Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung der Anteile an einem Trägerunternehmen bei Anwartschaften auf Leistungen einer Unterstützungskasse. Nichtvorlage eines Verfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte. Bewertungsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Daß das Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens die durch den Eintritt des Versorgungsfalls aufschiebend bedingten Ansprüche der Versorgungsberechtigten nicht als betriebliche Schuld abziehen kann, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Die Nichtvorlage eines Verfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe kann zu einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG führen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 95 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 S. 2; BewG §§ 103-104; RsprEinhG § 2 Abs. 1; BetrAVG § 1
Verfahrensgang
Gründe
Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen lassen eine Beeinträchtigung der Grundrechte bzw. grundrechtsähnlichen Rechte der Beschwerdeführerin nicht erkennen.
1. Ob das Finanzgericht bzw. der Bundesfinanzhof bei der Berücksichtigung des ihren Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalts und der darauf beruhenden Rechtsanwendung fehlerfrei vorgegangen sind, ist zunächst eine Frage der Handhabung des einfachen Rechts. Diese im Einzelfall zu kontrollieren, ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts. Es hat weder die Richtigkeit der Auslegung des einfachen Rechts noch dessen Anwendung auf den konkreten Fall nachzuprüfen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber der Entscheidung eines Fachgerichts kommt daher nur in Betracht, wenn sie darauf beruht, daß bei der Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung Grundrechte verletzt oder grundrechtswidrige Gesetze angewandt wurden. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet daher noch keinen Verfassungsverstoß, es sei denn, daß sie unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 70, 93 ≪97≫; st. Rspr.). Anhaltspunkte in diesem Sinne sind jedoch nicht ersichtlich.
Zum einen kommt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪89 f.≫ m.w.N.) nicht in Betracht, soweit die Finanzgerichte im Falle der Beschwerdeführerin als einem Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse § 104 Bewertungsgesetz (BewG) nicht angewandt haben. Unabhängig von der Frage, ob die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren die Anwendbarkeit des § 104 BewG hinreichend vertreten oder ob sie das ihr insoweit Zumutbare unterlassen hat, eine drohende Grundrechtsverletzung zu verhindern, was zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde in diesem Punkt führen würde (vgl. BVerfGE 74, 102 ≪113 f.≫), läßt sich die Auffassung der Finanzgerichte jedenfalls im Ergebnis rechtfertigen. Der Bundesfinanzhof hat im Urteil vom 18. Mai 1984 (BStBl. 1984 Teil II S. 741, 742), auf welches sich auch der Bundesfinanzhof in der angegriffenen Entscheidung berufen hat, ausgeführt, daß ein Unternehmen, das sich zur Gewährung von Ruhegeldern einer rechtsfähigen Unterstützungskasse bediene, keine unmittelbare rechtsverbindliche Pensionszusage erteile, wie dies Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 104 Abs. 1 BewG sei. Diese Auslegung der Vorschrift läßt sachliche, am denkbaren Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Überlegungen erkennen, die sich innerhalb zulässiger Gesetzesauslegung bewegen und nachvollziehbar dargestellt worden sind. Sie steht auch nicht offensichtlich im Widerspruch zu den Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht zur Frage des Vorliegens rechtsverbindlicher Pensionsverpflichtungen aufgestellt hat. Denn hiernach gilt, daß der Arbeitgeber selbst unmittelbar nur in Anspruch genommen werden kann, wenn die Unterstützungskasse die versprochenen Leistungen nicht erbringt; nur dann muß er selbst gegenüber dem Arbeitnehmer einstehen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 3. Februar 1987, III AZR 208/85, AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG – Unterstützungskasse – unter II 2 b). Ob mit dem Gesetz im Einzelfall auch ein anderes Auslegungsergebnis erzielt werden könnte, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu prüfen und ist daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Zum anderen ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auch insoweit nicht erkennbar, als das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof im Rahmen der Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren die Pensionsverpflichtungen bei der Beschwerdeführerin als Abzugsposten nicht berücksichtigt haben. Der Bundesfinanzhof begründet seine Auffassung damit, daß auf Grund des bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzips solche Schulden, deren Entstehung erst in Zukunft möglich sein könnten, bei der Ermittlung des Vermögenswerts nicht zu berücksichtigen seien. Denn ob das Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse aus den Anwartschaften in Anspruch genommen werde, stehe zum Bewertungsstichtag noch nicht fest; die bloße Anwartschaft begründe nach den Verhältnissen des maßgebenden Bewertungsstichtags keine gegenwärtige Schuld der Beschwerdeführerin. Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergebe sich nichts anderes, insbesondere nicht, daß die Anwartschaft auf künftige Leistungen eine gegenwärtige Schuld des Trägerunternehmens sei. Auch dieser Ansatz ist sachbezogen und läßt willkürliche Erwägungen nicht erkennen. Er hat seine Grundlage in der von der Rechtsprechung im Hinblick auf die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG anerkannten Schätzungsbefugnis der Finanzbehörden (vgl. etwa BFH, BStBl 1986 II S. 281), die auch von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 78, 214 ≪229≫).
2. Der die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückweisende Beschluß des Bundesfinanzhofs läßt schließlich auch einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erkennen. Zwar kann die Nichtvorlage eines Verfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe zu einer Verletzung dieser Verfassungsbestimmung führen (vgl. etwa BVerfGE 23, 288 ≪319≫ m.w.N.). Der auf der Grundlage des Art. 95 Abs. 3 GG zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geschaffene Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe ist anzurufen, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes). Das Bundesverfassungsgericht beanstandet jedoch die Auslegung und Anwendung solcher Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪194≫). Solche Gesichtspunkte lassen sich der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen.
Der Bundesfinanzhof hat vielmehr die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gewürdigt und aus ihr abgeleitet, daß die Beschwerdeführerin als Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse für Versorgungsleistungen nur ersatzweise einzustehen habe. An diesen Ansatz hat der Bundesfinanzhof sodann seine steuerrechtlichen Folgeerwägungen geknüpft. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann hierin jedenfalls kein offensichtlicher Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gesehen werden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen