Tenor
1. Die Untätigkeit des Sozialgerichts Gotha hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. April 2000 im Verfahren S 7 KA 35/00 (später S 7 KA 2206/00) anhängig gemachten Klagebegehrens verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
2. Der Freistaat Thüringen hat der Beschwerdeführerin die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die ihrer Ansicht nach überlange Dauer zweier sozialgerichtlicher Verfahren aus dem Bereich des Vertragsarztrechts.
1. Die Beschwerdeführerin führt verschiedene sozialgerichtliche Verfahren gegen Honorarbescheide der K. (im Folgenden: Beklagte).
a) Der Ablauf des ersten mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Verfahrens gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt: Mit Schriftsatz vom 2. April 2000 ergänzte die Beschwerdeführerin eine bereits beim Sozialgericht anhängige Klage (S 7 KA 35/00) um eine Klage gegen die Honorarbescheide für die Quartale I bis III/1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids sowie um einen Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich des Honorarbescheids für das Quartal IV/1997, wobei sie das Gericht bat, ein neues Aktenzeichen zu vergeben, sofern eine Zusammenführung der Klagen nicht möglich sein sollte. Entgegen einem gerichtlichen Hinweis erfolgte keine Trennung der Verfahren. Im Januar 2004 verband das Sozialgericht das Verfahren S 7 KA 35/00 mit weiteren Verfahren der Beschwerdeführerin. In dem nun unter dem Aktenzeichen S 7 KA 2206/00 geführten Verfahren fand am 14. April 2004 eine mündlichen Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin weder anwesend noch vertreten war. Das Sozialgericht legte seinem klageabweisenden Urteil einen Klageantrag zugrunde, der sich nicht auf die Bescheide für die Quartale IV/1997 bis III/1998 bezog.
Gegen das im September 2004 zugestellte Urteil legte die unvertretene Beschwerdeführerin Berufung zum Landessozialgericht unter anderem wegen der Auslassung einer Entscheidung über die Quartale IV/1997 bis III/1998 ein. In einem Erörterungstermin im Februar 2006 wies das Landessozialgericht darauf hin, dass eine Entscheidung der Berufungsinstanz hinsichtlich der Quartale I bis III/1998 unzulässig sei, weil das Sozialgericht hierüber nicht entschieden habe, sondern noch entscheiden müsse; das Verfahren werde insoweit abgetrennt werden. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Die Trennung der Berufungsverfahren erfolgte im November 2006. Im Dezember 2007 fand die mündliche Verhandlung statt, aufgrund der das Landessozialgericht die Berufung als unzulässig verwarf, weil es an einer erstinstanzlichen Entscheidung fehle. Im April 2008 wurde das Urteil der Beschwerdeführerin zugestellt.
Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zum Bundessozialgericht. Außerdem stellte sie beim Landessozialgericht Anträge auf Protokollberichtigung, Urteilsergänzung und Urteilsberichtigung. Das Landessozialgericht entschied über den Antrag auf Protokollberichtigung im Mai 2008, über den Antrag auf Urteilsergänzung im Dezember 2008 (zugestellt im April 2009) und über den Antrag auf Urteilsberichtigung im April 2009. Das Bundessozialgericht verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde im März 2009.
In der Zeit seit dem Erörterungstermin im Februar 2006 erinnerte die Beschwerdeführerin das Sozialgericht verschiedentlich an die ausstehende Entscheidung über die Honorarbescheide für die Quartale IV/1997 bis III/1998, so im August 2007, im März 2008, im April/Mai 2008 und im März 2009. Verfahrensfördernde Maßnahmen ergriff das Sozialgericht nicht; eine Entscheidung ist nicht ergangen.
b) Bei dem zweiten mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Verfahren handelt es sich um eine Untätigkeitsklage gegen die Beklagte, die seit März 2008 beim Sozialgericht anhängig ist.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die andauernde Unterlassung gerichtlicher Tätigkeit in beiden Verfahren und rügt insoweit eine Verletzung ihres Grundrechts auf effektiven Rechtschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Daneben rügt sie eine Verletzung weiterer Grundrechte durch die Rechtsanwendung des Sozialgerichts.
3. Dem Thüringer Justizministerium und der Beklagten der Ausgangsverfahren wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten der Ausgangsverfahren waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Untätigkeit des Sozialgerichts hinsichtlich ihres mit Schriftsatz vom 2. April 2000 im Verfahren S 7 KA 35/00 (später S 7 KA 2206/00) anhängig gemachten Klagebegehrens richtet; im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Im Hinblick auf die beanstandete Untätigkeit des Sozialgerichts Gotha hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 2. April 2000 im Verfahren S 7 KA 35/00 anhängig gemachten Klagebegehrens ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Insoweit liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 55, 349 ≪369≫; 60, 253 ≪269≫; 88, 118 ≪124≫; 93, 1 ≪13≫). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.
Die Untätigkeit des Sozialgerichts im vorgenannten Verfahren verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.
a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht, die Gerichte gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Wirksam ist nur ein zeitgerechter Rechtsschutz. Im Interesse der Rechtssicherheit sind strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit zu klären (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪269≫; 88, 118 ≪124≫; 93, 1 ≪13≫). Dem Grundgesetz lassen sich allerdings keine allgemein gültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 55, 349 ≪369≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 – 1 BvR 775/07 –, NJW 2008, S. 503 ≪503≫).
Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache für die Parteien, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere Verfahrensverzögerungen durch sie, sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, S. 214 ≪215≫). Dagegen kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 – 1 BvR 901/03 –, NVwZ 2004, S. 334 ≪335≫). Ferner haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, S. 214 ≪215≫).
b) Nach Abwägung der konkreten Umstände ist es verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar, dass infolge der Untätigkeit des Sozialgerichts über den Abschluss des durch den Schriftsatz vom 2. April 2000 eingeleiteten erstinstanzlichen Verfahrens nach inzwischen über neun Jahren noch keine Klarheit besteht.
aa) Die Beschwerdeführerin hat unter dem 2. April 2000 im bereits anhängigen Verfahren S 7 KA 35/00 Klage jedenfalls gegen die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I bis III/1998 in der Gestalt des zugehörigen Widerspruchsbescheids erhoben. Ob sich die Klage zudem auch gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/1997 in der Gestalt des entsprechenden Widerspruchsbescheids richtet, kann mit Blick auf die verfassungsrechtliche Beurteilung der Dauer des Verfahrens dahinstehen. Wenn es – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigende Schwierigkeit oder Bedeutung des Verfahrens durch diesen Umstand beeinflusst wird, so ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Verfahrensdauer unangemessen ist, nicht erheblich, ob mit der Klage drei oder vier Ausgangsbescheide angegriffen wurden.
bb) Über das Klagebegehren hat das Sozialgericht noch nicht entschieden. Das Urteil vom April 2004 im Verfahren S 7 KA 2206/00, mit dem unter anderem das Verfahren S 7 KA 35/00 verbunden worden war, trifft zu den Honorarbescheiden der Quartale IV/1997 bis III/1998 keine Entscheidung. Es gibt auch keine andere gerichtliche Entscheidung, durch die in der Sache über die Klage befunden worden wäre.
cc) Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Verfahrensfortgang anfangs nicht unerheblich durch in der Sphäre der Beschwerdeführerin liegende Gründe behindert wurde. So legte etwa ihre damalige Prozessbevollmächtigte trotz mehrmaliger Erinnerung erst rund 16 Monate nach ihrer Bestellung die angekündigte Klagebegründung vor und der zunächst anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf wiederholten Antrag der Beschwerdeführerin hin aufgehoben.
dd) Hingegen ist es aufgrund der Sonderkonstellation des vorliegenden Einzelfalls ohne ausschlaggebende Bedeutung, ob die unter dem 2. April 2000 erhobene Klage noch beim Sozialgericht anhängig (1) oder die Rechtshängigkeit zwischenzeitlich entfallen ist (2). Es ist jedenfalls kein Umstand feststellbar, der die Rechtshängigkeit offensichtlich und zweifelfrei beendet hätte. Diese Frage ist daher offen, wie sich auch dem Urteil des Landessozialgerichts entnehmen lässt.
In Betracht kommt nach Auffassung des Landessozialgerichts, dass in der Formulierung der Klageanträge für die mündliche Verhandlung des Sozialgerichts durch den Schriftsatz der damaligen Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2004 eine konkludente Klagerücknahme hinsichtlich der dort nicht aufgeführten Honorarbescheide für die Quartale IV/1997 bis III/1998 zu sehen sein könnte. Bei der zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Auslegung der in diesem Schriftsatz enthaltenen Erklärung wäre allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Bevollmächtigte offenbar unsicher war, ob die fraglichen Bescheide überhaupt Gegenstand des terminierten Verfahrens waren, wie sich ihrem nur eine Minute später an das Sozialgericht gefaxten zweiten Schriftsatz vom 13. April 2004 entnehmen lässt. Dort erklärte sie ausdrücklich, dass die Klageanträge zu ergänzen wären, sofern die betreffenden Quartale Eingang in das Verfahren gefunden hätten. Auf diesen Schriftsatz hat das Sozialgericht nicht reagiert, obwohl der Vorsitzende nach § 106 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verpflichtet ist, darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert und sachdienliche Anträge gestellt werden.
Geht man nicht von einer konkludenten Klagerücknahme aus und war das Klagebegehren Gegenstand des Verfahrens S 7 KA 2206/00, so könnte die Rechtshängigkeit möglicherweise durch den Ablauf der Frist zur Urteilsergänzung nach § 140 Abs. 1 Satz 2 SGG entfallen sein (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 140 Rn. 3; BVerwGE 95, 269 ≪274≫). Das würde allerdings unter anderem voraussetzen, dass das Sozialgericht versehentlich nicht über das betreffende Klagebegehren entschieden hat (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1994 – 13 RJ 9/94 –, juris ≪Rn. 32≫; Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 140 Rn. 9); das nimmt zumindest das Landessozialgericht nicht an.
Über die demnach unklare Frage der weiteren Rechtshängigkeit des Klagebegehrens hat nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern haben die Fachgerichten zu befinden. Mit Blick auf die von dem Gebot effektiven Rechtsschutzes umfasste Gewährleistung, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit zu klären sind (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪269≫; 88, 118 ≪124≫; 93, 1 ≪13≫), ist es von Verfassungs wegen für die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht hinnehmbar, dass über den Abschluss ihres durch den Schriftsatz vom 2. April 2000 eingeleiteten sozialgerichtlichen Verfahrens immer noch keine Rechtssicherheit besteht.
(1) Geht man für die verfassungsrechtliche Beurteilung davon aus, dass das unter dem 2. April 2000 anhängig gemachte Klagebegehren mangels eines die Rechtshängigkeit beendenden Umstands weiterhin beim Sozialgericht anhängig ist, so ist es unangemessen, dass eine erstinstanzliche Entscheidung zur Sache noch nicht ergangen ist, obwohl das Verfahren nun schon über neun Jahre dauert. Die Sachmaterie weist im Vergleich zu den anderen von der Beschwerdeführerin betriebenen und bereits 2004 in erster Instanz abgeschlossenen Klageverfahren keine besonderen Schwierigkeiten auf. Sachverständigengutachten wurden nicht eingeholt. Die Beschwerdeführerin hat das Sozialgericht verschiedentlich auf eine noch ausstehende Entscheidung hinsichtlich der Honorarbescheide für die fraglichen Quartale hingewiesen. Dennoch ist das Verfahren von Seiten des Sozialgerichts seit September 2004, als das Urteil vom April 2004 zugestellt wurde, nicht mehr gefördert worden. Selbst auf die im Mai 2008 unter Hinweis auf die ausstehende Entscheidung erfolgte Übersendung einer Kopie des Schriftsatzes vom 2. April 2000 samt weiterer Unterlagen sah sich das Sozialgericht nicht dazu veranlasst, den Stand des Verfahrens etwa durch Anforderung der Verfahrensakten zu klären und das Verfahren sodann unverzüglich abzuschließen. Es hat diese Unterlagen lediglich an das Landessozialgericht geleitet, woraufhin diese dort ohne weiteres zur Akte genommen wurden.
Das Ausstehen der erstinstanzlichen Sachentscheidung lässt sich verfassungsrechtlich nicht durch der Beschwerdeführerin zurechenbare Verfahrensverzögerungen rechtfertigen. Das gilt sogar dann, wenn man – wie die Beklagte – trotz des zweiten am 13. April 2004 übermittelten Schriftsatzes ihrer Bevollmächtigten davon ausgehen wollte, die Beschwerdeführerin habe es durch die Formulierung der Klageanträge im ersten Schriftsatz vom 13. April 2004 versäumt, ihre Rechte im Termin zur mündlichen Verhandlung, an dem sie weder teilnehmen konnte noch vertreten war, hinreichend geltend zu machen. Denn die hierdurch entstandene Verzögerung der Entscheidung über ihr Klagebegehren ist der Beschwerdeführerin nur bis längstens September 2004 zurechenbar, weil sie nach Zustellung des Urteils verschiedentlich auf das Fehlen einer Entscheidung über ihr unter dem 2. April 2000 anhängig gemachtes Klagebegehren hingewiesen und so alles ihr Zumutbare getan hat, um deutlich zu machen, dass sie weiterhin eine gerichtliche Entscheidung begehrt.
Die inzwischen erreichte Gesamtdauer des Verfahrens kann ferner nicht deshalb als verfassungsrechtlich noch angemessen beurteilt werden, weil die Beschwerdeführerin das Rechtsmittelverfahren auch in Bezug auf die fehlende Entscheidung über die fraglichen Honorarbescheide betrieben hat. Ein tatsächliches Hindernis für eine Sachentscheidung des Sozialgerichts war diese Vorgehensweise der Beschwerdeführerin keinesfalls. Es wäre dem Sozialgericht möglich gewesen, die an das Landessozialgericht übersandten Verfahrensakten anzufordern und gegebenenfalls Zweitakten anzulegen, um das eigene Verfahren beschleunigt zum Abschluss zu bringen. Unerheblich ist, ob das Sozialgericht durch das laufende Rechtsmittelverfahren aus Rechtsgründen an einer Sachentscheidung gehindert war. Denn der Umfang der durch die Beschreitung des Rechtswegs entstandenen Verzögerung ist maßgeblich den hiermit befassten Gerichten – namentlich dem Landessozialgericht – und nicht der Beschwerdeführerin zuzurechnen.
Das gilt nicht nur, weil sich die zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin in der Einlegung der Berufung auch hinsichtlich der vom sozialgerichtlichen Urteil nicht betroffenen Honorarbescheide durch den auf ihre Dienstaufsichtsbeschwerde hin ergangenen Hinweis des Präsidenten des Landessozialgerichts auf die Berufungsmöglichkeit bestätigt fühlen durfte.
Vielmehr ist für die verfassungsrechtliche Bewertung ausschlaggebend, dass das Verfahren vor dem Landessozialgericht von der Einlegung der Berufung im Oktober 2004 bis zur Zustellung des die Berufung verwerfenden Urteils im April 2008 seinerseits knapp dreieinhalb Jahre gedauert hat, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Ein weiteres Jahr verging, bis im April 2009 die Entscheidung über den Antrag auf Urteilsergänzung zugestellt und der Beschluss über den Antrag auf Urteilsberichtigung getroffen wurden. Das ist in Anbetracht der im Erörterungstermin im Februar 2006 zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Gerichts, die Berufung sei hinsichtlich der Quartale I bis III/1998 unzulässig und das Sozialgericht habe noch über die entsprechende Klage zu entscheiden, mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren. Das Landessozialgericht hätte spätestens ab diesem Zeitpunkt alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung nutzen müssen, um angesichts des damals immerhin schon rund sechs Jahre dauernden Verfahrens jede weitere Verzögerung der seiner Auffassung nach noch ausstehenden sozialgerichtlichen Entscheidung zu vermeiden. Mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtet sich die mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes verbundene Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und seine Beendigung zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 – 1 BvR 775/07 –, NJW 2008, S. 503 ≪504≫ m.w.N.). Da die Beteiligten im Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten, standen der dort angekündigten Abtrennung und dem umgehenden Abschluss des abgetrennten Berufungsverfahrens nichts im Wege. Stattdessen erging der Trennungsbeschluss erst im November 2006, das die Berufung verwerfende Urteil wurde erst im Dezember 2007 verkündet und schließlich erst weitere fünf Monate später zugestellt. Allein hierdurch verlängerte sich die bislang angefallene Gesamtverfahrensdauer ohne sachlichen Grund um rund zwei Jahre. Angesichts dessen verletzt bei angenommener weiterer Rechtshängigkeit der unter dem 2. April 2000 erhobenen Klage das Ausstehen der erstinstanzlichen Entscheidung die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
(2) Nicht anderes gilt im Ergebnis, wenn man für die verfassungsrechtliche Beurteilung davon ausgeht, dass die Rechtshängigkeit der unter dem 2. April 2000 erhobenen Klage nach Ansicht des zur Entscheidung dieser Frage berufenen Sozialgerichts bereits im Jahr 2004 entfallen ist.
In diesem Fall entspricht es in Anbetracht aller Umstände, namentlich der unklaren prozessualen Lage, ebenfalls nicht dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass das Sozialgericht in der Angelegenheit seit dem Jahr 2004 untätig geblieben ist. Hierdurch hat es die Beschwerdeführerin über den dann erfolgten Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens seit nunmehr rund fünf Jahren im Unklaren gelassen. Es ist indes aus rechtsstaatlichen Gründen nicht hinnehmbar, wenn ein Beteiligter eines wirksam anhängig gemachten gerichtlichen Verfahrens trotz verschiedener Erinnerungen an eine Sachentscheidung vom dem Gericht, bei dem sein Verfahren mutmaßlich weiterhin anhängig ist, über Jahre im Ungewissen darüber gelassen wird, dass das Gericht das Verfahren bereits für abgeschlossen hält. Geht ein Beteiligter – wie hier die Beschwerdeführerin – für das Gericht ersichtlich nicht davon aus, das Verfahren sei bereits beendet, so ist den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur entsprochen, wenn der Betroffene über den Umstand der entfallenen Rechtshängigkeit zumindest einen gerichtlichen Hinweis erhält. Dann kann der Beteiligte, sofern er die Auffassung des Gerichts nicht teilt, sachdienlich reagieren und die Fortsetzung des Verfahrens beantragen, um sein Klagebegehren weiterzuverfolgen. In diesem Fall hat das Gericht eine rechtsförmige Entscheidung darüber zu treffen, mit der entweder die Feststellung der Beendigung des Rechtsstreits oder – anderenfalls – eine Sachentscheidung getroffen wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 102 Rn. 9b, 12 für den Streit um die Wirksamkeit einer Klagerücknahme). Dem Betroffenen wird nur bei dieser Vorgehensweise des Gerichts die Möglichkeit eröffnet, dessen Auffassung über den Wegfall der Rechtshängigkeit gegebenenfalls mit Rechtsmitteln überprüfen zu lassen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 12. März 1981 – 11 RA 52/80 –, Breithaupt 1982, S. 81; BVerwGE 95, 269).
Vorliegend hätte das Sozialgericht aufgrund verschiedener Erinnerungen und Anträge der – nicht anwaltlich vertretenen – Beschwerdeführerin in der Zeit seit dem Erörterungstermin im Februar 2006 erkennen können und müssen, dass diese von der fortdauernden Rechtshängigkeit ihrer Klage ausging und weiterhin eine Sachentscheidung begehrte. Angesichts dessen ist es mit dem Gebot, strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit zu klären und so Rechtssicherheit herzustellen, nicht vereinbar, dass die Beschwerdeführerin vom Sozialgericht zeitnah nicht jedenfalls einen gerichtlichen Hinweis, gegebenenfalls auch eine rechtsförmige Entscheidung über die Frage der weiteren Rechtshängigkeit ihres Begehrens erhalten hat. Auch für den Fall, dass die Rechtshängigkeit der Klage entfallen sein sollte, verletzt die Untätigkeit des Sozialgerichts die Beschwerdeführerin demnach in ihrem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.
c) Unter Abwägung aller Umstände ist es nach alledem verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass infolge der Untätigkeit des Sozialgerichts über den Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nach über neun Jahren noch keine Rechtssicherheit besteht. Deshalb ist die Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG festzustellen. Das Sozialgericht ist nunmehr gehalten, unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen unverzüglich sämtliche geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer möglichst raschen Entscheidung führen.
2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Hinsichtlich der als verfassungswidrig beanstandeten Untätigkeit des Sozialgerichts im Verfahren S 7 KA 1258/08 fehlt es an einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Begründung (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫). Ferner sind jedenfalls mangels Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) all diejenigen Grundrechtsrügen unzulässig, die sich auf die Rechtsanwendung des Sozialgerichts in der Sache beziehen.
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen