Verfahrensgang
AG Landau a.d. Isar (Beschluss vom 11.06.2012; Aktenzeichen 2 C 524/10) |
AG Landau a.d. Isar (Urteil vom 03.05.2012; Aktenzeichen 2 C 524/10) |
Tenor
1. Das Endurteil des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 3. Mai 2012 – 2 C 524/10 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes sowie in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Der Beschluss des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 11. Juni 2012 – 2 C 524/10 – wird damit gegenstandslos. Die Sache wird an einen anderen Richter des Amtsgerichts – Zivilabteilung – zurückverwiesen.
2. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist eine Streitigkeit über die Vergütung von Kommunikationsdienstleistungen.
1. Der Beschwerdeführer hatte über sogenannte Internet-by-call-Einwahlverbindungen Kommunikationsdienstleistungen in Anspruch genommen. Einer Zahlungsklage der Rechtsnachfolgerin der Dienstanbieterin (im Folgenden: Klägerin) war er mit dem Vortrag entgegengetreten, dass er zwar die abgerechneten Dienste genutzt habe, allerdings nicht zu den berechneten Tarifen von bis zu 0,25 EUR pro Minute, sondern zu 0,001 EUR (0,1 Cent) pro Minute. Der von der Klägerin vorgelegte Einzelverbindungsnachweis sei nicht zum Beweis geeignet, da dieser die letzten drei Stellen der jeweiligen Einwahlnummer nicht angebe; allein aus den letzten drei Stellen lasse sich jedoch der gewählte Tarif ablesen. Hilfsweise müsse von einer nachträglichen Änderung der Tarife ausgegangen werden. Jedenfalls sei eine Tarifänderung weder dem Beschwerdeführer mitgeteilt noch im Internet publiziert worden. Darüber hinaus seien die abgerechneten Tarife sittenwidrig überhöht, da sie um 900 % bis 1.400 % über den marktüblichen Tarifen lägen.
Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben und den Beschwerdeführer antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt rund 500 EUR zuzüglich Zinsen verurteilt. Auf die hierauf erhobene Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hob das Bundesverfassungsgericht das Urteil auf und verwies die Sache an das Amtsgericht zurück (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Januar 2012 – 1 BvR 885/11 –, juris).
2. Hiernach wurde die Sache vor dem Amtsgericht erneut verhandelt. Dort erging noch im Termin das nunmehr angegriffene stattgebende Urteil. Zur Begründung heißt es dort, dass die Klägerin den Anspruch schlüssig dargelegt habe. Soweit der Beschwerdeführer vortrage, das Angebot wissentlich nur zu einem Tarif von 0,1 Cent pro Minute in Anspruch genommen zu haben, sei es ihm zuzumuten gewesen, sich über den jeweils aktuellen Tarif zu informieren; dass die aktuellen Tarife jeweils auf der Internetseite der Dienstanbieterin veröffentlicht seien, habe der Beschwerdeführer nicht wirksam bestritten. Soweit nicht mehr nachvollzogen werden könne, ob die abgerechneten Tarife mit den veröffentlichten Tarifen übereinstimmten, liege dies nur daran, dass der Beschwerdeführer von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, die angewählten Rufnummern nur teilweise – das heißt ohne die letzten drei Ziffern – speichern zu lassen. Die Verträge seien auch nicht gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Zwar habe der Beschwerdeführer vorgetragen, dass der durchschnittliche Marktpreis bei maximal 1,0 Cent pro Minute liege. Dem sei die Klägerin jedoch substantiiert mit der Behauptung entgegengetreten, dass sich die üblichen Preise zwischen 0,1 und 15,0 Cent pro Minute bewegten. Eine Inaugenscheinnahme vergleichbarer Angebote durch das Gericht habe ergeben, dass die Preise bei einzelnen Anbietern erheblichen Schwankungen ausgesetzt seien und durchaus auch höhere Preise als vom Beschwerdeführer angegeben gefordert würden. Damit sei schon der objektive Tatbestand des Wuchers nicht gegeben; im Übrigen lägen auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale nicht vor, wobei es bereits an substantiiertem Vortrag hierzu fehle. Eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB scheitere bereits am Fehlen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung.
Eine Gehörsrüge des Beschwerdeführers wies das Amtsgericht mit der Begründung zurück, dass das Gericht das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen habe und sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch im Urteil ausreichend darauf eingegangen sei.
3. Mit seiner neuerlichen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer wiederum einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot sowie eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.
4. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie der Klägerin zugestellt. Es wurden keine Stellungnahmen abgegeben. Die Akte des Ausgangsverfahrens lag der Kammer vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.
1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Der Gehörsgrundsatz verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, der von dem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 ≪12≫; 87, 1 ≪33≫). Auch gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (vgl. BVerfGE 60, 1 ≪5≫; 60, 305 ≪310≫; 62, 249 ≪254≫; 69, 141 ≪143 f.≫); dies kann aber nicht mehr gelten, wenn die Nichtberücksichtigung von Vortrag oder von Beweisanträgen im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32 ≪36≫; 60, 250 ≪252≫; 65, 305 ≪307≫; 69, 141 ≪144≫). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt indes keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen, für die es keine verfassungsrechtliche Begründungspflicht gibt (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫). Denn grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Art. 103 Abs. 1 GG ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295≫; 70, 288 ≪293≫; 86, 133 ≪145 f.≫; stRspr). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 47, 182 ≪189≫; 86, 133 ≪146≫).
b) Nach den genannten Maßstäben hat das Amtsgericht hier das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt.
aa) So hat das Amtsgericht den Vortrag des Beschwerdeführers, dass er tatsächlich die Internetseite der Dienstanbieterin regelmäßig besucht und die dort angegebenen Tarife in Augenschein genommen habe, offenbar nicht zur Kenntnis genommen; denn anderenfalls ergäbe die Feststellung, dass es dem Beschwerdeführer zuzumuten gewesen wäre, sich im Internet über die jeweils gültigen Tarife zu informieren, keinen Sinn. Das genannte Vorbringen war auch erheblich, da der Beschwerdeführer gegen die verlangten Entgelte unter anderem eingewandt hat, dass die abgerechneten Preise schon nicht ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht worden seien und damit nicht Grundlage des Vertragsverhältnisses geworden sein könnten.
bb) Ebenfalls hat das Amtsgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Speicherung der angewählten Rufnummern im Einzelverbindungsnachweis zumindest nicht erwogen. Der Beschwerdeführer hat hierzu vorgetragen, dass Internetverbindungen in jedem Fall vollständig im Einzelverbindungsnachweis aufzuführen seien. Dabei sei die Frage, welche Daten zu Abrechnungszwecken zu speichern seien, aber ohnehin unabhängig davon, welche Daten dem Anschlussinhaber regelmäßig im Wege des Einzelverbindungsnachweises mitgeteilt würden. Zu Letzterem habe er im Übrigen keine Erklärung abgegeben; die Unkenntlichmachung der letzten drei Stellen auf dem Einzelverbindungsnachweis sei die Standardeinstellung des Netzbetreibers. In jedem Fall sei nicht ersichtlich, warum die Darstellung der angerufenen Telefonanschlüsse auf dem durch den Netzbetreiber erstellten Einzelverbindungsnachweis die Klägerin von ihrer Darlegungs- und Beweislast entbinden könnte. Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung dennoch die klägerische Behauptung zugrunde gelegt, dass der Beschwerdeführer von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, die angewählten Rufnummern nur teilweise zu speichern. Des Weiteren ist es auf den Vortrag des Beschwerdeführers, dass die Darstellung der Rufnummern auf dem Einzelverbindungsnachweis für die Frage, welche Daten zu Abrechnungszwecken gespeichert würden, ohne Bedeutung sei, nicht eingegangen. Dabei handelte es sich bei dem genannten Vortrag des Beschwerdeführers um Kernvorbringen. Denn auch nach der Rechtsauffassung des Amtsgerichts wäre die Klägerin für die behauptete Anwahl der angeblich mit den abgerechneten Tarifen verknüpften Nummern beweisfällig geblieben, wenn sich die klägerseits geltend gemachten Beweisschwierigkeiten nicht auf eine Entscheidung des Beschwerdeführers zurückführen lassen sollten.
cc) Darüber hinaus hat das Amtsgericht auch insoweit das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt, als dieser vorgetragen hat, dass die abgerechneten Preise sittenwidrig überhöht seien. Dabei hat sich der Beschwerdeführer ausdrücklich auf § 138 Abs. 1 BGB bezogen und auf die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen; er hat darüber hinaus Vergleichspreise genannt, aus denen der durchschnittliche Marktpreis zu bilden sei, und das Verhältnis der von der Klägerin berechneten Preise zu dem von ihm ermittelten durchschnittlichen Marktpreis errechnet. Nach Ergehen des ersten – vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen – Urteils, aber vor erneuter Verhandlung hat er darüber hinaus die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Das Amtsgericht hat indes lediglich festgestellt, dass die Klägerin den Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers zum auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung „substantiiert entgegengetreten” sei, ohne auf den Antrag, zur Ermittlung eines Marktpreises ein Sachverständigengutachten einzuholen, einzugehen. Insoweit findet sich lediglich der nicht näher spezifizierte Hinweis, das Amtsgericht habe „vergleichbare Angebote” in Augenschein genommen. Dabei ist auch nicht ersichtlich, dass es nach der Rechtsmeinung des Amtsgerichts hierauf nicht angekommen wäre, da es zu § 138 Abs. 1 BGB lediglich ausführt, dass es „bereits” an einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung fehle.
