Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 22.01.1998; Aktenzeichen 1 Ss 1579/97) |
LG Siegen (Urteil vom 13.08.1997; Aktenzeichen Ns 14 Ds 31 Js 806/94) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Dem Beschwerdeführer wird eine Mißbrauchsgebühr in Höhe von 250,- DM (in Worten: zweihundertfünfzig Deutsche Mark) auferlegt.
Gründe
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine strafgerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe.
I.
1. Wegen Unterhaltspflichtverletzung (§ 170b Abs. 1 StGB) verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten. Seine hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht mit Urteil vom 13. August 1997 gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Die gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Revision des Beschwerdeführers hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluß vom 22. Januar 1998 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Mit seiner gegen das Berufungsurteil und den seine Revision verwerfenden Beschluß des Oberlandesgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Beschwerdeführer zur Berufungshauptverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden, weil die Voraussetzungen der unter einer Anschrift in W. bewirkten Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 37 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 182 ZPO) nicht vorgelegen hätten. Denn der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Niederlegung unter dieser Anschrift keine Wohnung unterhalten.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei auch darin zu sehen, daß das Oberlandesgericht bereits unter dem 22. Januar 1998 entschieden und damit gegen § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen habe. Denn der Antrag der Staatsanwaltschaft (beim Revisionsgericht) auf Verwerfung der Revision sei dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers erst am 13. Januar 1998 zugegangen. Hätte das Oberlandesgericht die gesetzliche Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO abgewartet, hätte ein am 29. Januar 1998 beim Revisionsgericht eingegangener Schriftsatz des (vormaligen) Verteidigers des Beschwerdeführers berücksichtigt werden können mit der Folge, daß das Oberlandesgericht zu einer Aufhebung des landgerichtlichen Urteils gelangt wäre.
Im übrigen sei durch die Verurteilung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Delikt der Unterhaltspflichtverletzung sei von der Staatsanwaltschaft in seinem Gehalt so gering angesehen worden, daß mit Verfügung vom 29. März 1995 sogar vorläufig gemäß § 153a Abs. 1 StPO davon abgesehen worden sei, die öffentliche Klage zu erheben. Erst als eine regelmäßige Erfüllung der Auflagen nicht habe festgestellt werden können, sei Anklage erhoben worden. Die Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe stehe im groben Mißverhältnis zu der vorherigen vorläufigen Einstellung durch die Staatsanwaltschaft und widerspreche dem Grundgedanken des § 47 StGB, wonach kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden, zumindest zur Bewährung auszusetzen seien.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits nicht zulässig erhoben worden. Der Rügevortrag entspricht trotz anwaltlicher Vertretung des Beschwerdeführers in mehrfacher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen an eine substantiierte Begründung nach Maßgabe der §§ 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, 92 BVerfGG:
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts richtet, muß eine verfassungsrechtliche Überprüfung schon deshalb ausscheiden, weil der Beschwerdeführer weder seine Revisionsrechtfertigung vorgelegt noch sonst – wenigstens durch Vorlage des Verwerfungsantrags der Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht – hinreichend dargelegt hat, daß er die mit der Verfassungsbeschwerde beanstandete Verletzung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO im Revisionsverfahren tatsächlich gerügt hat. Insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit der Geltendmachung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge (vgl. z.B. BGHSt 21, 242 ≪243≫; 28, 384 ≪386≫ und BGH NJW 1987, S. 1776/1777) kann auf die Vorlage der Revisionsrechtfertigung im Verfassungsbeschwerde-Verfahren nicht verzichtet werden. Denn das Bundesverfassungsgericht wird nur so in die Lage versetzt, den Beschluß des Revisionsgerichts auf die behaupteten Verfassungsverstöße hin zu überprüfen.
2. In Richtung auf das Verwerfungsurteil des Landgerichts bleibt aus demselben Grund offen, ob der Beschwerdeführer die Rüge, im Zeitpunkt der Ladung nicht unter der angegebenen Anschrift gewohnt und deshalb von der Anberaumung der Berufungshauptverhandlung keine Kenntnis erlangt zu haben, durch die formgerechte Anbringung einer entsprechenden Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend gemacht und damit den Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft hat.
3. Ein nicht heilbarer Substantiierungsmangel steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde deshalb auch insoweit entgegen, als der Beschwerdeführer seine Gehörsrüge damit begründet, das Oberlandesgericht habe die Frist zur Abgabe einer Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO vor Erlaß seiner Revisionsentscheidung nicht eingehalten. Den nach der Darstellung des Beschwerdeführers am 29. Januar 1998 und damit ohnehin erst nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz seines (vormaligen) Verteidigers hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt, so daß seine Erheblichkeit nicht überprüft werden kann. Aus der Verfassungsbeschwerde-Begründung geht im übrigen nicht hervor, ob es sich bei diesem Schriftsatz lediglich um eine nicht angekündigte Ergänzung einer bereits vorliegenden Gegenerklärung gehandelt hat, so daß das Revisionsgericht ohnehin nicht daran gehindert gewesen wäre, schon vor Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO zu entscheiden. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stünde insoweit aber auch der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Sollte dem Beschwerdeführer oder seinem Verteidiger (§ 145a Abs. 1 StPO) tatsächlich nur eine verkürzte Frist zur Abgabe der Gegenerklärung gewährt worden sein, steht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen, in entsprechender Anwendung von § 33a StPO beim Oberlandesgericht die Nachholung des rechtlichen Gehörs zu beantragen. Das Antragsverfahren nach § 33a StPO gehört zum Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 42, 243 ≪250≫ = NJW 1976, S. 1837, 1839; BGHR StPO § 33a Satz 1 Anhörung 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 33 Rn. 1 sowie § 349 Rn. 17 a.E. und 26 m.w.N.).
4. Einen in Bezug genommenen weiteren Schriftsatz vom 23. Oktober 1997 und die ihm beigefügte eidesstattliche Versicherung hat der Beschwerdeführer ebensowenig vorgelegt wie die ebenfalls in Bezug genommene Anklageschrift und den Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts. Entsprechendes gilt für die Vorlage etwaiger Vernehmungsprotokolle, aus denen sich Äußerungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner ladungsfähigen Anschrift ergeben könnten. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht einmal das angefochtene Berufungsurteil (Urteilsausfertigung, Seite 3) vollständig vorgelegt hat, fällt neben den aufgezeigten Mängeln nicht mehr entscheidend ins Gewicht.
5. Im übrigen beschränkt sich der Beschwerdeführer inhaltlich auf die Beanstandung einfachen Rechts und verkennt dabei ersichtlich das auf den Grundsätzen eines spezifischen Rechtsschutzbedürfnisses und der Subsidiarität beruhende Wesen der Verfassungsbeschwerde (vgl. z.B. BVerfGE 60, 360 ≪370≫). Zwar ist auch staatliches Strafen grundsätzlich der aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unterworfen (vgl. BVerfGE 92, 277 ≪326≫). Das Bundesverfassungsgericht prüft in diesem Zusammenhang aber nur nach, ob dem Übermaßverbot durch die Rechtsfolgenentscheidung der Strafgerichte überhaupt Rechnung getragen und seine Tragweite bei der Auslegung und Anwendung des Strafrechts grundlegend verkannt worden ist, nicht dagegen, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind oder ob eine andere Entscheidung näher gelegen hätte (vgl. BVerfGE 95, 96 ≪141≫).
III.
Dem Beschwerdeführer ist eine Mißbrauchsgebühr gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG in der als angemessen erscheinenden Höhe von 250,- DM aufzuerlegen, weil die Einlegung der Verfassungsbeschwerde als mißbräuchlich anzusehen ist.
Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben, die Allgemeinheit und insbesondere die Grundrechtsverwirklichung des Einzelnen von Bedeutung sind; es ist jedoch nicht gehalten hinzunehmen, daß es in der Erfüllung dieser Aufgabe durch – wie hier – an gravierenden Zulässigkeitsmängeln leidende Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern nur mit erheblicher Verzögerung in deren Angelegenheiten Grundrechtsschutz zu gewähren vermag (stRspr; vgl. z.B. BVerfG NJW 1992, S. 1952; NJW 1995, S. 1418 und NJW 1996, S. 2785). Dem Beschwerdeführer war zuzumuten, wenigstens durch seinen anwaltlichen Vertreter vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen und dem Umfang der Nachprüfung strafgerichtlicher Entscheidungen im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zu ermitteln. Eine Sorgfaltspflichtverletzung seines Verfahrensbevollmächtigten muß sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen. Sollte die Einlegung der Verfassungsbeschwerde auf einer unzulänglichen anwaltlichen Beratung beruhen, bleibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Geltendmachung eines entsprechenden Regreßanspruchs unbenommen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Kruis, Winter
Fundstellen