Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg im Unterlassungsverfahren

 

Verfahrensgang

OLG München (Beschluss vom 08.02.2002; Aktenzeichen 3 VAs 8/02)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind entschieden (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫).

1. Soweit der Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der Verfassungsbeschwerde verhindern will, dass die Prozessbevollmächtigten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) Informationen aus dem Strafverfahren preisgeben, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht eingehalten hat (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Denn insoweit stünde ihm gegebenenfalls ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, den er zunächst vor den Zivilgerichten geltend zu machen hätte.

2. Soweit der Beschwerdeführer die staatsanwaltschaftliche Mitteilung angreift, ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Die das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) berührende Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist durch §§ 171, 172 StPO gerechtfertigt.

Auskunftsrechte des Antragstellers oder Geschädigten einer Straftat sowie Mitteilungspflichten der Ermittlungsbehörden gegenüber diesem Personenkreis sind in § 171 StPO (Bescheidung des Antragstellers bei Einstellung), § 406 d StPO (Mitteilungspflichten) und § 406 e StPO (Akteneinsicht) geregelt. Danach hat der Antragsteller, der zugleich Verletzter ist, umfassende Auskunftsansprüche, soweit er ein berechtigtes Interesse geltend machen kann (Akteneinsicht), und ist über den Abschluss des Verfahrens, sei es auf staatsanwaltschaftlicher, sei es auf gerichtlicher Ebene, zu unterrichten. Die Übermittlung der entsprechenden, den Beschuldigten betreffenden Informationen, ist also gesetzlich geregelt und grundsätzlich zulässig; sie stellt die einfach-rechtliche Ausformung des Anspruchs des Geschädigten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Mai 1998 – 2 BvR 1314/97 – Juris). Er muss in die Lage versetzt werden, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen gegen die jeweilige Entscheidung vorgehen zu können, und kann das nur, wenn sie ihm zuvor auch bekannt gemacht wird. Dies gilt insbesondere für eine mittels des Klageerzwingungsverfahrens (§ 172 StPO) überprüfbare Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO.

Die BvS ist Antragstellerin und zugleich mutmaßlich Geschädigte einer zu untersuchenden Straftat nach §§ 64, 71, 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG (vgl. Rowedder u.a., Kommentar zum GmbHG, 3. Auflage, § 84 Rn. 1). Sie wäre mithin befugt, bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens, das Klageerzwingungsverfahren zu betreiben, und muss daher von Amts wegen über die Einstellung unterrichtet werden, § 171 StPO. Wenn die Staatsanwaltschaft die BvS darüber hinaus vorab über die beabsichtigte Einstellung unterrichtet, so ist dies gesetzlich zwar nicht ausdrücklich geregelt. Diese Verfahrensweise dient jedoch verfahrensökonomischen Gründen, um die gegen die Einstellung vorgebrachten Einwände der Geschädigten, die sie ansonsten nach der Einstellung ohnehin geltend machen könnte, schon vorab bei der Entscheidung berücksichtigen zu können. Wenn sich die Informationsweitergabe dabei auf Daten beschränkt, die der Geschädigten ohnehin übermittelt werden müssten, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, die Übermittlung vorab vorzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft hat sich in ihrem Einstellungsentwurf sowie dem Begleitschreiben vom 22. Januar 2002 an diese Vorgaben gehalten. Dass sie darauf hingewiesen hat, die Einstellung sei nur wegen des Insolvenzdelikts beabsichtigt und im Übrigen werde weiter ermittelt, ist nicht zu beanstanden. Denn die Geschädigte hat einen Anspruch darauf zu erfahren, ob es sich um eine Teileinstellung oder eine Einstellung in vollem Umfang handelt (vgl. Schmid in: KK, StPO 4. Auflage, § 171 Rn. 5; Krehl in: HK, StPO, 2. Auflage, § 171 Rn. 2).

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Limbach, Hassemer, Mellinghoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 708128

NJW 2002, 2772

NStZ 2002, 370

DSB 2002, 16

NPA 2002, 0

KammerForum 2002, 383

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