Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerdeführerin ist ein Energieversorgungsunternehmen in Schleswig-Holstein, das sich im Wesentlichen mit der Stromverteilung befasst. Sie begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des § 3 Abs. 2 Stromeinspeisungsgesetz (StrEsG) vom 7. Dezember 1990 insoweit, als er für Strom aus Windkraft eine Vergütung vorsieht, die über die vermiedenen Kosten der Energieversorgungsunternehmen hinausgeht. § 2 StrEsG verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen, den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und den eingespeisten Strom nach § 3 StrEsG zu vergüten. Gemäß § 3 Abs. 2 StrEsG beträgt die Vergütung für Strom aus Windkraft mindestens 90 v.H. des Durschnittserlöses je Kilowattstunde aus der Stromabgabe von Energieversorgungsunternehmen an alle Letztverbraucher.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie erst am 25. September 1996, somit 4 3/4 Jahre nach Inkrafttreten der angegriffenen Regelung und damit lange nach Ablauf der Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG, erhoben worden ist.

1. Die Fristbestimmung des § 93 Abs. 3 BVerfGG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Gründen der Rechtssicherheit eng auszulegen (vgl. BVerfGE 11, 255 ≪260≫; 18, 1 ≪9≫; 23, 153 ≪164≫; 24, 252 ≪257≫; 30, 112 ≪126≫). Auch eine Handhabung, die im Ergebnis die Fristenregelung ausschaltet, hat zu unterbleiben (vgl. BVerfGE 11, 255 ≪262≫; 21, 94 ≪97≫; 23, 229 ≪238≫). So darf eine erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingetretene Beschwer, mit der der Beschwerdeführer geltend macht, das Gesetz sei von vornherein verfassungswidrig gewesen, nicht Grundlage der Verfassungsbeschwerde sein (vgl. BVerfGE 23, 153 ≪164≫; 30, 112 ≪126≫). Ebenso wenig kann eine erst nach Ablauf der Beschwerdefrist lediglich intensivierte Beschwer die Frist neu in Lauf setzen, wenn unter Zugrundelegung der Begründung der Verfassungsbeschwerde auch schon die anfängliche geringere Beschwer verfassungswidrig gewesen sein soll.

2. So aber liegt der Fall hier. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde knüpft nur scheinbar an ein Verfassungswidrigwerden der Regelung und an eine Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers an und stellt dabei auf den Erfahrungsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft vom 18. Oktober 1995 ab. Tatsächlich aber hält die Beschwerdeführerin die angegriffene Regelung für von Anfang an verfassungswidrig. „Grundlage und Kern” der Verfassungsbeschwerde sei die Frage, ob der Staat Aufgaben der Allgemeinheit wie „Klimaschutz” und „Ressourcenschonung” auf die Energieversorgungsunternehmen abwälzen könne (S. 9 der Verfassungsbeschwerde). Die Verletzung der Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 GG wird damit begründet, dass ein Eingriff in diese Grundrechte am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen sei und Sonderlasten für eine Gruppe (hier: die Energieversorgungsunternehmen) einer besonderen Rechtfertigung bedürften, an der es hier fehle. Folgerichtig wird angenommen, dass § 3 Abs. 2 StrEsG von Anfang an verfassungswidrig gewesen sei, weil es hier keinen Prognosespielraum gebe; die Sonderbelastung sei schlechthin, also unabhängig von ihrem Ausmaß, verfassungswidrig (S. 176 ff. der Verfassungsbeschwerde). In der Folgezeit sei eine zusätzliche Verfassungswidrigkeit dadurch eingetreten, dass sich die Sonderlast durch die Kostenbelastung der Energieversorgungsunternehmen entgegen der Prognose deutlich intensiviert habe, was auch die Aufhebungspflicht des Gesetzgebers „verstärkt” habe (S. 179 ff., 181 der Verfassungsbeschwerde).

Allein eine solche (tatsächliche) Intensivierung einer Grundrechtsverletzung durch ein und dieselbe Regelung kann die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht erneut in Lauf setzen. Das Grundgesetz unterscheidet nicht zwischen „einfach” und „besonders” oder „offenkundig” verfassungswidrig. Der Beschwerdeführerin wäre es möglich gewesen, innerhalb der Jahresfrist die Regelung mit der gleichen Begründung wie jetzt (nicht gerechtfertigte Sonderlast) anzugreifen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführerin eine Verfassungsbeschwerde innerhalb der Jahresfrist „nicht opportun” erschien (S. 69 der Verfassungsbeschwerde), vermag den Fristlauf nicht zu hemmen.

Zur angeblichen Grundrechtsverletzung durch „Binnendiskriminierung” sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin insoweit widersprüchlich, als einerseits die Verfassungswidrigkeit der Regelung unter diesem Gesichtspunkt schon von Anfang an bestanden haben soll (vgl. S. 101 der Verfassungsbeschwerde: „schon im Ansatz”; S. 184), andererseits nicht ausgeschlossen wird, dass insoweit die Verfassungswidrigkeit erst jetzt eindeutig feststehe (S. 186 der Verfassungsbeschwerde). Dieser Widerspruch bedarf jedoch keiner Aufklärung, weil die „Binnendiskriminierung” nur ein weiterer Aspekt der behaupteten Verfassungswidrigkeit ein und derselben Regelung ist, die jedenfalls schon wegen Verletzung der Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 GG von Anfang an verfassungswidrig gewesen sein soll und somit schon aus diesem Grund von Anfang an hätte angegriffen werden können.

Hinzu kommt schließlich, dass nach der in der Folgeverfassungsbeschwerde aus dem Jahr 1998 (2 BvR 1827/01, dort S. 33) vertretenen Auffassung die gesetzgeberische Nachbesserungspflicht „mindestens seit 1994” offenkundig bestanden haben soll. Nach diesem Vortrag wäre die Verfassungsbeschwerde selbst dann verspätet, wenn man an den Zeitpunkt einer Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers anknüpfen wollte.

Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde auch aus Gründen der Subsidiarität unzulässig ist, weil der Beschwerdeführerin die Möglichkeit verbleibt, durch eine Verfassungsbeschwerde gegen ein den Instanzenzug abschließendes Urteil die gerügten Regelungen anzugreifen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Sommer, Broß, Mellinghoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 1267261

NVwZ-RR 2002, 322

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