Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 22.04.2008; Aktenzeichen 1 A 4560/06) |
VG Köln (Urteil vom 16.11.2006; Aktenzeichen 15 K 5283/05) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen gerichtliche Entscheidungen, mit denen die Vergabe eines Dienstpostens an einen Konkurrenten bestätigt wurde.
A.
Der Beschwerdeführer steht als Regierungsdirektor im Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Zwei gegen ihn in den Jahren 1997 und 2001 geführte Disziplinarverfahren wegen der Veröffentlichung verfassungspolitischer Beiträge in vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Publikationsorganen waren eingestellt worden. Im Jahr 2005 bewarb sich der Beschwerdeführer um den Dienstposten eines Verkehrsattachés bei der deutschen Botschaft in Peking, der im Wege einer Abordnung in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes besetzt werden sollte. Die Auswahlentscheidung erging zugunsten eines Konkurrenten des Beschwerdeführers. Seine hiergegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos wie der gegen das klageabweisende Urteil gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 3 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die angefochtenen Entscheidungen hielten parteipolitische Patronage im öffentlichen Dienst unterhalb der Ebene des politischen Beamten für gerechtfertigt, indem sie die fehlende Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG mit disziplinarrechtlich nicht zu beanstandenden Meinungsäußerungen begründeten. Da das Verwaltungsgericht erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung angekündigt hatte, eine Liste von Publikationen des Beschwerdeführers beziehungsweise Veröffentlichungen über ihn zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, werde auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs in Form einer Überraschungsentscheidung geltend gemacht.
Entscheidungsgründe
B.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist zum Teil bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.
1. Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist die Verfassungsbeschwerde mangels entsprechender Darlegungen des Beschwerdeführers schon unzulässig.
Art. 103 Abs. 1 GG enthält ein auf die Rechtslage bezogenes Verbot von Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerfGE 84, 188 ≪190≫; 107, 395 ≪410≫). Diese Gewährleistung verlangt jedoch grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist (vgl. BVerfGE 74, 1 ≪6≫); ihr ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (vgl. BVerfGE 66, 116 ≪147≫). Angesichts dessen ist nicht erkennbar, warum der bereits vor der mündlichen Verhandlung erfolgte Hinweis auf die mögliche Relevanz der Publikationstätigkeit des Beschwerdeführers zu einer gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßenden, eine gravierende Enttäuschung prozessualen Vertrauens voraussetzenden (vgl. BVerfGE 84, 188 ≪190≫) Überraschungsentscheidung führen sollte.
2. Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern aus Art. 33 Abs. 2 GG.
Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verleiht dem Beamten das Recht, eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung dahingehend gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über seine Bewerbung entschieden hat (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪354≫; BVerfGK 1, 292 ≪295 f.≫). Wird dieses subjektive Recht durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, so kann der unterlegene Beamte eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, das heißt, wenn seine Auswahl wenigstens möglich erscheint (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 –, NVwZ 2003, S. 200 ≪201≫).
Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar und mit sachbezogenen Argumenten dargelegt, dass der Beschwerdeführer auch in einem neuen Auswahlverfahren keine Chance hätte, selbst ausgewählt zu werden, weil es ihm – unabhängig vom Vergleich mit den Leistungen seiner Konkurrenten – an der erforderlichen Eignung für den erstrebten Dienstposten fehlt. Tragende Erwägung des Gerichts ist, dass aufgrund der öffentlichkeitswirksamen und umstrittenen Publikationstätigkeit des Beschwerdeführers – unabhängig vom Inhalt seiner Beiträge – die Gefahr von Irritationen in der Öffentlichkeit besteht. Angesichts der besonderen Anforderungen an die Persönlichkeit des Beamten im Auswärtigen Dienst habe der Dienstherr dem Beschwerdeführer zu Recht seine Eignung für den konkreten Dienstposten abgesprochen.
Gegen diese gerichtliche Einschätzung ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Anknüpfend an die Erwägungen des Dienstherrn hat das Gericht eine objektiv bestehende Gefahr von Irritationen und Missverständnissen in der öffentlichen Wahrnehmung aufgrund der kontrovers beurteilten Publikationstätigkeit des Beschwerdeführers plausibel dargelegt und hieraus – unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen einer Auslandsverwendung – seine fehlende Eignung für den konkreten Dienstposten abgeleitet. Angesichts des in der Stellenausschreibung bezeichneten Aufgabengebiets – Wahrnehmung deutscher Interessen gegenüber chinesischen Behörden sowie Zusammenarbeit mit chinesischen, deutschen und internationalen Stellen – ist das Abstellen auf das Bild der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Repräsentanten im Ausland nicht zu beanstanden.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers steht die Ablehnung seiner Eignung für die betreffende Verwendung nicht im Widerspruch zu dem Umstand, dass die gegen ihn wegen seiner Publikationstätigkeit geführten Disziplinarverfahren eingestellt wurden. Insoweit sind die nach dem jeweiligen rechtlichen Zusammenhang unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe zu beachten. Im Disziplinarverfahren ist maßgeblich, ob dem Beamten ein Dienstvergehen nachgewiesen werden kann, weil er etwa aus seinen politischen Ansichten konkrete Folgerungen für die Erfüllung seiner Dienstpflichten zieht. Demgegenüber ist bei der Entscheidung über eine Dienstpostenbesetzung die Eignung des Beamten für den jeweils angestrebten Dienstposten zu prüfen, wobei dem Dienstherrn ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2001 – 2 BvR 1151/00 –, NVwZ 2002, S. 847 ≪848≫).
Aus den genannten Gründen verstoßen die angegriffenen Entscheidungen auch weder gegen die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) noch gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen die speziellen Differenzierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪360 ff.≫).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen