Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisantrag nach § 244 Abs. 2 StPO; Verfahrensgrundrecht gem. Art. 103 abs. 1 GG; Erschöpfung des Rechtswegs

 

Beteiligte

Rechtsanwalt Walter Ratzke

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Zwischenurteil vom 23.05.2001; Aktenzeichen 2 Ns 9 Js 1275/2001)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unzulässig.

1. Zwar kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch das Landgericht Weiden nicht ausgeschlossen werden, weil dieses seine Nichtannahmeentscheidung (§§ 313 Abs. 2, 322 a StPO) nur äußerst knapp begründet hat.

In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs das Gericht verpflichtet, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 69, 145 ≪148≫; stRspr) und die getroffenen Entscheidungen zu begründen (BVerfGE 63, 80 ≪85 f.≫; 86, 133 ≪145 f.≫). Das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings im Einzelfall erst dann als verletzt anzusehen, wenn sich aus besonderen Umständen eindeutig ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekomm n ist. In den Fällen, in denen ein Berufungsgericht die Berufung nach § 313 Abs. 2 StPO als unzulässig verwirft, gebietet es Art. 103 Abs. 1 GG, dass das Gericht sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das eine Annahme der Berufung rechtfertigen könnte, auseinander setzt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Mai 1996 – 2 BvR 2847/95 –, NJW 1996, S. 2785; Karlsruher Kommentar zur StPO 4. Auflage § 322 a StPO, Rn. 1 a. E.). Beweisanträge, auf die es für die Entscheidung ankommt, müssen vom Gericht berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 60, 247 ≪249≫; 60, 250 ≪252≫; 69, 145 ≪148≫), sofern nicht Gründe des Prozessrechts (§ 244 StPO) es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 313 Rn. 9).

Nach diesen Maßstäben liegt hier ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht fern. Insbesondere die Ablehnung der Beweisanträge, mit denen zwei Alibizeugen benannt worden waren, entsprach nicht den Anforderungen des § 244 Abs. 2 StPO, zumal hier konkrete Umstände vorlagen, auf die die behauptete Erinnerungsfähigkeit der Zeugen gestützt werden konnte (Verkehrsunfall des Vaters des Beschwerdeführers, Weihnachtsgeschäftszeit, Gerichtstermin am Vormittag).

2. Der Beschwerdeführer hat jedoch den Rechtsweg nicht erschöpft. Zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch das Nachverfahren zur Nachholung des rechtlichen Gehörs nach § 33 a StPO (BVerfGE 42, 243 ≪247 f.≫). Dabei ist der nicht an eine Frist gebundene Rechtsbehelf des § 33 a StPO durch die Instanzgerichte so auszulegen und anzuwenden, dass er jeden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im strafprozessualen Beschlussverfahren erfasst (BVerfGE 42, 243 ≪250≫).

Dies hat der Beschwerdeführer bislang versäumt.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Limbach, Hassemer, Mellinghoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 645123

NStZ 2002, 43

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