Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 29.09.1994; Aktenzeichen BLw 14/94) |
AG Stendal (Beschluss vom 11.01.1994; Aktenzeichen 4 Lw 115/93) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden wenden sich gegen die Anwendung des § 44 LwAnpG in der seit dem 7. Juli 1991 geltenden Fassung auf Abfindungsfälle, bei denen die Mitgliedschaft in der LPG vor diesem Zeitpunkt beendet wurde.
I.
1. Hinsichtlich der Rückgewähr eingebrachten Vermögens und der Entschädigung für die Nutzung des eingebrachten Landes bei Beendigung der Mitgliedschaft in einer LPG hat sich die Rechtslage folgendermaßen entwickelt:
a) Nach § 13 Abs. 1 des LPG-Gesetzes vom 3. Juni 1959 (GBl I S. 577) wurde das eingebrachte Inventar genossenschaftliches Eigentum. Eine Auseinandersetzung fand im Falle des Todes eines Mitglieds statt (§ 24 Abs. 1 LPG-G 1959). War der Erbe nicht Mitglied der LPG, hatte er einen Anspruch auf Auszahlung des Inventarbeitrags entsprechend den Bestimmungen des Statuts über die Rückzahlung von Inventarbeiträgen (§ 24 Abs. 3 Satz 1 LPG-G 1959).
b) Die Rechtslage änderte sich mit dem Einführungsgesetz zum ZGB vom 19. Juni 1975 (GBl I S. 517) zum 1. Januar 1976. Durch die Einbeziehung der Pflichtinventarbeiträge in das unverteilbare genossenschaftliche Eigentum war eine Rückzahlung auch im Todesfall auf Dauer ausgeschlossen. Dem hat die Neufassung des LPG-Gesetzes vom 2. Juli 1982 (GBl I S. 443) dadurch Rechnung getragen, daß § 24 Abs. 2 LPG-G in der bis dahin geltenden Fassung in die erbrechtliche Regelung des § 45 LPG-G nicht mehr übernommen wurde (vgl. hierzu BGHZ 120, 61 ≪63 f.≫; 124, 210 ≪214 f.≫).
c) Das Verbot der Verteilung des Inventars in § 25 Abs. 3 Satz 2 LPG-G vom 2. Juli 1982 wurde durch das Änderungsgesetz vom 6. März 1990 (GBl I S. 133) ersatzlos aufgehoben. Damit war das Verbot der Verteilung des Inventars – also auch der Rückgabe an das Mitglied – beseitigt; die Inventarbeiträge blieben jedoch unverändert genossenschaftliches Eigentum (BGHZ 120, 61 ≪64≫).
d) Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl I S. 642) sah die Wiederherstellung des Privateigentums an Grund und Boden und der darauf beruhenden Bewirtschaftung vor (§ 1 LwAnpG 1990). Es räumte dem Mitglied das Recht ein, seine Mitgliedschaft zu kündigen (§ 43 Abs. 1 LwAnpG 1990) und begründete einen Anspruch auf Rückerstattung des eingebrachten Vermögens (§ 44 Abs. 2 LwAnpG 1990). § 44 Abs. 2 LwAnpG 1990 hatte folgenden Wortlaut:
Der Umfang des zurück zu erstattenden Vermögens ergibt sich aus dem Anteil des eingebrachten Vermögens, der sich daraus ergebenden Vermögensentwicklung und den vom Mitglied erbrachten Anteil an der Wertschöpfung durch Arbeit.
e) Durch Gesetz vom 3. Juli 1991 (BGBl I S. 1410), in Kraft getreten am 7. Juli 1991, hat § 44 LwAnpG eine neue Fassung bekommen. Zusätzlich ist ein neuer § 51a eingefügt worden. Diese Vorschriften haben auszugsweise folgenden Wortlaut:
§ 44
Vermögensauseinandersetzung in der LPG, Milchreferenzmenge, Lieferrechte für Zuckerrüben
(1) Ausscheidenden Mitgliedern steht ein Abfindungsanspruch in Höhe des Wertes ihrer Beteiligung an der LPG zu. Der Wert der Beteiligung stellt einen Anteil am Eigenkapital der LPG dar, der wie folgt zu berechnen ist:
1. Zunächst ist der Wert der Inventarbeiträge, die in Form von Sach- oder Geldleistungen eingebracht worden sind, einschließlich gleichstehender Leistungen, zurückzugewähren. Den Inventarbeiträgen steht der Wert des Feldinventars gleich, das beim Eintritt in die LPG von dieser übernommen wurde, soweit es nicht als Inventarbeitrag angerechnet wurde. Von dem Wert des eingebrachten Inventarbeitrags sind alle Rückzahlungen abzuziehen. Übersteigt der so ermittelte Wert aller eingebrachten Inventarbeiträge das Eigenkapital, sind die Ansprüche ausscheidender Mitglieder entsprechend zu kürzen.
2. Übersteigt das Eigenkapital die Summe der unter Nummer 1 genannten Werte der eingebrachten Inventarbeiträge, ist aus dem überschießenden Betrag eine Mindestvergütung für die Überlassung der Bodennutzung durch die Mitglieder und für die zinslose Überlassung der Inventarbeiträge zu berücksichtigen. Diese Mindestvergütung beträgt für die Bodennutzung solcher Flächen, für die eine Bodenschätzung vorliegt, 2 Deutsche Mark je Bodenpunkt pro Jahr und Hektar und für die Nutzung der Inventarbeiträge 3 % Zinsen hiervon pro Jahr. Für die Dauer der Nutzung ist die Zeit der Mitgliedschaft des ausscheidenden Mitglieds mit der Zeit des Erblassers, der bis zu seinem Tod Mitglied der LPG war und von dem die Flächen geerbt oder der Inventarbeitrag übernommen wurden, zusammenzurechnen. Überschreiten die so ermittelten Vergütungen von Boden- und Inventarbeiträgen 80 vom Hundert des noch verbleibenden Eigenkapitals, sind die Abfindungsansprüche entsprechend zu kürzen.
3. Soweit das Eigenkapital die in den Nummern 1 und 2 genannten Ansprüche übersteigt, ist es in Höhe von 50 vom Hundert an die Mitglieder entsprechend der Dauer ihrer Tätigkeit in der LPG auszuzahlen. Nummer 2 Satz 3 gilt entsprechend.
…
§ 51a
Ansprüche ausgeschiedener Mitglieder
(1) Die Ansprüche nach § 44 stehen auch den ausgeschiedenen Mitgliedern zu, die ihre Mitgliedschaft nach dem 15. März 1990 beendet haben. § 49 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.
(2) …
(3) Bei der Berechnung der Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind die Berechnungsmethoden des § 44 anzuwenden. Anstelle des Zeitpunkts der Beendigung der Mitgliedschaft ist der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs maßgeblich.
2. Die Antragsteller in den Ausgangsverfahren waren bis zum zweiten Halbjahr 1990 Mitglieder einer LPG, der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin.
Dem Antragsteller im Ausgangsverfahren zum Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2146/94 zahlte die Beschwerdeführerin nach seinem Ausscheiden insgesamt 32.590,99 DM zurück. Mit seinem Antrag im Ausgangsverfahren begehrte der Antragsteller die Zahlung von weiteren 92.633,43 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1991.
Der Antragsteller im Ausgangsverfahren zum Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2180/94 hatte vorprozessual 20.815,85 DM von der Beschwerdeführerin erhalten. Darüber hinaus hatte er technisches Gerät für 8.719,15 DM und Saatkartoffeln für 15.625 DM von der Beschwerdeführerin gekauft, aber nicht bezahlt. Mit seinem Antrag begehrte er die Zahlung von weiteren 212.528,95 DM nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 1. Januar 1992.
3. Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – hat im Ausgangsverfahren zu 1 BvR 2146/94 der Beschwerdeführerin aufgegeben, an den Antragsteller 71.006,17 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9. April 1992 zu zahlen. Mit Beschluß vom gleichen Tage hat es im Ausgangsverfahren zu 1 BvR 2180/94 der Beschwerdeführerin aufgegeben, an den dortigen Antragsteller 86.940,53 DM nebst 4 % Zinsen zu zahlen. In den insoweit identischen Begründungen der Beschlüsse geht das Amtsgericht davon aus, daß ein Eigenkapital von 5.607.712,20 DM zugrundezulegen sei. Nach Abzug der gesamten Inventarbeiträge von 1.462.128,97 DM und gleichgestellter Leistungen wie Fondsausgleichsansprüchen von 661.600 DM verbleibe für die Mindestvergütungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG ein Betrag von 3.488.983,02 DM. Ihm gegenüber stünden Ansprüche der Mitglieder aus dieser Vorschrift in Höhe von 7.857.642,59 DM. Sie könnten daher nur zu 44,33 % befriedigt werden.
4. Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – mit nahezu gleichlautenden Beschlüssen als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt: Die Rechtsbeschwerde sei unzulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sei eine vor Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 31. März 1994 eingelegte Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts in Rechtsstreitigkeiten aus dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz nur unter den in §§ 24 bis 29 LwVG geregelten Voraussetzungen zulässig. Dies bedeute, daß die Rechtsbeschwerde nur bei Zulassung oder im Falle der Abweichung statthaft sei, wobei insoweit wegen Fehlens einer Mittelinstanz auch schon die Abweichung eines Landwirtschaftsgerichts von der Entscheidung eines anderen Landwirtschaftsgerichts genüge. Einen Abweichungsfall habe die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt.
5. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung führt sie unter anderem aus:
a) Die Entscheidungen verstießen gegen das Rückwirkungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Das Landwirtschaftsgericht habe über einen Abfindungsanspruch eines im zweiten Halbjahr 1990 aus der LPG ausgeschiedenen Mitglieds zu entscheiden gehabt. Seinerzeit habe das Landwirtschaftsanpassungsgesetz 1990 gegolten. Gleichwohl wende das Gericht auf diesen Sachverhalt ein erst am 7. Juli 1991 in Kraft getretenes Gesetz, nämlich das Landwirtschaftsanpassungsgesetz 1991, an. § 44 LwAnpG 1991 sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß er lediglich die Abfindungsansprüche von nach dem 17. April 1991 ausgeschiedenen LPG-Mitgliedern regele. § 44 LwAnpG entfalte echte Rückwirkung. Dies habe auch der Bundesgerichtshof in zwei Beschlüssen erkannt (BGHZ 120, 361 ff.; BGH, LM, § 44 LwAnpG Nr. 13). Er habe Bedenken nur bei einem Eingriff in Positionen ausscheidender Mitglieder. Auch die LPG müsse aber vor einer rückwirkenden Änderung geschützt sein.
b) Das Landwirtschaftsgericht habe durch die Mißachtung von § 44 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG 1991 die Eigentumsfreiheit der Beschwerdeführerin beeinträchtigt. Der Gesetzgeber habe den LPG-Nachfolgeunternehmen eine geringe Schonung in Form der sogenannten “abfindungsfesten Rücklage” gewährt. Dies habe das Landwirtschaftsgericht nicht berücksichtigt. Der Kapitalabfluß, der sich bei einer Vielzahl von Abfindungsberechtigten ergebe, gefährde die durch Art. 14 GG geschützte Funktionsfähigkeit der Unternehmen.
c) Das Landwirtschaftsgericht habe in nichtöffentlicher Verhandlung entschieden. Diese Verfahrensweise verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK. Das habe auch der Bundesgerichtshof so gesehen. Die Verfahrensweise des Landwirtschaftsgerichts sei grob fehlerhaft und begründe die Annahme, das von ihm gewählte Verfahren beruhe auf sachfremden Erwägungen.
d) Der Bundesgerichtshof habe durch seine Auslegung der Zulassungsvoraussetzungen der Abweichungsrechtsbeschwerde die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt. Der Bundesgerichtshof räume die Abweichung von der Entscheidung BGHZ 124, 204 ein, halte sie jedoch für unschädlich, weil es sich um eine bloße Nichtanwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen gehandelt habe, das Landwirtschaftsgericht jedoch keinen abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe. Diese Rechtsprechung möge von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sein, soweit es lediglich um die Verletzung beliebiger Vorschriften des materiellen oder Verfahrensrechts gehe. Soweit aber die Verletzung eines Grundsatzes in Rede stehe, der durch die EMRK in den Rang eines Menschenrechts erhoben worden sei, gebiete es die Rechtsweggarantie, einen anderen Maßstab anzulegen.
6. Zur Verfassungsbeschwerde haben sich geäußert: das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten namens der Bundesregierung und der Bundesgerichtshof. Im Verfahren 1 BvR 2180/94 hat sich zudem der Antragsteller des Ausgangsverfahrens geäußert.
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Sie sind jedenfalls unbegründet.
1. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG wird von den Entscheidungen nicht berührt.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG darin sieht, daß das Landwirtschaftsgericht die Vorschrift des § 44 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG 1991 nicht beachtet hat, handelt es sich lediglich um eine falsche Anwendung einfachen Rechts. Es ist nicht ersichtlich, daß das Gericht in irgendeiner Weise eine Ausstrahlungswirkung des Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen gehabt hätte.
2. Die Entscheidungen des Landwirtschaftsgerichts verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Zwar ordnet die Regelung des § 51a LwAnpG 1990, auf der die Entscheidungen beruhen, eine rückwirkende Anwendung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes n.F. an. Die von dieser Vorschrift angeordnete Rückwirkung ist jedoch jedenfalls in den den Verfassungsbeschwerden zugrundeliegenden Konstellationen verfassungsrechtlich zulässig.
a) Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab richtet sich danach, ob es sich um eine echte oder unechte Rückwirkung handelt. Ein Gesetz entfaltet echte Rückwirkung, wenn es nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Die bloß unechte Rückwirkung ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, daß das Gesetz nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich beeinträchtigt. Gesetze mit echter Rückwirkung sind wegen Verstoßes gegen die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes grundsätzlich verfassungswidrig. Die Verfassung schützt das Vertrauen darauf, daß die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften Rechtsfolgen gesetzlicher Regelungen anerkannt bleiben (BVerfGE 30, 367 ≪385 f.≫). Regelungen mit unechter Rückwirkung sind hingegen grundsätzlich zulässig (vgl. zuletzt BVerfGE 95, 64 ≪86≫). Jedoch können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Das ist dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfGE 95, 64 ≪86≫).
b) In der vorliegenden Fallkonstellation, in der die LPG über die konkrete Berechnung des Auseinandersetzungsanspruches noch nicht oder nicht wirksam beschlossen hatte, handelt es sich um einen Fall unechter Rückwirkung:
Mit dem Ausscheiden des LPG-Mitgliedes war nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz a.F. ein Auseinandersetzungsanspruch entstanden. Dieser bestand bis zu einer Konkretisierung durch die LPG, für die sie einen Ermessensspielraum hatte, nur dem Grunde nach. Der Höhe nach konnte dieser Anspruch nur bestimmt werden, wenn die LPG einen wirksamen Beschluß über die Vermögensverteilung getroffen hatte. Das ausscheidende LPG-Mitglied konnte weder auf eine bestimmte Höhe noch auf einen bestimmten Berechnungsmodus vertrauen. Auf der anderen Seite steht auch noch kein betätigtes Vertrauen der LPG, soweit diese einen Beschluß über die konkrete Abfindungssumme oder die Modalitäten der Abfindungsberechnung noch nicht getroffen hatte. Die Neuregelung enttäuscht lediglich das Vertrauen in den Fortbestand einer für die LPG günstigen Rechtslage, es enttäuscht aber nicht das betätigte Vertrauen.
c) aa) Die durch § 51a Abs. 1 LwAnpG 1991 angeordnete unechte Rückwirkung des § 44 LwAnpG 1991 dient einem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Zweck. Die rückwirkende Anwendung des § 44 LwAnpG 1991 auf die Fälle der seit dem 20. Juli 1990 ausgeschiedenen LPG-Mitglieder verfolgt das Ziel, den Einbringern von Gebäuden, Grund und Boden eine angemessene Abfindung zu sichern, die sie bei autonomer Regelung durch die LPG nicht erlangen konnten, da sie sich in der Vollversammlung der LPG in einer strukturellen Minderheit befanden.
Die Neufassung des § 44 LwAnpG 1991 wurde durch die Koalitionsfraktionen damit begründet, daß sich die darin enthaltene Konkretisierung der Vermögensauseinandersetzung zum Schutz der Einbringer von Gebäuden, Grund und Boden sowie Inventar als dringend erforderlich erwiesen habe. Da die Einbringer von Gebäuden, Grund und Boden sowie Inventar nur ca. 5 bis 20 vom Hundert der LPG-Mitglieder gestellt hätten, seien diese in der Vollversammlung häufig überstimmt worden und hätten ihre Rechte nicht entsprechend durchsetzen können. Aufgrund dieser Zusammensetzung der LPG und aufgrund des Umstandes, daß die LPG-Mitglieder zwangsweise zusammengeschlossen worden seien, könne bei einer Auseinandersetzung in genossenschaftlicher Autonomie kein interessengerechter Ausgleich gefunden werden. Die geltende Regelung des § 44 Abs. 2 LwAnpG 1990 habe sich in diesem Punkt als völlig unzulänglich erwiesen (BTDrucks 12/161, S. 9).
Aus der Begründung zu § 51a LwAnpG 1991, der im Zuge der Ausschußberatung aufgenommen wurde, ergibt sich, daß der Ausschuß davon ausgegangen ist, daß § 44 LwAnpG 1991 auf die Fälle des Ausscheidens nach dem 20. Juli 1990 anzuwenden war (BTDrucks 12/404, S. 18). Ergänzend bemerkt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme, daß im Laufe des Jahres 1990 und im ersten Halbjahr 1991 bereits eine Vielzahl von LPG-Mitgliedern im Vertrauen auf eine faire Vermögensauseinandersetzung aus den LPG ausgeschieden seien.
bb) Die rückwirkende Anwendung des § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG ist zur Erreichung des oben beschriebenen Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich.
Eine angemessene Abfindung war wegen des Interessengegensatzes zwischen Landeinbringern und Landlosen und der strukturellen Minderheitsposition der Landeinbringer im Rahmen einer genossenschafts-autonomen Festsetzung der Abfindungsansprüche nicht zu erwarten. Eine – auch rückwirkende – gesetzliche Regelung ist zur Kompensation der Position struktureller Minderheit der Landeinbringer geeignet. Ein weniger einschneidendes Mittel ist nicht ersichtlich.
cc) Die Bestandsinteressen der LPG an der bisherigen Regelung überwiegen auch nicht die Veränderungsgründe des Gesetzgebers. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß in den Fällen der vorliegenden Art das Vertrauen der LPG in den Fortbestand eines Konkretisierungsspielraums noch nicht betätigt worden war. Auf der anderen Seite war es insbesondere zum Schutz der Landeinbringer erforderlich, eine gesetzliche Konkretisierung herbeizuführen. Für die Dringlichkeit der Neuregelung ist zudem zu berücksichtigen, daß die LPG für die Arbeitsleistung eine Vergütung bezahlt haben, während die Nutzung des landwirtschaftlichen Bodens und die Überlassung des Kapitals nicht vergütet wurden. Daher durfte der Gesetzgeber es als dringlich ansehen, die von ihm als gerecht angesehenen Kriterien zur Bemessung des Abfindungsanspruchs auch auf die Fälle zu erstrecken, in denen die Mitgliedschaft in der LPG schon vor Inkrafttreten des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes 1991 beendet wurde.
Die gleichen Überlegungen gelten auch für den Fall, daß die LPG zwar über die Modalitäten der Berechnung des Auseinandersetzungsanspruchs beschlossen hat, dieser Beschluß aber wegen Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorgaben nichtig ist. Ein die gesetzlichen Vorgaben mißachtender Beschluß der LPG kann kein schutzwürdiges Vertrauen begründen.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen