Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 14.05.2010; Aktenzeichen 62 VI 370/09) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Befugnis gewerblicher Erbenermittler, Beteiligte in einem Erbscheinsverfahren zu vertreten.
1. Der Beschwerdeführer ist als Erbenermittler tätig und befasst sich hierbei mit der Suche von Erben sowie dem Nachweis von deren Erbberechtigung.
Dem Ausgangsverfahren liegt zugrunde, dass ein gerichtlich bestellter Nachlasspfleger den Beschwerdeführer und einen weiteren Erbenermittler mit der Ermittlung der Erben eines im Jahr 2000 verstorbenen britischen Staatsangehörigen beauftragte. Die ermittelte Erbengemeinschaft besteht einschließlich einiger nachverstorbener Erben aus 16 Personen, die sich untereinander teilweise nicht kennen, sich zumindest teilweise dauerhaft im Ausland aufhalten und über keine Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.
Im nachfolgenden Erbscheinsverfahren vor dem Amtsgericht vertrat der Beschwerdeführer einen in Großbritannien lebenden Antragsteller. Mit Beschluss vom 14. Mai 2010 wies das Amtsgericht den Beschwerdeführer als Bevollmächtigten zurück, weil er nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) nicht vertretungsbefugt sei.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.
Seine Berufsausübungsfreiheit sei durch § 10 Abs. 2 und 3 FamFG verletzt, weil ihm die Vertretung von Verfahrensbeteiligten im Erbscheinsverfahren verwehrt werde, obwohl er entsprechend qualifiziert sei. Zudem verfügten vertretungsberechtigte Rechtsanwälte insbesondere im Kontext internationaler Erbrechtsfälle aufgrund unzureichender Kenntnis der Sprache und des Rechts anderer Länder nicht über die gleiche Befähigung wie der Beschwerdeführer. Im Gegensatz zum generellen Ausschluss von Erbenermittlern stelle die Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 FamFG zudem ein gleich geeignetes, aber milderes Mittel dar, um eine qualitativ adäquate Vertretung sicherzustellen. § 10 Abs. 2 und 3 FamFG dienten daher letztlich dem verfassungsrechtlich unbeachtlichen Ziel, die Anwaltschaft vor Konkurrenz zu schützen.
§ 10 Abs. 2 und 3 FamFG verletzten auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gleichbehandlung, weil gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG auch volljährige Familienangehörige sowie Beschäftigte einer Partei vertretungsberechtigt seien, obwohl diese nicht über eine ähnliche Sachkompetenz verfügten wie ein spezialisierter Erbenermittler. Weiterhin seien durch die Vorschrift die Grundrechte der Erben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, da deren Vertrags- und Vertretungsfreiheit durch die Regelung unzulässig beschränkt würden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde hinreichend substantiiert begründet ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer stützt seine Verfassungsbeschwerde im Kern lediglich darauf, dass er von der Vertretung im Erbscheinsverfahren ausgeschlossen werde, obwohl er kompetenter sei als Rechtsanwälte und andere zur Vertretung Befugte. Insoweit bleibt es aber bei einer pauschalen Behauptung. Er legt nicht einmal ansatzweise dar, über welche Art von Qualifikation er verfügt. Erst recht ist seinem Vorbringen nicht zu entnehmen, weshalb Erbenermittler generell als ausreichend befähigt für eine Vertretung im Erbscheinsverfahren anzusehen sein sollen.
2. Jedenfalls ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffene Entscheidung nicht in seinen Grundrechten verletzt.
a) Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit. Das Amtsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung die zwingenden gesetzlichen Vorgaben aus § 10 Abs. 2 und 3 FamFG umgesetzt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass diese Regelungen gewerbliche Erbenermittler von der Vertretung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch im Erbscheinsverfahren ausschließen, soweit sie nicht eine der dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Der damit verbundene Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Die Vertretungsbeschränkung in § 10 Abs. 2 und 3 FamFG dient einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Beteiligten, andererseits der Ordnung des gerichtlichen Verfahrens (vgl. BTDrucks 16/3655, S. 34 ≪zu § 79 ZPO≫). Im Übrigen ging es dem Gesetzgeber um einen Gleichlauf der verschiedenen Verfahrensordnungen und eine größere Klarheit und Rechtssicherheit gegenüber dem vorherigen Rechtszustand (vgl. BTDrucks 16/3655, S. 33). Damit verfolgte er Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen und daher die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich zu legitimieren vermögen (zum Maßstab vgl. BVerfGE 95, 193 ≪214≫ m.w.N.).
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber den Anwaltsvorbehalt zum Schutz des Rechtsuchenden sowie im Interesse einer geordneten Rechtspflege für geeignet, erforderlich und angemessen halten durfte (vgl. BVerfGE 10, 185 ≪197 ff.≫; 75, 246 ≪264 ff.≫; 97, 12 ≪26 f.≫). Dies gilt auch für das Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Erbscheinsverfahrens. Der Gesetzgeber hatte bei der Neuregelung des Rechtsdienstleistungsrechts auch den Beruf des Erbenermittlers im Blick. So sollte die Formulierung des § 5 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG) auch Erbenermittlern die Erbringung von Rechtsdienstleistungen in erheblichem Umfang ermöglichen (vgl. BTDrucks 16/3655, S. 118; vgl. dazu Grunewald, ZEV 2008, S. 257 ≪258≫). Andererseits ist der Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes gerade deshalb auf die außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen beschränkt worden, damit die Frage nach der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren unabhängig davon vor allem nach dem Kriterium der Befähigung zum sach- und interessengerechten Prozessvortrag entschieden werden kann (vgl. BTDrucks 16/3655, S. 33).
Insoweit sind die mittelbar angegriffenen Regelungen in § 10 Abs. 2 und 3 FamFG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch im Erbscheinsverfahren können sich komplexe Rechtsfragen stellen, und der Ausgang des Verfahrens kann für den Antragsteller und den Rechtsverkehr wegen der Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins (§ 2365 BGB) erhebliche Bedeutung erlangen. Gegen die Geeignetheit des Anwaltsvorbehalts kann der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg einwenden, Erbenermittler seien besser qualifiziert als Rechtsanwälte. Diese pauschale, in keiner Weise konkretisierte Behauptung vermag nicht die gegenläufige Einschätzung des Gesetzgebers in Frage zu stellen, zumal keineswegs sichergestellt ist, dass ein Erbenermittler über eine auch nur in Ansätzen genügende juristische Ausbildung verfügt (vgl. beispielsweise VG Münster, Urteil vom 9. Juni 2010 – 9 K 2508/09 –, juris). Die Tätigkeit von Erbenermittlern wird, wie bereits die Berufsbezeichnung deutlich macht, in der Regel vor allem von Recherchetätigkeiten im Bereich der Familienforschung bestimmt (vgl. Späth, Die gewerbliche Erbensuche im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr, 2008, S. 87 f.). Darüber hinaus sind Erbenermittler, anders als Rechtsanwälte, nicht standesrechtlich gebunden und stehen nicht unter einer vergleichbaren Aufsicht (vgl. dazu BVerfGE 75, 246 ≪269 ff.≫).
Die Angemessenheit der Regelung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gesetzgeber ein Auftreten des Beteiligten selbst sowie eine Vertretung unter anderem durch Beschäftigte und Familienangehörige zugelassen hat. Zwar ist es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, wenn der Gesetzgeber im Rahmen seines Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums die von ihm verfolgten Zwecke selbst relativiert (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪360≫). Für den hier zu beurteilenden Bereich hat der Gesetzgeber die entgeltliche Vertretung aber konsequent den Rechtsanwälten vorbehalten. Wenn er daneben den Beteiligten erlaubt, selbst tätig zu werden, ist dies von der verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfGE 10, 185 ≪199≫) Erwägung getragen, ihnen eine einfache und kostengünstige Erledigung des Verfahrens zu ermöglichen (vgl. BTDrucks 16/3655, S. 34 ≪zu § 79 ZPO≫). Darüber hinaus ist die Vertretung nur durch Personen möglich, die unabhängig von der konkreten Vertretungssituation grundsätzlich der Sphäre des Vertretenen zuzuordnen sind (Beschäftigte, Familienangehörige) und/oder die Vertretung unentgeltlich wahrnehmen (Familienangehörige, Volljuristen, andere Beteiligte). Wenn ein Verfahrensbeteiligter dagegen eine externe, professionelle Rechtsvertretung entgeltlich in Anspruch zu nehmen wünscht, soll diese Dienstleistung ausschließlich durch Rechtsanwälte erbracht werden. Insoweit hat der Gesetzgeber sein Regelungskonzept konsequent verfolgt.
b) Aus den genannten Gründen, die die in § 10 Abs. 2 FamFG angelegte Differenzierung rechtfertigen, liegt auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Paulus
Fundstellen
NJW 2010, 3291 |
FamRZ 2010, 1797 |
ZEV 2011, 36 |
ErbBstg 2010, 265 |
ErbR 2010, 388 |