Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 18.09.2007; Aktenzeichen 2 Ws (Reha) 23/05) |
LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 09.08.2005; Aktenzeichen 41 BRH 58/03) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Die Beschwerdeführer sind Rechtsnachfolger von Betroffenen der sogenannten Boden- und Industriereform in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 (vgl. die Sachverhaltsdarstellung in BVerfGE 84, 90 ≪96 ff.≫). Sie beanspruchen Vermögensrestitution und haben dieses Ziel unter anderem schon erfolglos im Verfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet vom 29. Oktober 1992, neu gefasst am 17. Dezember 1999, BGBI I S. 2664) verfolgt. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte nach Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG und Art. 35 der Artikel der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen zum Recht der Staatenverantwortlichkeit (Anlage zur Resolution Nr. 56/83 der Generalversammlung der Vereinten Nationen) sowie Art. 26 des Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl 1973 II S. 1534) durch das gesetzgeberische Unterlassen, einen Restitutions- und Rehabilitierungsanspruch geschaffen zu haben, der ihnen als Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit beziehungsweise als Opfer politischer Verfolgung zustehe. Einige Beschwerdeführer beantragen darüber hinaus, eine Veräußerung der betreffenden Liegenschaften im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen.
1. Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Weder kommt ihnen grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie sind bereits unzulässig; denn es fehlt an der Beschwerdebefugnis.
a) Gesetzgeberisches Unterlassen kann nur bei völliger Untätigkeit des Gesetzgebers gerügt werden. Hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers verfassungswidrig ist, weil sie beispielsweise nur bestimmte Personenkreise begünstigt, so ist die Verfassungsbeschwerde allein gegen diese gesetzliche Vorschrift zulässig (vgl. BVerfGE 29, 268 ≪273≫; 56, 54 ≪71≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 1999 – 1 BvR 2164/98 –, NJW 1999, S. 3478 ≪3479≫).
Die Rüge gesetzgeberischen Unterlassens ist hier unzulässig; denn der Gesetzgeber hat die Frage einer Restitution und Rehabilitierung von Betroffenen der Boden- und Industriereform umfänglich geregelt. Der Restitutionsausschluss wurde vom Gesetzgeber durch Zustimmung zum Einigungsvertrag nebst seiner Anlage III und der Einfügung von Art. 143 Abs. 3 GG (Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 23. September 1990, BGBl II S. 889 ≪891, 1237 f.≫) beschlossen. Ferner regelt das Ausgleichsleistungsgesetz (Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können vom 27. September 1994, neu gefasst am 13. Juli 2004, BGBl I S. 1665) die Zahlung von Ausgleichsleistungen für die Betroffenen dieses Restitutionsausschlusses. Durch gesetzgeberische Tätigkeit wurden auch Rehabilitierungsansprüche nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche vom 23. Juni 1994, neu gefasst am 1. Juli 1997, BGBl I S. 1620 – VwRehaG) geschaffen. Maßnahmen der Boden- und Industriereform sind hierbei von der Rehabilitierung ausdrücklich ausgenommen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG in Verbindung mit § 1 Abs. 8 lit. a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen, neu gefasst am 9. Februar 2005, BGBl I S. 205).
b) Die Rüge gesetzgeberischen Unterlassens setzt ferner voraus, dass ein Beschwerdeführer sich auf einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen kann, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt (vgl. BVerfGE 6, 257 ≪265≫; 11, 255 ≪261 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juli 1987 – 1 BvR 842/87 –, NJW 1987, S. 2287; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Februar 1992 – 1 BvR 1626/89 –, NVwZ 1992, S. 766).
Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Ein solcher Gesetzgebungsauftrag stünde im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Restitutionsausschluss nach Art. 143 Abs. 3 GG. Auch im Hinblick auf eine förmliche Rehabilitierung lässt sich kein Gesetzgebungsauftrag erkennen; denn der Rehabilitierungsausschluss im Hinblick auf die Boden- und Industriereform war verfassungskonform, weil die Sowjetunion bei den Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands nach der maßgeblichen Einschätzung der Bundesregierung darauf bestand, dass die Rechtmäßigkeit dieser Reform nicht revidiert würde, und der Gesetzgeber dies nachvollziehbar als Rehabilitierungshindernis auffassen durfte (vgl. hierzu insgesamt BVerfGK 1, 227 ≪230≫; vgl. schon BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2001 – 1 BvL 6/00 –, VIZ 2001, S. 228 ≪230≫; vgl. ferner zum Anspruch auf strafrechtliche Rehabilitierung BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. April 1999 – 2 BvR 2279/97 –, VIZ 1999, S. 499; BVerfGE 101, 275 ≪287 ff.≫). Dass die genannten Enteignungen missbilligenswertes Unrecht darstellen, kommt durch die Kompensation für die Betroffenen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz zum Ausdruck (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2001 – 1 BvL 6/00 –, VIZ 2001, S. 228 ≪230≫). Auch ein völkerrechtlich begründeter Gesetzgebungsauftrag nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG ist nicht ersichtlich. Dies gilt sowohl für die Restitution (vgl. BVerfGE 112, 1 ≪24 ff.≫) als auch für die förmliche Rehabilitierung. Insbesondere legen die Beschwerdeführer nicht dar, auf welcher völkerrechtlichen Grundlage dieser Rehabilitierungsanspruch fußen soll.
2. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden erledigen sich zugleich die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen