Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf dem Gebiet der Anwaltshaftung.
1. Die Beschwerdeführerin, eine Sozietät von Rechtsanwälten, vertrat in einer mietrechtlichen Streitigkeit die Klägerin des Ausgangsverfahrens durch einen ihrer Sozien in der Berufungsinstanz. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens machte Nachforderungen aus Nebenkostenabrechungen gerichtlich geltend, die teilweise Positionen enthielten, welche nach dem schriftlichen Mietvertrag nicht umlagefähig waren. Diese Positionen waren auch in den Nebenkostenabrechnungen der vorangegangenen zehn Jahre enthalten und von den nunmehr verklagten Mietern jeweils anstandslos beglichen worden. In der Berufungsinstanz wies das Landgericht in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass nach „herrschender Meinung” eine stillschweigende Vertragsänderung nicht in Betracht komme und zitierte hierzu zwei landgerichtliche Urteile aus den Jahren 1982 und 1989 sowie einen Mietrechtskommentar aus dem Jahr 1979. Tatsächlich lag zu diesem Zeitpunkt bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einem Fall der Vermietung einer gewerblich genutzten Immobilie vor, nach der eine Vereinbarung über die Umlagefähigkeit bestimmter Nebenkosten auch stillschweigend durch jahrelange Zahlung zustande kommen kann. Diese Entscheidung wurde vom Landgericht augenscheinlich übersehen und auch der in dieser Sache für die Beschwerdeführerin handelnde Rechtsanwalt wies das Gericht nicht auf sie hin. Die Klage wurde vom Landgericht mit der Begründung abgewiesen, dass vorbehaltlose Zahlungen in der Vergangenheit nicht zu einer Vertragsänderung führen könnten.
2. Im Ausgangsverfahren nahm die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Beschwerdeführerin auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch und blieb vor dem Amtsgericht zunächst ohne Erfolg. In der Berufungsinstanz ging das Landgericht zwar von einer anwaltlichen Pflichtverletzung aus, weil der für die Beschwerdeführerin handelnde Rechtsanwalt, nachdem die der Klägerin des Ausgangsverfahrens ungünstige Rechtsauffassung des Gerichts des Vorprozesses erkennbar zu Tage getreten sei, nicht versucht habe, das Gericht mit entsprechender rechtlicher Argumentation zu einer anderen Rechtsauffassung zu bewegen. Jedoch wies das Landgericht die Schadensersatzklage ab, weil der Zurechnungszusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden dadurch unterbrochen sei, dass das Gericht des Vorprozesses die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls übersehen habe.
Auf die Revision der Klägerin des Ausgangsverfahrens hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts mit dem angegriffenen Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Ein mit der Prozessführung betrauter Rechtsanwalt sei verpflichtet, dafür einzutreten, dass alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt würden. Zwar seien nach der Zivilprozessordnung die Entscheidung und damit die rechtliche Beurteilung dem Gericht zugewiesen, das für sein Urteil auch die volle Verantwortung trage. Es widerspreche jedoch der rechtlichen und tatsächlichen Stellung der Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen, würde man ihre Aufgabe allein in der Beibringung des Tatsachenmaterials sehen. Der Möglichkeit, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss nehmen zu können, entspreche auch die Pflicht, diese Möglichkeit zu nutzen. Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums sei ein Rechtsanwalt verpflichtet, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken.
Diese Pflicht sei dadurch verletzt worden, dass der Rechtsanwalt nicht auf die der Klägerin günstige jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingewiesen habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass auch das Gericht zu einer umfassenden rechtlichen Prüfung des Falles verpflichtet gewesen sei, gleichwohl aber – ebenso wie der Rechtsanwalt – die Entscheidung des Bundesgerichtshofs außer Acht gelassen habe. Nach § 137 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sei Aufgabe des Rechtsanwalts nicht nur die Beibringung der Tatsachengrundlage, der Vortrag der Parteien habe das Streitverhältnis vielmehr auch in rechtlicher Beziehung zu umfassen. Der Satz „iura novit curia” betreffe nur das Verhältnis der juristisch nicht gebildeten Naturalpartei zum Gericht. Vor allem aber richteten sich die Pflichten des Rechtsanwalts nicht nur nach der Zivilprozessordnung, sondern in erster Linie nach dem mit dem Mandanten geschlossenen Vertrag. Der Mandant könne von seinem Rechtsanwalt erwarten, dass dieser auch die rechtlichen Grundlagen des Falles durchdenke. Nachdem das Landgericht im Berufungsverfahren habe erkennen lassen, dass es neuere Rechtsprechung und Literatur nicht berücksichtigt habe, sei ein Hinweis des Rechtsanwalts geboten gewesen. Das Landgericht hätte sich dann mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auseinandersetzen und entweder die Berufung der Mieter zurückweisen oder bei Abweisung der Klage die Revision zulassen müssen, die dann erfolgreich gewesen wäre.
Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden sei auch nicht durch den gerichtlichen Fehler einer unzureichenden rechtlichen Aufarbeitung unterbrochen worden. Denn wenn ein Schaden auf mehreren Ursachen beruhe, die von verschiedenen Personen gesetzt worden seien, so hafteten diese als Gesamtschuldner. Dies gelte auch bei kumulativer Kausalität. Eine Zurechenbarkeit scheide nur dann aus, wenn das Eingreifen eines Dritten den Geschehensablauf so verändere, dass der Schaden bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang zu der Pflichtverletzung stehe. Zwar sei das Gericht verpflichtet, nach den Regeln der Verfahrensvorschriften unabhängig von der Leistung des Rechtsanwalts zu einer möglichst richtigen Entscheidung zu gelangen. Auf der anderen Seite sei aber auch der Rechtsanwalt verpflichtet, seinen Mandanten vor Fehlentscheidungen des Gerichts zu bewahren. Im vorliegenden Fall habe das Gericht eine Schadensursache gesetzt, die die anwaltliche Pflichtverletzung nicht derart in den Hintergrund dränge, dass bei wertender Betrachtung der gerichtliche Fehler als einzige Schadensursache erscheine. Das angefochtene Urteil könne daher keinen Bestand haben. Da vom Landgericht keine Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen worden seien, sei die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
3. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch das Urteil des Bundesgerichtshofs.
Der Bundesgerichtshof gehe zu Unrecht davon aus, dass der Satz „iura novit curia” nur gegenüber Nicht-Juristen gelte. § 137 Abs. 2 ZPO sei nicht zu entnehmen, dass „iura novit advocatus” gelten solle. Vielmehr liege die Verantwortung für die zutreffende rechtliche Beurteilung des Prozessstoffs beim Gericht, das auch die alleinige Verantwortung für die von ihm getroffene Entscheidung trage. Der Rechtsanwalt habe lediglich eine Mitwirkungs- aber keine Entscheidungspflicht. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vertausche die Verantwortungsebenen und verstoße dadurch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Eine derart weitgehende Verantwortungsverlagerung sei nicht mehr verhältnismäßig.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die anwaltliche Berufsausübung durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnet ist, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung grundsätzlich entgegensteht (vgl. BVerfGE 50, 16 ≪29≫; 76, 171 ≪188≫). Ebenso geklärt ist, inwieweit Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte verfassungsgerichtlich überprüft werden können (vgl. BVerfGE 85, 248 ≪257 f.≫; 96, 375 ≪394≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechts angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
a) Im Hinblick auf das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) erscheint bereits die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zweifelhaft.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Rechtsweg grundsätzlich noch nicht erschöpft, wenn die Sache durch ein Revisionsgericht an die Vorinstanz zurückverwiesen wird. Die Bindungswirkung des Revisionsurteils hinsichtlich der für einen Beschwerdeführer ungünstigen Beurteilung der verfassungsrechtlichen Lage ändert daran nichts. Rechtsausführungen in den Gründen der Entscheidungen schaffen für sich allein keine Beschwer im Rechtssinn. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Beschwerdeführer im Ergebnis mit seinem Begehren noch Erfolg haben kann (vgl. BVerfGE 8, 222 ≪224≫; 78, 58 ≪67 f.≫). Ob im vorliegenden Fall wegen der Bindung des Berufungsgerichts an die den Anspruchsgrund bejahende Auffassung des Bundesgerichtshofs (§ 563 Abs. 2 ZPO) ausnahmsweise von einer Erschöpfung des Rechtswegs auszugehen ist, bedarf keiner Entscheidung; denn die Verfassungsbeschwerde ist auch in der Sache selbst ohne Aussicht auf Erfolg.
b) Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
aa) Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass der Bundesgerichtshof ihre Haftung wegen einer Verletzung von Pflichten aus dem mit ihr geschlossenen Anwaltsvertrag bejaht hat. Diese zivilrechtlichen Folgen der Schlechterfüllung von Verträgen fallen jedoch – ebenso wie die Haftung für Schäden aus unerlaubter Handlung – bereits nicht in den Schutzbereich der allein als verletzt gerügten Berufsfreiheit. Die Verpflichtung zum Schadensersatz tritt unabhängig davon ein, ob die Haftungsvoraussetzungen bei Ausübung des Berufs erfüllt werden oder nicht; sie kann allenfalls mittelbar Auswirkungen auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit haben, indem sie die Erwartung sorgfältiger Vertragserfüllung unter Einhaltung der beruflichen Standards nachdrücklich unterstreicht und sich auch auf den Umfang der gebotenen Haftpflichtversicherung auswirkt. Weder die zugrunde liegenden Normen des Zivilrechts noch ihre Anwendung in den Ausgangsverfahren betreffen berufsspezifische Sanktionen (vgl. BVerfGE 96, 375 ≪397≫).
bb) Von den nicht berufsbezogenen allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts entfernt sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht dadurch, dass eine Haftung des Rechtsanwalts im Regelfall auch dann angenommen wird, wenn ein Fehler des Gerichts insbesondere bei der rechtlichen Aufarbeitung des Streitfalls für den Schaden einer Prozesspartei mitursächlich geworden ist. Der Bundesgerichtshof kann vielmehr auf die im Zivilrecht anerkannte gleichstufige Haftung all derjenigen verweisen, die für einen Schaden gleich aus welchen rechtlichen Gründen verantwortlich sind (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 421 Rn. 11; Bydlinski, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Aufl. 2007, § 421 Rn. 49). Hierbei ergibt sich aus dem Umstand, dass die Haftung für den Verursachungsbeitrag des Gerichts durch § 839 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Unterschied zur Haftung des Rechtsanwalts beschränkt ist, keine Besonderheit. Dass mehrere Verantwortliche einen Schaden herbeiführen, sich aber nicht alle von ihnen auf eine vertragliche oder gesetzliche Haftungserleichterung oder einen Haftungsausschluss berufen können, ist auch in anderen Fallgestaltungen des Schadensersatzrechts anzutreffen und erlangt insbesondere für den internen Ausgleich unter den Gesamtschuldnern Bedeutung (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 426 Rn. 18 ff.).
Ob anderes gilt, wenn bei der Verurteilung eines Rechtsanwalts zu Schadensersatz die Auseinandersetzung mit einer ausnahmsweisen Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch den hinzutretenden Fehlers des Gerichts unterblieben ist, obwohl dies auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einzelfall nahe liegend gewesen wäre, kann dahinstehen. Die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts auf die nicht schlechthin in jedem Fall gerechtfertigte Haftungsverschiebung zu Lasten des Rechtsanwalts im Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. August 2002 (1 BvR 399/02 –, NJW 2002, S. 2937 ≪2938≫) sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, dass die haftungsrechtliche Verantwortung von Verfassungs wegen ausschließlich den Gerichten übertragen sein soll. Der Kammerbeschluss geht vielmehr davon aus, dass der dort beschwerdeführende Rechtsanwalt durch seine Schlechtleistung die Verfestigung einer seinem Mandanten ungünstigen Position mitverschuldet hatte. Allerdings können die konkreten Umstände des Einzelfalls nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu führen, dass der Fehler des Rechtsanwalts bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang zu dem aus der Fehlentscheidung des Gerichts resultierenden Schaden steht. Ob und unter welchen Umständen das Außerachtlassen dieses Gesichtspunkts den betroffenen Rechtsanwalt in seiner Berufsfreiheit verletzt, bedarf jedoch hier ebenso wenig einer Entscheidung wie in dem Fall, der dem Kammerbeschluss vom 12. August 2002 zugrunde lag. Der Bundesgerichtshof hat sich nämlich in dem angegriffenen Beschluss mit einer etwaigen Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs eingehend auseinandergesetzt.
cc) Allerdings besteht aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Bereich der Anwaltshaftung gegenüber dem allgemeinen Schadensersatzrecht eine Besonderheit insofern, als das Regressgericht zur Feststellung eines normativen Schadens nicht auf die hypothetische Entscheidung des Gerichts des Vorprozesses bei unterbliebener anwaltlicher Pflichtverletzung abstellen darf, sondern seine eigene rechtliche Wertung an die Stelle derer des Gerichts des Vorprozesses setzen muss (vgl. BGHZ 174, 205 ≪208 f.≫). Die Maßgeblichkeit der Sicht des Regressgerichts kommt jedoch nach Zielsetzung und Wirkung einem Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit schon deshalb nicht gleich, weil mit ihr keinerlei Präjudiz für den Ausgang des Schadensersatzprozesses und damit auch keine tendenziell strengere Haftung des Rechtsanwalts verbunden ist.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen