Verfahrensgang
Tenor
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen verweigerter Beibringung eines behördlich angeforderten Drogenscreenings.
I.
1. Im Ausgangsverfahren sind von den Gerichten inzwischen aufgehobene beziehungsweise geänderte Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der durch den Bundesminister für Verkehr erlassenen Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) angewendet worden.
2. Dem Beschwerdeführer wurde im Jahr 1986 die Fahrerlaubnis der (nach damaligem Recht) Klasse 3 erteilt.
Im März 1997 wurde der Beschwerdeführer beim Überqueren der deutsch-schweizerischen Grenze einer Personenkontrolle unterzogen. Hierbei wurde in der Innentasche seiner Jacke ein Tütchen gefunden, dessen Inhalt von dem Zollbeamten als 0,5 Gramm Cannabisharz und 0,2 Gramm Marihuana bezeichnet wurde. Das gegen den Beschwerdeführer daraufhin eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
3. Das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Freiburg im Breisgau teilte dem Beschwerdeführer im Juli 1997 mit, es bestünden wegen des Verdachts auf Drogenkonsum Bedenken hinsichtlich seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, ein so genanntes Drogenscreening vorzulegen. Für den Fall der Weigerung wurde ihm die Entziehung seiner Fahrerlaubnis angedroht. Nachdem er dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, entzog die Verkehrsbehörde ihm mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 15. August 1997 die Fahrerlaubnis. Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid berief sich der Beschwerdeführer darauf, er habe der Anordnung keine Folge leisten können, weil er zu der fraglichen Zeit im Urlaub gewesen sei. Die Verkehrsbehörde setzte daraufhin die sofortige Vollziehung des Bescheides aus und forderte den Beschwerdeführer erneut auf, ein Drogenscreening bis spätestens Mitte November 1997 vorzulegen. Nachdem der Beschwerdeführer auch dieser Aufforderung nicht nachkam, widerrief die Verkehrsbehörde die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheides. Mit erneutem Widerspruch machte der Beschwerdeführer geltend, die aufgefundenen pflanzlichen Bestandteile enthielten den Rauschmittelwirkstoff THC nicht; aber auch wenn diese Stoffe Drogenrückstände enthielten, bestünde nicht der Verdacht, dass er unter dem Einfluss von Rauschmitteln auch unerlaubt ein Kraftfahrzeug führen würde. Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Freiburg durch Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1997 zurück.
4. Die nachfolgend vom Beschwerdeführer erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 3. August 1999 mit der Begründung ab, es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass derjenige, der beschuldigt werde, eine konkrete Straftat begangen zu haben, nicht spontan auf nahe liegende Entlastungsumstände hinweise. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil lehnte der Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 3. April 2000 ab.
5. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner fristgemäß eingelegten Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Er beruft sich insbesondere darauf, es hätten keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Beschwerdeführer zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet sei. Der Besitz und auch der Konsum von Cannabisprodukten allein rechtfertige nicht die Annahme der fehlenden Fahreignung.
II.
Die Voraussetzungen einer stattgebenden Kammerentscheidung sind gegeben (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 24. Juni 1993 (BVerfGE 89, 69) die für den vorliegenden Fall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Die angegriffenen Entscheidungen enthalten einen verfassungswidrigen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Ob der Zollbeamte bei der Personenkontrolle des Beschwerdeführers Cannabisharz und Marihuana in der beschriebenen Menge gefunden hatte, kann dahinstehen. Auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergibt sich allein aus der einmaligen Feststellung, dass der Beschwerdeführer unerlaubt eine kleine Menge Haschisch besessen hat, kein hinreichend konkreter Gefahrenverdacht und somit kein berechtigter Anlass, die Fahreignung des Beschwerdeführers nach § 15b Abs. 2 StVZO zu überprüfen. Seine Weigerung, sich der geforderten Begutachtung zu stellen und die mit ihr verbundene Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinzunehmen, durfte im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren daher nicht zu seinen Lasten gewürdigt werden. Dies ist jedoch geschehen. Zur weiteren Begründung wird auf den Beschluss der Kammer vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 – (NJW 2002, S. 2378) Bezug genommen.
Sowohl die angegriffene Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Stadt Freiburg im Breisgau als auch die diesen Bescheid im Widerspruchs- und nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren bestätigenden Behörden- und Gerichtsentscheidungen beruhen auf der festgestellten Grundrechtsverletzung. Die Entscheidungen sind daher aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Da die angegriffenen Entscheidungen keinen Bestand haben, braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob mit ihnen auch gegen die anderen angeführten Grundrechte verstoßen worden ist.
Mit Blick auf die noch zu treffende Kostenentscheidung ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurück zu verweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 905974 |
NPA 2003, 0 |
BA 2004, 459 |
www.judicialis.de 2003 |