Verfahrensgang
LG Bautzen (Beschluss vom 08.02.2011; Aktenzeichen 3 T 111/10) |
LG Bautzen (Beschluss vom 05.01.2011; Aktenzeichen 3 T 111/10) |
AG Bautzen (Beschluss vom 10.11.2010; Aktenzeichen 3 K 20/10) |
Tenor
Die Beschlüsse des Landgerichts Bautzen vom 5. Januar 2011 und vom 8. Februar 2011 – 3 T 111/10 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Bautzen zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin die Hälfte der notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000,00 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Erteilung des Zuschlags in einem Zwangsversteigerungsverfahren.
1. a) Die Beschwerdeführerin war Eigentümerin eines mit einem Einfamilienwohnhaus und zwei Doppelgaragen bebauten Grundstücks. Die D. AG (im Folgenden: Gläubigerin) hatte die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt. Das Amtsgericht hatte Versteigerungstermin auf den 15. Oktober 2010 bestimmt.
Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 hat die Beschwerdeführerin gemäß § 765a ZPO die Einstellung der Zwangsversteigerung beantragt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass sie sich wegen des Zwangsversteigerungsverfahrens und des Versteigerungstermins in einer schweren Depression mit Selbstmordgefahr befinde. Die Durchführung des Zwangsversteigerungstermins stelle eine sittenwidrige Härte dar, da bei Durchführung der Versteigerung sich ihr schon kritischer psychischer Zustand erheblich verschlechtern werde und mit ihrem Suizid zu rechnen sei. Zum Beleg hat sie eine Bescheinigung der sie behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. vom 4. Oktober 2010 vorgelegt, in der es heißt, dass sich die Beschwerdeführerin in einer mittelschweren depressiven Episode befinde und sie aufgrund ihrer derzeitigen psychischen Verfassung mit latenter Suizidalität nicht in der Lage sei, das Zwangsvollstreckungsverfahren emotional zu bewältigen.
Die Gläubigerin ist diesem Vorbringen mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2010 entgegengetreten. Sie gehe davon aus, dass sämtliche Einlassungen der Beschwerdeführerin eine Verzögerungstaktik darstellten.
b) Im Versteigerungstermin am 15. Oktober 2010 blieb Herr F. Meistbietender mit einem Gebot von 350.000 EUR. Über die Erteilung des Zuschlags wurde im Versteigerungstermin nicht entschieden. Das Amtsgericht bestimmte vielmehr durch Beschluss vom 15. Oktober 2010 Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 10. November 2010.
c) Mit weiterem Beschluss vom 15. Oktober 2010 regte das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) gegenüber dem Landratsamt und dem Amtsgericht (Betreuungsgericht) die Unterbringung der Beschwerdeführerin an. Darin führte das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) aus:
Die Unterbringung der Beschwerdeführerin sei notwendig. Ihr werde attestiert, aufgrund ihrer derzeitigen psychischen Verfassung mit latenter Suizidalität nicht in der Lage zu sein, das Zwangsversteigerungsverfahren emotional zu bewältigen. Im Versteigerungstermin sei ein zuschlagsfähiges Gebot abgegeben worden. Die Entscheidung über den Zuschlag sei jedoch ausgesetzt und auf den 10. November 2010 vertagt worden, weil eine Gefährdung für Leib und Leben der Beschwerdeführerin durch Suizid im Falle der Zuschlagserteilung nicht ausgeschlossen werden könne. Die Zwangsvollstreckung werde jedoch fortzusetzen sein, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen (gemeint: Landratsamt und Betreuungsgericht) Maßnahmen zum Schutz der Beschwerdeführerin nicht für notwendig erachteten.
d) Am 2. November 2010 führte eine beim Landratsamt – Gesundheitsamt – tätige Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie (im Folgenden: Amtsärztin) in Begleitung einer Sozialarbeiterin einen Hausbesuch bei der Beschwerdeführerin durch. Mit Schreiben vom 8. November 2010 teilte die Amtsärztin dem Landratsamt – Ordnungsamt – diesbezüglich Folgendes mit:
„Die psychiatrische Untersuchung ergab eine mittelgradige depressive Episode, ausgelöst durch das anhängige Zwangsversteigerungsverfahren. Es fand sich zum Untersuchungszeitpunkt kein Anhalt für aktuelle Suizidalität, sodass aus meiner Sicht die Bedingungen für die Unterbringung der Betroffenen (der Beschwerdeführerin) gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik nicht erfüllt sind.
Frau S. (die Beschwerdeführerin) befindet sich in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. M., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in Dresden.
Der Betroffenen wurde nahe gelegt, sich auf Grund des Ausmaßes ihrer psychischen Störungen sich einer tagesklinischen bzw. bei Intensitätszunahme einer freiwilligen stationären psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Sie äußerte gegen diesen Vorschlag keine Einwände. Ihre behandelnde Fachärztin, Frau Dr. M., versicherte im Rahmen eines Telefongespräches am 02.11.2010, ihr dabei behilflich zu sein.
Weiterhin wurde ihr Hilfe von Seiten des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Standort Kamenz, angeboten.”
Daraufhin sah das Landratsamt – Ordnungsamt – von einem Antrag auf Unterbringung der Beschwerdeführerin ab und stellte das Verwaltungsverfahren ein. Mit Schreiben vom 9. November 2010 setzte es das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) hiervon in Kenntnis.
e) Ebenfalls mit Schreiben vom 9. November 2010 teilte das Amtsgericht (Betreuungsgericht) dem Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) Folgendes mit:
„… auf Ihre Anregung zur Einrichtung einer Betreuung und Unterbringung der Betroffenen hat die zuständige Betreuungsbehörde den Sachverhalt ermittelt und insbesondere ein ausführliches Gespräch mit der Betroffenen geführt. Die Betroffene hat angegeben, ab dem 15.11.2010 eine Behandlung in der Tagesklinik des SKH Arnsdorf aufnehmen zu wollen. Die Klinik ist von mir angeschrieben worden. Für den Fall, dass die Betroffene die Behandlung am 15.11.2010 aufnimmt, beabsichtige ich, das hiesige Verfahren einzustellen.”
2. Ohne das Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010, das Schreiben des Landratsamts – Ordnungsamt – vom 9. November 2010 und das Schreiben des Amtsgerichts (Betreuungsgericht) vom selben Tage der Beschwerdeführerin vorher zu übermitteln, verkündete das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) am 10. November 2010 den Zuschlagsbeschluss. Darin erteilte es dem Meistbietenden den Zuschlag und führte zur Begründung aus, dass Zuschlagsversagungsgründe nicht gegeben seien, insbesondere ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 765a ZPO nicht vorliege. Die für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen hätten eine Unterbringung der Beschwerdeführerin nicht für notwendig erachtet. Diese habe angegeben, ab dem 15. November 2010 freiwillig eine Behandlung in einer Tagesklinik aufnehmen zu wollen.
3. Gegen den Zuschlagsbeschluss erhob die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde.
a) Im Beschwerdeverfahren rügte sie zunächst, das Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010, das Schreiben des Landratsamts – Ordnungsamt – vom 9. November 2010 und das Schreiben des Amtsgerichts (Betreuungsgericht) vom selben Tage seien ihr unbekannt. Den Inhalt der Schreiben bestritt sie mit Nichtwissen und beantragte Akteneinsicht.
Des Weiteren legte sie dar, es bestehe weiterhin die konkrete Gefahr der Selbsttötung und diese Gefahr habe sich durch den Zuschlagsbeschluss noch verstärkt. Diese Gefahr sei durch flankierende Maßnahmen nicht zu beseitigen.
Eine ordnungsgemäße Untersuchung und Diagnosestellung durch die Behörden sei nicht erfolgt. Die Amtsärztin habe mit ihr nur ein kurzes Gespräch geführt. Sie habe jedoch die akute Suizidgefahr gesehen und von einer zwangsweisen Einweisung gesprochen.
Am 15. November 2010, als die Beschwerdeführerin die Klinik in Arnsdorf aufgesucht habe, habe sie dort nicht aufgenommen werden können. Von der Klinik sei ihr mitgeteilt worden, dass kein Platz zur Aufnahme zur Verfügung stehe; bei dem Termin habe es sich lediglich um eine von der (die Beschwerdeführerin ambulant behandelnden) Ärztin vorgenommene Vorreservierung gehandelt, die von der Klinik nicht bestätigt worden sei.
b) Nachdem die Beschwerdeführerin von ihr benannte Aktenbestandteile in Mehrfertigung erhalten hatte, brachte sie ergänzend vor, die „Stellungnahme” der Amtsärztin vom 8. November 2010 widerspreche den Ausführungen der Amtsärztin beim Hausbesuch am 2. November 2010 diametral. Damals habe ihr die Amtsärztin wiederholt mitgeteilt, dass sie wählen könne, ob sie freiwillig die Klinik in Arnsdorf aufsuche oder andernfalls von der Behörde zwangsweise eingewiesen werde.
Im Übrigen seien ausreichende Untersuchungen durch die Behörden nicht durchgeführt und der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin nicht ausreichend festgestellt worden. Ein Gutachten sei nicht erstellt worden.
c) Bezüglich des Vortrags der konkreten Suizidgefahr und des von ihr behaupteten Umstands, dass die Suizidgefahr durch flankierende Maßnahmen nicht zu beseitigen sei, bot die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ausdrücklich Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Für den Ablauf des Hausbesuchs der Amtsärztin am 2. November 2010 und die Abweisung durch die Klinik in Arnsdorf am 15. November 2010 benannte sie ihren Ehemann Herrn S. als Zeugen.
4. Mit angegriffenem Beschluss vom 5. Januar 2011 wies das Landgericht die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts zurück. Zur Begründung referierte das Landgericht zunächst Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wies darauf hin, dass sowohl das Amtsgericht (Betreuungsgericht) als auch das Landratsamt es nicht für notwendig erachtet hätten, weitere Maßnahmen zum Schutze des Lebens der Beschwerdeführerin zu ergreifen. Alsdann gab es den Inhalt des – an das Landratsamt – Ordnungsamt – gerichteten – Schreibens der Amtsärztin vom 8. November 2010 wieder:
„Ausweislich des hier vorliegenden amtsärztlichen Zeugnisses der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Frau Z. ergab die psychiatrische Untersuchung der Schuldnerin eine mittelgradige depressive Episode, ausgelöst durch das anhängige Zwangsversteigerungsverfahren. Es fand sich zum Untersuchungszeitpunkt kein Anhalt für aktuelle Suizidalität, sodass aus Sicht der Amtsärztin die Voraussetzungen für eine Unterbringung der Schuldnerin gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik nicht erfüllt sind. Die Schuldnerin befindet sich zudem in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. M., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in Dresden. Der Schuldnerin wurde von der Amtsärztin zudem nahegelegt, sich auf Grund des Ausmaßes ihrer psychischen Störungen einer tagesklinischen bzw. bei Intensitätszunahme einer freiwilligen stationären psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Sie äußerte gegen diesen Vorschlag laut Amtsärztin keine Einwände. Ihre behandelnde Fachärztin Frau Dr. M. versicherte im Rahmen eines Telefongesprächs am 2. November 2010, ihr dabei behilflich zu sein. Weiterhin wurde der Schuldnerin Hilfe von Seiten des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Standort Kamenz, angeboten.”
Hieraus zog das Gericht den Schluss, „dass die Schuldnerin durchaus in der Lage ist, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die für sie schwierige Situation zu bewältigen”. Die Einstellung der Zwangsversteigerung sei aus diesen Gründen nicht gerechtfertigt.
5. Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5. Januar 2011 erhob die Beschwerdeführerin Gehörsrüge.
a) Das Gericht habe ihren im Beschwerdeverfahren unterbreiteten Sachvortrag, dass sich die Suizidgefahr nach Verkündung des Zuschlagsbeschlusses noch verstärkt und verdichtet habe, vollkommen übergangen und ihr diesbezügliches Beweisangebot – Einholung eines Sachverständigengutachtens – ohne Gründe unberücksichtigt gelassen.
Entsprechendes – nämlich Übergehen des Sachvortrags und des Beweisangebots – gelte bezüglich ihres Bestreitens, dass die vorliegende Suizidgefahr durch flankierende Maßnahmen zu beseitigen sei.
b) Das Gericht habe zudem ihr Vorbringen, eine ordnungsgemäße Untersuchung und Diagnosestellung habe nicht stattgefunden, sondern nur ein kurzes Gespräch mit der Amtsärztin, und das entsprechende Beweisangebot – Zeugnis ihres Ehemannes – übergangen. Die Stellungnahme der Amtsärztin stelle lediglich eine kurze Momentaufnahme einer Ärztin dar, die die Geschichte und das Leiden der Beschwerdeführerin mangels ausreichender Beurteilungsgrundlagen sowie Zeit nicht sicher beurteilen könne.
c) Außerdem habe das Gericht im Beschluss vom 5. Januar 2011 den durch das Zeugnis ihres Ehemannes unter Beweis gestellten Sachvortrag mit keinem Wort erwähnt, dass die Amtsärztin sie beim Hausbesuch am 2. November 2010 aufgefordert habe, die Klinik in Arnsdorf freiwillig aufzusuchen, andernfalls sie sie zwangsweise einweisen werde. Die Aussage stehe diametral dem Inhalt der Stellungnahme der Amtsärztin vom 8. November 2010 entgegen; diese habe vor Ort die Notwendigkeit einer Einweisung der Beschwerdeführerin gesehen, notfalls auch gegen deren Willen.
d) Darüber hinaus habe das Gericht auch das ebenfalls unter Zeugenbeweis gestellte weitere Beschwerdevorbringen zur Nichtaufnahme – wegen Platzmangels – in die Klinik in Arnsdorf am 15. November 2010 übergangen.
6. Mit angegriffenem Beschluss vom 8. Februar 2011 wies das Landgericht die Gehörsrüge zurück. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin habe es berücksichtigt, auch wenn es in seiner Begründung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu jedem einzelnen Punkt Stellung bezogen habe.
In dem Beschluss über die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss sei ausgeführt, dass weder das Amtsgericht (Betreuungsgericht) noch das Landratsamt es für notwendig erachtet hätten, weitere Maßnahmen zum Schutz der Beschwerdeführerin zu ergreifen. Weiter sei ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei einer Fachärztin befinde und durchaus in der Lage sei, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die für sie schwierige Situation zu bewältigen. Wenn die Beschwerdeführerin zudem in der Tagesklinik nicht aufgenommen worden sei, zeige dies umso mehr, dass die Notwendigkeit einer Einweisung nicht gegeben sei und die bisherigen Hilfeleistungen ausreichten. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es daher nicht bedurft.
Das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Gehörsrüge sei nicht entscheidungserheblich beziehungsweise rechtfertige keine anderslautende Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
1. Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Wäre das Gericht dem Sachvortrag und den Beweisangeboten nachgegangen, hätte es aller Voraussicht nach nach Einholung des Sachverständigengutachtens dem Antrag nach § 765a ZPO stattgegeben. Die angefochtene Entscheidung beruhe auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Darüber hinaus liege eine Verletzung weiterer Grundrechte und grundrechtsgleicher Rechte der Beschwerdeführerin vor, insbesondere aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Beweisangebote für das Vorbringen, ihr drohe eine schwerwiegende Gefahr für Leben und Gesundheit, besonders sorgfältig zu prüfen. Dies sei nicht geschehen.
Das angebotene Sachverständigengutachten sei nicht eingeholt worden, vielmehr habe das Gericht allein auf die Stellungnahme der Amtsärztin abgestellt. Diese sei jedoch aufgrund der knappen Zeit gar nicht in der Lage gewesen, die Beschwerdeführerin und deren Leiden eingehend zu beurteilen; außerdem habe sie die Beschwerdeführerin bei dem Hausbesuch aufgefordert, sich freiwillig in die psychiatrische Abteilung in Arnsdorf zu begeben, andernfalls sie sie zwangsweise einweisen werde. Diesbezüglich rügt die Beschwerdeführerin, dass dem angebotenen Beweis durch Einvernahme ihres Ehemannes als Zeugen nicht nachgegangen worden sei.
Darüber hinaus sei die Verneinung der Suizidgefahr auch auf den falschen Zeitpunkt bezogen worden, weil das Gericht auf den Zeitpunkt des Hausbesuchs der Amtsärztin am 2. November 2010 vor Zuschlagserteilung am 10. November 2010, und somit vor Verlust des Eigentums, abgestellt habe. Bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde komme es dagegen vor allem auf den Zeitpunkt an, in dem der Eigentumsverlust endgültig feststehe.
Nicht berücksichtigt habe das Gericht außerdem den weiteren Vortrag der Beschwerdeführerin, dass sich durch den Zuschlagsbeschluss die Suizidgefahr bei ihr verstärkt habe.
2. Den Begünstigten des Ausgangsverfahrens und dem Staatsministerium der Justiz und für Europa des Freistaates Sachsen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Das Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Nach Ansicht der Begünstigten des Ausgangsverfahrens ist eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch die von ihr angegriffenen Beschlüsse nicht zu erkennen.
Zu Art. 103 Abs. 1 GG vertritt der Ersteher die Auffassung, dass eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht vorliege. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht hätten den Sach- und Rechtsvortrag der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Zur behaupteten Suizidgefahr hätten sie Beweis erhoben und im Rahmen der Beschlüsse diesen gewürdigt. Die Beschwerdeführerin störe lediglich die Art der rechtlichen Bewertung.
Auch die Gläubigerin hält die Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG für unbegründet. Für das Gericht erwachse aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dem genügten die angegriffenen Beschlüsse. Das Amtsgericht habe sich ausführlich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin beschäftigt und auseinandergesetzt. Dasselbe gelte für das Landgericht. Dabei sei ihr Vorbringen zu den eingeleiteten Selbsthilfemaßnahmen berücksichtigt und die Frage des Beweisantritts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens diskutiert worden. Soweit die Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde gleichwohl angeblich unberücksichtigte Aspekte ihres Vortrags anspreche, verkenne sie, dass Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht dazu verpflichte, der von der Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen, und sie deren Sachvortrag aus Gründen des formellen und materiellen Rechts unberücksichtigt lassen dürften.
3. Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 5. Januar 2011 und 8. Februar 2011 richtet, und gibt ihr insoweit statt. Die Annahme in diesem Umfang ist zur Durchsetzung des verfassungsmäßigen Rechts der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
Das Landgericht hat die Beschwerdeführerin durch die vorgenannten Beschlüsse in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es zu dem Ergebnis gelangte, dass bei ihr keine Suizidgefahr bestehe, die eine (einstweilige) Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens unter Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses rechtfertige, ohne zuvor ein von ihr zum Nachweis der Behauptung, dass bei ihr im Falle des endgültigen Verlusts des Eigentums an Haus und Grundstück durch das Zwangsversteigerungsverfahren eine konkrete, durch flankierende Maßnahmen nicht zu beseitigende Suizidgefahr gegeben sei, beantragtes medizinisches Sachverständigengutachten zu erheben.
1. Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 ≪367 f.≫; stRspr.). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Ein vom Bundesverfassungsgericht festzustellender Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295 f.≫; 70, 288 ≪293≫; 86, 133 ≪145 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011 – 1 BvR 2441/10 –, juris, Rn.10).
Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung gebietet die Berücksichtigung erheblichen Vorbringens und erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 60, 247 ≪249≫; 60, 250 ≪252≫; 65, 305 ≪307≫; 69, 141 ≪143≫; BVerfGK 12, 346 ≪350 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 1993 – 2 BvR 1815/92 –, NVwZ 1994, S. 60 ≪61≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011, a.a.O., Rn. 11). Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (vgl. BVerfGE 50, 32 ≪35≫; 60, 1 ≪5≫; 60, 305 ≪310≫; 62, 249 ≪254≫; 69, 141 ≪143 f.≫; BVerfGK 12, 346 ≪351≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 1993, a.a.O.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011, a.a.O.); der Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch verletzt, wenn die Nichtberücksichtigung von Vortrag oder von Beweisanträgen im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32 ≪36≫; 60, 250 ≪252≫; 65, 305 ≪307≫; 69, 141 ≪144≫; BVerfGK 12, 346 ≪351≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 1993, a.a.O.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011, a.a.O.).
2. Ein solcher Fall liegt hier vor.
a) Die Frage, ob die Beschwerdeführerin bei einem endgültigen Verlust des Eigentums an Haus und Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren konkret suizidgefährdet ist, war entscheidungserheblich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der mit ihr übereinstimmenden – ständigen – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in Fällen dieser Art zunächst zu klären, ob eine konkrete Suizidgefahr des Schuldners besteht und, wenn ja, ob diese gerade im endgültigen Eigentumsverlust durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses – und nicht etwa in einer (möglicherweise) drohenden Zwangsräumung – ihre maßgebliche Ursache hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Juli 2007 – 1 BvR 501/07 –, NJW 2007, S. 2910 ≪2911≫; BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2010 – V ZB 1/10 –, NZM 2010, S. 836 ≪837≫; vom 7. Oktober 2010 – V ZB 82/10 –, WM 2011, S. 74 ≪75≫; vom 2. Dezember 2010 – V ZB 124/10 –, NZM 2011, S. 167 ≪168 f.≫; vom 16. Dezember 2010 – V ZB 215/09 –, FamRZ 2011, S. 478 ≪479≫ und vom 17. Februar 2011 – V ZB 205/10 –, NJW-RR 2011, S. 1000 f.). Sind beide Fragen zugunsten des Schuldners zu bejahen, hat sich im Hinblick auf die Zuschlagserteilung eine umfassende, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Würdigung der Gesamtumstände anzuschließen, die sowohl den dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechten als auch den gewichtigen, ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der anderen Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens Rechnung trägt. Im Rahmen dieser gegebenenfalls vorzunehmenden Abwägung ist dann zugleich zu prüfen, ob der Gefahr nicht auf andere Weise als durch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und eine vorübergehende Einstellung der Zwangsvollstreckung begegnet werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Juli 2007, a.a.O.; BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2010, a.a.O.; vom 7. Oktober 2010, a.a.O.; vom 2. Dezember 2010, a.a.O., S. 169; vom 16. Dezember 2010, a.a.O.; vom 17. Februar 2011, a.a.O., S. 1000 ≪1001≫ und vom 31. März 2011 – V ZB 313/10 –, juris, Rn. 18).
b) Die Beschwerdeführerin hat substantiiert vorgetragen und – erstmals in ihrer sofortigen Beschwerde vom 24. November 2010 gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts – beantragt, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass sie bei einem endgültigen Verlust des Eigentums an Haus und Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren konkret suizidgefährdet sei und dieser Gefahr auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsversteigerung nicht wirksam begegnet werden könne. Zur Substantiierung hatte sie eine zeitnah erstellte ärztliche Bescheinigung einer sie ambulant behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vorgelegt, in der es unter anderem heißt, dass die Beschwerdeführerin an einer mittelschweren depressiven Episode leide und aufgrund ihrer derzeitigen psychischen Verfassung mit latenter Suizidalität nicht in der Lage sei, das Zwangsvollstreckungsverfahren emotional zu bewältigen.
Das reicht aus, um nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010, a.a.O., S. 167 ff. und vom 31. März 2011, a.a.O., Rn. 2 und 16) den zivilprozessualen Substantiierungsanforderungen zu genügen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen an die Darlegungslast des Schuldners keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder verpflichtet, das Gericht bereits durch seinen Vortrag davon zu überzeugen, dass eine konkrete Suizidgefahr bestehe, noch muss er diese Gefahr durch Beibringung von Attesten nachweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010, a.a.O., S. 168; vom 16. Dezember 2010, a.a.O.; vom 17. Februar 2011, a.a.O. und vom 31. März 2011, a.a.O., Rn. 14); die Richtigkeit einer schlüssigen Behauptung muss sich vielmehr – wie auch sonst in Verfahren, die nach der Zivilprozessordnung durchzuführen sind – im Rahmen der Beweisaufnahme erweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2011, a.a.O.). Bestehen, wie hier, hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer konkreten Suizidgefahr, ist das Gericht – da es die Ernsthaftigkeit dieser Gefahr mangels eigener medizinischer Sachkunde ohne sachverständige Hilfe in aller Regel nicht beurteilen kann – regelmäßig gehalten, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu entsprechen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010, a.a.O.; vom 17. Februar 2011, a.a.O. und vom 31. März 2011, a.a.O., Rn. 18).
c) Das Landgericht, das eigene Sachkunde zur Beurteilung medizinischer Fachfragen in den angegriffenen Beschlüssen nicht dargelegt hat, hätte demzufolge den angebotenen Beweis erheben und mittels eines medizinischen Sachverständigengutachtens klären müssen, ob bei Endgültigkeit der Zuschlagserteilung die Beschwerdeführerin konkret suizidgefährdet ist und, wenn dem so sein sollte, auf welche Weise dieser Gefahr wirksam begegnet werden kann.
aa) Daran ändert nichts, dass dem Landgericht das an das Landratsamt – Ordnungsamt – gerichtete Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010 zur Verfügung gestanden hat.
(1) Zwangsversteigerungsverfahren sind, soweit es um Fragen der Beweisaufnahme geht, nach der Zivilprozessordnung durchzuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2011, a.a.O.). Somit ist auch § 411a ZPO zu beachten, der bestimmt, dass die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden kann.
Das Landgericht hat nicht beachtet, dass die Voraussetzungen, die die Zivilprozessordnung in § 411a an die Ersetzung einer schriftlichen Begutachtung durch einen Sachverständigen stellt, im Ausgangsverfahren nicht gegeben waren.
(a) Bei dem Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010, deren Ausführungen zur Sache nicht mehr als eine halbe DIN A 4 Seite umfassen, handelt es sich bereits nicht um ein Sachverständigengutachten im Sinne des § 411a ZPO, sondern lediglich – wie vom Landgericht im angegriffenen Beschluss vom 5. Januar 2011 zutreffend klassifiziert – um ein amtsärztliches Zeugnis. Ein solches in einem anderen Verfahren erteiltes Zeugnis reicht nicht aus, um von der Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem nach der Zivilprozessordnung durchzuführenden Verfahren zu dispensieren (vgl. Zimmermann, ZPO, 9. Aufl. 2011, § 411a Rn. 2; ders., in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl. 2008, § 411a Rn. 3; jeweils zu ärztlichen Zeugnissen).
(b) Die Voraussetzungen des § 411a ZPO waren darüber hinaus nicht erfüllt, weil die Amtsärztin weder gerichtlich noch staatsanwaltschaftlich beauftragt war. Die Beauftragung durch eine Verwaltungsbehörde in einem Verwaltungsverfahren, wie sie hier stattgefunden hat, genügt den Anforderungen nicht (vgl. Katzenmeier, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 411a Rn. 6; Zimmermann, ZPO, 9. Aufl. 2011, § 411a Rn. 2; Greger, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 411a Rn. 2; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 2010, § 411a Rn. 11; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2006, § 411a Rn. 7).
(2) Die im Wege des Urkundsbeweises zulässige Verwertung des Schreibens der Amtsärztin vom 8. November 2010 rechtfertigte es aber auch aus weiteren Gründen nicht, dem nach Verkündung des Zuschlagsbeschlusses im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin gestellten Beweisantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht zu entsprechen.
(a) In Zwangsversteigerungsverfahren kommt es in Konstellationen, in denen der Zuschlag bereits erteilt worden ist, ausschlaggebend darauf an, ob eine konkrete Suizidgefahr für den Fall des endgültigen Eigentumsverlustes anzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. September 2010 – V ZB 199/09 –, WuM 2011, S. 122 ≪Rn. 7≫ und vom 7. Oktober 2010, a.a.O., S. 74 ≪75, Rn. 19 und 21≫). Bezogen auf diesen Zeitpunkt sind fundierte Feststellungen zur Gefährdungslage zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2010, a.a.O., S. 122 ≪123, Rn. 9≫).
Solchermaßen fundierte Feststellungen lassen sich aus dem amtsärztlichen Zeugnis vom 8. November 2010 nicht ableiten. Es stellt für die Annahme, dass bei der Beschwerdeführerin „kein Anhalt für aktuelle Suizidalität” bestehe, ausschließlich auf den Untersuchungszeitpunkt ab, das heißt – soweit eine Untersuchung stattgefunden hat, was die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren unter Beweisantritt in Abrede gestellt und das Landgericht unaufgeklärt gelassen hat – auf den 2. November 2010. Eine (fundierte) Prognose der Gefährdungslage für den Zeitpunkt des endgültigen Eigentumsverlusts durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses enthält das Zeugnis nicht. Zudem berücksichtigt es – naturgemäß, weil vor Verkündung des Zuschlagsbeschlusses erteilt – nicht das erst im Beschwerdeverfahren erfolgte Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sich die Suizidgefahr nach Verkündung des Zuschlagsbeschlusses noch verstärkt und verdichtet habe.
Auch aus diesen Gründen hätte das Landgericht nicht sich mit dem Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010 begnügen und von der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens absehen dürfen.
(b) Einer ambulanten Behandlung kommt nur dann eine ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn mit ihr die konkrete Gefahr eines Suizids bei Durchführung der Vollstreckung bereits ausgeschlossen, jedenfalls aber ganz wesentlich vermindert ist (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010, a.a.O., S. 74 ≪76, Rn. 29≫).
Eine entsprechende Aussage enthält das amtsärztliche Zeugnis vom 8. November 2010 nicht. Dort wird insoweit lediglich mitgeteilt, dass sich die Beschwerdeführerin in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. M., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in Dresden befinde. Zur Frage, ob und gegebenenfalls welchen Erfolg die ambulante Behandlung der Beschwerdeführerin gebracht hat und/oder nach welcher Behandlungsdauer mit welcher Wahrscheinlichkeit noch erbringen wird, trifft es keine Aussage.
Das Landgericht hätte deshalb auch in dieser Richtung mit sachverständiger Hilfe weitere Aufklärung betreiben müssen, wenn es – wie geschehen – den von ihm gezogenen Schluss, dies zeige, dass die Beschwerdeführerin durchaus in der Lage sei, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die für sie schwierige Situation zu bewältigen, (auch) mit dem im amtsärztlichen Zeugnis berichteten Umstand der ambulanten Behandlung der Beschwerdeführerin rechtfertigen will. Die vom Landgericht vorgenommene bloße Übernahme der Mitteilung über die ambulante Behandlung der Beschwerdeführerin aus dem amtsärztlichen Zeugnis in die angegriffenen Beschlüsse vom 5. Januar 2011 und 8. Februar 2011 reicht hingegen nicht aus.
bb) An der Pflicht des Landgerichts zur Erhebung des beantragten Sachverständigenbeweises ändert des Weiteren nichts, dass das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) gegenüber dem Landratsamt und dem Amtsgericht (Betreuungsgericht) die Unterbringung der Beschwerdeführerin angeregt hatte. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Betreuungsgerichte dürfte zwar verfassungsrechtlich tragfähig sein, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Betroffenen getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende Moment – in Fällen wie hier den endgültigen Eigentumsverlust des Schuldners durch Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses – nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben. Davon konnte hier jedoch nicht ausgegangen werden. Das Amtsgericht (Betreuungsgericht) hatte ausweislich seines Schreibens vom 9. November 2010 die Einstellung der Verfahren zur Prüfung der Einrichtung einer Betreuung zugunsten der Beschwerdeführerin und der Unterbringung derselben davon abhängig machen wollen, dass die Beschwerdeführerin am 15. November 2010 die Behandlung in einer Tagesklinik aufnimmt, wozu es jedoch nicht gekommen ist. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2010 hat es gleichwohl die Verfahren eingestellt, ohne dass aus dem Einstellungsbeschluss erkennbar wird, welche (weiteren) „Ermittlungen” es durchgeführt hat; in Sonderheit ist weder dargetan noch ersichtlich, dass es zuvor ein Sachverständigengutachten erhoben hätte.
cc) Schließlich enthob auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin am 15. November 2010 nicht in die Tagesklinik aufgenommen wurde, das Landgericht nicht der Notwendigkeit, durch Einholung des beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens in die Beweisaufnahme einzutreten. Die Abweisung der Beschwerdeführerin durch die Tagesklinik – möglicherweise allein wegen Platzmangels durch nicht-ärztliches Personal, eine Untersuchung der Beschwerdeführerin durch einen Arzt der Tagesklinik hat das Landgericht in den angegriffenen Beschlüssen jedenfalls nicht festgestellt – vermag ein medizinisches Sachverständigengutachten ebenfalls nicht zu ersetzen.
d) Nach alledem findet die Nichteinholung des beantragten Sachverständigengutachtens im Prozessrecht keine Stütze. Sie verletzt vielmehr die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.
3. Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil nicht auszuschließen ist, dass nach Einholung des Sachverständigengutachtens eine für die Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung ergehen wird. Es sind deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, ohne dass entschieden zu werden braucht, ob sie die Beschwerdeführerin auch noch in Grundrechten und/oder weiteren grundrechtsgleichen Rechten verletzen.
IV.
Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts gerichtet wird, ist sie nicht zur Entscheidung anzunehmen. Diesbezüglich genügt sie möglicherweise schon nicht den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Jedenfalls aber ist sie insoweit unbegründet. Dem Amtsgericht ist insbesondere, da die Beschwerdeführerin Beweis durch Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens erstmals im Beschwerdeverfahren angetreten hat, bei Erlass des Zuschlagsbeschlusses kein (schwerer) Verfahrensfehler unterlaufen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
V.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt mindestens 4.000,00 EUR und, wenn der Verfassungsbeschwerde durch die Entscheidung einer Kammer stattgegeben wird, in der Regel 8.000,00 EUR. Hier wird der Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts stattgegeben. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen Besonderheiten auf, die zu einer Abweichung Anlass geben.
VI.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Huber
Fundstellen
Haufe-Index 2909350 |
FamRZ 2012, 185 |
NJW-RR 2012, 393 |
NZM 2012, 245 |
WM 2011, 2232 |
WuB 2012, 67 |
ZfIR 2012, 134 |
Info M 2012, 185 |
Info M 2012, 186 |