Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob der Betreiber eines Krankenhauses, das bereits in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen wurde, die Planaufnahme eines anderen Krankenhauses anfechten kann (so genannte defensive oder negative Konkurrentenklage).
I.
1. Die Beschwerdeführerinnen betreiben Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan aufgenommen sind. Die Beigeladene des Ausgangsverfahrens (nachfolgend: die Beigeladene) betreibt ebenfalls ein Krankenhaus, das durch den im Ausgangsverfahren angefochtenen Bescheid neu in den Krankenhausplan aufgenommen wurde. Der Abbau der sich hierdurch ergebenden Überkapazitäten soll nach der Begründung des Bescheids durch Bettenreduzierung unter anderem bei den Krankenhäusern der Beschwerdeführerinnen erfolgen. Entsprechende Änderungsfeststellungsbescheide sind bislang jedoch nicht ergangen.
Die Anfechtungsklagen der Beschwerdeführerinnen gegen den zugunsten der Beigeladenen ergangenen Bescheid waren erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Beschwerdeführerinnen nicht für klagebefugt. Grundsätzlich biete die Klage gegen eine zeitgleich verfügte Herausnahme eigener Bettenkapazitäten aus dem Krankenhausplan vollständigen Rechtsschutz. Werde die Planherausnahme – wie hier – nicht zeitgleich verfügt, so liege der Planaufnahme des weiteren Krankenhauses keine Auswahlentscheidung zugrunde. Der Sache nach gehe es den Beschwerdeführerinnen um vorbeugenden Rechtsschutz gegen befürchtete künftige Herausnahmebescheide. Das erforderliche spezifische Interesse an vorbeugendem Rechtsschutz sei vorliegend nicht erkennbar. Vielmehr sei zumutbar, im Falle einer späteren Planherausnahme unmittelbar gegen den entsprechenden Bescheid vorzugehen. Unabhängig von der Zurücksetzung in einer Auswahlentscheidung lasse sich eine Klagebefugnis nicht begründen.
2. Mit ihrer gegen die behördliche und gerichtlichen Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist sie zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführerinnen als verletzt bezeichneten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen weder Art. 12 Abs. 1 noch Art. 19 Abs. 4 GG. Das Bundesverwaltungsgericht hat weder die Bedeutung und Tragweite der Rechtsschutzgarantie noch der Berufsfreiheit verkannt, indem es die Klagebefugnis der Beschwerdeführerinnen verneint hat.
Art. 19 Abs. 4 GG garantiert umfassenden Rechtsschutz nur zum Zweck des Schutzes subjektiver Rechte. Gefordert ist dabei eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 ≪275≫). Insbesondere sind irreparable Entscheidungen soweit wie möglich auszuschließen (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫). Art. 19 Abs. 4 GG beschränkt sich dabei nicht auf die effektive Durchsetzung verfassungsrechtlich begründeter Rechte, vielmehr fallen auch subjektive Rechte des einfachen Rechts in den Schutzbereich (vgl. BVerfGE 96, 100 ≪114 f.≫). Hingegen genügt weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, die lediglich Reflexwirkungen haben, weil in ihnen der Einzelne allein aus Gründen der Allgemeinheit begünstigt wird (vgl. BVerfGE 116, 1 ≪11≫).
Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen Maßstäben Rechnung. Weder werden durch die Aufnahme der Beigeladenen in den Krankenhausplan unmittelbar subjektive Rechte der Beschwerdeführerinnen berührt (1), noch verlangt Art. 19 Abs. 4 GG, den Beschwerdeführerinnen bereits gegenwärtig Rechtsschutz gegen einen befürchteten zukünftigen Herausnahmebescheid zu gewähren (2).
1. Die Aufnahme der Beigeladenen in den Krankenhausplan berührt die Beschwerdeführerinnen weder in ihrer Berufsfreiheit (a) noch in einfach-rechtlich begründeten subjektiven Rechten (b):
a) Im Grundsatz gewährt Art. 12 Abs. 1 GG keinen Schutz vor Konkurrenz (vgl. BVerfGE 34, 252 ≪256≫). Eine Wettbewerbsveränderung durch Einzelakt, die erhebliche Konkurrenznachteile zur Folge hat, kann aber das Grundrecht der Berufsfreiheit beeinträchtigen, wenn sie im Zusammenhang mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel steht (vgl. BVerfGE 82, 209 ≪223 f.≫; für die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan). Insbesondere bei einem regulierten Marktzugang können auch Einzelentscheidungen, die das erzielbare Entgelt beeinflussen, die Freiheit der Berufsausübung beeinträchtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. August 2004 – 1 BvR 378/00 –, NJW 2005, S. 273 ≪274≫). Wird zur Wahrung von Gemeinwohlbelangen der einzelne Leistungserbringer weitgehenden Einschränkungen unterworfen und kommt es in einem dergestalt durchstrukturierten Markt durch hoheitliche Maßnahmen zu weiter gehenden, an den Gemeinwohlbelangen nicht ausgerichteten Eingriffen in die Marktbedingungen, die zu einer Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse führen, so besteht die Möglichkeit, dass die im System eingebundenen Leistungserbringer in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt sind (vgl. BVerfG, a.a.O., NJW 2005, S. 275). Eine Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse ist dann zu besorgen, wenn den bereits zum Markt zugelassenen Leistungserbringern ein gesetzlicher Vorrang gegenüber auf den Markt drängenden Konkurrenten eingeräumt ist (vgl. BVerfG, a.a.O., NJW 2005, S. 274 f.). Fehlt es hieran, so realisiert sich in dem Marktzutritt lediglich ein dem jeweiligen Markt bereits immanentes Wettbewerbsrisiko. Nach diesen Grundsätzen ist ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerinnen nicht zu erkennen.
aa) Vorliegend führte die Aufnahme der Beigeladenen in den Krankenhausplan, selbst wenn sie rechtswidrig erfolgt sein sollte, zu keiner grundrechtsrelevanten Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse. Dabei kann dahinstehen, ob das Krankenhausplanungsrecht hinreichend durchstrukturierte Marktbedingungen schafft; denn jedenfalls kommt vorhandenen Plankrankenhäusern kein gesetzlicher Vorrang gegenüber hinzutretenden Konkurrenten zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Krankenhaus auch dann grundsätzlich geeignet, in den Krankenhausplan aufgenommen zu werden, wenn es neben oder an Stelle eines Plankrankenhauses geeignet ist, den – insoweit nur fiktiven – Bedarf zu decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1986 – 3 C 67/85 –, NJW 1987, S. 2318 ≪2320≫). Dies eröffnet dem Neubewerber auch bei gedecktem Gesamtbedarf eine Chance auf Aufnahme in den Krankenhausplan. Es würde auch der Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht, wenn unter Hinweis auf die bestehende Bedarfsdeckung jeder Neuzugang verhindert werden könnte (vgl. BVerfGK 3, 39 ≪46≫). Steht aber im Falle der Bedarfsdeckung die Rechtsstellung eines Plankrankenhauses bei der Aufnahme eines Neubewerbers prinzipiell wieder zur Disposition, so genießen Plankrankenhäuser gegenüber Neubewerbern keinen Vorrang, sondern stehen ihnen prinzipiell gleich. Hieraus folgt, dass die Planaufnahme der Beigeladenen lediglich in grundrechtlich unerheblicher Weise den systemimmanenten Wettbewerbsdruck verschärft.
bb) Anders liegt es, wenn mehrere Bewerber um eine Planposition konkurrieren. Hier liegt in der Aufnahme des erfolgreichen Bewerbers implizit auch die Nichtaufnahme des übergangenen Bewerbers (vgl. BVerfGK 2, 223 ≪230≫). Die Nichtaufnahme greift aber in die berufliche Betätigungsmöglichkeit in einer Weise ein, die einer Berufszulassungsbeschränkung nahe kommt (vgl. BVerfGE 82, 209 ≪229≫). Dies rechtfertigt es, dem übergangenen Bewerber zeitnah die Möglichkeit der Drittanfechtung gegen den an den Konkurrenten gerichteten Feststellungsbescheid einzuräumen (vgl. BVerfGK 2, 223 ≪229 ff.≫; so genannte verdrängende Konkurrentenklage). Vorliegend trifft der angegriffene Feststellungsbescheid hingegen keine vergleichbare Auswahl zu Lasten der Beschwerdeführerinnen; ihre spätere Planherausnahme ist durch die Aufnahme der Beigeladenen nicht vorgezeichnet. Vielmehr haben die Gerichte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in den Auswahlüberlegungen lediglich ein unverbindliches Begründungselement erblickt.
b) Auch haben die Fachgerichte in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise eine einfach-rechtliche Rechtsposition nicht erkennen können. Von den Fällen der Grundrechte und sonstiger verfassungsmäßiger Rechte abgesehen, bestimmt der Gesetzgeber, unter welchen Voraussetzungen dem Einzelnen ein Recht zusteht und welchen Inhalt es hat (vgl. BVerfGE 78, 214 ≪226≫). Da nach der Ordnung des Grundgesetzes die Fachgerichte zur Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts berufen sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫), könnte das Bundesverfassungsgericht nur dann eingreifen, wenn die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des einfachen Rechts willkürlich oder aus sonstigen Gründen verfassungswidrig wäre. Dies ist hier nicht zu erkennen.
Dass die Gerichte § 8 Abs. 2 Satz 2 und § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG) kein subjektives Recht auf eine zeitnahe Auswahlentscheidung entnehmen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gerichte haben hierbei die Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerinnen nicht verkannt. Die Annahme, die genannten Vorschriften seien ausschließlich objektiven Interessen zu dienen bestimmt, ist verfassungsrechtlich ohne weiteres vertretbar. Auch haben die Fachgerichte den Norminhalt nicht willkürlich ermittelt, zumal der drittschützende Gehalt der genannten Normen auch in der Literatur kontrovers diskutiert wird (für subjektiven Gehalt: Burgi, NZS 2005, S. 169 ≪174≫; Seiler/Vollmöller, DVBl 2003, S. 235 ≪239 f.≫; Kuhla, NZS 2007, S. 567 ≪572 f.≫; dagegen: Quaas, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, § 25 Rn. 385 ff.; Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, 40. Lfg. 2008, § 8 KHG Rn. V 3.2).
2. Mit Blick auf eine etwaige Rechtsverletzung durch einen zukünftigen rechtswidrigen Herausnahmebescheid verstößt es nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG, die Beschwerdeführerinnen auf eine spätere Anfechtungsklage gegen diesen zu verweisen. Dabei ist der Ausgangspunkt des Bundesverwaltungsgerichts, dass es den Beschwerdeführerinnen der Sache nach um vorbeugenden Rechtsschutz geht, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diesen zu gewähren, ist nur dann ein Gebot des Art. 19 Abs. 4 GG, wenn der nachgängige Rechtsschutz – einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes – mit unzumutbaren Nachteilen verbunden ist. Vorliegend sind die Beschwerdeführerinnen durch den nachgängigen Rechtsschutz aber hinreichend geschützt.
a) Insoweit ist zunächst von den Feststellungen der Fachgerichte auszugehen, nach denen bislang eine Auswahlentscheidung mit Grund unterblieben und vor dem Hintergrund möglicher Planänderungen die Herausnahme gerade der Krankenhäuser der Beschwerdeführerinnen unsicher ist. Anderes folgt nicht daraus, dass die Behörde bei einer dauerhaften Bedarfsüberdeckung verpflichtet sein wird, zu Lasten einiger Krankenhäuser die teilweise Planherausnahme zu verfügen. Zwar ist bei einer rechtmäßig handelnden Behörde bei fortbestehender Überversorgung damit nicht unsicher, ob überhaupt, sondern allein welche Krankenhäuser von einer Planherausnahme betroffen sein werden. Hieraus können die Beschwerdeführerinnen für sich aber nichts ableiten. Denn ob zu einem späteren Zeitpunkt die Herausnahme der Krankenhäuser der Beschwerdeführerinnen nicht etwa in rechtmäßiger Weise verfügt werden kann, war bei der Planaufnahme der Beigeladenen völlig ungewiss. Rechtsschutz in rein abstrakten Gefährdungslagen fordert Art. 19 Abs. 4 GG aber nicht.
b) Liegt mithin derzeit – anders als bei der verdrängenden Konkurrentenklage – keine Rechtsverletzung vor, so können die Beschwerdeführerinnen zumutbar auf eine spätere Anfechtungsklage gegen einen eventuellen Herausnahmebescheid verwiesen werden. Diese bietet auch umfassenden Schutz. Vom Prüfungsumfang her geht sie über eine derzeitige Drittanfechtung sogar hinaus, weil sich die Prüfungsbefugnis des Gerichts bei der Anfechtungsklage „in eigener Sache” nicht auf eine Verletzung drittschützender Normen beschränkt, sondern der Herausnahmebescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden kann.
c) Aus der bei der verdrängenden Konkurrentenklage durchgreifenden Erwägung, dass die Aufnahme des erfolgreichen Bewerbers die Abwägungssituation zu Lasten des übergangenen Krankenhausträgers ändert (vgl. BVerfGK 2, 223 ≪229 f.≫), folgt nichts anderes. Zwar ist nicht völlig undenkbar, das auch vorliegend die Zulassung der Beigeladenen und die sich anschließende Investitionsförderung nach §§ 8 ff. KHG die für die spätere Herausnahmeentscheidung maßgeblichen Umstände derart beeinflussen, dass die Krankenhäuser der Beschwerdeführerinnen zum Zeitpunkt einer etwaigen Herausnahme – verglichen mit der Beigeladenen – tatsächlich als das „weniger geeignete” Krankenhaus erscheinen und einer Anfechtungsklage gegen die Planherausnahme gerade deswegen der Erfolg versagt bleibt. Doch ist diese Gefahr gegenwärtig schon deswegen nicht greifbar, weil in die spätere Auswahl nicht nur die Beschwerdeführerinnen und die Beigeladene, sondern alle Plankrankenhäuser einzubeziehen sind und die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse kaum prognostizierbar ist.
d) Auch die Gefahr drohender Ersatzforderungen im Falle der späteren Herausnahme eines rechtswidrig eingesetzten Bewerbers und die damit einhergehende Gefahr außerrechtlicher Einflüsse auf die Herausnahmeentscheidung (vgl. BVerfGK 2, 223 ≪230≫) zwingen zu keiner anderen Beurteilung. Während drohende Ersatzforderungen im Falle der Bewerberkonkurrenz die zuständige Behörde davon abhalten könnten, die an sich gebotene Planaufnahme des übergangenen Bewerbers festzustellen, was für diesen einen intensiven Grundrechtseingriff bedeutet, führt bei der defensiven Konkurrentenklage die Duldung einer Überversorgung allein zu einer Verschärfung des Wettbewerbsdrucks, vor der Art. 12 Abs. 1 GG gerade nicht schützt.
e) Schließlich kann das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Fehlinvestitionen der öffentlichen Hand (vgl. BVerfGK 2, 223 ≪230≫) kein Drittanfechtungsrecht der Beschwerdeführerinnen begründen. Allenfalls ist diese Erwägung geeignet, ein anderweitig vorgefundenes Klagerecht – an dem es hier gerade fehlt – zusätzlich abzusichern.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen
NVwZ 2009, 977 |
GesR 2009, 376 |
ZMGR 2009, 235 |