegen der anerkannten Schädigungsfolgen entstanden sind, kann unter "satzungsmäßigem Krankengeld" nur das Krankengeld gemeint sein, das die Krankenkasse als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Zweiten Buch der RVO (vgl. insbesondere § 182 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 bis 6 RVO) an ihre Versicherten zu leisten hat (vgl. Urteil BSG vom 2. Februar 1971 - 8 RV 467/69). - Dabei macht es keinen Unterschied, daß die Klägerin eine Ersatzkasse ist, also nicht zu den "gesetzlichen Krankenkassen" im Sinne des § 225 RVO gehört, denn nach Art. 3 § 1 des Gesetzes über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. Juli 1934 (RGBl I S. 577) sind Träger der Krankenversicherung auch die Ersatzkassen. - Ist aber der Begriff des satzungsmäßigen Krankengeldes (s.a. § 321 RVO) der RVO entnommen, dann erscheint es geboten, insoweit die einschlägigen Vorschriften der RVO heranzuziehen.

Die Entstehung der Spitzenbeträge beruht auf § 183 Abs. 2 RVO. Danach endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag, von dem an Rente wegen EU oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird. Ist über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden, so geht der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse über. Übersteigt das Krankengeld die Rente, so kann die Kasse den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern.

Diese Fassung des § 183 RVO beruht auf dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I S. 913). Dieses Gesetz hat für die Versicherten neben erheblichen Verbesserungen auch einige Verschlechterungen gebracht; dazu gehört auch die hier einschlägige Regelung. Konnten nämlich früher Krankengeld und Rente aus der Invalidenversicherung (IV) oder Angestelltenversicherung (AV) nebeneinander gewährt werden, so war nach der Systematik der Neuregelung - vor allem im Hinblick auf die Ausdehnung der Bezugsdauer des Krankengeldes auf 78 Wochen (vgl. § 183 Abs. 2 RVO) - ein derartiger uneingeschränkter Doppelbezug von Leistungen aus der Sozialversicherung nicht mehr möglich (vgl. BSG 19, 28). Einmal hätte sich daraus eine für die Krankenkassen finanziell nicht tragbare Belastung ergeben, zum anderen sollten nicht aus zwei Versicherungszweigen - Krankenversicherung und Rentenversicherung - Leistungen nebeneinander gewährt werden, denen gleichermaßen die Funktion des Lohnersatzes zukommt. Auf diesen Erwägungen beruht die Regelung des § 183 Abs. 3 RVO, die zu einem gesetzlichen Forderungsübergang der nachträglich gewährten Rente auf die Krankenkasse führt (vgl. Urteil BSG vom 10. November 1970 - 3 RK 65/68). Die Krankenkasse wird dadurch im Ergebnis von langfristig zu gewährenden Leistungen entlastet, wenn eine längere Arbeitsunfähigkeit zur Auslösung von Leistungsansprüchen gegen die Rentenversicherung führt.

Ferner ordnet § 183 Abs. 3 Satz 3 RVO an, daß die Kasse in den Fällen, in denen das Krankengeld die Rente übersteigt, den überschießenden Betrag an Krankengeld von dem Versicherten nicht zurückfordern darf. Der sozialpolitische Ausschuß des Deutschen Bundestages (3. Wahlperiode, BT-Drucks. Nr. 2748) hat hierzu folgende Erläuterungen gegeben:

"Der Versicherte, dem während seiner Arbeitsunfähigkeit Altersruhegeld oder eine Erwerbsunfähigkeitsrente zugebilligt wird, hat von dem Tage an, von dem an er diese Rente erhält, keinen Anspruch mehr auf Krankengeld. Der Anspruch fällt aber nicht etwa rückwirkend weg; der Versicherte erhält vielmehr das Krankengeld, das bis zur Zustellung des Rentenbescheides gezahlt ist; es wird lediglich die für diese Zeitspanne gezahlte Rente in der Weise angerechnet, daß der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse übergeht."

Weisen schon diese Ausführungen bei den Beratungen des Gesetzes darauf hin, daß der Spitzenbetrag an Krankengeld gegenüber der Rente keine ohne Rechtsgrund gewährte Leistung darstellt, so bestätigen weitere Überlegungen die Richtigkeit dieser Auffassung, auch wenn sie im Wortlaut des Gesetzes nicht so eindeutig zum Ausdruck gekommen ist. Die Krankenkasse war im Zeitpunkt der Zahlung kraft Gesetzes zur Leistung verpflichtet (siehe auch Urteil BSG vom 16. Dezember 1970 - 2 RU 184/68), denn nach § 210 RVO werden die Barleistungen der Krankenkasse "mit Ablauf jeder Woche" ausgezahlt. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin nachgekommen, wie sich aus den bei den Akten befindlichen Auszahlungsscheinen ergibt (Zeitraum vom 15. April bis 16. Oktober 1963). Die Krankenkasse kann das Krankengeld auch nicht etwa unter Vorbehalt leisten, wenn sie erfahren sollte, daß der Versicherte die Gewährung von Altersrente oder Rente wegen EU beantragt hat. Stellt sich in Fällen dieser Art nachträglich heraus, daß schon zur Zeit der Zahlung des Krankengeldes der Anspruch "geendet" hatte, so kann nicht davon gesprochen werden, daß der Versicherte durch die Leistung der Krankenkasse auf deren Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hätte; allenfalls könnte daran gedacht werden, daß die zunächst vorhandene rechtliche Grundlage später weggefallen ist (vgl. § 812 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative BGB). Diese im bürgerlichen Recht fußende Regelung kann aber nicht ohne weiteres auf das BVG und die RVO übertragen werden, denn hier handelt es sich nicht darum, daß eine zunächst vorhandene rechtliche Verpflichtung später mit auflösender Wirkung fortfällt, sondern lediglich darum, daß an die Stelle der Leistungsverpflichtung eines Sozialversicherungsträgers (SV-Trägers) die Leistungsverpflichtung eines anderen SV-Trägers tritt und die unterschiedliche Höhe der Leistungen ausgeglichen werden muß (vgl. Urteil BSG vom 2. Februar 1971, aaO). Insoweit ist auch der Wortlaut des § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO von Bedeutung. Denn er regelt den Fall, daß über den Zeitpunkt des Beginns der Rente hinaus Krankengeld gezahlt worden ist, und spricht aus, daß der Anspruch auf Rente "bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse" übergeht. Wenn das Krankengeld in diesem Fall seinen Charakter als derartige Leistung verloren hätte, dann hätte der Gesetzgeber nicht mehr von "Krankengeld" sprechen können.

Eine weitere Bestätigung bietet die Neufassung, die § 19 Abs. 2 BVG durch das 2. NOG erfahren hat. Waren ursprünglich die Ersatz- und Erstattungsleistungen auf bestimmte Zeiträume (vgl. § 19 Abs. 1 BVG in den Fassungen vor dem 2. NOG) und auch der Höhe nach begrenzt, so bestimmt nunmehr § 19 Abs. 2 BVG, daß "Krankengeld und Hausgeld erstattet werden", wenn die Arbeitsunfähigkeit oder die Krankenhauspflege durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursacht worden ist. In dem Entwurf der Bundesregierung (Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucksache IV/1305) ist dazu ausgeführt:

"Der Entwurf geht von dem Grundsatz der vollen Kostenerstattung aus, der sich aus dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Versicherungsrisiko ergibt. Zu diesem Zweck sollen den Krankenkassen alle nachweisbaren Aufwendungen einzeln erstattet werden. Für die Erstattung der übrigen Aufwendungen mußte eine Pauschalierung vorgesehen werden ...".

Bei der parlamentarischen Arbeit ist diese Vorschrift nicht nochmals besonders angesprochen worden. Aus den Materialien und den aus ihnen zu entnehmenden Vorstellungen des Gesetzgebers kann demnach gleichfalls nur gefolgert werden, daß den Krankenkassen die Leistungen erstattet werden sollen, welche sie aus Anlaß der mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Behandlungsbedürftigkeit von gegen Krankheit versicherten Versorgungsberechtigten gewährt haben.

Der Sinnzusammenhang des § 19 BVG spricht ebenfalls für die Pflicht des Beklagten, der Klägerin die streitigen Spitzenbeträge zu erstatten. Gemäß § 165 Abs. 1 RVO ist "Krankheit" das Risiko der gesetzlichen Krankenversicherung. Hierfür bringen die Versicherten Beiträge auf. In Fällen der vorliegenden Art aber handelt es sich nicht um den Eintritt eines derartigen durch Beitragsleistungen abgesicherten Risikos, sondern um eine Folge des Aufopferungsanspruchs, welchen die Kriegsopfer gegen den Staat haben. Infolgedessen muß der Grundsatz der vollen Kostenerstattung, welcher mit der Schaffung des § 19 BVG angestrebt worden ist, in Fällen der vorliegenden Art dazu führen, nicht die Versichertengemeinschaft anstelle des Staates eintreten zu lassen.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt noch hinzu. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1970 - 10 RV 789/68 - ausgesprochen, daß gemäß § 14 Abs. 1 und 2 BVG (idF des 1. und 2. NOG; vgl. jetzt § 18 c Abs. 1 und 2 BVG idF des 3. NOG) zwischen den Leistungen, die von der zuständigen Verwaltungsbehörde "gewährt" werden, und den übrigen Leistungen, die von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenkassen) "durchgeführt" werden, unterschieden werden muß, wobei bei den einen die Verwaltungsbehörde unmittelbar und bei den anderen zunächst die Krankenkasse im Auftrag und in Vollmacht der Verwaltungsbehörde tätig werden soll. Die Zahlung des Krankengeldes gehört nun zu den Leistungen, die nicht in § 14 Abs. 1 BVG erwähnt sind, so daß die Durchführung also nach Abs. 2 dieser Vorschrift den Krankenkassen obliegt. War aber die Zahlung des Krankengeldes von der Krankenkasse "durchzuführen", dann ist die Klägerin insoweit lediglich im gesetzlichen Auftrag bzw. in einem gesetzlich normierten, auftragsähnlichen Verhältnis und für Rechnung der Versorgungsbehörde tätig geworden. Für das bürgerliche Recht schreibt nun § 670 BGB vor, daß dem Beauftragten die Aufwendungen zu ersetzen sind, die er den Umständen nach - damals - für erforderlich halten durfte (vgl. Palandt, BGB, § 670 Anm. 2), also ohne Rücksicht darauf, ob sich die Rechts- und Interessenlage des Auftraggebers später geändert hat. Für das öffentliche Recht kann insoweit nichts anderes gelten. Die Krankenbehandlung, zu der auch die Zahlung des Krankengeldes gehört, ist erforderlich gewesen wegen der anerkannten Schädigungsfolgen. Für diese Leistung, die von der Krankenkasse durchzuführen war, hat die Versorgungsverwaltung vollen Ersatz zu leisten (vgl. § 19 Abs. 3 BVG), wobei vom Zeitpunkt der Zahlung auszugehen und die Ersatzleistung danach zu beurteilen ist, ob sie in diesem Zeitpunkt rechtens von der Krankenkasse im Auftrag der Versorgungsverwaltung gezahlt worden ist (vgl. hierzu auch Urteil BSG vom 16. Dezember 1970 - 2 RU 184/68). Das aber war, wie bereits dargelegt, ohne Zweifel der Fall.

Schließlich ist noch auf § 20 BVG hinzuweisen, obwohl diese Vorschrift anders gelagerte Fälle betrifft, in denen die Krankenkassen nur nach den Vorschriften "dieses Gesetzes" - also des BVG - verpflichtet sind, Heilbehandlung und Krankenbehandlung durchzuführen. Nach dem letzten Satz dieser Vorschrift (idF des 3. NOG) ist Kostenersatz auch dann zu leisten, wenn die Heil- oder Krankenbehandlung sowie der Einkommensausgleich ohne Verschulden der Krankenkasse zu Unrecht gewährt worden sind. Wenn den Krankenkassen in diesen Fällen die Kosten für zu Unrecht gewährte Leistungen abgenommen werden, so spricht das auch für die Pflicht der Versorgungsverwaltung zum vollen Kostenersatz der ohne Verschulden nach Gesetz und Satzung aufgewendeten Leistungen und für die Verpflichtung des Beklagten, die hier streitigen Spitzenbeträge zu erstatten (vgl. Urteil BSG vom 2. Februar 1971, aaO).

Das von dem Beklagten zitierte Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 6. März 1967 (BVBl 1967 S. 48 Nr. 23 Ziff. 11) ist für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Dort ist lediglich bestimmt, daß dann, wenn dem Beschädigten während des Bezuges von Einkommensausgleich eine EU-Rente oder Altersruhegeld gewährt wird, eine von der Krankenkasse für den gleichen Zeitraum gewährte Geldleistung "nicht mehr als Krankengeld (Hausgeld) anzusehen ist", so daß sich die vorherige Anrechnung dieser Geldleistungen auf den Einkommensausgleich nachträglich als unzulässig herausstellt und eine Neuberechnung des Einkommensausgleichs - mit entsprechend höheren Leistungen der Versorgungsverwaltung - erfolgen muß. Über das Abrechnungsverhältnis zwischen Versorgungsverwaltung und Krankenkassen wird hier nur gesagt, daß "Kostenersatz nach § 20 auch insoweit zu leisten ist". Allenfalls kann auch hieraus geschlossen werden, daß den Krankenkassen ihre Aufwendungen in vollem Umfang zu erstatten sind, ohne Rücksicht darauf, um welche Leistungen es sich gehandelt hat und ob sich der Charakter dieser Leistungen nachträglich geändert hat. Dagegen wird in der "Gemeinsamen Arbeitsempfehlung" der Organisationen der gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen sowie der Seekrankenkasse vom 28. Februar 1969 betr. "Anspruch auf Kranken- oder Hausgeld bei Zubilligung von Rente oder Übergangsgeld aus der Rentenversicherung (§ 183 Abs. 3 - 6 RVO)" die Rechtslage richtig wiedergegeben.

Die Frage der Verjährung (vgl. § 21 Abs. 2 BVG) brauchte hier nicht erörtert zu werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 14. Oktober 1970 - 10 RV 483/68), weil sich die Versorgungsverwaltung mit Schreiben vom 7. Dezember 1965 ausdrücklich bereit erklärt hat, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben.

Der Ersatzanspruch der Klägerin erweist sich demnach als begründet. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und er Beklagte zur Ersatzleistung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670255

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