Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 11.06.2008; Aktenzeichen 5 StR 58/08) |
LG Berlin (Urteil vom 21.05.2007; Aktenzeichen (501) 67 Js 746/06 KLs (42/06)) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft unter anderem die Frage, ob ein Angeklagter vorab qualifiziert über die prozessualen Folgen der Zustimmung zu einer Verteidigererklärung aufzuklären ist, mit der sich der Verteidiger im Namen des Angeklagten zur Sache geäußert hat.
I.
1. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Mai 2007 wegen Betruges in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit mehreren anderen Personen hochwertige Kraftfahrzeuge auf Leasingbasis erworben hatte. Diese seien später in Osteuropa gewinnbringend veräußert worden, während die Zahlung der Leasingraten vorzeitig eingestellt worden sei. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer Revision ein, die der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juni 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verwarf.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Verstöße gegen Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Am zweiten Verhandlungstag habe sein Verteidiger in seinem Namen eine schriftlich niedergelegte Einlassung verlesen. Auf Befragen des Gerichts habe er hiernach erklärt, dass es sich bei der verlesenen Erklärung um seine Einlassung zur Sache handele. Die Kammer habe in ihrem Urteil sowohl die Verteidigererklärung als auch seine Zustimmung hierzu verwertet, obwohl er vor seiner Zustimmung zu der Verteidigererklärung lediglich allgemein gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO belehrt, nicht aber in qualifizierter Form über die Konsequenzen einer solchen Billigung aufgeklärt worden sei. Eine solche qualifizierte Belehrung sei aus Fairnessgründen indes zwingend erforderlich gewesen. Das Gericht sei verpflichtet gewesen, ihm klarzumachen, dass die Verteidigerklärung nur als seine eigene gewertet werden könne, wenn er – der Beschwerdeführer – dem ausdrücklich zustimme. Des Weiteren hätte ihm das Gericht erläutern müssen, dass seine Zustimmung zu der Verteidigererklärung dieselben Wirkungen wie eine durch ihn persönlich gemachte Aussage habe. Schließlich sei das Gericht gehalten gewesen, ihn auf die Problematik des Teilschweigens hinzuweisen und mitzuteilen, dass unter bestimmten Umständen ein in der Verteidigererklärung nicht erwähnter Umstand zu seinem Nachteil gereichen könne. All dies sei nicht geschehen. Darüber hinaus seien die angegriffenen Entscheidungen auch materiellrechtlich falsch, weil er nicht wegen einer täterschaftlichen Beteiligung, sondern allenfalls wegen einer Beihilfe zum Betrug hätte verurteilt werden dürfen. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Urteil mute beliebig, fast willkürlich an.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des Bundesgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten.
a) Das Landgericht hat den Beschwerdeführer weder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG noch in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Das Gericht war nicht dazu verpflichtet, den Beschwerdeführer vorab qualifiziert über die prozessualen Konsequenzen einer Zustimmung zu der durch seinen Verteidiger verlesenen Erklärung aufzuklären.
Das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote, sondern bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zwischen möglichen Alternativen bei der normativen Konkretisierung von Verfassungsgrundsätzen zu wählen. Erst wenn sich ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Prinzip selbst konkrete Folgerungen für die Verfahrensgestaltung gezogen werden (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪276≫; 70, 297 ≪309≫; 86, 288 ≪317 f.≫).
Hiervon ausgehend bedurfte es im vorliegenden Fall aus Gründen der Verfahrensfairness keiner qualifizierten Belehrung des Beschwerdeführers über die prozessualen Konsequenzen einer Zustimmung zu der Verteidigererklärung. Der Beschwerdeführer und seine Mitangeklagten waren vor ihrer Vernehmung zur Sache gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ordnungsgemäß über ihr Schweigerecht belehrt worden. Wenig später verlas der Verteidiger des Beschwerdeführers eine schriftliche Erklärung, die eine Einlassung des Beschwerdeführers zur Sache enthielt. Auf Befragen des Gerichts bestätigte der Beschwerdeführer ausdrücklich, dass es sich bei der verlesenen Erklärung um seine eigene Einlassung zur Sache handele. Im Anschluss daran wurde der Beschwerdeführer sodann persönlich zur Sache vernommen. Auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung erhielt der Beschwerdeführer wiederholt Gelegenheit, sich weiter zur Sache einzulassen, wovon er auch Gebrauch machte.
Bei diesem Verfahrensablauf war eine qualifizierte Aufklärung des Beschwerdeführers über die prozessualen Konsequenzen einer Zustimmung zu der Verteidigererklärung von Verfassungs wegen nicht geboten. Dem verteidigten Beschwerdeführer musste auch ohne eine solche zusätzliche Belehrung ohne weiteres klar sein, dass das Gericht seine Zustimmung zu der Verteidigererklärung als inhaltliche Billigung derselben verstehen und den Inhalt der Erklärung daher bei der Urteilsfindung verwerten würde (vgl. BGH, NStZ 1990, S. 447 f.; BGH, NStZ 1994, S. 352). Im Übrigen zeigt das weitere Prozessverhalten des Beschwerdeführers, der sich auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung – unabhängig von der Verteidigererklärung – wiederholt zur Sache eingelassen hat, dass er von seinem Schweigerecht keinen Gebrauch zu machen beabsichtigte. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon gesprochen werden, dass eine qualifizierte Aufklärung über die prozessualen Konsequenzen einer Zustimmung zu der Verteidigererklärung – wie der Beschwerdeführer sie fordert – aus Gründen der Verfahrensfairness unverzichtbar war (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 261 Rn. 16a; zu weitgehend Beulke, in: ders./Widmaier, Festschrift zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer, 2006, S. 87 ≪96 f.≫).
b) Auch im Übrigen sind die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstoßen insbesondere nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Es stellt sich nicht als objektiv willkürlich dar, dass das Landgericht den Beschwerdeführer wegen täterschaftlichen Betruges und nicht lediglich wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen handelt bei Beteiligung mehrerer Personen täterschaftlich, wer seinen eigenen Beitrag derart in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit der anderen und umgekehrt deren Tun als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für eine täterschaftliche Beteiligung können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und der Wille zur Tatherrschaft sein (vgl. BGHSt 37, 289 ≪291≫ mit weiteren Nachweisen).
Hiervon ausgehend ist die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Mittäterschaft an den Betrugstaten zum Nachteil der Leasinggesellschaften jedenfalls vertretbar und daher nicht objektiv willkürlich. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der gesondert Verfolgte T… den Beschwerdeführer in seinen Plan eingeweiht, im Namen einer GmbH unter Vortäuschung nicht vorhandener Zahlungsfähigkeit hochwertige Kraftfahrzeuge zu leasen und diese in Osteuropa gewinnbringend zu veräußern. Die Tatbegehung sollte dabei arbeitsteilig erfolgen, wobei T… das jeweils zu leasende Fahrzeug auswählen und zunächst den ebenfalls in den Tatplan eingeweihten Angeklagten K… damit beauftragen sollte, im Namen der GmbH Kontakt zu den Leasinggesellschaften aufzunehmen. Die konkreten Vertragsverhandlungen sollte anschließend der Beschwerdeführer führen; die eingeholten Angebote sollte er T… zur Entscheidung vorlegen. Diesen Plan setzten die Beteiligten vereinbarungsgemäß in die Tat um, wobei der Beschwerdeführer darauf hoffte, sich durch den Erlös der Taten eine regelmäßige Einkommensquelle schaffen zu können.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen erscheinen insbesondere die Tatbeteiligung des Beschwerdeführers, aber auch der Grad seines Interesses am Taterfolg als derart gewichtig, dass sie bei wertender Betrachtungsweise den Schluss erlauben, er habe die hier in Rede stehenden Betrugstaten als eigene gewollt, also mit Täterwillen gehandelt.
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen