Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Gehör im Berufungszulassungsverfahren. gegenden Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 1998
Beteiligte
Rechtsanwälte Aloys Poggemann und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
Hinsichtlich der bereits im Berufungszulassungsverfahren geltend gemachten Gehörsrüge fehlt es an einer den Erfordernissen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügenden substantiierten Begründung. Die Beschwerdeführerin hat sich insoweit nicht mit den Gründen des angegriffenen Beschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auseinandergesetzt, welches ausgeführt hatte, dass die Beschwerdeführerin sich im Kern gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung wende, die aber grundsätzlich der Überprüfung im Berufungszulassungsverfahren entzogen sei und auch nicht über den Umweg der Gehörsrüge mit Erfolg angegriffen werden könne.
Soweit die Beschwerdeführerin eine fehlerhafte Würdigung des vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens geltend macht, könnte Art. 16a Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab nur in Betracht gezogen werden, wenn sich die exilpolitischen Aktivitäten der Beschwerdeführerin als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthaltes im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellten (vgl. BVerfGE 74, 51 ≪66≫). Davon kann indessen nicht ausgegangen werden, da das Verwaltungsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Vorverfolgung verneint hat. Der insoweit erhobenen Rüge, das Verwaltungsgericht habe ihre Vorfluchtaktivitäten zu Unrecht als asylirrelevant abgetan, steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Dass die Bewertung der Vorfluchtaktivitäten durch das Verwaltungsgericht gegen Art. 16a Abs. 1 GG verstoße, hat die Beschwerdeführerin nämlich erstmals im Verfassungsbeschwerde-Verfahren geltend gemacht.
Allerdings hat das Verwaltungsgericht auch bei der Prüfung des § 51 Abs. 1 AuslG trotz der Unterstellung, die Aktivitäten der Beschwerdeführerin könnten bekannt geworden und ihre Identität könnte festgestellt worden sein, die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten verneint. Das Verwaltungsgericht geht dabei mit dem von ihm eingeholten Gutachten Kaya davon aus, dass die Beschwerdeführerin bei Rückkehr festgenommen und verhört werden würde. Kaya führt weiter aus, dass die Beschwerdeführerin – immer unterstellt, ihre Aktivitäten seien bekannt geworden und sie sei identifiziert worden – in diesem Fall zur Gewinnung von Informationen jeder Art von Folter ausgesetzt werden würde, was das Verwaltungsgericht nicht erwähnt. Das Verwaltungsgericht verweist die Beschwerdeführerin insoweit auf eine inländische Fluchtalternative, sagt aber nichts dazu, ob die Beschwerdeführerin diese auch sicher erreichen kann; angesichts der Ausführungen von Kaya dürfte dies eher zu verneinen sein. Bei den somit verfassungsrechtlich möglicherweise bedenklichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts handelt es sich indessen um nicht tragende zusätzliche Erwägungen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich seine Entscheidung primär und selbstständig tragend darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin als bloße Mitläuferin zu charakterisieren sei, die jedenfalls nicht öffentlichkeitswirksam auffällig geworden sei. Ferner könne nicht festgestellt werden, dass die türkischen Behörden aufgrund der ausgestrahlten Fernsehaufnahmen ein Verfolgungsinteresse an ihr haben könnten. In Übereinstimmung mit dem Gutachten des Sachverständigen Kaya ist das Gericht zu der Einschätzung gelangt, dass sich die Situation, in der die Beschwerdeführerin auf den Aufnahmen zu sehen sei, nicht von der anderer Demonstrationsteilnehmer unterscheide und keine Besonderheiten aufweise, welche die staatlichen Sicherheitsbehörden veranlassen würden, insbesondere ihre Personalien festzustellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktivitäten der Beschwerdeführerin bekannt geworden und sie identifiziert worden sein könnte, wird somit – so dürfte auch das Gutachten Kaya zu verstehen sein – vom Verwaltungsgericht als äußerst gering erachtet. Mit dieser Begründung wird – verfassungsrechtlich tragfähig und von der Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert angegriffen – die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung wegen der geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten verneint.
Soweit mit der Verfassungsbeschwerde sinngemäß erstmals gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu Repressalien gegenüber Verwandten in der Türkei im Zusammenhang mit der Ausstrahlung der bei der Demonstration in Düsseldorf gemachten Aufnahmen übergangen und dadurch Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, steht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität (vgl. BVerfGE 22, 287 ≪290≫; 70, 180 ≪187≫) der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde entgegen. Die Beschwerdeführerin hat diese Gehörsrüge nicht zuvor im Berufungszulassungsverfahren angebracht und damit das fachgerichtliche Verfahren nicht angemessen betrieben.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Sommer, Broß, Osterloh
Fundstellen