Tenor
Die Verfahren werden eingestellt.
Tatbestand
A.
Gegenstand des Verfahrens sind die Anträge der Bundesregierung, des Deutschen Bundestags und des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) nach Art. 21 Abs. 2 GG, §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG.
I.
1. Die Antragsgegnerin, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), wurde am 28. November 1964 gegründet. Sie zog zwischen 1966 und 1968 mit Wahlergebnissen zwischen 5,8 v.H. und 9,8 v.H. und insgesamt 61 Abgeordneten in die Parlamente von Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein. 1969 scheiterte sie bei der Bundestagswahl mit einem Zweitstimmenanteil von 4,3 v.H. an der 5 v.H.-Sperrklausel. Seit diesem Zeitpunkt gelang der Antragsgegnerin kein annähernd vergleichbares Ergebnis mehr; sie konnte bei keiner Landtags- oder Bundestagswahl ein Mandat erringen. Ihre Mitgliederzahl, die 1969 mit 28.000 ihren Höchststand erreicht hatte, sank in den folgenden Jahren stetig; 1996 verfügte die Antragsgegnerin nach eigenen Angaben noch über 3.240 Mitglieder.
2. Am 23. März 1996 wurde der Vorsitzende des bayerischen Landesverbands Udo Voigt zum Parteivorsitzenden gewählt. Seit diesem Zeitpunkt ist die Zahl der Mitglieder der Antragsgegnerin bis 2001 auf 6.500 gestiegen. Den Angaben des Bundeswahlleiters zufolge erzielte sie bei den Bundestagswahlen 1998 und 2002 jeweils 0,3 v.H. und 0,4 v.H. der abgegebenen gültigen Zweitstimmen und bei den letzten Europawahlen (1999) 0,4 v.H. der abgegebenen gültigen Stimmen.
3. Die Antragsgegnerin verfügt mit den 1969 gegründeten “Jungen Nationaldemokraten” (JN) über eine eigene Jugendorganisation. Bereits 1966 wurde der “Nationaldemokratische Hochschulbund e.V.” (NHB) als Unterorganisation der Antragsgegnerin gegründet. Im Jahr 2000 hatten die JN etwa 500 Mitglieder, der NHB etwa 100.
4. Die von der Antragsgegnerin gegründete “Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft m.b.H.” verlegt die Parteizeitung “Deutsche Stimme”, deren Herausgeber der Parteivorstand ist. Die “Deutsche Stimme” erscheint nach Angaben der Antragsteller mit einer monatlichen Auflage von rd. 10.000 Exemplaren.
II.
Mit ihren am 30. Januar und 30. März 2001 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Anträgen begehren die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat in erster Linie die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Antragsgegnerin und die Auflösung ihrer Parteiorganisation. Hierzu tragen die Antragsteller im Wesentlichen übereinstimmend vor:
1. Die Antragsgegnerin sei eine verfassungswidrige politische Partei. Sie gehe nach ihren Zielen und nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf aus, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Dies entspreche ihrer Selbsteinschätzung und auch der bisherigen Beurteilung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung.
Die Antragsgegnerin sei in ihrem Gesamtbild nationalsozialistisch, antisemitisch, rassistisch sowie antidemokratisch geprägt und operativ ausgerichtet. Zentrale Begriffe ihres Kampfes seien das “System”, das sie als “Fremdherrschaft” der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs begreife und gegen das sie im “nationalen Widerstand” stehe, um die “Volksgemeinschaft” wieder herzustellen. Sie versuche, ihre menschenwürde- und grundrechtsfeindlichen Ziele in aggressiv-kämpferischer Weise zu verwirklichen und anstelle der parlamentarischen Demokratie und des Mehrparteiensystems eine “Volksherrschaft” der “nationalen Eliten” – erforderlichenfalls auch durch einen Umsturz – zu errichten. Die Mitglieder und Anhänger der Antragsgegnerin scheuten vor der Anwendung von Gewalt nicht zurück und drohten ihren Gegnern für den Fall der Machtübernahme mit einer “Abrechnung”.
Die Antragsgegnerin finde bei einem spezifisch rechtsextremistisch anfälligen, von der Größe her nicht zu vernachlässigenden Bevölkerungsteil, insbesondere bei Jugendlichen und Heranwachsenden, Zustimmung und Unterstützung. Auf Grund ihres neuen strategischen Konzepts (“Drei-Säulen-Konzept”), das u.a. eine “Schlacht um die Straße” propagiere, sei sie besonders gefährlich. So sei es ihr seit 1996 gelungen, eine Sammlungsbewegung für Personen aus dem neonazistischen Umfeld zu werden. Teilweise habe dieser Personenkreis die Mitgliedschaft der Antragsgegnerin erworben und in nicht wenigen Fällen sogar Führungspositionen innerhalb der Partei erreicht. Auch habe die Antragsgegnerin die Zusammenarbeit mit sogenannten “freien Nationalisten” und “freien Kameradschaften” verstärkt. Mit dem Konzept “national befreiter Zonen” verfolge sie das Ziel, das staatliche Gewaltmonopol zu unterlaufen und rechtsfreie Räume für sich und ihre Anhänger zu schaffen.
2. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei erfordere keine konkrete Gefahr für die Schutzgüter des Art. 21 Abs. 2 GG. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit komme bei der Entscheidung nach Art. 21 Abs. 2 GG nicht zur Anwendung. Seien Parteien mit der Verfassung unvereinbar, könnten sie keinen Bestand haben. Durch eine restriktive Auslegung des Schutzgutes (“freiheitliche demokratische Grundordnung”) und die erforderliche Intensität der Verfassungsstörung (“Beeinträchtigung”) könne dem Gebot der Angemessenheit hinreichend Rechnung getragen werden. Dabei habe das Bundesverfassungsgericht zu prüfen, ob die nachgewiesene Intensität der Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einem angemessenen Verhältnis zu der in der Feststellung der Verfassungswidrigkeit liegenden Beschränkung der freiheitlichen Demokratie stehe.
3. Eine politische Auseinandersetzung mit der Antragsgegnerin sei nicht ausreichend. Sie müsse ergänzt werden durch die Anwendung der Instrumente, die das Grundgesetz zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorsehe. Der politische und moralische Schaden, den die Antragsgegnerin verursache, könne nur durch ein Verbot hinreichend abgewehrt werden. Die Antragsgegnerin biete eine Basis für die organisierte Unterwanderung des demokratischen Rechtsstaats, vergifte das politische Klima, erzeuge Angst und verführe junge Menschen zu gewalttätigem Fremdenhass. Selbst wenn zu befürchten sei, dass Ideen und Propaganda der Antragsgegnerin auch nach einem Verbot der Partei in anderen Organisationsformen weiter verbreitet würden, seien die Wertentscheidungen der Verfassung gegen aggressive Feinde mit Nachdruck zu verteidigen.
Die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben die aus dem Rubrum im Einzelnen ersichtlichen Verbotsanträge gestellt.
III.
Die Antragsgegnerin hält die Anträge für unzulässig und unbegründet.
1. Sie sei eine Volks- und Weltanschauungspartei und bekenne sich zu einem ethnischen Volksbegriff. Auf der Grundlage des nationalen Gedankens sei sie auf eine pluralistische Struktur hin angelegt. Ihr politisches Streben richte sich auf das deutsche Volk, auf dessen Leben, Kultur und Entfaltung. Sie begreife sich deshalb als “Systemopposition” oder “Fundamentalopposition”. Die Antragsteller versuchten, durch das Verbotsverfahren die “Multiethnisierung der Bevölkerung in der Mitte Europas” als nicht mehr debattierbares Schicksal des deutschen Volkes festzuschreiben. Der ihr von den Antragstellern gemachte Vorwurf, rassistisch und antisemitisch zu sein, sei der Versuch, sie in verfassungswidriger Weise mundtot zu machen.
2. Ihr Programm richte sich auch nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Sie, die Antragsgegnerin, wende sich vielmehr gegen Überfremdung, Ausbeutung und Unterdrückung und streite für die Freiheit des deutschen Volkes und der übrigen Völker sowie für eine soziale Neuordnung in Deutschland. Auch der Vorwurf, sie sei demokratie- und rechtsstaatsfeindlich, sei unzutreffend. Ihre allgemeine Parlamentarismuskritik beziehe sich nicht auf den Idealtypus der Verfassung, sondern auf die degenerierte Verfassungswirklichkeit.
3. Ihre neue Strategie, das so genannte “Drei-Säulen-Konzept” (“Kampf um die Straße”, “Kampf um die Köpfe” und “Kampf um die Parlamente”) sei entwickelt worden, um ihre gesellschaftliche Ächtung und Isolation zu durchbrechen. “Kampf” sei dabei wie “Wahlkampf” zu verstehen, habe mithin nichts mit Unfriedlichkeit zu tun. “National befreite Zonen” seien Gebiete, in denen Nationalisten als gleichwertige Bürger behandelt würden. Die von ihr angestrebte Revolution sei geistig zu verstehen. Sie wolle keine Diktatur errichten, sondern es gehe ihr darum, der Gesamtpolitik eine volkstumsbezogene, idealistisch-kulturelle Ausrichtung zu geben. Auf dieser Grundlage seien durchaus verschiedene politische Strömungen und Parteien denkbar.
Hinsichtlich des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit gewaltbereiten “Skinheads” sei der Einfluss interessierter Kreise des US-amerikanischen Kapitals und der dortigen Nachrichtendienste aufzuklären. Sie, die Antragsgegnerin, stehe diesen jungen Menschen offen gegenüber und versuche, deren Interesse an politischer Bildung zu wecken. Ein möglicherweise verfassungsfeindliches Verhalten anderer Personen könne ihr nicht zugerechnet werden. Sie sei friedlich. Die Fälle, in denen ihre Mitglieder in Gewalttätigkeiten verwickelt gewesen seien, seien fast ausnahmslos von Provokationsagenten angezettelt worden.
IV.
1. Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 12. Juni 2001 hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschlüssen vom 15. Juni 2001 der Staatsanwaltschaft Berlin aufgegeben, sämtliche im Zusammenhang mit einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Horst Mahler, erfolgten Durchsuchung in dessen Wohnung und in dessen Kanzlei sowie in der Parteizentrale der Antragsgegnerin am 11. Juni 2001 sichergestellten, überspielten oder kopierten elektronischen Daten, Datenträger und Unterlagen unverzüglich zu versiegeln, beim Amtsgericht Tiergarten in Berlin zu hinterlegen und den Vollzug dem Bundesverfassungsgericht anzuzeigen (BVerfGE 104, 38; 104, 39; 104, 41). Mit Beschluss vom 3. Juli 2001 hat der Senat die vorläufige Anordnung vom 15. Juni 2001 ergänzt und im Einzelnen begründet (BVerfGE 104, 42).
2. Der Senat hat mit Beschluss vom 3. Juli 2001 die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und am 1. Oktober 2001 ferner nach § 45 BVerfGG beschlossen, die Verhandlung über die Parteiverbotsanträge durchzuführen (BVerfGE 104, 63).
3. Am 22. November 2001 hat der Senat das Begehren der Antragsgegnerin, das Verfahren einzustellen und dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV vorzulegen, für unbegründet erklärt (BVerfGE 104, 214).
4. Nachdem Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 5., 6., 7., 19. und 20. Februar 2002 bestimmt war, hat der Senat Kenntnis davon erhalten, dass ein zur mündlichen Verhandlung als Auskunftsperson geladener Funktionär der Antragsgegnerin, dessen Äußerungen von den Antragstellern mehrfach zur Stützung der Verbotsanträge herangezogen worden sind, eine Aussagegenehmigung eines Landesamts für Verfassungsschutz vorlegen werde. Nachdem aus dem Bundesministerium des Innern kurzfristig keine schriftliche Bestätigung oder Erläuterung dieses Vorgangs zu erhalten war, hat der Senat die anberaumten Termine mit Beschluss vom 22. Januar 2002 aufgehoben (BVerfGE 104, 370).
5. Am 28. Januar 2002 ist zudem bekannt geworden, dass der (damalige) Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen und Beisitzer im Bundesvorstand der Antragsgegnerin, Udo Holtmann, seit 24 Jahren mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz zusammenarbeitet. Er gehörte dem Bundesvorstand der Antragsgegnerin seit 1977 an, war von 1993 bis März 2000 stellvertretender und von November 1995 bis März 1996 kommissarischer Bundesvorsitzender. Daneben war er von 1976 bis 1993 Chefredakteur der Parteizeitung “Deutsche Stimme” und von 1995 bis 1999 für die Zeitung ganz oder teilweise verantwortlich im Sinne des Presserechts.
6. Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 8. Februar 2002 erklärt, dass die Antragsgegnerin durch V-Leute des Verfassungsschutzes beobachtet werde. Die Antragsgegnerin werde aber nicht durch V-Leute der Verfassungsschutzbehörden gesteuert. Der vom Senat als Auskunftsperson geladene Wolfgang Frenz, der langjähriges Mitglied des Bundesvorstands der Antragsgegnerin und bis Ende 1999 stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Nordrhein-Westfalen gewesen sei, sei von 1961 bis Oktober 1995 vom Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als V-Mann geführt worden. Die Verfassungsschutzbehörde habe sich dabei im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse und Richtlinien bewegt. Frenz habe bei seinen Parteiaktivitäten nicht im Auftrag oder auf Grund einer Steuerung des Verfassungsschutzes gehandelt; er sei vielmehr in der gesamten Zeit, in der er als V-Mann tätig gewesen sei, ein überzeugter Rechtsextremist und Antisemit gewesen. Seine in den Verbotsanträgen angeführten Publikationen stammten durchgängig aus dem Zeitraum nach 1995, mehrheitlich aus dem Jahr 1998. Sie könnten der Antragsgegnerin, die sich von den Äußerungen Frenz' nicht distanziert habe, auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs zugerechnet werden. Dies gelte auch für das 1998 erschienene Buch “Der Verlust der Väterlichkeit oder Das Jahrhundert der Juden”, das einen antisemitischen und rassistisch-volksverhetzenden Inhalt habe.
Die Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Frenz habe sich allein und ausschließlich auf die Beschaffung von Informationen beschränkt. Frenz habe seine Informationstätigkeit primär in den Dienst der Antragsgegnerin gestellt. Nach eigenem Bekunden habe er in Erfahrung bringen wollen, in welcher Weise und mit welchem Ziel die Antragsgegnerin von den Verfassungsschutzbehörden ausgeforscht werde. Die Verfassungsschutzbehörde habe versucht, mäßigend auf Frenz einzuwirken, nachdem dieser sich zunehmend extremistisch und antisemitisch geäußert habe. Da die Mäßigungsversuche erfolglos gewesen seien, habe die Behörde die Zusammenarbeit mit Frenz im Oktober 1995 formell beendet. Im Verlauf des ersten Halbjahres 1996 sei es im Rahmen der so genannten “Nachsorge” noch zu einigen wenigen Kontakten mit dem Verfassungsschutz gekommen, bei denen wie auch sonst üblich technische Einzelheiten der Abwicklung geregelt worden seien. Bei diesen Treffen seien auch Informationen entgegen genommen, jedoch nicht abgefragt worden.
Udo Holtmann sei von Anfang 1978 bis Januar 2002 V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz gewesen. Während seiner Tätigkeit als kommissarischer Bundesvorsitzender sei er als Quelle “abgeschaltet” gewesen. Er sei nicht als ideologischer Kopf oder Vordenker der Partei in Erscheinung getreten. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass Holtmann Inhalt und Ausrichtung der Schriften der Antragsgegnerin vorgegeben oder in eine bestimmte Richtung gelenkt habe. Es habe jedenfalls nie einen entsprechenden Auftrag des Bundesamts für Verfassungsschutz gegeben. Die Äußerungen Holtmanns seien in Parteipublikationen der Antragsgegnerin veröffentlicht worden. Diese habe sich jedoch von ihnen nicht distanziert. Holtmann sei kein “agent provocateur”, sondern Lieferant von Informationen aus dem Bundesvorstand der Antragsgegnerin gewesen. Es gebe Hinweise, dass die Tätigkeit Holtmanns für das Bundesamt für Verfassungsschutz der Antragsgegnerin seit langem bekannt gewesen sei.
Tino Brandt sei im August 1994 vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz als V-Mann angeworben worden. Er sei 1999 ebenso wie andere Mitglieder des “Thüringer Heimatschutzes” in die Antragsgegnerin eingetreten. Im gleichen Jahr sei er Beisitzer im Vorstand des thüringischen Landesverbands und Landespressesprecher der Antragsgegnerin geworden. Im April 2000 sei er zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt worden. Die Verfassungsschutzbehörde habe die Übernahme dieses Parteiamts missbilligt und ihn dazu bewegt, auf das vorgesehene zusätzliche Amt als Landesgeschäftsführer zu verzichten. Am 17. Januar 2001 sei er als V-Mann “abgeschaltet” worden. Brandt habe sich nicht als “agent provocateur” des Verfassungsschutzes betätigt. Soweit er sich für eine stärkere Zusammenarbeit des neonazistischen “Thüringer Heimatschutzes” mit der Antragsgegnerin engagiert habe, habe er ohne Weisung des Verfassungsschutzes gehandelt. Brandt selbst bestätige, dass der Verfassungsschutz ihn dazu angehalten habe, seine Parteiämter niederzulegen und sich mehr zurückzuhalten.
Mit weiterem Schriftsatz vom 13. Februar 2002 haben die Antragsteller mitgeteilt, dass über die bislang enttarnten V-Leute hinaus in den Antragsschriften vier weitere Personen mit Äußerungen zitiert seien, die V-Leute einer Landesbehörde für Verfassungsschutz seien oder gewesen seien. Von diesen Personen sei nur eine zum Zeitpunkt der zitierten Äußerungen V-Mann gewesen. Mit Schreiben vom 19. Februar 2002 hat der Präsident des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz die Angaben ergänzt und ausgeführt, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz das als Auskunftsperson geladene Bundesvorstandsmitglied der Antragsgegnerin Jürgen Distler am 11. April 2001 erfolglos mit dem Ziel der Anwerbung telefonisch angesprochen habe.
7. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsätzen vom 7. und 11. März 2002 vorgetragen, ihre nachrichtendienstliche Beobachtung sei unzulässig. Die Geheimdienste hätten in vielen Fällen Einfluss auf ihr Verhalten und das ihrer Anhänger genommen.
8. Mit Schreiben seines Vorsitzenden vom 3. Mai 2002 hat der Senat angekündigt, die sich aus der nachrichtendienstlichen Beobachtung der Antragsgegnerin ergebenden Fragen mit den Beteiligten in einem Termin zu erörtern. Zur Vorbereitung dieses Termins hat der Senat folgenden Hinweis gegeben:
Für den Erfolg eines Parteiverbotsantrags gemäß Art. 21 Abs. 2 GG kann bedeutsam sein, ob die Partei nach dem charakteristischen Gesamtbild ihrer Ziele und des Verhaltens ihrer Anhänger Ausdruck eines offenen gesellschaftlichen Prozesses ist oder ob ihr Gesamtbild von Umständen geprägt wird, die ihr nicht zugerechnet werden können. Deshalb kann in der Zusammenarbeit einer staatlichen Stelle mit einer Person im Bereich der Partei ein im Verbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG beachtlicher Umstand liegen, wenn die Tätigkeit dieser Person in den Zielen der Partei einen prägenden Niederschlag gefunden oder das Verhalten ihrer Anhänger maßgeblich beeinflusst hat.
Um sich eine gesicherte Tatsachengrundlage für die Entscheidung über die Parteiverbotsanträge zu verschaffen, hält das Bundesverfassungsgericht es deshalb für erforderlich, dass die Antragsteller die Zusammenarbeit staatlicher Stellen (Nachrichtendienste, Verfassungsschutzämter und Dienststellen der Polizei) und ihre konkreten Umstände mit solchen Personen im Bereich der Antragsgegnerin offen legen, deren Äußerungen oder deren Verhalten zur Begründung der Verbotsanträge angeführt werden. Von Interesse ist auch, ob Äußerungen von Personen in den Anträgen wiedergegeben werden, die zum Zeitpunkt der jeweiligen Äußerung nicht mehr oder noch nicht für staatliche Stellen tätig gewesen sind. In diesem Zusammenhang ist auch Auskunft zu geben über die Rechtsgrundlagen und die Kontrolle der Zusammenarbeit auf Bundes- und Länderebene. Weiter erachtet das Bundesverfassungsgericht die Kenntnis darüber für erforderlich, ob und gegebenenfalls welche Personen aus dem derzeitigen oder einem früheren Vorstand der Antragsgegnerin und aus derzeitigen oder früheren Vorständen ihrer Landesverbände jeweils seit 1996 mit staatlichen Stellen kooperiert haben oder noch kooperieren. Schließlich erscheint es dem Bundesverfassungsgericht angezeigt, dass die Antragsteller sich dazu erklären, ob und in welcher Weise andere, für das Gesamtbild der Antragsgegnerin wesentliche, Personen mit staatlichen Stellen zusammengearbeitet haben oder noch zusammenarbeiten und ob und gegebenenfalls wie sonst durch staatliche Stellen auf das Gesamtbild der Antragsgegnerin Einfluss genommen worden ist.
Soweit die Antragsteller sich aus zwingenden Geheimschutzbelangen oder aus anderen Gründen gehindert sehen, Personen zu benennen oder Sachverhalte zu erläutern, wird gebeten, diese Gründe darzulegen. In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, ob alternative Erkenntnisquellen benannt werden können.
9. Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 26. Juli 2002 darauf hingewiesen, dass die Verfassungsschutzbehörden besonderen Wert darauf legen müssten, Informationen aus den Vorständen der Partei zu erlangen, weil auf dieser Ebene Strategie und Taktik und die jeweils geplanten Aktionen besprochen würden. Es sei weder nach den gesetzlichen Regelungen noch nach den Dienstvorschriften verboten, an V-Leuten, wenn diese in den Vorstand gelangten, festzuhalten oder V-Leute auf der Vorstandsebene anzuwerben. Folglich gebe es V-Leute auf der Ebene der Vorstände der Antragsgegnerin. Im relevanten Zeitraum habe die Antragsgegnerin auf Bundes- und Länderebene jeweils etwa 200 und als Folge der Fluktuation insgesamt etwa 560 Vorstandsmitglieder gehabt. An drei ausgewerteten Stichtagen (4. April 1997, 31. Juli 2001 und 17. April 2002) habe der Anteil der V-Leute in den Vorständen jeweils unter 15 % gelegen.
Die notwendige Arbeit des Verfassungsschutzes wäre unmöglich, wenn V-Leuten nicht Verschwiegenheit hinsichtlich ihrer Identität zugesichert werden könnte. Der durch die Offenbarung der Identität von V-Leuten verursachte Vertrauensverlust bezüglich der Verschwiegenheit staatlicher Stellen führte dazu, dass eine wirksame Bekämpfung aller Bereiche des Extremismus nicht mehr gewährleistet wäre. Die zuständigen Amtswalter der Verfassungsschutzbehörden hätten deshalb auf Grund einer Abwägung der Geheimschutzinteressen mit dem Aufklärungsbegehren des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass Angaben, die die Identifizierung von V-Leuten ermöglichten, nur gemacht werden könnten, wenn die Antragsgegnerin keinen Zugang zu diesen Informationen erhalte.
Die Antragsteller haben Erklärungen der Leiter der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder vorgelegt.
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz hat in seiner dienstlichen Erklärung vom 29. Juli 2002 angegeben, dass die Kooperation mit Udo Holtmann mit Wirkung vom 25. Januar 2002 beendet worden sei. Holtmann habe trotz seiner Funktionen im Bundesvorstand und im Landesvorstand Nordrhein-Westfalen die Ziele und die Aktivitäten der Antragsgegnerin nicht entscheidend bestimmt. Es gebe keine Hinweise, dass seitens des Bundesamts für Verfassungsschutz der Versuch unternommen worden sei, über Holtmann auf das Gesamtbild der Antragsgegnerin Einfluss zu nehmen. Er sei die einzige Quelle gewesen, die dem Bundesvorstand der Antragsgegnerin angehört habe.
Der Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz hat in einer dem Schriftsatz der Antragsteller ebenfalls beigefügten dienstlichen Erklärung vom 19. Juli 2002 mitgeteilt, dass Tino Brandt im August 1994 als V-Mann angeworben worden sei. 1999 sei Brandt auf eigene Initiative der Antragsgegnerin beigetreten. Im April 2000 sei er zu einem von zwei stellvertretenden Vorsitzenden des thüringischen Landesverbands der Antragsgegnerin gewählt worden. Im Mai 2000 seien mit Brandt Überlegungen zu einem vom Verfassungsschutz unterstützten Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene angestellt worden. Nachdem Brandt dies abgelehnt habe, sei er kurzfristig als Quelle “abgeschaltet” worden. Zu der erneuten und letztmaligen “Abschaltung” Brandts sei es am 17. Januar 2001 gekommen. In der Folge habe es im Rahmen der so genannten “Nachsorge” bis Mai 2001 noch sieben Treffen zwischen Brandt und einem Mitarbeiter des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz gegeben, deren Ziel es gewesen sei, Brandt zum Rückzug aus der rechtsextremistischen Szene zu bewegen. Auf Drängen der Behörde habe Brandt in diesem Zeitraum sein Amt als Pressesprecher des Landesverbands niedergelegt. Bei den Treffen nach der “Abschaltung” seien auch Informationen entgegen genommen worden. Aufträge zur Beschaffung dieser Informationen seien jedoch nicht erteilt worden.
Der Präsident des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz hat in einer dienstlichen Erklärung vom 25. Juli 2002 ausgeführt, dass die Antragsgegnerin in dem in der gerichtlichen Verfügung vom 3. Mai 2002 angesprochenen Zeitraum von 1996 bis 2002 ständig Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz gewesen sei. Ebenfalls unter dem 25. Juli 2002 haben die Leiterin der Abteilung Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für Inneres Berlin und der Direktor des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen entsprechende Erklärungen für die Landesverfassungsschutzbehörden in Berlin und Hessen abgegeben.
10. In ihrer Erwiderung vom 30. August 2002 hat die Antragsgegnerin die Fortführung des Verbotsverfahrens für unzulässig erachtet, weil von den Antragstellern ein rechtswidriger Angriff auf die freie Überzeugungsbildung des Gerichts zu besorgen sei. Ein Parteiverbotsantrag könne nicht mit Tatsachen begründet werden, von denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie von “interessierter Seite” der betroffenen Partei untergeschoben worden seien. Die Antragsteller treffe insoweit eine Aufklärungs- und Darlegungslast, ob und gegebenenfalls wie das Erscheinungsbild der Partei durch eine rechtswidrige Einflussnahme der Exekutive geprägt oder verfälscht worden sei.
11. Der Senat hat die sich aus der nachrichtendienstlichen Beobachtung der Antragsgegnerin ergebenden Fragen am 8. Oktober 2002 mit den Verfahrensbeteiligten erörtert. Die Antragsteller haben angegeben, dass sich im Schnitt etwa ein bis zwei V-Leute in den einzelnen Vorständen der Antragsgegnerin befänden. Ausnahmsweise könnten einem Vorstand aber auch drei V-Leute angehören. Bei den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin handele es sich nicht um V-Leute des Bundesamts oder der Landesbehörden für Verfassungsschutz. In keinem Fall seien V-Leute beauftragt worden, die Prozessstrategie der Antragsgegnerin auszuforschen; im Übrigen seien auch keine entsprechenden Informationen aus Vorstandssitzungen der Antragsgegnerin entgegen genommen worden.
12. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2002 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Mahler, die Ansicht vertreten, dass das Verbotsverfahren rechtsstaatlich nicht mehr durchführbar sei. Unter dem selben Datum hat der weitere Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Dr. Eisenecker, erklärt, dass nach den Angaben der Antragsteller im Erörterungstermin mindestens ein Mitglied des derzeitigen Parteivorstands V-Mann eines Landesamts für Verfassungsschutz sei. Die Antragsteller hätten hierdurch die Möglichkeit, von der internen Planung der Prozessführung der Antragsgegnerin Kenntnis zu erlangen. Die rechtliche Problematik, die sich hieraus ergebe, könne nur durch eine Verfahrenseinstellung “beendet” werden.
13. Ebenfalls unter dem 17. Oktober 2002 haben die Antragsteller erklärt, unter den Mitgliedern des Bundesvorstands der Antragsgegnerin befänden sich keine V-Leute. Für die Verfassungsschutzbehörden der Länder gelte dies seit der Antragstellung durch die Bundesregierung, für das Bundesamt für Verfassungsschutz seit der “Abschaltung” von Udo Holtmann im Januar 2002.
In einem weiteren Schriftsatz vom 29. Oktober 2002 haben die Antragsteller erklärt, dass für die weitere Prozessdauer nicht versucht werde, einen V-Mann aus dem Kreis der Bundesvorstandsmitglieder der Antragsgegnerin zu gewinnen. Während des Verbotsverfahrens sei allein Udo Holtmann im Bundesvorstand der Antragsgegnerin zeitweilig als V-Mann geführt worden. Dies habe die Antragsgegnerin nicht in ihren Verteidigungsmöglichkeiten beschränkt; der Antragsgegnerin sei die V-Mann-Eigenschaft Holtmanns bekannt gewesen.
Die Beobachtung einer Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln könne sich in zulässiger Weise auch auf deren Bundesvorstand erstrecken. Ein laufendes Parteiverbotsverfahren führe nicht dazu, dass die nachrichtendienstliche Beobachtung einer verfassungsfeindlichen Organisation beendet werden müsse. Für die Verfassungsschutzbehörden ende der verfassungsrechtliche Auftrag zu präventivem Verfassungsschutz nicht mit der Einreichung von Verbotsanträgen.
Es sei verfehlt, das Verbotsverfahren und die Beobachtung nur alternativ zuzulassen. Erzwänge ein gerichtliches Verfahren das Ende der Beobachtung, so müssten Klagen gegen die Nennung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht oder gegen die nachrichtendienstliche Beobachtung selbst bereits zum Ende der Beobachtung führen. Eine Organisation hätte es dann durch die Führung von Aktivprozessen in der Hand, sich für die Dauer eines Verfahrens der nachrichtendienstlichen Beobachtung zu entziehen. Wenn für den Bereich des präventiven Verfassungsschutzes prozessrechtlich zu fordern wäre, dass der Gegner während eines Prozesses von heimlicher Beobachtung frei bleiben müsse, weil sonst für die Verfassungsschutzbehörden die Möglichkeit bestünde, etwas über die Prozessführung zu erfahren, hätten solche Organisationen es leicht, sich gesicherte Aktionsbereiche zu verschaffen.
Eine unzulässige Ausforschung der Prozessstrategie der Antragsgegnerin habe nicht stattgefunden. Sie begründete im Übrigen kein Prozesshindernis. Im Strafverfahren folgerten Rechtsprechung und herrschende Lehre aus einer Verletzung von § 148 StPO kein Verfahrenshindernis, sondern nur ein Beweisverwertungsverbot. So habe es der Bundesgerichtshof abgelehnt, in einer in rechtswidriger Weise erzwungenen Kenntnis von Verteidigerunterlagen ein Verfahrenshindernis zu erblicken. Zudem müsse zwischen der Rechtsverletzung und der rechtlichen Unmöglichkeit, ein Verfahren rechtsstaatlich weiterführen zu können, eine Kausalbeziehung vorliegen, die eine Relation zwischen der Schwere des Fehlers und dem Gewicht der Sanktion einer Verfahrensbeendigung herstelle. Auch dürfe die Erfüllung der Aufgabe des präventiven Verfassungsschutzes nicht schon bei einem möglichen Versagen einzelner Personen oder Behörden vereitelt werden. Dieses Ergebnis sei insbesondere dann verfehlt, wenn die V-Mann-Eigenschaft eines Einzelnen der Partei bekannt sei und von dieser mitgetragen werde, wie dies bei Holtmann der Fall gewesen sei.
Ein Verbotsausspruch könne schließlich nur das Ergebnis eines Verfahrens sein, in dessen Rahmen der entscheidungserhebliche Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts feststehe. Die Erforschung der Wahrheit dieses Sachverhalts sei Gegenstand der Amtsermittlung des Gerichts.
14. Mit Schriftsatz vom 7. November 2002 hat die Antragsgegnerin vorgetragen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihrem Bundesvorstand Personen angehörten, die für die Geheimdienste gearbeitet hätten und anlässlich der Einleitung des Verbotsverfahrens lediglich “abgeschaltet” worden seien. Diese V-Leute könnten jederzeit wieder “angeschaltet” und deren in der “Latenzphase” gewonnenen Kenntnisse von den Antragstellern abgeschöpft werden. Entgegen den Angaben der Antragsteller sei auch anzunehmen, dass in ihrem Bundesvorstand noch ein V-Mann für die Antragsteller tätig sei. In Gerichtsverfahren müsse für Parteien die Möglichkeit einer selbstbestimmten Rechtsverteidigung bestehen. Hiervon könne jedoch nur die Rede sein, wenn der organschaftliche Willensbildungsprozess innerhalb der Organisation sowie die Kommunikation mit den Verfahrensbevollmächtigten “gegnerfrei” bleibe.
Der Eingriff, der in der nachrichtendienstlichen Beobachtung ihres Bundesvorstands liege, könne allenfalls dann hingenommen werden, wenn bei Beendigung der Überwachung dem Interesse des Staates an einem effektiven Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ein konkreter und zugleich erheblicher Schaden drohe. Ein solches überwiegendes Interesse hätten die Antragsteller nicht dargetan. Sie hätten im Gegenteil wiederholt erklärt, die Ergebnisse der Überwachung durch V-Leute fielen nicht ins Gewicht, vielmehr reiche das offen zugängliche Belastungsmaterial zur Begründung der Verbotsanträge aus.
Ihr ehemaliges Mitglied des Bundesvorstands Udo Holtmann habe etwa ein Jahr lang bis zu seiner Enttarnung im Januar 2002 den Antragstellern zusätzliches Wissen über ihre Prozessführung verschafft. Er habe regelmäßig an den Vorstandssitzungen des Bundesvorstands teilgenommen. Sie, die Antragsgegnerin, sei nicht über die V-Mann-Tätigkeit Holtmanns informiert gewesen. Die von den Antragstellern angeführten Aktivprozesse, die sie angeblich in die Lage versetzten, ihren Bundesvorstand von nachrichtendienstlicher Beobachtung frei zu halten, seien nicht vergleichbar mit dem anhängigen Parteiverbotsverfahren, in dem ihre Existenz unmittelbar berührt werde.
15. Mit Schriftsatz vom 29. November 2002 haben die Antragsteller erklärt, nach einer Befragung aller Verfassungsschutzämter könne ausgeschlossen werden, dass dem Bundesvorstand der Antragsgegnerin Personen angehörten, die für die Geheimdienste gearbeitet hätten und bei Einleitung des Verbotsverfahrens “abgeschaltet” worden seien.
Entscheidungsgründe
B.
Das Verfahren kann nicht fortgeführt werden, weil der von der Antragsgegnerin sinngemäß gestellte Antrag auf Einstellung des Verfahrens nicht die nach § 15 Abs. 4 BVerfGG für eine Ablehnung erforderliche Mehrheit gefunden hat. Eine Mehrheit von vier Richtern ist der Auffassung, dass ein Verfahrenshindernis nicht besteht. Drei Richter sind der Auffassung, dass ein nicht behebbares Verfahrenshindernis vorliegt.
I.
1. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG bedarf unter anderem in einem Parteiverbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG i.V.m. §§ 43 ff. BVerfGG eine dem Antragsgegner nachteilige Entscheidung in jedem Fall einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Senats. Mit dem Erfordernis der qualifizierten Mehrheit errichtet das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht eine besondere verfahrensrechtliche Hürde für bestimmte einschneidende Freiheitseingriffe oder für schwerwiegende Maßnahmen gegen Staatsorgane. § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG verlangt, dass mindestens sechs des aus acht Richtern bestehenden Senats (§ 2 Abs. 2 BVerfGG) eine nachteilige Entscheidung gegenüber dem Antragsgegner tragen. Abweichend von der allgemeinen Mehrheitsregel des § 15 Abs. 4 Satz 2 BVerfGG kann deshalb eine Minderheit Entscheidungen zum Nachteil des Antragsgegners entgegenstehen, wenn die qualifizierte Mehrheit von sechs Mitgliedern des Senats nicht zustande kommt (a). Die Ablehnung des Antrags auf Einstellung des Verfahrens ist eine für die Antragsgegnerin nachteilige Entscheidung (b).
a) “Nachteilig” im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG ist grundsätzlich jede Entscheidung, die die Rechtsposition des Antragsgegners verschlechtern oder sonst negativ beeinflussen kann (vgl. Stern, Verfahrensrechtliche Probleme der Grundrechtsverwirkung und des Parteiverbots, in: Starck ≪Hrsg.≫, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, 1976, S. 194 ≪207≫; Zierlein, in: Umbach/Clemens ≪Hrsg.≫, BVerfGG, § 15 Rn. 43). Dies ist in einem Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG dann der Fall, wenn der Parteiverbotsantrag zum Erfolg führt und das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei feststellt (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. § 46 Abs. 1 BVerfGG). Ebenfalls dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit unterliegt vor allem auch die im Vorverfahren gemäß § 45 BVerfGG zu treffende Entscheidung, dass der Verbotsantrag zulässig sowie hinreichend begründet und deshalb die Verhandlung durchzuführen ist. Schon die Durchführung der mündlichen Verhandlung beeinträchtigt den Antragsgegner in seiner Rechtsstellung.
b) Es bedarf keiner Entscheidung, welche prozessualen Anträge des Antragsgegners im Parteiverbotsverfahren von § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG erfasst werden. Jedenfalls erfordert die Ablehnung der hier von der Antragsgegnerin beantragten Einstellung des Verfahrens wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses die Einhaltung des Quorums nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG.
aa) Bereits der Wortlaut der Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG macht deutlich, dass eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, um einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses abzulehnen; er schreibt bei einer nachteiligen Entscheidung “in jedem Fall” eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Senats vor. Zudem unterstützt ein Vergleich mit der Regelung des § 263 StPO ein solches Verständnis des § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG. § 263 StPO erstreckt das Erfordernis einer qualifizierten Abstimmungsmehrheit im Strafverfahren – abweichend von § 196 Abs. 1 GVG – ausdrücklich nur auf einzelne, besonders hervorgehobene Entscheidungen zum Nachteil des Angeklagten, nämlich auf die Schuldfrage und den Rechtsfolgenausspruch und damit allein auf die Sachentscheidung über den Anklagevorwurf (§ 263 Abs. 1 und 2 StPO). Für die Entscheidung über die Voraussetzungen der Verjährung, eines zur Verfahrenseinstellung führenden Hindernisses, wird die qualifizierte Mehrheit nach § 263 Abs. 3 StPO dagegen nicht verlangt. Auch für die Feststellung anderer Verfahrenshindernisse im Strafverfahren bedarf es nicht der qualifizierten Mehrheit des § 263 Abs. 1 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., 2003, § 263 Rn. 1 m.w.N.).
Demgegenüber schreibt das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in § 15 Abs. 4 Satz 1 “in jedem Fall” für alle nachteiligen Entscheidungen gegenüber der betroffenen Partei im Verbotsverfahren eine qualifizierte Mehrheit vor. Eine Beschränkung des Abstimmungsquorums auf die abschließende Entscheidung über den Parteiverbotsantrag ergibt sich aus § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG nicht (vgl. Brox, in: Ritterspach/Geiger ≪Hrsg.≫, Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 1 ≪13≫). Ebenso wenig unterscheidet die Vorschrift zwischen Prozess- und Sachentscheidung (vgl. Stern, aaO, S. 194 ≪207≫).
bb) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG sprechen dafür, jedenfalls die Ablehnung des Antrags auf Einstellung wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses mit der zwingenden Folge der Fortsetzung des Parteiverbotsverfahrens als nachteilige Entscheidung anzusehen. § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG trägt im Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG i.V.m. § 13 Nr. 2 BVerfGG der verfassungsrechtlichen Stellung der politischen Parteien Rechnung.
(1) Politische Parteien haben – im Vergleich zu Vereinigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 GG – eine hervorgehobene Stellung in der verfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 2, 1 ≪13≫). Sie werden in Art. 21 Abs. 1 GG als verfassungsrechtlich notwendig für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und stehen im Rang verfassungsrechtlicher Institutionen (vgl. BVerfGE 1, 208 ≪225≫; 20, 56 ≪100≫; 73, 40 ≪85≫). Sie sind die politischen Handlungseinheiten, deren die Demokratie bedarf, um die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammen zu schließen und ihnen so überhaupt erst einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 11, 266 ≪273≫). Politische Parteien sind Mittler zwischen dem Bürger und den Staatsorganen, durch die der Wille der Bürger auch zwischen den Wahlgängen verwirklicht werden kann (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪101≫; 52, 63 ≪82 f.≫). Sie spielen daher sowohl bei der demokratischen Willensbildung als auch bei der staatlichen Entscheidungsfindung eine entscheidende Rolle (vgl. BVerfGE 85, 264 ≪285≫).
(2) Aus dieser durch Art. 21 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich anerkannten Rolle der Parteien folgt in formeller und materieller Hinsicht eine erhöhte Schutz- und Bestandsgarantie. Da Parteien durch die Feststellung der Verfassungswidrigkeit (Art. 21 Abs. 2 GG i.V.m. § 46 Abs. 1 BVerfGG) und die Auflösung ihrer Organisation (§ 46 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG) insgesamt von der freien Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes und damit von ihrer durch Art. 21 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Aufgabe ausgeschlossen werden, bedürfen gerichtliche Entscheidungen zum Nachteil einer Partei in einem Verbotsverfahren einer besonderen Legitimation. Dementsprechend soll § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG verhindern, dass die besonders einschneidenden Folgen eines Parteiverbots sowie der übrigen nachteiligen Entscheidungen gegenüber der betroffenen Partei ohne hinreichend qualifizierte Mehrheit eintreten.
(3) Dieser Regelungszweck erfasst auch Entscheidungen über das Vorliegen jedenfalls eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses. Würde das Bundesverfassungsgericht die Einstellung des Verfahrens ablehnen, weil ein Verfahrenshindernis nicht vorliegt, müsste das Parteiverbotsverfahren fortgesetzt und – wie in § 45 BVerfGG vorgesehen – eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden. Die Fortsetzung des Verfahrens und die Durchführung der mündlichen Verhandlung wären aber im Vergleich zu der beantragten Verfahrenseinstellung eine eigenständige Belastung für die betroffene Partei. Sie sähe sich – nicht zuletzt durch die im Beschluss nach § 45 BVerfGG vorgenommene Einschätzung der hinreichenden Begründetheit des Antrags – für die Dauer des Verfahrens mit dem Vorwurf konfrontiert, verfassungswidrig zu sein.
(4) Dass eine Minderheit von drei Richtern der Auffassung ist, in Folge mangelnder Staatsfreiheit der Antragsgegnerin auf der Führungsebene sowie mangelnder Staatsfreiheit des zur Antragsbegründung ausgebreiteten Bildes der Partei (B. II.) bestehe ein nicht behebbares Hindernis für die Fortführung des mit den Anträgen vom 30. Januar und 30. März 2001 eingeleiteten Verfahrens, wirkt sich gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG bei der von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens vorzunehmenden Prüfung und Entscheidung über das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen aus. Danach steht fest, dass die Parteiverbotsanträge nicht zum Erfolg geführt werden können. Eine Fortführung des Verfahrens wäre deshalb rechtsstaatlich nicht vertretbar und der Antragsgegnerin nicht zuzumuten.
2. Mit den nachfolgenden Erwägungen legen die Minderheit und die Mehrheit jeweils ihre Rechtsansicht dar. Diesen Gründen kommt keine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG zu, schon weil es sich bei dem Einstellungsbeschluss um eine Prozessentscheidung und nicht um eine Sachentscheidung handelt (vgl. BVerfGE 78, 320 ≪328≫).
II.
Die Richter Hassemer und Broß sowie die Richterin Osterloh sind der Auffassung, dass ein nicht behebbares Verfahrenshindernis vorliegt.
1. a) Der Grundgesetzgeber hat sich dadurch, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung geschaffen hat, für einen freien und offenen Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes entschieden (BVerfGE 20, 56 ≪97≫). Das Volk bringt seinen politischen Willen nicht nur durch Wahlen und Abstimmungen zum Ausdruck. Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung (vgl. BVerfGE 8, 51 ≪68≫; 20, 56 ≪98 f.≫). Es sind vor allem die politischen Parteien, die zwischen den Wahlen im Sinn der von ihnen mitgeformten Meinung des Volkes die Entscheidungen der Verfassungsorgane, vor allem die Beschlüsse der Parlamente, beeinflussen. Sie wirken auch auf die Bildung des Staatswillens ein (vgl. BVerfGE 3, 19 ≪26≫; 5, 85 ≪134≫; 14, 121 ≪133≫; 20, 56 ≪99≫). Über die Parteien, deren innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss, nimmt das Volk auch zwischen den Wahlen Einfluss auf die Entscheidungen der Verfassungsorgane. Zwischen den Faktoren und Medien des komplexen Prozesses der Meinungs- und Willensbildung wirken mannigfache Beziehungen, Abhängigkeiten und Einflussnahmen. Willensbildung des Volkes und staatliche Willensbildung sind auf vielfältige Weise miteinander verschränkt. In einer Demokratie muss sich diese Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪99≫).
Die Beziehungen zwischen den Staatsorganen und den politischen Parteien stehen unter dem Verfassungsgebot der grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪100≫). Art. 21 GG hat die Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und sie in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪100≫; 73, 40 ≪85≫). Gleichwohl gehören die Parteien nicht zu den Staatsorganen (BVerfGE 20, 56 ≪100 f.≫; 52, 63 ≪85≫; 73, 40 ≪85≫). Die Garantie einer grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen wehrt wegen der verfassungsrechtlich vorgesehenen Tätigkeit der politischen Parteien jede staatlich-institutionelle Verfestigung der Parteien ab und verbietet ihre Einfügung in den Bereich der organisierten Staatlichkeit (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪101 f.≫).
Der Verfassunggeber ist vom Leitbild einer Partei ausgegangen, die sich im offenen Mehrparteiensystem frei bildet, aus eigener Kraft entwickelt und, gebunden an die Verpflichtungen des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 und 4 GG, nach Vermögen im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Art. 21 Abs. 2 GG) an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirkt. Die Vorstellung des Verfassunggebers von freien, vom Staat unabhängigen Parteien ist im Wortlaut des Art. 21 GG, vor allem in Absatz 1 Satz 2 bis 4, hinreichend bestimmt zum Ausdruck gekommen.
Die Vorstellungen des Verfassunggebers haben für die Auslegung des Art. 21 GG umso stärkeres Gewicht, als sich aus ihnen im Zusammenhang mit dem objektiven Inhalt der Verfassungsnorm ergibt, dass der Verfassunggeber unter dem Eindruck geschichtlicher Erfahrungen Vorkehrungen getroffen hat, um die Wiederholung einer verhängnisvollen Entwicklung zu verhindern. Art. 21 GG muss nach seiner Entstehungsgeschichte verstanden werden als Reaktion auf die Entwicklung des Parteienwesens in der Endphase der Weimarer Republik und unter dem nationalsozialistischen Regime. Die Vorschrift soll die freiheitliche demokratische Ordnung dadurch sichern, dass sie einer undemokratischen Entwicklung im Parteiwesen entgegentritt. Zugleich wehrt sie eine Verflechtung der Parteien mit den Verfassungsorganen ab (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪111≫).
b) Art. 21 GG stattet die politischen Parteien wegen ihrer Sonderstellung im Verfassungsleben mit einer erhöhten Schutz- und Bestandsgarantie (dem so genannten Parteienprivileg) aus. Diese findet ihren Ausdruck vor allem darin, dass die politischen Parteien im Gegensatz zu anderen politischen Vereinigungen nur durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden können und dass es dazu einer qualifizierten Mehrheit bedarf. Daraus folgt, dass bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen kann. Insofern kommt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts konstitutive Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 12, 296 ≪304 f.≫; s.a. BVerfGE 47, 198 ≪228≫).
Das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhalten (BVerfGE 40, 287 ≪291≫; 47, 198 ≪228≫). Die Partei kann zwar politisch bekämpft werden, sie soll aber in ihrer politischen Aktivität von jeder Behinderung frei sein (vgl. BVerfGE 12, 296 ≪305 ff.≫; 39, 334 ≪357≫; 47, 198 ≪228≫). Das Grundgesetz nimmt die Gefahr, die in der Tätigkeit der Partei bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit besteht, um der politischen Freiheit willen in Kauf. Die Partei handelt, auch wenn sie verfassungsfeindliche Ziele propagiert, im Rahmen einer verfassungsmäßig verbürgten Toleranz (vgl. BVerfGE 12, 296 ≪306≫; 47, 198 ≪228≫).
2. Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher keinen Anlass, zu den Grenzen zulässiger Beobachtung politischer Parteien durch staatliche Behörden mit nachrichtendienstlichen Mitteln grundsätzlich Stellung zu nehmen. Auch für den vorliegenden Entscheidungszusammenhang stellt sich diese Frage lediglich im Hinblick auf einen spezifisch begrenzten Ausschnitt innerhalb des umfangreicheren Problemkreises. Zu beantworten ist, wieweit es mit rechtsstaatlichen Anforderungen an ein Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG zu vereinbaren ist, wenn unmittelbar im Zusammenhang mit der Stellung verfahrenseinleitender Anträge nachrichtendienstliche Kontakte zwischen staatlichen Behörden des Bundes oder der Länder mit Vorstandsmitgliedern der Partei, um deren Verfassungswidrigkeit es geht, auf Bundes- und Landesebene unterhalten und gesucht werden. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, wieweit rechtsstaatliche Verfahrensanforderungen es zulassen, dass die Antragsteller ihre Antragsbegründung auch auf öffentliche Äußerungen von Parteimitgliedern stützen, die nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhalten oder unterhalten haben.
Weder das Grundgesetz noch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz enthalten spezielle Normen zu den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an die Durchführung eines Verfahrens gemäß Art. 21 Abs. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG sowie zu den Rechtsfolgen von Verstößen gegen solche Anforderungen, insbesondere zur Möglichkeit und zu den Voraussetzungen der Einstellung des Verfahrens wegen nicht behebbarer Verfahrenshindernisse. Auch das Gericht hatte zu solchen Fragen im Verfassungsprozess bisher nicht Stellung zu nehmen.
Lediglich für den Strafprozess ist in der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich anerkannt, dass absolute Verfahrenshindernisse in besonders gelagerten Ausnahmefällen unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden können (vgl. BVerfGE 51, 324 ≪343 ff.≫): Der staatliche Strafverfolgungsanspruch darf danach weder “ohne Rücksicht auf die Grundrechte des Beschuldigten durchgesetzt werden, noch erfordert jede denkbare Gefährdung dieser Rechte ein Zurückweichen jenes Anspruchs”. Im Konfliktfall sei nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips abzuwägen (vgl. BVerfGE aaO, S. 346; weitergehend zur unmittelbaren Ableitung strafverfahrensrechtlicher Verfolgungshindernisse aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip für die speziell gelagerte Frage möglicher Strafbarkeit und Verfolgbarkeit früherer Mitarbeiter und Agenten des MfS BVerfGE 92, 277 ≪325 ff.≫, mit abweichender Meinung der Richter Klein, Kirchhof und Winter, S. 341 ff.). Auch eine Reihe von Kammerentscheidungen hat vor allem in Fällen rechtsstaatswidriger Provokationen von Straftaten durch Strafverfolgungsorgane und bei überlanger Verfahrensdauer im Strafprozess unmittelbar rechtsstaatlich begründete Verfahrenshindernisse angenommen (vgl. z.B. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ≪Vorprüfungsausschuss≫ vom 24. November 1983 – 2 BvR 121/83 –, NJW 1984, S. 967; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 1993 – 2 BvR 1487/90 –, NJW 1993, S. 3254, 3255; zuletzt m.w.N. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2003 – 2 BvR 327/02 u.a. – juris).
Der vom Zweiten Senat mit Blick auf den Grundrechtsschutz des Angeklagten im Strafprozess formulierte Grundgedanke gilt sinngemäß für jedes im staatlichen Interesse durchzuführende gerichtliche Verfahren und auch für das verfassungsgerichtliche Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß Art. 21 Abs. 2 GG: Kein staatliches Verfahren darf einseitig nur nach Maßgabe des jeweils rechtlich bestimmten Verfahrenszwecks ohne Rücksicht auf mögliche gegenläufige Verfassungsgebote und auf mögliche übermäßige rechtsstaatliche Kosten einseitiger Zielverfolgung durchgeführt werden. Die Durchsetzung jedes staatlichen Verfahrensinteresses muss im Konflikt mit gegenläufigen verfassungsrechtlichen Rechten, Grundsätzen und Geboten als vorzugswürdig nach Maßgabe der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein.
Auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG ist dem Bundesverfassungsgericht mit der alleinigen Zuständigkeit für die Entscheidung über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei und für den Ausspruch der Rechtsfolgen gemäß § 46 Abs. 3 BVerfGG zugleich eine Garantenstellung für die Wahrung der rechtsstaatlichen Anforderungen an das Entscheidungsverfahren und die Entscheidungsfindung zugewiesen. Kommt es im Verfahren zu gravierenden Verstößen gegen objektives Verfassungsrecht oder gegen subjektive Rechte der Antragsgegnerin, so hat das Gericht zu prüfen, ob das staatliche Interesse an der weiteren Durchführung des Verfahrens überwiegt oder ob die Fortsetzung des Verfahrens den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens und dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Rechte der Antragsgegnerin widerspräche.
Die Annahme eines Verfahrenshindernisses mit der Folge sofortiger Verfahrenseinstellung kommt freilich nur als ultima ratio möglicher Rechtsfolgen von Verfassungsverstößen und nur insoweit in Betracht, als dies mit den spezifischen Gefahrenabwehrzwecken des Verfahrens gemäß Art. 21 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 5, 85 ≪142≫; 25, 44 ≪56≫) vereinbar ist. Voraussetzung für die Einstellung eines solchen Verfahrens ist deshalb, erstens, ein Verfassungsverstoß von erheblichem Gewicht, der, zweitens, einen nicht behebbaren rechtsstaatlichen Schaden für die Durchführung des Verfahrens bewirkt, so dass, drittens, die Fortsetzung des Verfahrens auch bei einer Abwägung mit den staatlichen Interessen an wirksamem Schutz gegen die von einer möglicherweise verfassungswidrig tätigen Partei ausgehenden Gefahren rechtsstaatlich nicht hinnehmbar ist.
3. a) Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor und während der Durchführung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, ergeben.
aa) Die Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland haben die verfassungsrechtlich begründete Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen. Sie erfüllen diese Pflicht unter anderem dadurch, dass sie auf gesetzlicher Grundlage bei gegebenem Anlass Gruppen und auch politische Parteien beobachten, um feststellen zu können, ob von ihnen eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeht (vgl. BVerfGE 40, 287 ≪293≫). Soweit die Ergebnisse solcher Beobachtungen und entsprechende negative Werturteile in Verfassungsschutzberichten dem Parlament und der Öffentlichkeit präsentiert werden und daraus für eine Partei tatsächliche Nachteile, etwa bei der Gewinnung von Mitgliedern oder Anhängern, entstehen, ist sie dagegen nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats grundsätzlich nicht durch Art. 21 GG geschützt (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪360≫; 40, 287 ≪293≫). Dies ändert, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat, freilich nichts daran, dass die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln einen schwerwiegenden Eingriff in das aus der Parteienfreiheit folgende Selbstbestimmungsrecht einer politischen Partei darstellt und deshalb nicht nur eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage voraussetzt, sondern auch besonderer Rechtfertigung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedarf (vgl. BVerwGE 110, 126 ff. mit Leitsatz 2).
Keinen Bedenken begegnet danach einerseits die Beobachtung einer politischen Partei im allgemeinen öffentlich zugänglichen Rahmen, etwa bei Versammlungen oder Aufmärschen. Ebenso wenig stößt die laufende Beobachtung der von der Partei herausgegebenen oder von ihr veranlassten Druckerzeugnisse durch sachkundige staatliche Behörden auf Bedenken. Andererseits darf eine intensivere Beobachtung politischer Parteien mit nachrichtendienstlichen Mitteln jedenfalls nicht dazu führen, dass etwa eingeschleuste Bedienstete staatlicher Behörden gezielt und wirkungsvoll Einfluss auf die Willensbildung der Vorstände einer politischen Partei auf Bundes- oder Landesebene nehmen, so dass der Sache nach von einer Veranstaltung des Staates gesprochen und der Partei demgemäß ihr Status als Partei abgesprochen werden müsste.
bb) Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beobachtung einer Partei durch nachrichtendienstliche Kontakte staatlicher Behörden zu Mitgliedern des Bundesvorstands, eines Landesvorstands oder einer entsprechenden führenden Organisationseinheit der observierten Partei grundsätzlich als eine schwerwiegende Beeinträchtigung der mit dem verfassungsrechtlichen Status der Partei gemäß Art. 21 Abs. 1 GG verbundenen Gewährleistungen.
Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar. Dieser Befund ist im Fall besonderer politischer Aktivität eines V-Manns evident, jedoch auch dann unübersehbar, wenn das Führungsmitglied politische Zurückhaltung übt. Die Rolle als führendes Parteimitglied – sei es auf Landesebene als Mitglied des Landesvorstands, sei es auf Bundesebene als Mitglied des Bundesvorstands – hat notwendig zur Folge, dass jedwede politische Aktivität wie Passivität Willensbildung und außenwirksames Erscheinungsbild der Partei mit beeinflussen. Dies gilt nicht nur für eingeschleuste Mitarbeiter staatlicher Behörden, deren eigene politische Zielsetzungen denen der infiltrierten Partei ganz entgegengesetzt sein mögen. Zwangsläufigkeit staatlicher Einflussnahme auf Willensbildung und Außenwirkung einer Partei ist auch in all jenen Fällen gegeben, in denen vom Parteiprogramm überzeugte Parteimitglieder erfolgreich als Informanten gewonnen werden können. Auch diese V-Leute wirken notwendig als Medien staatlicher Einflussnahme insofern, als ihre politische Aktivität oder Passivität auf der Führungsebene der beobachteten Partei geprägt ist durch widersprüchliche Loyalitätsansprüche an die Rollen als führendes Parteimitglied einerseits und andererseits als – in der Regel entgeltlich tätiger – Informant für staatliche Behörden, dessen Aufgabe es sein kann, Material für einen möglichen Antrag auf ein Parteiverbot zu beschaffen.
cc) Wieweit dies bereits grundsätzlich – außerhalb möglicherweise rechtfertigender, besonderer gesteigerter Gefahrenlagen – zur Verfassungswidrigkeit der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit Vorstandsmitgliedern einer Partei auf Landes- und Bundesebene führt, hatte der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist eine solche verfassungsrechtliche Würdigung dann unausweichlich, wenn die staatliche Präsenz auf der Führungsebene der Partei auch unmittelbar vor und im Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG aufrechterhalten bleibt.
Die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Parteienfreiheit (auch) durch die Gewährleistung von Staatsfreiheit und Selbstbestimmung werden nach Einleitung eines Verbotsverfahrens ergänzt und verstärkt durch spezifisch verfahrensrechtliche Garantien, die allgemein als Grundsätze eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens bezeichnet werden. Insoweit sind schon im Ansatz Besonderheiten des Parteiverbotsverfahrens im Gegensatz insbesondere zum Strafprozess hervorzuheben.
Im Strafprozess geht es um die Feststellung schuldhaften und strafbaren individuellen Verhaltens und um die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, also primär um repressiven staatlichen Rechtsgüterschutz. Dagegen dient das verfassungsgerichtliche Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG dem präventiven Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, eines der tragenden Fundamente des Staatswesens. Die Partei als Organisation bewegt sich hier in der Rolle des potentiellen Staats- und Verfassungsfeindes. Sie erhält vor dem Bundesverfassungsgericht – gegebenenfalls letztmalig – die Chance, dem Vorbringen der Antragsteller, die ein Parteiverbot zur Gefahrenabwehr für notwendig erklären, das Bild einer loyalen verfassungsrechtlichen Institution entgegenzusetzen, deren weitere Teilnahme am Prozess der Volks- und Staatswillensbildung gerade im Interesse einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung notwendig und legitim ist. Parteienfreiheit im Sinne von Staatsfreiheit und Selbstbestimmung gewinnen in dieser Situation eine besonders herausragende Bedeutung: Mitglieder der Führungsebene, die mit einander entgegengesetzten Loyalitätsansprüchen des staatlichen Auftraggebers und der observierten Partei konfrontiert sind, schwächen die Stellung der Partei als Antragsgegnerin vor dem Bundesverfassungsgericht im Kern. Sie verfälschen unausweichlich die rechtsstaatlich notwendige freie und selbstbestimmte Selbstdarstellung der Partei im verfassungsgerichtlichen Prozess.
Für diese Wirkung kommt es nicht auf tatsächliche Informationen der Antragsteller über die “Prozessstrategie” der Partei im Verbotsverfahren an. Ausreichend ist die bloße Präsenz “doppelfunktionaler”, sowohl mit dem Staat als auch mit der Partei rechtlich und faktisch verknüpfter “Verbindungs-” Personen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, wie eine betroffene politische Partei ihre Beobachtung durch staatliche Stellen empfindet, ob sie diese ironisiert, ob sie sich bedroht fühlt oder ob sie etwa die Gelegenheit benutzt, staatliche Organe bloßzustellen. Nicht die subjektive Sicht eines Prozessbeteiligten im Verbotsverfahren ist verfassungsrechtlich erheblich, sondern allein die objektiven Gegebenheiten sind es.
dd) Vor diesem Hintergrund gebieten die rechtsstaatlichen Anforderungen an das Parteiverbotsverfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG, §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG strikte Staatsfreiheit im Sinne unbeobachteter selbstbestimmter Willensbildung und Selbstdarstellung der Partei vor dem Bundesverfassungsgericht. Das verfassungsgerichtliche Parteiverbot, die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde, braucht ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit des Verfahrens. Dies gilt auch für das zu beurteilende Tatsachenmaterial. Nur eindeutige und offene Zurechnungen von Personen, Verhalten und Äußerungen entweder zur Sphäre der Antragsteller oder zu der der Antragsgegnerin ermöglichen es dem Gericht, eine verfassungsrechtlich vertretbare Entscheidung über Verfassungswidrigkeit oder Verfassungsmäßigkeit der Partei als Ergebnis eines rechtsstaatlich geordneten Verfahrens zu finden und zu verantworten.
ee) Das Gericht kann seine Aufgabe der Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens nur dann wahrnehmen, wenn auch die zur Antragstellung berechtigten Verfassungsorgane die ihnen zugewiesene Verfahrensverantwortung erkennen und wahrnehmen. Es ist zunächst die Pflicht der Antragsteller, durch sorgfältige Vorbereitung ihrer Anträge die notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung eines Verbotsverfahrens zu schaffen. Deshalb müssen die staatlichen Stellen rechtzeitig vor dem Eingang des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht – spätestens mit der öffentlichen Bekanntmachung der Absicht, einen Antrag zu stellen – ihre Quellen in den Vorständen einer politischen Partei “abgeschaltet” haben; sie dürfen nach diesem Zeitpunkt keine die “Abschaltung” umgehende “Nachsorge” betreiben, die mit weiterer Informationsgewinnung verbunden sein kann, und müssen eingeschleuste V-Leute zurückgezogen haben.
Diese verfassungsrechtlichen Erfordernisse können ohne Schwierigkeiten erfüllt werden, soweit Dienststellen des Bundes und der Länder die Beobachtung einer politischen Partei auf der Vorstandsebene konzeptionell geordnet und koordiniert organisieren, was zugleich die einzige Möglichkeit ist, verlässlich der Gefahr vorzubeugen, dass es durch ein ungeordnetes Nebeneinander von Aktivitäten staatlicher Stellen auf Bundes- und Länderebene ungewollt zu einem Umschlag staatlicher Beobachtung in eine mit der Staatsfreiheit der politischen Partei unvereinbare staatliche Aufsicht oder gar Steuerung kommt.
ff) Diese Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG gelten für den Regelfall. Einschränkungen zulasten der Verfahrensrechte der Antragsgegnerin und zugunsten zwingend erforderlicher Maßnahmen zur Abwehr akuter Gefahren mögen in extremen Ausnahmefällen geboten sein, etwa, wenn unter dem Deckmantel der Organisation als politische Partei Gewalttaten oder andere schwerwiegende Straftaten vorbereitet oder geplant werden. Zu solchen Ausnahmelagen näher Stellung zu nehmen, gibt jedoch das vorliegende Verfahren keinen Anlass (vgl. unter 4.).
gg) Den Geboten der Staatsfreiheit der politischen Parteien und der Verlässlichkeit und Transparenz des Parteiverbotsverfahrens widersprechen auch Begründungen eines Antrags zur Einleitung dieses Verfahrens, die in nicht unerheblichem Umfang auf Äußerungen von Parteimitgliedern gestützt sind, die nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhalten oder unterhalten haben.
Dies gilt unabhängig von der grundsätzlichen Frage der Verwertbarkeit der Informationen von V-Leuten im verfassungsgerichtlichen Verbotsverfahren und auch unabhängig davon, ob “verfassungsfeindliche” Äußerungen von V-Leuten im Ergebnis der Partei zugerechnet werden können. Entscheidend ist vielmehr, ob Personen mit ihren Äußerungen als Teil des Bildes einer verfassungswidrigen Partei präsentiert werden, die nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhalten oder unterhalten haben, ohne dies kenntlich und so die daraus folgenden Zurechnungsprobleme offen zum Gegenstand der Verhandlung im Prozess zu machen. Auch die Aufbereitung eindeutig zurechenbarer Tatsachen und die Offenlegung möglicher entscheidungserheblicher Zurechnungsfragen gehören zu den Aufgaben, die die Antragsteller im Rahmen der ihnen eigenen Verfahrensverantwortung wahrzunehmen haben. Diese Aufgaben können nur mit Hilfe sorgfältiger Vorbereitung eines Verbotsantrags erfüllt werden. Sonst wird dem Gericht die Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei der Ermittlung verlässlichen Tatsachenmaterials unmöglich gemacht oder doch in verfassungswidriger Weise wesentlich erschwert.
b) Ob ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Erfordernisse der Verfahrensgestaltung einen nicht behebbaren rechtsstaatlichen Schaden für die Durchführung des Verfahrens bewirkt, so dass die Fortsetzung des Verfahrens auch bei einer Abwägung mit den staatlichen Interessen an wirksamem Schutz gegen die von einer Partei ausgehenden Gefahren rechtsstaatlich ausgeschlossen ist, lässt sich nicht generell abstrakt beantworten. Das Gewicht der Verfassungsverstöße und deren Folgen für das Verfahren können nur auf Grund umfassender Würdigung der konkreten Verfahrenssituation beurteilt werden, und auch die erforderliche Abwägung muss die konkrete Gefahrensituation, auf die eine mögliche Einstellung des Verfahrens trifft, in den Blick nehmen.
Mangelnde Staatsfreiheit der Partei auf der Führungsebene noch nach Einleitung des Verbotsverfahrens ebenso wie mangelnde Staatsfreiheit des zur Antragsbegründung ausgebreiteten Bildes der Partei werden freilich schon aus Gründen legitimen Geheimnis- und Personenschutzes selten reparabel sein. Dieses Dilemma lässt sich auch durch nachträgliche Offenlegung vor Gericht “in camera”, also unter Ausschluss der Antragsgegnerin, nicht überwinden. Ein solches Verfahren scheidet aus dem Arsenal rechtsstaatlicher Instrumente zulasten der Antragsgegnerin im Parteiverbotsverfahren aus.
Soweit ein nicht behebbarer rechtsstaatlicher Mangel des Verfahrens festzustellen ist, wird dessen Fortsetzung nur in ganz außergewöhnlichen Gefahrensituationen in Betracht zu ziehen sein, wobei sich ohnehin die Voraussetzungen für eine nur im Ausnahmefall mögliche Rechtfertigung staatlicher Präsenz auf der Führungsebene im Verbotsverfahren mit den Gründen für ein überwiegendes staatliches Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens weitgehend decken.
Für die Gesamtabwägung sind wesentliche Eigenheiten des – präventiven – verfassungsgerichtlichen Parteiverbotsverfahrens im Unterschied zum – repressiven – Strafprozess von erheblicher Bedeutung. Während es bei der Einstellung eines Strafprozesses wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses immer um einen endgültigen Verzicht auf das staatliche Strafverfolgungsinteresse geht, gilt anderes für die Rechtsfolgen der Einstellung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens. Hier geht es nicht um eine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit künftiger Verbotsanträge. Erneute Anträge bleiben vielmehr ohne weiteres möglich, und sie müssen, im Gegensatz zu den Rechtsfolgen einer gerichtlichen Sachentscheidung gemäß § 47 i.V.m. § 41 BVerfGG, insbesondere nicht “auf neue Tatsachen gestützt” sein.
c) Das Verfahrenshindernis wirkt für den Fall, dass – wie hier – Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat als Antragsteller auftreten, gegen alle Antragsteller, auch wenn ein Verstoß nur auf Bundes- oder nur auf Länderebene unterlaufen ist oder wenn, wie der Deutsche Bundestag, ein antragstellendes Staatsorgan selbst nicht durch eigene Behörden tätig geworden ist. Das Verbot einer politischen Partei zielt auf deren Ausscheiden aus dem politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland ab; es nimmt ihr die Eigenschaft als verfassungsrechtliche Institution eigener Art. Das Verbotsverfahren muss als Ganzes objektiv rechtsstaatlich sein. Deshalb ist bei der Frage der Zurechnung von Verstößen auf die Gesamtheit der staatlichen Gewalt abzustellen.
4. Die Art und Intensität der Beobachtung der Antragsgegnerin durch die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder unmittelbar vor und auch nach Eingang des Verbotsantrags der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht am 30. Januar 2001 sowie die nicht unerhebliche Abstützung der Antragsbegründungen auf Äußerungen von Mitgliedern der Antragsgegnerin, die V-Leute staatlicher Behörden sind oder waren, werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.
a) Nach den von den Antragstellern eingereichten Stellungnahmen und vorgelegten dienstlichen Erklärungen einiger Präsidenten von Verfassungsschutzämtern der Länder und auf Grund des Ergebnisses des Erörterungstermins vor dem Bundesverfassungsgericht am 8. Oktober 2002 steht – nach Überzeugung aller Mitglieder des Senats – fest, dass unmittelbar vor und auch noch nach Eingang des Verbotsantrags der Bundesregierung nachrichtendienstliche Kontakte mit Mitgliedern der Antragsgegnerin im Bundesvorstand und in Landesvorständen bestanden haben.
aa) Zu diesem Ergebnis führen im Einzelnen folgende Feststellungen:
Im Schriftsatz der Antragsteller vom 26. Juli 2002 (dort S. 29) wird hervorgehoben, die Verfassungsschutzbehörden müssten besonderen Wert darauf legen, Informationen gerade aus den Vorständen der Partei zu erlangen, weil auf dieser Ebene Strategie und Taktik und die jeweils geplanten Aktionen besprochen würden. Dies sei zulässig gewesen und sei noch zulässig. Es gebe folglich V-Leute auf der Ebene der Vorstände, deren prozentualer Anteil an drei überprüften Stichtagen – am 4. April 1997, 31. Juli 2001 und 17. April 2002 – jeweils unter 15 % (von jeweils etwa 200 Mitgliedern der Vorstände) gelegen habe. Eine Einschränkung bezüglich des Bundesvorstands der Antragsgegnerin wird dort nicht gemacht, sondern erst nach Problematisierung der Frage im Erörterungstermin am 8. Oktober 2002. Im Erörterungstermin wurde auch ergänzend mitgeteilt, dass in den Landesvorständen im Schnitt jeweils ein bis zwei Mitglieder V-Leute seien.
Nach den Äußerungen der Antragsteller gibt es also auch nach der Antragstellung in den Landesvorständen der Antragsgegnerin V-Leute in beträchtlicher Zahl. Auf der Ebene des Bundesvorstands führte jedenfalls der Bund seine nachrichtendienstlichen Kontakte nach Antragstellung fort: In der Erklärung aller Prozessbevollmächtigten der Antragsteller im Schriftsatz vom 17. Oktober 2002 wird noch einmal die dienstliche Erklärung des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 29. Juli 2002 bestätigt. Danach ist der Kontakt mit dem V-Mann und Mitglied des Bundesvorstands Udo Holtmann erst mit Wirkung vom 25. Januar 2002 und sonach erst lange nach Eingang aller drei Verbotsanträge beendet worden.
Dagegen sollen – ebenfalls nach der Erklärung im Schriftsatz vom 17. Oktober 2002 – die Länder seit der Antragstellung durch die Bundesregierung keine V-Leute mehr im Bundesvorstand der Antragsgegnerin geführt haben.
Ob diese Erklärung so vollen Umfangs den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht wird, mag dahinstehen. Jedenfalls ist erheblich, dass etwa der Präsident des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz in seiner Erklärung vom 25. Juli 2002 ohne Einschränkung davon spricht, dass die NPD in dem in der gerichtlichen Verfügung vom 3. Mai 2002 angesprochenen Zeitraum von 1996 bis 2002 ständig Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz gewesen sei. In die gleiche Richtung gehen die dienstliche Erklärung der Leiterin der Abteilung Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für Inneres in Berlin vom 25. Juli 2002 wie auch die dienstliche Erklärung des Direktors des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen vom 25. Juli 2002.
Bedeutsam ist auch, dass das “Abschalten” eines V-Mannes allein den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht ohne weiteres gerecht wird. Für die verfassungsrechtliche Bewertung eines solchen Vorgangs ist nicht entscheidend, wann eine Quelle auf Vorstandsebene formal “abgeschaltet” wird. Entscheidend ist vielmehr, wann der informationelle Kontakt endgültig eingestellt ist.
In diesem Zusammenhang ist die Erklärung des Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz vom 19. Juli 2002 zu würdigen. Er teilt mit, Tino Brandt, V-Mann seit 1994 (mit nur kurzfristiger Unterbrechung im Jahr 2000) sowie hoher Funktionär der Antragsgegnerin auf Landesebene (u.a. zeitweise Landespressesprecher und stellvertretender Landesvorsitzender in Thüringen), sei zwar am 17. Januar 2001 als Quelle endgültig abgeschaltet worden. Allerdings hätten im Rahmen einer so genannten Nachsorge bis Mai 2001 noch sieben Treffen zwischen Brandt und einem Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzamtes stattgefunden. Zwar wird als Ziel der “Nachsorge” angegeben, Tino Brandt zum Rückzug aus der rechtsextremistischen Szene zu bewegen, daneben jedoch auch eingeräumt, dass anlässlich dieser Treffen Informationen entgegengenommen worden sind.
Weitere dienstliche Erklärungen der zuständigen Behörden dazu, ob und in welchem Umfang bei anderen abgeschalteten V-Leuten Nachsorgemaßnahmen durchgeführt worden sind, fehlen. Allerdings ergibt sich aus dem Schriftsatz der Antragsteller vom 8. Februar 2002 (S. 15), dass auch im Fall des Wolfgang Frenz “Nachsorgemaßnahmen” mit Entgegennahme von Informationen stattgefunden haben.
Schließlich hat noch nach Eingang der Verbotsanträge in Richtung eines weiteren Mitglieds des Bundesvorstands der Antragsgegnerin, Jürgen Distler, ein Anwerbeversuch stattgefunden. Das ergibt sich aus dem Schreiben des Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 19. Februar 2002 an das Bundesverfassungsgericht. Hiernach wurde Jürgen Distler am 11. April 2001 in Bayreuth durch einen Mitarbeiter seiner Behörde mit dem Ziel der Anwerbung angesprochen. Auch wenn dieser Versuch erfolglos war, zeigt er, dass selbst nach Stellen der Verbotsanträge Aktivitäten von Seiten des Verfassungsschutzes stattgefunden haben mit dem Ziel, die Antragsgegnerin auf Vorstandsebene zu beobachten.
Diese Feststellungen machen eine weitere Aufklärung der Frage entbehrlich, ob tatsächlich mit Eingang des Verbotsantrags der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht die Länder keine V-Leute mehr im Bundesvorstand der Antragsgegnerin geführt haben.
bb) Nach allem kann von Staatsfreiheit der Führungsebenen der Antragsgegnerin nach Einleitung des Verbotsverfahrens keine Rede sein. Die Feststellungen zur Anwesenheit von V-Leuten in den Landesvorständen der Antragsgegnerin und zu den das Mitglied des Bundesvorstands Jürgen Distler sowie die V-Männer Udo Holtmann und Tino Brandt betreffenden Ereignissen stützen sich ausnahmslos auf die Angaben der Antragsteller, so dass auch verbleibende Unstimmigkeiten unterschiedlicher Erklärungen keiner Aufklärung bedürfen. Die von den Antragstellern eingeräumten informationellen Kontakte mit V-Leuten im Bundesvorstand und in den Landesvorständen der Antragsgegnerin auch nach Einleitung des Verbotsverfahrens sind zweifelsfrei belegt.
b) Zweifelsfrei belegt ist auch die nicht unerhebliche Abstützung der Antragsbegründungen auf Äußerungen von Mitgliedern der Antragsgegnerin, die als V-Leute für staatliche Behörden tätig sind oder tätig waren, ohne dass dies offen zu einem Gegenstand der Erörterung im Verfahren gemacht worden ist oder noch gemacht werden könnte. Das betrifft zum einen Wolfgang Frenz, der mehr als 30 Jahre lang als Informant für den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen tätig gewesen war und dessen anschließend verfasste, besonders offen formulierte antisemitische Äußerungen als Autor des Buches “Der Verlust der Väterlichkeit” in allen Antragsschriften mit unterschiedlicher Häufigkeit als Beleg für eine entsprechende Grundeinstellung der Antragsgegnerin zitiert werden. Zum anderen kommen nach den Angaben der Antragsteller vier weitere V-Leute hinzu, die in den Antragsschriften aufgeführt seien, deren Äußerungen jedoch nur in einem Fall zeitlich mit der Tätigkeit als Informant zusammenfielen. Weder die Namen der betreffenden Personen noch deren Äußerungen wurden bekannt gegeben. Also kann der Senat nicht beurteilen, welche Teile des ihm im Verbotsverfahren vorgelegten Materials von staatlich geführten V-Leuten stammen und welche nicht.
c) aa) Eine besondere Ausnahmesituation, auf Grund deren die massive staatliche Präsenz auf den Vorstandsebenen der Antragstellerin auch nach Eingang der gemäß § 43 Abs. 1 BVerfGG gestellten Anträge hätte gerechtfertigt werden können, wird von den Antragstellern nicht geltend gemacht und ist auch nicht erkennbar. Die Antragsteller selbst haben die von ihnen als gegeben erachtete Notwendigkeit und Zulässigkeit des Einsatzes von V-Leuten auf den Vorstandsebenen der Antragsgegnerin ausschließlich mit den allgemeinen, im Regelfall bestehenden Informationsbedürfnissen im Rahmen der Beobachtung einer politischen Partei begründet, nämlich durch die oben erwähnte Äußerung im Schriftsatz vom 26. Juli 2002 (S. 29), Verfassungsschutzbehörden müssten besonderen Wert darauf legen, Informationen gerade aus den Vorständen der Partei zu erlangen, weil auf dieser Ebene Strategie und Taktik sowie die jeweils geplanten Aktionen besprochen würden.
Trotz dieses Selbstverständnisses geht aus den Maßnahmen der Antragsteller auch hervor, dass sie von Grenzen einer Fortsetzung der Beobachtung auf Führungsebene gerade auch im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren ausgegangen sind. Nach den Erklärungen der Prozessbevollmächtigten vom 17. Oktober und 29. November 2002 haben jedenfalls die Verfassungsschutzämter der Länder seit der Antragstellung durch die Bundesregierung keine V-Leute im Bundesvorstand der Antragsgegnerin geführt. Sonach hatten sie die Verfassungsrechtslage im Ansatz zutreffend eingeschätzt und sich an den zu erwartenden verfassungsrechtlichen Anforderungen ausgerichtet. Das gilt so zwar nicht für das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mit seinem Versuch, das Mitglied des Bundesvorstands, Jürgen Distler, anzuwerben, sowie für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das seinen V-Mann Udo Holtmann noch bis weit nach Stellung der Verbotsanträge im Januar 2002 weiter als Quelle benutzt hat. Das Bundesamt hat jedoch in der Vergangenheit selbst die Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Antragsgegnerin auf Vorstandsebene schon als grundsätzlich problematisch erkannt, wie die vorübergehende Abschaltung von Udo Holtmann 1995/1996 zeigt. Dieser hatte damals den kommissarischen Bundesvorsitz der Antragsgegnerin übernommen.
bb) Auch für eine ausnahmsweise Rechtfertigung dafür, dass die Antragsbegründungen nicht unerheblich auf Äußerungen führender Parteimitglieder gestützt sind, die zeitgleich oder zu früheren Zeitpunkten als V-Leute auch im Dienst staatlicher Stellen tätig waren, ist nichts ersichtlich. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte für etwa gefahrenbedingte Eilbedürftigkeit, die an einer Vorbereitung der Anträge mit sachgerechter Sorgfalt gehindert hätte. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die erforderliche Aufbereitung und Präsentation verlässlichen Tatsachenmaterials insbesondere auch durch eindeutig und klar der Antragsgegnerin zurechenbare Texte und Handlungen in dem Maße erschwert wird, in dem V-Leute innerhalb und außerhalb der Partei in führenden Funktionen agiert haben. Solche Risiken, wie sie im Entscheidungsfall angesichts des über viele Jahre beständig hohen Anteils von V-Leuten am Führungspersonal der Antragsgegnerin unübersehbar sind, sind bereits vor dem Einsatz nachrichtendienstlicher Methoden der Beobachtung abzuschätzen, können jedoch die späteren Pflichten der antragstellenden Verfassungsorgane nicht mindern, die diese Organe bei der Mitwirkung an einer rechtsstaatlich geordneten Ermittlung verlässlicher Tatsachen im verfassungsgerichtlichen Prozess als Grundlage für eine mögliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Antragsgegnerin zu erfüllen haben.
d) aa) Die rechtsstaatswidrige Verfehlung des Gebots strikter Staatsfreiheit der Antragsgegnerin im Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG ist nicht behebbar.
Ob bereits die festgestellten rechtsstaatlichen Defizite der Aufbereitung und Präsentation entscheidungserheblichen Tatsachenmaterials in den Antragsbegründungen für sich genommen wegen der nicht mehr zu beseitigenden Unklarheiten im Zusammenhang mit den Erfordernissen eindeutiger Zurechnung von Texten und Handlungen zur Antragsgegnerin als nicht behebbarer rechtsstaatlicher Schaden für das Verfahren zu werten sind, kann offen bleiben. Jedenfalls im Zusammenwirken mangelnder “Staatsfreiheit” des angebotenen Tatsachenmaterials mit der fehlenden Staatsfreiheit der Führungsebenen der Antragstellerin während des laufenden Verbotsverfahrens hat die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens schweren, nicht behebbaren Schaden genommen. Das Recht der Antragsgegnerin auf freie, selbstbestimmte Prozessführung und Selbstdarstellung vor dem Verfassungsgericht, dessen Gewährleistung von Beginn des Verfahrens an sicher sein muss, ist nachhaltig verletzt. Selbst wenn das Gericht trotz der fortbestehenden Unklarheiten bei der Zurechnung von Personen, Texten und Handlungen in der Lage wäre, zukünftig eine ausnahmslos hinreichend rechtsstaatlich geordnete Fortsetzung des Verfahrens zu garantieren, käme eine rückwirkende Kompensation der festgestellten Verstöße nicht in Betracht.
bb) Besondere Gründe, die mit Blick auf die speziellen präventiven Zwecke des Verfahrens gemäß Art. 21 Abs. 2 GG dessen Fortsetzung trotz der festgestellten schwerwiegenden Verstöße gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind gegenwärtig nicht erkennbar.
III.
Die Richter Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff sind der Auffassung, dass kein Verfahrenshindernis besteht. Sie halten die Fortführung des Verbotsverfahrens für geboten.
1. Ein Verfahrenshindernis besteht derzeit nicht.
a) Verfahrenshindernisse sind Umstände, die es ausschließen, dass über einen Verfahrensgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt wird. Es muss sich dabei um derart schwerwiegende Mängel des Verfahrens handeln, dass sie dem Verfahren als solchem entgegenstehen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Eröffnung oder die Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens gemessen an seinen Zielen tatsächlich unmöglich ist oder in einem unerträglichen Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen steht. Sobald feststeht, dass ein solches nicht behebbares Hindernis besteht, ist das Verfahren ohne eine Sachaussage zum Prozessgegenstand einzustellen.
Handelt es sich um weniger schwer wiegende oder auf andere Weise ausgleichbare Verfahrensmängel, verbietet sich eine Verfahrenseinstellung. Minder schwer wiegende Mängel können durch Rechtsfolgen ausgeglichen werden, die nicht das gesamte weitere Verfahren verhindern, wie etwa erhöhte Anforderungen an die Beweiswürdigung (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪292 f.≫; 101, 106 ≪126≫) oder Beweisverwertungsverbote (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪383≫). Sind in den Fällen, in denen bestimmte Informationsbeschaffungsmaßnahmen zu beanstanden sind, nicht sämtliche Tatsachengrundlagen betroffen, verbietet sich eine Verfahrenseinstellung als prozessuale Rechtsfolge jedenfalls dann, wenn die restliche Tatsachengrundlage die Durchführung des Verfahrens zulässt.
b) Die Gewährleistung von Recht erfolgt durch Gerichtsbarkeit. Gerichte dürfen sich der Justizgewähr grundsätzlich nicht entziehen, soweit nicht geschriebenes Prozessrecht oder andere zwingende Gründe eine Sachentscheidung unmöglich machen. Verweigert das Gericht wegen der Annahme eines gesetzlich nicht bestimmten Verfahrenshindernisses im Ergebnis die Entscheidung über die Sache, so verschließt es den rechtsstaatlich gebotenen Weg zur Rechtsgewähr mit der Konsequenz, dass nicht in einer befriedenden Weise festgestellt werden kann, was Rechtens ist. Für die Annahme eines Verfahrenshindernisses ist deshalb ein strenger Maßstab anzulegen. Denn das Gerichtsverfahren dient dem Rechtsstaatsprinzip gerade dadurch, dass es in gesetzmäßig förmlicher Weise die Ziele materieller Gerechtigkeit verwirklicht und Streit verbindlich schlichtet (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪296≫; 103, 111 ≪137 f.≫; Papier, Justizgewähranspruch, in: Isensee/Kirchhof ≪Hrsg.≫, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 153 Rn. 6; Zöllner, Materielles Recht und Prozessrecht, AcP 190 ≪1990≫, S. 471 ff.).
c) Aus diesem Grund lässt auch die gesamte Judikatur größte Zurückhaltung bei der Annahme von zur Einstellung des Verfahrens zwingenden Hindernissen obwalten. Der Bundesgerichtshof hat das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip nur dann in Betracht gezogen, wenn eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen einer Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr möglich ist (vgl. BGHSt 46, 159 ≪168 f.≫ m.w.N.). In den jeweiligen Einzelfällen hat der Bundesgerichtshof ein Verfahrenshindernis bei den geltend gemachten Verstößen gegen das Rechtsstaatsgebot selbst nicht angenommen, so bei erheblicher Verfahrensverzögerung (vgl. BGHSt 21, 81; 24, 239; 35, 137; 46, 159), bei Tatprovokation durch staatlich gelenkte Lockspitzel (vgl. BGHSt 32, 345; 33, 356; 45, 321 ≪324 ff.≫ m.w.N.) sowie bei Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden vom Verteidigungskonzept des Angeklagten (vgl. BGH, NStZ 1984, S. 419 f.). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Annahme eines Verfahrenshindernisses Zurückhaltung geübt (vgl. BVerwG, Buchholz 235 § 66 BDO Nr. 1).
d) Ein Verfahrenshindernis kann deshalb nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen vorliegen, in denen ein anerkennenswertes Interesse schon an der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens im Einzelfall nicht mehr besteht und eine Fortsetzung des Verfahrens rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbar ist. Lediglich dann, wenn die materiellen Ziele des Verfahrens tatsächlich nicht mehr oder nur bei Inkaufnahme unverhältnismäßiger Rechtsverletzungen zu verwirklichen sind, darf und muss gegebenenfalls ein zur Verfahrenseinstellung zwingendes Hindernis angenommen werden. Dem Gericht obliegt es allerdings, alle seine Möglichkeiten auszuschöpfen, um tatsächliche und rechtliche Hindernisse für eine Entscheidung in der Sache auszuräumen.
2. Im Parteiverbotsverfahren gegen die Antragsgegnerin sind bislang keine Umstände bekannt geworden, die die Fortführung des Verfahrens in seiner Gesamtheit tatsächlich unmöglich oder rechtlich unverhältnismäßig machen. Die nachrichtendienstliche Beobachtung einer politischen Partei kann zwar in mehrfacher Hinsicht für ein Parteiverbotsverfahren von Bedeutung sein. Der Umstand der nachrichtendienstlichen Beobachtung der Antragsgegnerin begründet aber weder im Hinblick auf den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien (a) noch wegen Fragen der Zurechnung der vorgelegten Erkenntnismittel (b) noch auf Grund der Pflicht zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens (c) ein Verfahrenshindernis. Etwaige Beeinträchtigungen der Antragsgegnerin können erst nach vollständiger Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen bei der Sachentscheidung berücksichtigt werden (3.).
a) Überschreiten die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ihre legitimen Aufgaben und erreicht eine nachrichtendienstliche Beobachtung das Ausmaß einer maßgeblichen staatlichen Steuerung des Parteiwillens in seiner Gesamttendenz, so kann es bereits an den Merkmalen einer Partei (vgl. § 2 PartG) fehlen und damit an einem möglichen Antragsgegner eines Verbotsverfahrens, weil Parteien grundsätzlich staatsfreie gesellschaftliche Zusammenschlüsse sind (vgl. hierzu BVerfGE 20, 56 ≪101≫; 73, 40 ≪87≫; 85, 264 ≪287≫). Hierfür genügt allerdings nicht jede staatliche Einwirkung, es muss sich vielmehr um eine zielgerichtete und die Willensbildung der Partei dem Grunde nach verformende Einflussnahme (Steuerung, Lenkung) handeln.
Eine staatliche Fremdsteuerung der Antragsgegnerin dieses Ausmaßes ist nicht ansatzweise erkennbar. Insbesondere ergeben sich aus der bekannt gewordenen Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit Mitgliedern des Bundesvorstandes und der Landesvorstände der Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür, dass das politische Erscheinungsbild der Antragsgegnerin nicht mehr das Ergebnis eines offenen gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses ist. Selbst dann jedoch, wenn von einer inhaltlichen und programmatischen Fremdsteuerung der Antragsgegnerin auszugehen wäre, so folgte daraus kein Verfahrenshindernis; die Antragsgegnerin verlöre vielmehr in diesem Fall als fremdgesteuerte Organisation ihre Parteiqualität. Der Verbotsantrag wäre deshalb in einer Entscheidung zur Sache als unzulässig zurückzuweisen (vgl. BVerfGE 91, 262 ≪266≫; 91, 276 ≪283≫).
b) Der Einsatz von V-Leuten kann auch für die Frage Bedeutung erlangen, ob und in welchem Umfang oder mit welchem Gewicht einzelne vorgelegte Erkenntnismittel für die Beurteilung der Verfassungswidrigkeit der Antragsgegnerin herangezogen werden dürfen. Erkenntnismittel für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit sind die Ziele der Partei und das Verhalten ihrer Anhänger (Art. 21 Abs. 2 GG). Manifestationen der Parteiziele und Verhaltensweisen der Parteianhänger können aber nur dann der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GG zu Grunde gelegt werden, wenn sie der Partei zuzurechnen sind. Das setzt voraus, dass sie die Partei als solche kennzeichnen, ihren politischen Kurs nicht nur vorübergehend widerspiegeln und damit eine Grundtendenz der Partei zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfGE 5, 85 ≪143≫). Soweit einzelne Äußerungen oder Verhaltensweisen von Parteimitgliedern oder Anhängern durch staatliche Stellen herbeigeführt oder provoziert wurden, dürfen sie nicht ohne weiteres der Partei im Rahmen der Beweiswürdigung zugerechnet werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Parteiverbotsverfahren für die Beurteilung der Zurechenbarkeit von Erkenntnismitteln alle prozessualen Mittel der Sachaufklärung zu nutzen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG), die nach der Verfahrensordnung dafür vorgesehen sind. Im Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG gilt der Grundsatz der Amtsermittlung. Die gerichtliche Aufklärungspflicht gestattet dem Bundesverfassungsgericht nicht, allein auf Grund einer möglichen mittelbaren staatlichen Einflussnahme durch V-Leute auf die Äußerungen oder Verhaltensweisen im Rahmen der Parteitätigkeit das Verfahren ohne weitere Prüfung abzubrechen.
Tatsachen, die sowohl für eine Prozessentscheidung als auch für eine Sachentscheidung erheblich sind, erst recht aber solche, die ohne prozessuale Bedeutung nur sachentscheidungserheblich sind, sind nach der Prozessordnung für das Verbotsverfahren in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung (§§ 25 Abs. 1, 45 BVerfGG) aufzuklären. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsätze der Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Verhandlung garantieren den Verfahrensbeteiligten umfassend die Gewährung von Gehör vor Gericht, dienen der Information der Allgemeinheit über den Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung und ermöglichen die Kontrolle gerichtlicher Tätigkeit (vgl. BVerfGE 103, 44 ≪63 f.≫). Eine verfahrensabschließende Entscheidung außerhalb der mündlichen Verhandlung wäre nur zulässig, wenn zwingende Gründe aus kollidierenden Rechtspositionen mit gleichem Gewicht sie gestatten. Das ist hier nicht der Fall.
Der Senat hatte bereits mit der Ladung vom 5. Dezember 2001 die Möglichkeit eröffnet, sich durch die Anhörung repräsentativer Vertreter der Antragsgegnerin ein aussagekräftiges Bild über die Grundtendenz der Partei zu machen. Möglicherweise verbleibende Unsicherheiten müssten im Rahmen der Sachentscheidung bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG gewürdigt werden, sie können nicht bereits vor Ausschöpfung der Mittel der Beweisaufnahme zu einem Verfahrenshindernis führen.
c) Ein Verfahrenshindernis ist auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens gegeben. Im gegenwärtigen Stand des Verfahrens lässt sich eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens nicht feststellen (aa). Selbst wenn ein Verstoß gegen zwingende rechtsstaatliche Erfordernisse vorliegen würde, wäre die Fortführung des Parteiverbotsverfahrens angesichts des vom Bundesverfassungsgericht zu beachtenden Zwecks des Art. 21 Abs. 2 GG, präventiv Gefahren abzuwehren, nach derzeitiger Lage nicht unverhältnismäßig (bb).
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat über die sich aus den allgemeinen Verfahrensgrundrechten ergebenden Anforderungen hinaus aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) einen Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren abgeleitet. An diesem allgemeinen Prozessgrundrecht, das auch im Parteiverbotsverfahren Geltung beansprucht (vgl. BVerfGE 104, 42 ≪50≫), sind alle diejenigen Beschränkungen zu messen, die von den speziellen Gewährleistungen und Verfahrensgarantien nicht erfasst werden (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪274 f.≫).
Der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf ein faires Verfahren umfasst insbesondere das Recht einer Prozesspartei, zur Wahrung ihrer Rechte im Rahmen einer von ihr ausgewählten Strategie effektiv Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 ≪111≫; 63, 380 ≪390 f.≫; 65, 171 ≪174 f.≫; 66, 313 ≪318≫). Verschafften sich die Antragsteller in dem kontradiktorischen Verfahren zielgerichtet Informationen über die Prozesstaktik der Antragsgegnerin, so könnte darin zwar ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens liegen. Dazu müsste aber bereits jetzt – vor einer Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung – positiv feststehen, dass die Verhandlungskonzeption der Antragsgegnerin in einer Weise ausgeforscht worden ist, die eine sachangemessene Rechtsverteidigung mit Blick auf den konkreten Verfahrensgegenstand endgültig unmöglich macht (vgl. Gössel, NStZ 1984, S. 420). Nur dies käme einer Art endgültiger Verhandlungsunfähigkeit infolge eines Umstands nahe, der den Antragstellern zuzurechnen ist. Der bloße Anschein oder die abstrakte Gefahr einer Ausforschung reichen hierfür nicht aus.
Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin infolge der nachrichtendienstlichen Beobachtung durch staatliche Stellen an einer sachgerechten Verteidigung im Verbotsverfahren gehindert wäre. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragsteller Kenntnis von Umständen erlangt haben, die das geplante Prozessverhalten der Antragsgegnerin im Verbotsverfahren betreffen. Im Erörterungstermin vom 8. Oktober 2002 haben die Antragsteller unwidersprochen erklärt, es seien kein Auftrag zur Ausforschung der Prozessstrategie erteilt und keine entsprechenden Informationen aus Vorstandssitzungen der Antragsgegnerin entgegen genommen worden. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2002 haben die Antragsteller darüber hinaus mitgeteilt, unter den Mitgliedern des Bundesvorstands der Antragsgegnerin befänden sich keine V-Leute. Für die Verfassungsschutzbehörden der Länder gelte dies seit der Antragstellung durch die Bundesregierung, für das Bundesamt für Verfassungsschutz seit der “Abschaltung” von Udo Holtmann Ende Januar 2002. Es liegen bislang auch keinerlei Erkenntnisse darüber vor, dass der enttarnte V-Mann Udo Holtmann oder sonstige Parteimitglieder der Antragsgegnerin staatlichen Stellen Informationen über das geplante Prozessverhalten der Antragsgegnerin verschafft haben.
Eine Verletzung des Rechts auf eine effektive Verteidigung käme im Übrigen erst dann in Betracht, wenn die Kenntnis der Antragsteller von erheblichen Umständen deren Verteidigungswirkung aufhebt oder mindert. Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Antragsteller von erheblichem Sachvortrag oder beabsichtigten Beweisanträgen der Antragsgegnerin Kenntnis erlangt haben und dass hierdurch die Wirksamkeit der Verteidigungsmittel beeinträchtigt worden ist. Sollten sich im Laufe des Verfahrens – durch tatsächliche Umstände begründete – Bedenken hinsichtlich der Effektivität der Verteidigung der Antragsgegnerin ergeben, so wäre diesen durch vorbereitende Ermittlungsmaßnahmen des Senats oder in der mündlichen Verhandlung nachzugehen.
bb) Selbst wenn Umstände bekannt wären, die eine Ausforschung des Verhaltens der maßgeblich am Verfahren beteiligten Funktionäre und Vertreter der Antragsgegnerin belegten, wäre die Fortführung des Parteiverbotsverfahrens erst dann mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, wenn das Gewicht der Beeinträchtigung den konkreten Präventionszweck des Parteiverbotsverfahrens überwöge. Denn mögliche Rechtsbeeinträchtigungen müssen, um ein Verfahrenshindernis begründen zu können, in Abwägung zu den Zielen und der Bedeutung des Verfahrens von solcher Art und solchem Gewicht sein, dass die Fortführung des gerichtlichen Verfahrens unverhältnismäßig wäre. Dies erfordert für das Parteiverbotsverfahren, nicht nur abstrakt die Bedeutung des Art. 21 Abs. 2 GG zu bestimmen, sondern auch die konkrete Gefahrenlage abzuschätzen, die von der politischen Partei für die geschützten Rechtsgüter dieser Vorschrift ausgehen. Eine solche Abwägung setzt eine Sachaufklärung und Beweisaufnahme im Hinblick auf alle abwägungsrelevanten Tatsachen voraus. Dabei müssen die Beteiligten Gelegenheit haben, zu diesen Tatsachen, gerade auch hinsichtlich der Gefährlichkeit der Partei vorzutragen. Dies gilt im vorliegenden Verfahren in besonderem Maße deshalb, weil die Antragsteller nach der Begründung ihrer Verbotsanträge eine etwaige Gefährlichkeit der Antragsgegnerin nicht als notwendige Voraussetzung für die begehrte Feststellung der Verfassungswidrigkeit ansehen und daher entsprechende abwägungsrelevante Tatsachen nicht vorgetragen haben.
(1) Eine Prozessbeendigung ohne Aufklärung der abwägungsrelevanten Tatsachen widerspricht der besonderen Justizgewährpflicht aus Art. 21 Abs. 2 GG i.V.m. §§ 43 ff. BVerfGG und kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht. Das Bundesverfassungsgericht wird von Art. 21 Abs. 2 GG als einziges Organ der freiheitlichen Rechtsordnung mit der Kompetenz und zugleich mit der Rechtspflicht betraut, auf Antrag über die Verfassungswidrigkeit einer Partei zu befinden. Es hat damit von Verfassungs wegen über ein Verfahren zu entscheiden, in dem es um die Wahrung von Grundwerten und maßgeblichen Voraussetzungen der Verfassungsordnung geht (vgl. Stern, aaO, S. 194 ≪198≫). Mit Art. 21 Abs. 2 GG und der Ausgestaltung durch § 46 BVerfGG fallen die exekutive Aufgabe der Gefahrenabwehr und die richterliche Rechtserkenntnis in einer besonderen Pflicht zur Justizgewähr zusammen.
(2) Art. 21 Abs. 2 GG zählt zu denjenigen Verfassungsvorschriften, mit denen einschneidend Grenzen der Freiheit sichtbar gemacht werden. Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG schützen die freiheitliche Ordnung und den Bestand des Verfassungsstaates gegen den sie gefährdenden Missbrauch von Freiheitsrechten (vgl. BVerfGE 5, 85 ≪139≫). Diese Normentrias gehört zu den Kernbestimmungen für den präventiven Schutz der Verfassung. Sie soll sicherstellen, dass der Gebrauch der Grundrechte, die das Grundgesetz dem Staatsbürger als Einzelnem oder Organisiertem zu Zwecken der maßgeblichen Mitwirkung bei der Staatswillensbildung garantiert, innerhalb der für die dauerhafte Erhaltung der Freiheit notwendigen Grenzen der Grundordnung bleibt (vgl. Becker, in: Isensee/Kirchhof ≪Hrsg.≫, Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 1992, § 167 Rn. 50). Damit hat das Grundgesetz historische Erfahrungen aufgegriffen und für bestimmte außergewöhnliche Gefahrenlagen, die noch in der Weimarer Zeit entweder hingenommen wurden oder den Ruf nach dem Ausnahmezustand und damit nach einer extrakonstitutionellen Krisenbewältigung ausgelöst haben (vgl. etwa C. Schmitt, Die Diktatur des Reichspräsidenten, VVDStRL 1 (1924), S. 63 ≪91 f.≫), Lösungen gefunden.
Das Grundgesetz will auch den Feinden der Freiheit nur mit verfassungsmäßigen, rechtsstaatlichen und freiheitsschonenden Mitteln begegnen, muss aber gerade deshalb auch über wirksame Instrumente zum Schutz der freiheitlichen Ordnung verfügen. Hierzu zählt das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG i.V.m. § 46 BVerfGG; sein Zweck besteht darin, Gefahren rechtzeitig abzuwehren, die der in Art. 21 Abs. 1 GG garantierten Freiheit der politischen Willensbildung von einer verfassungswidrigen Partei drohen können (vgl. BVerfGE 5, 85 ≪142≫; 9, 162 ≪165≫).
(3) Der dem Bundesverfassungsgericht gegebene Präventionsauftrag erfordert die Aufklärung des konkreten Ausmaßes der Gefahr für die Rechtsgüter des Art. 21 Abs. 2 GG, wenn das Verfahren ohne Sachentscheidung eingestellt werden soll. Dies gilt insbesondere nach dem Beschluss, die Verhandlung durchzuführen (§ 45 BVerfGG). Das Verfahren betreffende Rechtsbeeinträchtigungen, sofern sie überhaupt als Verfahrenshindernisse in Betracht kommen, sind ebenfalls hinreichend zu ermitteln, damit die dann notwendige abwägende Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens auf einer prozessual gesicherten Tatsachengrundlage erfolgen kann. Gegenstand des Parteiverbotsverfahrens ist nicht eine allgemeine Rechtskontrolle, was Nachrichtendiensten erlaubt ist oder nicht, sondern die Entscheidung über das beantragte Verbot. Der Antragsgegnerin bleibt es unbenommen, sich gegen eine für rechtswidrig erachtete Beobachtung durch den Verfassungsschutz fachgerichtlich zu wehren (vgl. BVerwGE 110, 126 ff.).
Geht von einer politischen Partei eine konkret nachweisbare Gefahr für den Fortbestand des freiheitlichen Verfassungsstaates aus, so darf das Bundesverfassungsgericht etwaige Verstöße gegen den allgemeinen Grundsatz des fairen Verfahrens bei der Abwägung nicht als überwiegend ansehen. Bei einer wirkungslosen und unbedeutenden Partei kann demgegenüber die Abwägung je nach dem Gewicht tatsächlich festgestellter Verfassungsverstöße anders ausfallen. In beiden Fällen wird über den Antrag auf Verbot in der Sache entschieden. Das Gewicht des mit dem Parteiverbotsverfahren verfolgten Präventionszwecks hängt dabei nicht nur von der Frage ab, welches Gefahrenpotenzial eine möglicherweise verfassungswidrige politische Partei für den Fortbestand des freiheitlichen Verfassungsstaates aufweist. Klärungsbedürftig ist insoweit auch, ob in parteitypisch organisierter Weise Angriffe auf die Würde des Menschen erfolgen, ohne dass dadurch bereits die freiheitliche demokratische Grundordnung als solche in ihrem Bestand gefährdet sein müsste.
Das Grundanliegen einer Verfassung, die sich nicht durch den Missbrauch der von ihr gewährleisteten Freiheitsrechte zur Disposition stellen lassen will und mit gleicher Entschiedenheit der Verächtlichmachung und Herabwürdigung von Menschen oder Gruppen von Menschen entgegentritt (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG), wäre verfehlt, wenn der Senat ein Verfahrenshindernis annähme, ohne die konkrete Gefährlichkeit der Partei und mögliche Verstöße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens hinreichend aufzuklären, die rechtliche Bedeutung mit den Beteiligten zu erörtern und sodann die rechtlichen Belange gegeneinander abzuwägen.
Sind die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und das Verbot einer Partei beantragt, muss das Bundesverfassungsgericht mögliche Rechtsbeeinträchtigungen im Verfahren den Auswirkungen der rechtlich ansonsten kaum beschränkbaren Fortexistenz der Partei gegenüberstellen. Denn auf Grund der besonderen Stellung der Parteien und wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit müsste der freiheitliche Verfassungsstaat eine solche Partei dulden, und gegebenenfalls sogar fördern und finanzieren. Ob dies hinzunehmen ist, kann das Gericht nach Antragstellung durch die zuständigen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung in aller Regel erst im Rahmen einer mündlichen Verhandlung und nach Aufklärung und Würdigung aller Umstände entscheiden.
(4) Es ist die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, selbst für die notwendige Aufklärung des Sachverhalts zu sorgen. § 26 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG bestimmt, dass das Bundesverfassungsgericht den zur Erforschung der Wahrheit erforderlichen Beweis erhebt. Dieser Untersuchungsgrundsatz begründet für das Gericht nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln (vgl. BVerfGE 93, 248 ≪256 f., 259≫). Es ist dabei nicht auf den von den Beteiligten vorgetragenen Sachverhalt beschränkt, sondern hat umfassend die dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Tatsachen zu erforschen (vgl. BVerfGE 1, 299 ≪316≫). Dies gilt im Parteiverbotsverfahren gerade nach Abschluss des “Vorverfahrens” (§ 45 BVerfGG), wenn – wie vorliegend – das Bundesverfassungsgericht den Parteiverbotsantrag als zulässig und hinreichend begründet beurteilt hat (vgl. Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 494). Denn während der nach § 45 BVerfGG zu treffende Beschluss eine vorläufige Bewertung nach Aktenlage darstellt, die allein auf Grund des Vorbringens des Antragstellers und der Erwiderung des Antragsgegners vorzunehmen ist (vgl. Geiger, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, 1952, § 37 Anm. 2), darf sich das Bundesverfassungsgericht im “Hauptverfahren” nicht allein mit dem Vorbringen der Beteiligten begnügen; es muss von Amts wegen alle entscheidungserheblichen Tatsachen ermitteln. Dabei kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen neues Beweismaterial im Wege der Beschlagnahme und Durchsuchung sicherstellen (§§ 47, 38 Abs. 1 BVerfGG i.V.m. §§ 94 ff. StPO) und eine Voruntersuchung anordnen (§§ 47, 38 Abs. 2 BVerfGG). Darüber hinaus kann das Bundesverfassungsgericht weitere Ermittlungsmaßnahmen und Beweiserhebungen zur Erforschung der entscheidungserheblichen Umstände vornehmen.
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass dem Bundesverfassungsgericht sogar die Befugnis eingeräumt wird, verfassungsrechtlich relevante Belange des staatlichen Geheimschutzes zugunsten einer für die Beteiligten verfahrensöffentlichen Beweiserhebung zu durchbrechen. Die Regelungen der §§ 26 Abs. 2, 28 Abs. 2 BVerfGG unterstreichen einerseits die hohe Verantwortung, die der Gesetzgeber dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Beweiserhebung in staatsschutzbezogenen Verfahren im Gefüge der Verfassungsorgane zugewiesen hat. Andererseits zeigt § 28 Abs. 2 BVerfGG, dass der Gesetzgeber für den Fall der erforderlichen qualifizierten Mehrheit der Wahrheitsfindung den Vorrang vor dem staatlichen Geheimschutz einräumt. Dem Bundesverfassungsgericht ist es nicht gestattet, von vornherein unter Hinweis auf entgegenstehende Geheimschutzbelange oder die besondere Verfahrensverantwortung von Beteiligten auf die Ermittlung entscheidungserheblicher Tatsachen zu verzichten.
(5) Bei der Entscheidung, ob etwaige verfahrensrechtliche Beeinträchtigungen im Verbotsverfahren zu einer Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens führen, die die weitere Durchführung des Verfahrens unmöglich machen, müssen die verfassungsrechtlichen Belange des präventiven Verfassungsschutzes in angemessener Weise in die Abwägung eingestellt werden. Hierbei ist davon auszugehen, dass die verfassungsrechtliche Verpflichtung staatlicher Stellen, verfassungswidrige Bestrebungen zu ermitteln und gegebenenfalls gegen diese vorzugehen (vgl. Art. 73 Nr. 10b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG), grundsätzlich nicht durch die Anhängigkeit eines Parteiverbotsverfahrens aufgehoben wird. Das Recht und die Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung gelten für die zuständigen Organe vom Zeitpunkt der Entstehung eines Gefahrenverdachts im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG auf Grund konkreter Tatsachenhinweise bis zur verfahrensabschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Mit der Antragstellung geht die Verfahrensherrschaft im Parteiverbotsverfahren auf das Bundesverfassungsgericht über, die Pflicht des Staates, alle zur Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG erforderlichen Maßnahmen zu treffen, besteht aber fort.
Gerade der Schutz von Individualrechtsgütern wie Würde, Leben und Gesundheit, der staatlichen Stellen obliegt, kann es auch von Verfassungs wegen erfordern, unabhängig vom Verbotsverfahren die nachrichtendienstliche Beobachtung in geeigneter Weise fortzusetzen. Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten nicht, für die Dauer des Verfahrens Gefahren für geschützte Rechtsgüter, zumal unbeteiligter Dritter, hinzunehmen. Dies ist etwa im Hinblick auf den von den Antragstellern erhobenen Vorwurf, die Antragsgegnerin schüchtere mit ihrem Konzept “befreiter Zonen” gezielt Andersdenkende und Minderheiten ein, von Bedeutung. Im Rahmen des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG – einer Vorschrift, die den besonderen Gefahren begegnen soll, welche mit der Existenz einer von einer verfassungsfeindlichen Grundtendenz geprägten Partei und ihrer verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten typischerweise verbunden sind (vgl. BVerfGE 25, 44 ≪56≫) – sind deshalb auch die rechtlichen Möglichkeiten und Befugnisse staatlicher Stellen zu berücksichtigen, durch die sie ihren Auftrag zum Verfassungsschutz erst wirksam erfüllen können.
(a) Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nach Art. 21 Abs. 2 GG – eine im Grundgesetz selbst angelegte Freiheitsbegrenzung, die dem Missbrauch der politischen Betätigungsfreiheit durch eine Partei vorbeugen soll – setzt das vorherige Sammeln von Informationen über verfassungswidrige Bestrebungen der Partei voraus (vgl. Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 2, 4. Aufl., 2000, Art. 21 Rn. 115; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 21 Rn. 37). Diese Aufgabe obliegt den Verfassungsschutzämtern (vgl. Art. 73 Nr. 10b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG); sie können sich nicht darauf beschränken, nur solches Tatsachenmaterial zusammen zu tragen, das an die Öffentlichkeit dringt. Da verfassungswidrige Parteien häufig aus taktischem Kalkül ihre wahren Absichten verschleiern und sich konspirativ verhalten (vgl. BVerfGE 2, 1 ≪20≫; 5, 85 ≪144≫), müssen die Verfassungsschutzämter in der Lage sein, ihre Informationen ebenfalls unter Geheimhaltung und Tarnung zu gewinnen, um der geheimen Arbeitsweise der Verfassungsgegner auf die Spur zu kommen. Daher ist es grundsätzlich erforderlich, zur Informationsgewinnung auch nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen (vgl. BVerfGE 30, 1 ≪18 f.≫; H. H., Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 21 Rn. 579 ≪März 2001≫).
Der Einsatz von V-Leuten kann im Einzelfall notwendig sein (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG); er ist aber nur zulässig, soweit er – unter strikter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. § 9 Abs. 1 BVerfSchG) – ausschließlich der Informationsbeschaffung dient (vgl. BVerwGE 110, 126 ≪130 ff.≫). Häufig können allein mit Hilfe von V-Leuten interne, nicht öffentlich verfügbare Informationen über den Aufbau extremistischer Organisationen, die Führungspersonen, die tatsächlichen – nicht nur die öffentlich deklarierten – Ziele, die Strategie und Taktik, die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen und Kampagnen sowie über die Mitgliederzahl und die Verbindungen zu anderen Organisationen erlangt werden. Insbesondere können mittels geheimer Informanten Erkenntnisse über interne Äußerungen und mündliche Erörterungen innerhalb der Organisation gewonnen werden, durch die eine genaue Bewertung der öffentlich gemachten Erklärungen häufig erst möglich wird.
(b) Diese Gründe, die außerhalb eines Parteiverbotsverfahrens eine nachrichtendienstliche Beobachtung einer Partei durch V-Leute im Einzelfall rechtfertigen können, gelten grundsätzlich auch während eines anhängigen Parteiverbotsverfahrens. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass für die antragstellenden Verfassungsorgane noch nicht sicher ist, ob der Antrag auf ein Parteiverbot zum Erfolg führt und die Verfassungswidrigkeit der Partei festgestellt wird. Der Zweck der nachrichtendienstlichen Beobachtung, aus Gründen des präventiven Verfassungsschutzes Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu sammeln, besteht auch während des anhängigen Parteiverbotsverfahrens fort, wenn nur auf diese Weise (neue) Erkenntnisse über die Gefahren gewonnen werden können, die von der Partei möglicherweise ausgehen.
Unabhängig hiervon ist bei der Abwägung in Rechnung zu stellen, dass die nach § 43 BVerfGG zur Stellung eines Parteiverbotsantrags befugten Verfassungsorgane im Einzelfall auch in der Lage sein müssen, während des laufenden Verfahrens die Verfassungswidrigkeit der Partei einschätzen zu können und dem Gericht die zur Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GG erforderlichen Informationen zu verschaffen. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist regelmäßig die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Durchführung der mündlichen Verhandlung. Da bis zu diesem Zeitpunkt nach der Stellung eines Parteiverbotsantrags aber ein erheblicher Zeitraum verstrichen sein kann, kann es zu dem von Art. 21 Abs. 2 GG bezweckten Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geboten sein, in diesem Zeitraum mit nachrichtendienstlichen Mitteln Erkenntnisse über verfassungswidrige Bestrebungen innerhalb der Partei zu gewinnen, um dem Bundesverfassungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung eine verlässliche Tatsachengrundlage für die Beurteilung zu verschaffen. Dies gilt in besonderem Maße deshalb, weil die Partei, gegen die ein Verbot beantragt wird, regelmäßig bestrebt sein wird, sich während des laufenden Verbotsverfahrens als verfassungskonform darzustellen. Um feststellen zu können, ob öffentliche Erklärungen und Handlungen der Partei und ein etwaiges nach außen abgegebenes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch dem wahren Bild der Partei entsprechen, kann es notwendig sein, Informationen aus dem Führungskreis der Partei zu erlangen. Müsste demgegenüber in jedem Fall bei Beginn des Verbotsverfahrens die nachrichtendienstliche Beobachtung eingestellt werden, könnte im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung eine sachgerechte Beurteilung nicht mehr möglich sein.
(6) Die Annahme, der Einsatz von V-Leuten auf der Ebene des Bundesvorstands oder der Landesvorstände einer Partei unmittelbar vor oder nach Anhängigkeit eines Verbotsverfahrens begründe grundsätzlich ein nicht behebbares Verfahrenshindernis, wird der verfassungsrechtlichen Stellung und Verantwortlichkeit der Beteiligten des kontradiktorischen Parteiverbotsverfahrens nicht gerecht. Die Verfassungsorgane, die nach § 43 BVerfGG berechtigt sind, einen Parteiverbotsantrag zu stellen, haben nicht in jedem Fall Einfluss auf den Umfang und die Intensität einer nachrichtendienstlichen Beobachtung. Dies gilt insbesondere für den Deutschen Bundestag, aber auch für den Bundesrat, die selbst über exekutive Befugnisse zur nachrichtendienstlichen Beobachtung nicht verfügen. Es besteht auch keine Vermutung dahingehend, dass die möglichen Antragsteller eines Parteiverbotsverfahrens etwaige unzulässig erlangte Informationen regelmäßig kennen oder eine übermäßige nachrichtendienstliche Beobachtung dulden oder in sonstiger Weise hierfür verantwortlich sind.
(7) Der Hinweis darauf, in der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass eine Einstellung des Verfahrens nicht zu einer abschließenden Entscheidung über die Zulässigkeit künftiger Verbotsanträge führe und erneute Anträge ohne weiteres möglich blieben und insbesondere nicht auf neue Tatsachen gestützt werden müssten, hilft nicht weiter. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Parteiverbotsverfahren alle Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln, die für oder gegen die Verfassungswidrigkeit gemäß Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG sprechen. Auch wenn die Verfassungsschutzbehörden alle Kontakte zu Mitgliedern des Bundesvorstands oder in Landesvorständen unmittelbar vor Antragstellung beenden würden, könnten Äußerungen dieser Vorstandsmitglieder für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit vom Bundesverfassungsgericht herangezogen werden. Das Gericht ist insoweit auch nicht auf die Beweisanregungen der Antragsteller beschränkt. Die Frage der Beweiskraft oder des Beweiswertes der Äußerungen von Personen, die als V-Leute tätig gewesen sind, stellt sich unabhängig davon, ob die Zusammenarbeit im Zusammenhang mit einem Parteiverbotsantrag nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG beendet worden ist.
3. Sofern das Ergebnis der nach Ansicht der Richter Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff erforderlichen Fortführung des Verfahrens dahin ausfiele, dass die Antragsgegnerin ungeachtet einer möglichen Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit keine nennenswerte parteispezifische Gefährlichkeit aufweist, wäre der Senat frei, durch verfahrenssichernde Maßnahmen des Gerichts nicht abzuwendende oder zu mildernde Verstöße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens angemessen zu gewichten. In diesem Fall wäre es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, durch Fortentwicklung des Verfassungsrechts auch eine solche besondere Fallgestaltung in der Sache zu entscheiden. Es entspricht der besonderen Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit, das Verfassungsrecht durch Entscheidungen zu entwickeln und den Rechtsfrieden für die Zukunft zu sichern (vgl. BVerfGE 1, 351 ≪359≫). Ausschließlich im Rahmen einer Sachentscheidung hätte der Senat auch die Gelegenheit gehabt, über die Fortentwicklung des Verfassungsrechts im Hinblick auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die verhältnismäßige Parteiverbote als Ausdruck des Gedankens einer wehrhaften Demokratie akzeptieren (vgl. EGMR, Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei ≪TBKP≫ u.a. gegen Türkei, Reports of Judgments and Decisions 1998-I, S. 1 ff.; Partei für Freiheit und Demokratie ≪ÖZDEP≫ gegen Türkei, Reports of Judgments and Decisions 1999-VIII, S. 293 ff.; Wohlfahrtspartei ≪REFAH≫ u.a. gegen Türkei, Urteil vom 13. Februar 2003 ≪Nr. 41340/98, 41342-44/98≫), zu entscheiden. Die Entwicklung der Auslegung von Vorschriften des Grundgesetzes im Verfassungsprozess dient der Realisierung des materiellen Verfassungsrechts (vgl. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 5. Aufl., Rn. 54). Dabei sind Freiheit und Sicherheit, staatliche Handlungsfähigkeit und rechtsstaatliche Bindungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dieses gerade auch für die Auslegung von Art. 21 Abs. 2 GG bedeutsame Ziel ist mit einer Prozessentscheidung nicht zu erreichen, dazu bedarf es der Sachentscheidung.
Unterschriften
Hassemer, Sommer, Jentsch, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 920315 |
EuGRZ 2003, 291 |
NPA 2003, 0 |