Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluss: Zur Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen landesverfassungsgerichtliche Entscheidungen. hier: Unzulässigkeit mangels substantiierter Darlegung einer Verletzung des Rechtsschutzanspruchs im landesverfassungsgerichtlichen Verfahren
Normenkette
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2, §§ 92, 93 Abs. 1 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
BVerfG (Beschluss vom 12.05.2023; Aktenzeichen 54/20) |
OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 21.04.2020; Aktenzeichen OVG 2 N 72.17) |
VG Potsdam (Urteil vom 12.09.2017; Aktenzeichen VG 4 K 4696/16) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen behördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, welche die von ihr begehrte Erteilung nachträglicher Baugenehmigungen betreffen, sowie gegen die Entscheidung über eine dagegen gerichtete Landesverfassungsbeschwerde.
I.
Rz. 2
1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Flurstücks, für dessen Bereich der Flächennutzungsplan eine "Fläche für Landwirtschaft" ausweist. Auf dem Flurstück war in den 1970er Jahren ein Schwimmbecken errichtet worden. In den 1990er Jahren sanierte die Beschwerdeführerin das Schwimmbecken und errichtete eine nicht überdachte Terrasse über einem dort befindlichen Luftschutzkeller, den sie ebenfalls sanierte. Ferner errichtete sie eine Schiebeüberdachung für das Schwimmbecken. Im November 2015 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung nachträglicher Baugenehmigungen, welche die Bauaufsichtsbehörde mit der Begründung ablehnte, das Vorhaben liege im Außenbereich und beeinträchtigte öffentliche Belange. Ein Widerspruch der Beschwerdeführerin blieb ohne Erfolg. Die daraufhin von der Beschwerdeführerin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Potsdam mit Urteil vom 12. September 2017 ab. Es verwies unter anderem darauf, die Baumaßnahmen widersprächen der Darstellung des Flächennutzungsplans im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Baugesetzbuch. Einen hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 21. April 2020 ab.
Rz. 3
Gegen die behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, in der sie die Verletzung verschiedener Grundrechte, unter anderem der in Art. 6 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg niedergelegten Garantie effektiven Rechtsschutzes, rügte. Das Oberverwaltungsgericht habe in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Zugang zum Berufungsverfahren erschwert, indem es nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass es sich bei der in Rede stehenden Fläche entgegen der Darstellung im Flächennutzungsplan faktisch um Gartenland und nicht um ein landwirtschaftlich genutztes Gebiet handele. Mit Beschluss vom 12. Mai 2023 verwarf das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg die Verfassungsbeschwerde als unzulässig. Sie erfülle nicht die landesverfassungsprozessualen Begründungsanforderungen. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin nicht dargelegt, aus welchen Gründen ihr landesverfassungsrechtlicher Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt worden sei, sondern habe lediglich ihre einfachrechtliche Rechtsauffassung derjenigen des Oberverwaltungsgerichts entgegengesetzt, ohne sich näher mit der dementsprechenden Rechtslage oder dem spezifischen Schutzbereich des gerügten Grundrechts auseinanderzusetzen.
Rz. 4
2. Mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die ergangenen Widerspruchsbescheide, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und den Beschluss des Landesverfassungsgerichts. Sie rügt unter anderem die Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das Landesverfassungsgericht habe überspannte Anforderungen an die Annahme einer Verletzung der landes- wie bundesverfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzgarantie gestellt.
II.
Rz. 5
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) nicht vorliegen. Sie ist aus unterschiedlichen Gründen insgesamt unzulässig.
Rz. 6
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen der Behörde sowie der Verwaltungsgerichte richtet, ist sie unzulässig, weil sie nicht die Frist aus § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG wahrt. Der Beschluss des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 12. Mai 2023 hat diese Frist nicht neu in Gang gesetzt. Eine Verfassungsbeschwerde zu einem Landesverfassungsgericht gehört nicht zu dem nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu erschöpfenden Rechtsweg (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Juni 2006 - 1 BvR 1096/05 -, Rn. 10; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Februar 2020 - 1 BvR 577/19 -, Rn. 6).
Rz. 7
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts wendet, ist sie unzulässig, weil ihre Begründung entgegen den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg aufzeigt.
Rz. 8
a) Zwar kann eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht auch gegen eine Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts erhoben werden, um einen Verstoß gegen die im Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte geltend zu machen (vgl. BVerfGE 96, 231 ≪242≫ m.w.N.). Bei der Überprüfung von Entscheidungen eines Landesverfassungsgerichts durch das Bundesverfassungsgericht ist jedoch zu beachten, dass Maßstab der vorausgegangenen Prüfung durch die Landesverfassungsgerichte die jeweilige Landesverfassung ist, nicht das Grundgesetz (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Juni 2006 - 1 BvR 1096/05 -, Rn. 13; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Februar 2020 - 1 BvR 577/19 -, Rn. 9). Die Verfassungsbereiche von Bund und Ländern stehen grundsätzlich selbständig nebeneinander (vgl. BVerfGE 4, 178 ≪189≫; 96, 345 ≪368≫). Dementsprechend muss der Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder vom Bundesverfassungsgericht möglichst unangetastet bleiben und die Landesverfassungsgerichtsbarkeit darf von der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit nicht in größere Abhängigkeit gebracht werden, als es nach dem Bundesverfassungsrecht unvermeidbar ist (vgl. BVerfGE 60, 175 ≪209≫; 96, 231 ≪242≫). Es ist Sache der Landesverfassungsgerichte, Maßnahmen der staatlichen Gewalt der Länder im Rahmen ihrer Verfahrensordnungen am Maßstab der Landesgrundrechte zu bewerten. Diese Bewertung prüft das Bundesverfassungsgericht nicht nach (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Juni 2006 - 1 BvR 1096/05 -, Rn. 14). Insbesondere genügt es demnach nicht den Anforderungen an die Darlegungen eines Verfassungsverstoßes durch ein Landesverfassungsgericht, wenn lediglich die fehlerhafte Überprüfung einer fachgerichtlichen Entscheidung anhand der Landesgrundrechte geltend gemacht wird, nach welcher das Landesverfassungsgericht eine Verletzung der Landesverfassung verneint hat. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung, dass das Landesverfassungsgericht eine eigene Verletzung eines Grundrechts des Grundgesetzes durch seine Verfahrensgestaltung oder die Auslegung des angewandten Rechts begangen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Februar 2020 - 1 BvR 577/19 -, Rn. 10).
Rz. 9
b) Die Beschwerdeführerin zeigt die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts nicht auf. Sie beruft sich lediglich darauf, dass das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg eine Verletzung der landesverfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes infolge der Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht verneint hat und wiederholt dabei ihren fachrechtlichen Vortrag aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Dabei geht sie schon nicht darauf ein, dass ihr Vortrag im Rahmen der Landesverfassungsbeschwerde ausweislich der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts nicht den entsprechenden Begründungsanforderungen genügte. Dass aber durch die Anwendung des Landesverfassungsprozessrechts vorliegend die grundgesetzliche Garantie effektiven Rechtsschutzes verletzt sein könnte, ist weder dargetan noch erkennbar.
Rz. 10
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Rz. 11
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI16578778 |