Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 21.04.2005; Aktenzeichen 2 Ws 85/04) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Die Vorschrift des § 210 Abs. 3 StPO ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 20, 336 ≪343 ff.≫; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 1993 – 2 BvR 848/93 –, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 1999 – 2 BvR 1067/99 –, StV 2000, S. 537; a.A. Seier, StV 2000, S. 586). Sie ist aber verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Beschwerdegericht das Strafverfahren in der Regel bei dem Spruchkörper belassen muss, der nach der Verfahrensordnung dafür zuständig ist. Nur wenn besondere Gründe vorliegen, kann das Beschwerdegericht bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einem anderen Gericht stattzufinden hat (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 1993 – 2 BvR 848/93 –, juris). Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann gegeben sein, wenn das Beschwerdegericht willkürlich das Vorliegen besonderer Gründe annimmt, um von der Möglichkeit des § 210 Abs. 3 StPO Gebrauch machen zu können (vgl. BVerfGE 20, 336 ≪346≫).
2. Hieran gemessen weist die Entscheidung des Oberlandegerichts keine Grundrechtsverletzung auf.
Ein willkürlicher Entzug des gesetzlichen Richters scheidet jedenfalls aufgrund der sich aus den Besonderheiten des Einzelfalls ergebenden Umstände aus. Das Oberlandesgericht war hier nicht etwa auf die Frage einer nicht auszuschließenden Voreingenommenheit des Ausgangsgerichts beschränkt (vgl. Marcelli, NStZ 1986, S. 59 ≪60≫); vielmehr durfte es auch sonstige Gesichtspunkte, die zu einer Verhandlung vor dem ausgewählten Gericht drängten, in seine Betrachtung einbeziehen, wie es auch bei der vergleichbaren Regelung des § 354 Abs. 2 StPO der Fall ist (vgl. Hanack, in: Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 25. Aufl., Stand: 1. November 1998, § 354 Rn. 61; Paulus, in: KMR, StPO, § 354 Rn. 45). Ein besonderer Grund für eine Anwendung des § 210 Abs. 3 StPO ist insbesondere dann gegeben, wenn durch die Zuweisung an ein anderes Gericht sonst eintretende gravierende Verfahrensnachteile für den Angeklagten oder gar eine Verletzung seiner verfassungsrechtlich abgesicherten Verfahrensrechte vermieden werden können. Dies ist hier im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK der Fall.
Das vom Oberlandesgericht bestimmte Landgericht Potsdam war jenes Gericht, welches die Staatsanwaltschaft ursprünglich mit der Sache befasst hatte; dort besteht eine Gerichtszuständigkeit wegen Sachzusammenhangs nach § 13 StPO. Die Durchführung der Hauptverhandlung scheiterte seinerzeit lediglich daran, dass das dortige Landgericht seine örtliche Zuständigkeit verneint hatte, weil es – vor dem Hintergrund der unsicheren Eröffnung des Parallelverfahrens gegen B. – eine hinreichende Beachtung des Beschleunigungsgebots in dem den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren nicht gewährleisten konnte. Diese Annahme ist jedoch mittlerweile nicht nur entfallen, sondern hat sich in das Gegenteil verkehrt: Nachdem das Landgericht Potsdam das Verfahren gegen B. eröffnet und für Oktober 2005 terminiert hat, ist eine zeitnahe Verhandlung auch über die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Tatvorwürfe möglich. Dagegen wäre im Falle einer erneuten Befassung des Landgerichts Frankfurt/Oder damit zu rechnen, dass dieses zunächst den Ausgang des – umfangreichen und zahlreiche weitere Tatvorwürfe umfassenden – Verfahrens gegen B. abwarten würde, so dass es wahrscheinlich auf unabsehbare Zeit zu keiner weiteren Förderung des gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens käme. Dieser Gesichtspunkt erhält zusätzliches Gewicht, weil nicht nur die Taten bereits über sieben Jahre zurückliegen und das Strafverfahren eine Dauer von über fünf Jahren aufweist, sondern auch weil sich das Verfahren nach der erstmaligen Erhebung der Anklage noch im Jahr 2002 allein in der Klärung der Eröffnungsvoraussetzungen und der Gerichtszuständigkeit erschöpft hat. Das Oberlandesgericht hat diese Erwägungen, wie die Auswahl des Landgerichts zeigt, bei seiner Entscheidung erkennbar mit berücksichtigt.
Dagegen steht der vom Oberlandesgericht getroffenen Bestimmung die Vorbefassung des ausgewählten Gerichts nicht entgegen, weil sich diese auf eine Zuständigkeitsprüfung beschränkte. Noch läuft die angegriffene Entscheidung dem Auswahlermessen der Staatsanwaltschaft zuwider, welche zunächst eine Durchführung des Verfahrens vor dem Landgericht Potsdam erstrebt und, nach Verneinung der dortigen Zuständigkeit, die Sache nur notgedrungen bei dem Landgericht Frankfurt/Oder anhängig gemacht hatte.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen