Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde, mit welcher sich der Beschwerdeführer gegen eine Missbilligung gemäß § 6 Satz 2 BDG aufgrund von ihm in einer Dienstaufsichtsbeschwerde gemachte Äußerungen wendet, war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24≫; 96, 245 ≪248≫). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
Dabei ist die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Dienstpflichten verletzt hat, eine solche der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts und vorliegend nicht Gegenstand der Prüfung. Zu prüfen ist lediglich, ob durch die angegriffenen Entscheidungen spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; 62, 189 ≪192≫). Dies ist nicht der Fall.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer insbesondere nicht in seinem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG.
1. Im Gegensatz zu der Ansicht des Beschwerdeführers wurden dessen Äußerungen als in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG fallend angesehen. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verdient auch dann besonderen Schutz, wenn es zur Klärung und Überprüfung möglicher Missstände dient (vgl. BVerfGE 28, 191 ≪202≫). In den angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen ist ausdrücklich von den Schranken der Meinungsäußerungsfreiheit die Rede, so dass die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 27. November 2002 gerade nicht als nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallende reine Tatsachenbehauptung gesehen wurden.
2. Zutreffend wurde der Eingriff in die Meinungsfreiheit jedoch aus § 6 BDG in Verbindung mit § 54 Satz 3 BBG als gerechtfertigt angesehen. In vorliegendem Fall stoßen zwei Grundentscheidungen der Verfassung aufeinander: zum einen die Garantie eines für den Staat unentbehrlichen und diesen tragenden Beamtentums und zum anderen die individuellen Freiheitsrechte eines Beamten, vorliegend das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Diese sind dergestalt auszugleichen, dass die für die Erhaltung eines intakten Beamtentums unerlässlichen Pflichten die Wahrnehmung von Grundrechten durch den Beamten einschränken. Die Meinungsäußerung ist nur dann durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie mit Art. 33 Abs. 5 GG in Einklang steht. Die Regelung des § 54 Satz 3 BBG ist dabei ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG, so dass die darin statuierten Verhaltenspflichten im konkreten Fall nach dem Grundsatz beurteilt werden müssen, dass die rechtlich begründeten Schranken des Art. 5 Abs. 1 GG im Lichte des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung auszulegen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 1988 – 2 BvR 111/88 –, NJW 1989, S. 93).
Das Berufsbeamtentum soll, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften bilden (vgl. BVerfGE 7, 155 ≪162≫; 11, 203 ≪216 f.≫). Dabei hat der Beamte seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen, bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen und sich innerhalb sowie außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert (vgl. auch § 54 BBG). Sein dienstliches Verhalten muss sich allein an Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl orientieren. In diesem Rahmen folgt aus der dem Beamten obliegenden Treuepflicht als hergebrachtem Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass die Meinungsäußerungsfreiheit bei Beamten nach Maßgabe der Erfordernisse ihres Amtes Einschränkungen unterliegt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 1988 – 2 BvR 111/88 –, NJW 1989, S. 93).
Dies gilt nicht nur für politische Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 1988 – 2 BvR 111/88 –, NJW 1989, S. 93; Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. August 1983 – 2 BvR 1334/82 –, NJW 1983, S. 2691), sondern auch und gerade bei der innerdienstlichen Beurteilung des Verhaltens eines Dienstherrn. Zwar darf auch der Beamte ein vermeintlich verfassungswidriges Handeln seiner Behörde intern kundtun (vgl. BVerfGE 28, 191). Dies mag die Pflicht zur Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn im Einzelfall sogar gebieten. Jedoch trifft den Beamten bei Meinungsäußerungen in Form und Inhalt eine Mäßigungspflicht auch und erst Recht bei Kritik am Vorgesetzten (Schulze-Fielitz in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 5, Rn. 188). Er hat Gehorsam und Zurückhaltung gegenüber dem Vorgesetzten auch dann zu wahren, wenn er mit den getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden ist (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Juni 2006 – 2 BvR 1780/04 –, NVwZ 2006, S. 1282 ≪1283≫).
Diesen Vorgaben wird die Auslegung und Anwendung der aus § 54 Satz 3 BBG hervorgehenden Pflichten im Rahmen der angegriffenen Entscheidungen gerecht. Hiernach trifft den Beamten die allgemeine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gegenüber dem Dienstherrn. Im Rahmen von Beschwerden und sonstigen Eingaben (§ 171 BBG) darf sich der Beamte freimütig und deutlich ausdrücken, muss dabei aber sachlich bleiben. Ihm ist zuzugestehen, je nach Anlass, auch harte Worte zu gebrauchen und zusammenfassende Wertungen auszusprechen. Jedoch darf er auch hier nicht verleumderische, diffamierende oder beleidigende Aussagen über andere oder sonst wissentlich oder unter Verletzung der zumutbaren Sorgfalt unwahre tatsächliche Angaben machen (Plog/Wiedow/Lemhöfer, BBG/BeamtVG, § 54 BBG, Rn. 22).
Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn diese Grenze durch die vorliegenden Aussagen des Beschwerdeführers als überschritten angesehen wurde. In seinem Schreiben vom 27. November 2002 hat er seinem Dienstherrn vorgeworfen, ihm Erlasse vorzuenthalten, offensichtliche Willkür im Rahmen der Personalpolitik zu betreiben sowie Gesetze und Vereinbarungen zur Integration Schwerbehinderter vorsätzlich nicht zu beachten. Der Beschwerdeführer wirft damit seinem Dienstvorgesetzten gesetzwidriges Verhalten vor, ohne jedoch über konkrete Sachverhaltshintergründe des von ihm zum Anlass für seine Beschwerde genommenen Beförderungsverfahrens zu verfügen. Derart gravierende Vorwürfe bedürfen jedoch einer sorgfältigen Prüfung des Sachverhalts und können nicht gleichsam als Vermutung geäußert werden. Der Gang des Beförderungsverfahrens hätte von ihm, soweit bekannt, sachlich geschildert und auf das Verhalten des Dienstvorgesetzten bezogen werden können. Verfügt er nicht über detailliertere Sachverhaltskenntnisse zur Beurteilung des Verhaltens des Dienstvorgesetzten, darf er nicht “ins Blaue hinein” Beurteilungen und Wertungen hierüber abgeben, welche keinen sachlichen Kern enthalten. Der Beschwerdeführer hat vorliegend den Rahmen sachlicher Kritik verlassen und hat sich diffamierend über seinen Vorgesetzten geäußert. Er bringt im gesamten Schreiben seine Nicht- und Missachtung zum Ausdruck, so dass die Meinungsäußerungsfreiheit hinter die aus Art. 33 Abs. 5 GG und einfachrechtlich aus § 54 Satz 3 BBG folgende Treuepflicht des Beamten zurücktritt. Hierauf wurde nicht mit einer Disziplinarmaßnahme, sondern einer Missbilligung, § 6 Satz 2 BDG, reagiert, was verhältnismäßig ist und die widerstreitenden Interessen angemessen zum Ausgleich bringt.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
NVwZ 2008, 416 |
DÖD 2008, 59 |
DVP 2009, 258 |
NPA 2009 |
FSt 2008, 612 |