Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 27.02.2013; Aktenzeichen 509 C 11880/12) |
AG Hannover (Urteil vom 21.01.2013; Aktenzeichen 509 C 11880/12) |
Tenor
1. Das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21. Januar 2013 – 509 C 11880/12 – und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27. Februar 2013 – 509 C 11880/12 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 103 Absatz 1 und aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.
Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Hannover zurückverwiesen.
2. Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine zivilrechtliche Auseinandersetzung über die Rückzahlung eines Bearbeitungsentgelts, das im Zusammenhang mit der Gewährung eines Verbraucherdarlehens von einer Bank erhoben wurde.
Die Beschwerdeführerin, Klägerin des Ausgangsverfahrens, nahm bei der beklagten Bank ein zu verzinsendes Verbraucherdarlehen in Höhe von 10.000 EUR auf, für das die Bank neben der Verzinsung ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 300 EUR, mithin 3 % des Nettokreditbetrages erhob. Nachdem die Beschwerdeführerin, die die Erhebung eines einmaligen Bearbeitungsentgelts als unzulässig ansah, die Bank ergebnislos zu dessen Rückzahlung aufgefordert und der Ombudsmann der privaten Banken wegen der grundsätzlichen Bedeutung der sich stellenden Rechtsfrage von einer Schlichtung abgesehen hatte, erhob sie Klage zum Amtsgericht. Sie stützte ihre Forderung auf die Unwirksamkeit der das Bearbeitungsentgelt vorsehenden Klausel und bezog sich auf mehrere obergerichtliche Entscheidungen, die ein formularmäßig erhobenes Bearbeitungsentgelt neben dem vertraglichen Darlehenszins als unangemessene Benachteiligung des Bankkunden und daher als geschäftsbedingungsrechtlich unwirksam eingestuft hätten.
Das Amtsgericht beschloss, den Rechtsstreit gemäß § 495a ZPO im schriftlichen Verfahren zu betreiben; der beklagten Bank gab es auf, innerhalb von zwei Wochen auf die Klage schriftlich zu erwidern. Nach Eingang der Klageerwiderung verfügte das Amtsgericht am 21. Dezember 2012 die formlose Übermittlung einer Durchschrift an die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin „zur evtl. Stellungnahme binnen 3 Wochen”; ausweislich eines Vermerks der Serviceeinheit des Amtsgerichts wurde die Verfügung noch am selben Tag ausgeführt. Am 21. Januar 2013 entschied das Amtsgericht ohne mündliche Verhandlung im Verfahren gemäß § 495a ZPO unter Hinweis auf eine „Erklärungsfrist bis zum 17.01.2013” mit dem von der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil auf Klageabweisung, ohne die Berufung zuzulassen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass Verträge zu halten seien. Die Beschwerdeführerin habe aufgrund der „wesentlichen und vereinbarten Vertragsleistungen” gewusst, dass sie im Gegenzug für die Darlehensgewährung eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 300 EUR und zudem Zinsen zu zahlen habe. Rechtliche Gesichtspunkte wie Übervorteilung, arglistige Täuschung oder Sittenwidrigkeit, die die „nicht in einer allgemeinen Geschäftsbedingung” stehende Vereinbarung unwirksam erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Am 22. Januar 2013 ging bei der Serviceeinheit der zuständigen Abteilung des Amtsgerichts die am 21. Januar 2013 an die elektronische Posteingangsstelle/Telefaxannahmestelle des Amtsgerichts übermittelte Replik der Beschwerdeführerin per Fax ein, in der unter Hinweis auf den Preisaushang und eine als Anlage beigefügte Produktinformation der beklagten Bank ausgeführt wurde, dass es sich bei der Entgeltvereinbarung um eine von der Bank gestellte allgemeine Geschäftsbedingung handle, die unwirksam sei.
Die Beschwerdeführerin erhob fristgerecht Gehörsrüge (gemäß § 321a ZPO) gegen das Urteil. Sie machte geltend, es sei unklar, ob das Gericht die am 21. Januar 2013 gefaxte Replik überhaupt berücksichtigt habe, weil das Urteil am selben Tag ergangen sei. Auch sei die im Urteil genannte Erklärungsfrist unzutreffend, weil die Klageerwiderung ihren Prozessbevollmächtigten erst am 2. Januar 2013 ohne Empfangsbekenntnis zur Stellungnahme binnen drei Wochen zugegangen und demzufolge die Stellungnahmefrist bei Erlass des Urteils noch nicht abgelaufen gewesen sei. Im Übrigen warf die Beschwerdeführerin dem Amtsgericht vor, ihr Klagevorbringen nicht berücksichtigt und unangekündigt eine der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung zuwiderlaufende Überraschungsentscheidung getroffen zu haben, ohne die Berufung zuzulassen.
Das Amtsgericht wies die Gehörsrüge zurück. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liege nicht vor, weil dem Urteil ausschließlich eine andere Rechtsauffassung als die der Klägerin zugrunde liege.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil und den die Gehörsrüge zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts. Sie rügt eine Verletzung sowohl von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot als auch ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Urteilsbegründung, die sich nicht mit der Unwirksamkeit der das Bearbeitungsentgelt vorsehenden Klausel befasse, dokumentiere, dass das Amtsgericht das Klagevorbringen ignoriert und es sich mit der entgegenstehenden obergerichtlichen Rechtsprechung nicht befasst habe. Das missachte ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und verstoße zugleich gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes und gegen das Willkürverbot. Darüber hinaus habe das Amtsgericht, indem es die Berufung nicht zugelassen habe, ihr den Zugang zum gesetzlichen Richter verwehrt.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist dem Justizministerium des Landes Niedersachsen und der im Ausgangsverfahren beklagten Bank zugestellt worden. Beide haben von einer Stellungnahme abgesehen.
IV.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen. Ihr ist durch die Kammer stattzugeben, weil sie unter Berücksichtigung der bereits hinreichend geklärten Maßstäbe zu Art. 103 Abs. 1 GG und zu Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG, weil es die Sache vor Ablauf einer von ihm gesetzten Frist zur Replik entschieden, infolgedessen den noch fristgerecht eingegangenen replizierenden Schriftsatz der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt und den darin liegenden Gehörsverstoß auch auf Gehörsrüge hin nicht geheilt hat.
a) Die Gewährung rechtlichen Gehörs setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass das Gericht die Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 47, 182 ≪187 f.≫; 49, 212 ≪215≫; stRspr).
Maßgebend ist dabei der Gedanke, dass die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit haben müssen, durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (BVerfGE 22, 114 ≪119≫; 49, 212 ≪215≫; 89, 28 ≪35≫; 101, 106 ≪129≫). Daher muss die Gelegenheit zur Äußerung grundsätzlich zu jedem dem Gericht unterbreiteten Vortrag der Gegenseite eingeräumt werden, soweit er für die Entscheidung erheblich ist (BVerfGE 19, 32 ≪36≫; 49, 325 ≪328≫; 89, 381 ≪392≫; 101, 106 ≪129≫). Das Gericht darf nur solche Tatsachen verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher äußern konnten (BVerfGE 70, 180 ≪189≫; 101, 106 ≪129≫). Dementsprechend ist der Anspruch einer Verfah-renspartei auf rechtliches Gehör verletzt, wenn das Gericht zu ihrem Nachteil eine Entscheidung trifft, ohne eine dieser Partei zuvor selbst gesetzte Äußerungsfrist abzuwarten (BVerfGE 12, 110 ≪113≫; 18, 380 ≪384≫; 42, 243 ≪247≫; 49, 212 ≪215≫). In einem solchen Fall setzt sich das Gericht außer Stande, entsprechend dem durch Art. 103 Abs. 1 GG statuierten Gebot jeden Schriftsatz, der innerhalb einer gesetzlichen oder richterlich bestimmten Frist bei Gericht eingeht, bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 ≪220≫; 70, 215 ≪218≫; stRspr).
In diesem Zusammenhang erwächst dem Gericht aus Art. 103 Abs. 1 GG ferner die Pflicht, vor dem Erlass seiner Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten das rechtliche Gehör auch tatsächlich gewährt wurde (BVerfGE 36, 85 ≪88≫; 50, 280 ≪285 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. März 2006 – 2 BvR 1104/05 –, NJW 2006, S. 2248 ≪2249≫). Insbesondere dann, wenn dem Gebot des Art. 103 Abs. 1 GG durch die Übersendung von Schriftsätzen genügt werden soll, hat das Gericht – etwa durch förmliche Zustellung oder durch Beifügen einer rückgabepflichtigen Empfangsbescheinigung – zu überwachen, ob die Verfahrensbeteiligten in ihren Besitz gelangt sind (BVerfGE 36, 85 ≪88≫; 42, 243 ≪246≫; 50, 280 ≪285 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. März 2006 – 2 BvR 1104/05 –, NJW 2006, S. 2248 ≪2249≫); eine Vermutung für den Zugang einer formlos übersandten Mitteilung gibt es nicht (BVerfGE 36, 85 ≪88 f.≫; 42, 243 ≪246≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2013 – 2 BvR 1960/12 –, NJW 2013, S. 2658).
Diese dem Gericht obliegende Überwachungspflicht gilt auch, wenn sich der Lauf der einer Partei zur Äußerung gesetzten Frist vom Zugang des Schriftstücks an bemisst, in dem die Mitteilung der Äußerungsfrist enthalten ist. Nur wenn der Zeitpunkt des Zugangs festgestellt ist, kann das Ende der Frist ermittelt und zugleich sichergestellt werden, dass das Gericht eine Entscheidung nicht vor Ablauf der von ihm selbst gesetzten Frist erlässt. Erst hierdurch wird gewährleistet, dass die Partei die ihr zur Wahrnehmung ihres rechtlichen Gehörs eingeräumte Äußerungsfrist effektiv ausschöpfen kann.
b) Mit diesen Grundsätzen stehen die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts nicht im Einklang.
(1) Das klageabweisende Urteil erging am 21. Januar 2013 und damit – wie sich nachträglich zeigte – vor Ablauf der vom Amtsgericht selbst gesetzten Frist zur Replik sowie ohne Berücksichtigung derselben.
Das Amtsgericht hat im Ausgangspunkt nicht verkannt, dass es verpflichtet war, der Beschwerdeführerin nach Eingang der Klageerwiderung rechtliches Gehör zu gewähren. Das dokumentiert die Verfügung vom 21. Dezember 2012, durch die es der Beschwerdeführerin eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme zu der Klageerwiderung eingeräumt hat. Der Lauf dieser Frist begann frühestens am Mittwoch, dem 2. Januar 2013. Denn an diesem Tag ist die Klageerwiderung nebst Mitteilung der Äußerungsfrist den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugegangen (vgl. zum Fristbeginn § 221 ZPO). Dies ergibt sich aus dem Vorbringen in der Gehörsrüge, das aufgrund des fehlenden Nachweises des Zugangszeitpunktes und mangels diesbezüglicher Feststellungen durch das Amtsgericht sowie gegenteiliger Erkenntnisse aus der beigezogenen Gerichtsakte bei der Prüfung der Verfassungsbeschwerde zugrunde zu legen ist. Die Angaben zum Zugangszeitpunkt der richterlichen Verfügung mit der Fristsetzung erscheinen zudem im Blick auf die dazwischenliegenden Feiertage plausibel.
Demnach hat das Amtsgericht am 21. Januar 2013 über die Klage entschieden, ohne die erst mit Ablauf des 23. Januar 2013 endende Frist abzuwarten und ohne die am 22. Januar 2013 – mithin fristgerecht – bei der Serviceeinheit eingegangene Replik der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen.
Die vom Amtsgericht in seinem Urteil ohne Begründung genannte „Erklärungsfrist bis zum 17.01.2013” führt zu keiner abweichenden Bewertung. Die suggerierte Setzung einer kalendarisch bestimmten Äußerungsfrist bis zum 17. Januar 2013 lässt sich der Gerichtsakte nicht entnehmen; ausweislich der richterlichen Verfügung vom 21. Dezember 2012 wurde vielmehr eine Äußerungsfrist von „3 Wochen” gesetzt, deren Lauf den Zugang bei den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin voraussetzte. Ein Nachweis für den Zugang der Klageerwiderung nebst Fristmitteilung bei den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 27. Dezember 2012, den die im Urteil genannte Äußerungsfrist voraussetzt, fehlt aufgrund der verfügten formlosen Übersendung. Der Gerichtsakte lässt sich nicht entnehmen, dass die Klageerwiderung vor dem 27. Dezember 2012 in den externen Postlauf gelangt ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich der vom Amtsgericht ohne tragfähige Grundlage unterstellte Zugang am 27. Dezember 2012 als unhaltbar.
(2) Dieser Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt sich fort in dem Beschluss, mit dem das Amtsgericht die Gehörsrüge der Beschwerdeführerin zurückwies. Das Amtsgericht hat dort den Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Nichteinhaltung der von ihm selbst für die Replik gesetzten Frist, die erst mit dem Zugang der Klageerwiderung bei den Prozessbevollmächtigten am 2. Januar 2013 begonnen habe, unberücksichtigt gelassen. Aufgrund dieses unter Beweis gestellten Vorbringens hätte sich dem Amtsgericht jedoch die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geradezu aufdrängen müssen. Die Anhörungsrüge ist vom Gesetzgeber gerade für Fälle wie den vorliegenden geschaffen worden. Deshalb hätte das Amtsgericht dem Gehörsverstoß durch Fortführung des Verfahrens nach § 321a Abs. 5 ZPO abhelfen müssen.
2. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen überdies gegen die Rechtsschutzgarantie aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil sich das Amtsgericht durch die Nichtberücksichtigung des Vorbringens in der Replik außer Stande gesetzt hat, die Berufung zuzulassen und damit die maßgebliche verfahrensrechtliche Vorschrift in unhaltbarer Weise gehandhabt hat.
a) Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung ist vorrangig das Rechtsstaatsprinzip, aus dem für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 54, 77 ≪291≫; 80, 103 ≪107≫; 85, 337 ≪345≫; stRspr). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Hat der Gesetzgeber sich für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 69, 381 ≪385≫; 74, 228 ≪234≫; 77, 275 ≪284≫; 104, 220 ≪232≫; 125, 104 ≪137≫). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar sind eine den Zugang zur Berufung erschwerende Auslegung und Anwendung des hier einschlägigen § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen sind, sich damit als objektiv willkürlich erweisen und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar einschränken (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2008 – 1 BvR 2587/06 –, NJW 2009, S. 572 ≪573≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2010 – 1 BvR 1991/09 –, GRUR 2010, S. 1333; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2012 – 1 BvR 2952/08 –, WM 2013, S. 15 f.). Von objektiver Willkür ist dabei insbesondere dann auszugehen, wenn das Gericht ohne Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder deren Inhalt bei Auslegung und Anwendung in krasser Weise missdeutet (vgl. BVerfGE 87, 273 ≪278 f.≫; 89, 1 ≪13 f.≫).
b) Dies ist hier bei der unterlassenen Anwendung des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO der Fall.
(1) Nach Variante 3 dieser Vorschrift lässt das Gericht des ersten Rechtszugs – bei Streitwerten bis 600 EUR – die Berufung unter anderem zu, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Damit soll ausweislich der Gesetzesmaterialien vermieden werden, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 93 ≪104≫). Von solchen Unterschieden ist bei Abweichung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage insbesondere dann auszugehen, wenn die Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung ist, weil sie in einer Mehrzahl von Fällen auftreten kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. Mai 2004 – 1 BvR 172/04 –, NJW 2004, S. 2584 ≪2585≫ m.w.N.). Die willkürliche Nichtzulassung der Berufung in solchen Fällen verletzt Grundrechte der im Ausgangsverfahren unterliegenden Partei (vgl. BVerfGK 12, 298 ≪301 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. Mai 2004 – 1 BvR 172/04 –, NJW 2004, S. 2584 [jeweils Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, NVwZ 2009, S. 515 ≪516≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 – 1 BvR 812/09 –, NJW 2010, S. 1062 ≪1063≫ Rn. 13 ff. [jeweils Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG im Verwaltungsrechtsstreit]; BVerfGK 2, 202 ≪204≫ [Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch willkürliche Nichtzulassung der Revision]; vgl. auch BerlVerfGH, Beschluss vom 1. April 2008 – VerfGH 203/06 –, NJW 2008, S. 3420 [Verletzung der mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG übereinstimmenden Vorschrift der Landesverfassung]).
Diese Rechtslage hat das Amtsgericht verkannt. Es hat nicht nur sein Urteil vor Ablauf der von ihm selbst gesetzten Replikfrist sowie ohne Berücksichtigung der fristgerecht eingegangenen Replik und somit unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG erlassen. Es hat sich hiermit zugleich auch – fortgesetzt durch seinen die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin formularmäßig zurückweisenden Beschluss – in Widerspruch zu einer im Entscheidungspunkt gegebenen und von der Beschwerdeführerin in der Klageschrift angeführten einhelligen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung gesetzt. Das Amtsgericht hat – ohne nachvollziehbare und tragfähige Begründung – die das Bearbeitungsentgelt vorsehende vertragliche Bestimmung nicht als allgemeine Geschäftsbedingung eingeordnet, ungeachtet einer mit der Replik vorgelegten Produktinformation der Bank. Darin war unter der Rubrik „Kosten” ein „Bearbeitungsentgelt” in der – auch tatsächlich berechneten – Höhe von 3 % des Nettokreditbetrags ausgewiesen. In diesem Zusammenhang hatte die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass das Bearbeitungsentgelt auf der Grundlage des Preisaushangs und dieser Produktinformation der Bank erhoben worden sei. Damit ist das Amtsgericht von einer im Zeitpunkt seiner Entscheidungen einhelligen oberlandesgerichtlichen Auffassung abgewichen, derzufolge entsprechende Bearbeitungsentgelte, die in einem Preis- und Leistungsverzeichnis, in einem Preisaushang oder sonstigen Geschäftsbedingungen vorgesehen sind, als Geschäftsbedingungen einzuordnen sind (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 4. August 2010 – 3 U 78/10 –, WM 2010, S. 2072 f.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. Februar 2011 – 4 U 174/10 –, MDR 2011, S. 1125; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2011 – I-6 U 162/10 –, juris Rn. 10 f.; OLG Hamm, Urteil vom 11. April 2011 – 31 U 192/10 –, juris Rn. 10 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 3. Mai 2011 – 17 U 192/10 –, WM 2011, S. 1366; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27. Juli 2011 – 17 U 59/11 –, juris; OLG Dresden, Urteil vom 29. September 2011 – 8 U 562/11 –, WM 2011, S. 2320 f.; OLG Celle, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 3 W 86/11 –, WM 2011, S. 2323 f. [Berichtigung WM 2012, S. 191]; OLG Hamm, Urteil vom 17. September 2012 – I-31 U 60/12 –, juris).
(2) Hinzu kommt, dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen – die Einordnung eines Bearbeitungsentgelts als allgemeine Geschäftsbedingung, gegebenenfalls deren Kontrollfähigkeit im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und, bejahendenfalls, die Frage nach ihrer AGB-rechtlichen Wirksamkeit –, die eine Vielzahl von Zivilrechtsstreitigkeiten der hier fraglichen Art betreffen, höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (vgl. nur LG Bonn, Urteil vom 16. April 2013 – 8 S 293/12 –, juris; LG Berlin, Urteil vom 4. Juni 2013 – 10 S 2/13 –, ZIP 2013, S. 1613 ff.; LG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2013 – 4 S 67/13 –, juris; LG Stuttgart, Urteile vom 23. Oktober 2013 – 13 S 65/13 bzw. 13 S 108/13 –, juris; AG Bonn, Urteil vom 30. Oktober 2012 – 108 C 271/12 –, juris; AG Mannheim, Urteil vom 1. Februar 2013 – 3 C 465/12 –, juris; AG Marienberg, Urteil vom 5. Februar 2013 – 4 C 63/13 –, juris; AG Köln, Urteil vom 13. März 2013 – 136 C 600/12 –, juris; AG Stuttgart, Urteil vom 20. März 2013 – 1 C 39/13 –, juris; AG Bonn, Urteil vom 5. April 2013 – 105 C 8/13 –, juris; AG Gelsenkirchen-Buer, Urteil vom 14. Mai 2013 – 23 C 41/13 –, juris; AG München, Urteil vom 16. Mai 2013 – 282 C 1718/13 –, WM 2013, S. 1946 f.; AG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 – 35 C 15807/12 –, WM 2013, S. 1944 ff.; AG Bonn, Urteil vom 13. Juni 2013 – 102 C 262/12 –, BKR 2013, S. 423 ff.; AG Gießen, Urteil vom 25. Juni 2013 – 47 C 46/13 –, juris; AG Halle (Saale), Urteil vom 25. Juli 2013 – 93 C 137/13 –, juris; AG München, Urteil vom 29. Juli 2013 – 231 C 6023/13 –, WM 2013, S. 1947 f.; AG Hamburg, Urteil vom 31. Juli 2013 – 8a C 406/12 –, juris; AG Bad Urach, Urteil vom 2. August 2013 – 1 C 310/13 –, juris; siehe auch die Nachweise zu der in weiten Teilen nicht veröffentlichten instanzgerichtlichen Rechtsprechung bei Billing, WM 2013, S. 1777 ≪1778 in Fn. 14 und 15≫ und bei Schmieder, WM 2012, S. 2358 in Fn. 5).
Es fügt sich in das Gesamtbild, dass der vor Klageerhebung angerufene Ombudsmann der privaten Banken sich ausweislich seiner mit der Klageschrift vorgelegten Mitteilung vom 26. Februar 2012 veranlasst gesehen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfragen von der Durchführung einer Schlichtung abzusehen. Dieser Standpunkt wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung geteilt und hat – nach Erlass der von der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts – in zwei Fällen wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof geführt (vgl. LG Bonn, Urteil vom 16. April 2013 – 8 S 293/12 –, juris Rn. 57 [Revision anhängig unter dem Az. XI ZR 170/13]; LG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2013 – 4 S 67/13 –, juris Rn. 62 f. [Revision anhängig unter dem Az. XI ZR 373/13]).
(3) Es stand dem Amtsgericht frei, wie geschehen zu entscheiden. Es hätte dann allerdings auf die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin das Verfahren fortführen und – von Amts wegen (vgl. Ball, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 511 Rn. 42; Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 511 Rn. 39) – nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung (Nr. 1 Var. 1) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Nr. 1 Var. 3) die Berufung zulassen müssen.
3. Das die Klage abweisende Urteil und der die Gehörsrüge zurückweisende Beschluss beruhen hiernach auf einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör sowie des Justizgewährungsanspruchs. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Berücksichtigung des replizierenden – teilweise neuen und vertieften – Sachvortrags insbesondere zu der Frage, ob es sich bei der ein Bearbeitungsentgelt vorsehenden Vertragsbestimmung um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, zu einer anderen, der Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 7, 239 ≪241≫; 18, 147 ≪150≫; 112, 185 ≪206≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2013 – 2 BvR 1960/12 –, NJW 2013, S. 2658; stRspr).
4. Unter diesen Umständen liegen auch die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung vor; die Annahme ist zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Den aufgezeigten Grundrechtsverstößen kommt besonderes Gewicht zu. Sie beruhen auf einer groben Verkennung des durch die Verfassung gewährten Schutzes, auf einem leichtfertigen Umgang mit den grundrechtlich geschützten Positionen und verletzen damit in krasser Form rechtsstaatliche Grundsätze (BVerfGE 90, 22 ≪25≫).
Vor diesem Hintergrund bedürfen die weiteren von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen einer Verletzung ihres Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und eines Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) keiner Entscheidung.
V.
Die Anordnung der Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Gaier, Schluckebier, Paulus
Fundstellen
WM 2014, 251 |
WuB 2014, 291 |