2. Des Weiteren hat das Amtsgericht auch gegen das Verbot objektiver Willkür verstoßen.
a) Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden wird. Von einer willkürlichen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪13 f.≫; 96, 189 ≪203≫).
b) Hier drängt sich auf, dass der Inhalt des § 138 Abs. 1 BGB in krasser Weise missverstanden wurde.
aa) Der objektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB setzt ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung voraus; dabei ist jeweils der objektive Wert (Verkehrswert, Marktwert) anzusetzen (BGHZ 80, 153 ≪160 f.≫; 141, 257 ≪262 f.≫; 146, 298 ≪301 ff.≫; Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 138 Rn. 113; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 138 Rn. 34 ff.). Im Prozess genügt es, wenn die darlegungspflichtige Partei einen bestimmten Betrag als objektiven Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis stellt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2001 – V ZR 237/00 –, NJW 2002, S. 429 ≪431≫; Beschluss vom 2. April 2009 – V ZR 177/08 –, NZM 2009, S. 797; Armbrüster, a.a.O.). Zu dem auffälligen Missverhältnis als objektiver Tatbestandsvoraussetzung müssen in der Regel weitere subjektive Merkmale hinzutreten, etwa eine verwerfliche Gesinnung; diese wird jedoch indiziert, wenn nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders auffälliges, besonders grobes oder besonders krasses Missverhältnis festzustellen ist (BGHZ 125, 135 ≪139 f.≫; 144, 343 ≪346≫; 146, 298 ≪301 ff.≫; 154, 47 ≪52≫; BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 – XII ZR 352/00 –, NJW 2004, S. 3553 ≪3555≫; Urteil vom 26. Februar 2008 – XI ZR 74/06 –, NJW 2008, S. 1585 ≪1588≫). Dies wurde in der bisherigen Rechtsprechung vielfach dann angenommen, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um mehr als 100 % über dem Marktpreis liegt (BGHZ 141, 257 ≪262 f.≫; 146, 298 ≪301 ff.≫; 154, 47 ≪52≫).
bb) Das Urteil des Amtsgerichts führt zu § 138 Abs. 1 BGB zunächst nur aus, dass es „auch insoweit” an einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung fehle. Dies bezieht sich offenbar auf die Ausführungen zu § 138 Abs. 2 BGB, lässt aber erkennen, dass dem Amtsgericht zumindest bewusst war, dass die Vorschrift eine vergleichende Betrachtung erfordert. Die Art und Weise, mit der das Amtsgericht sich dem vorzunehmenden Vergleich genähert hat, offenbart jedoch ein krasses Fehlverständnis. So hat der Beschwerdeführer einen durchschnittlichen Marktpreis behauptet und unter Beantragung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt (vgl. oben); wäre der Beweis der – bestrittenen – Behauptung gelungen, lägen die von der Klägerin abgerechneten Preise um 900 % bis 1.400 % über dem durchschnittlichen Marktpreis, so dass sich ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB geradezu aufdrängen würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Januar 2012 – 1 BvR 885/11 –, juris Rn. 12). Das Amtsgericht ist dem Beweisangebot jedoch nicht nachgegangen. Zwar wäre es dem Amtsgericht unbenommen gewesen, bei Darlegung eigener Sachkunde anstelle der Einholung eines Sachverständigengutachtens selbst den objektiven Wert der von der Internetdienstanbieterin erbrachten Leistung zu ermitteln. Demgegenüber behauptet das Urteil jedoch lediglich, nicht näher benannte „vergleichbare Angebote” in Augenschein genommen zu haben, was „Schwankungen” und „auch deutlich höhere Preise” ergeben habe. Daraus wird ersichtlich, dass das Amtsgericht völlig verkannt hat, dass eine hinreichend belastbare Vergleichsgrundlage zu erarbeiten gewesen wäre. Denn dass die zitierten, in keiner Weise nachvollziehbaren und letztlich völlig vagen Angaben keinen „Marktpreis” darstellen, mit dem die durch die Klägerin abgerechneten Preise verglichen werden könnten, liegt auf der Hand. Darüber hinaus ist auch nicht verständlich, was das Amtsgericht damit gemeint haben mag, dass auch „deutlich höhere Preise” als der vom Beschwerdeführer angegebene durchschnittliche Marktpreis gefordert würden.
3. Das Urteil des Amtsgerichts ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an einen anderen Richter des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Der nach § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit beträgt 8.000 EUR.
Unterschriften
Gaier, Schluckebierq, Paulus
Fundstellen