Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegen Begründungsmangels unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Kostenentscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren. keine offenkundige Verletzung von Art 3 Abs 1 GG
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2, § 92; SGG § 193 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Beschluss vom 16.06.2023; Aktenzeichen S 25 SB 370/22) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Rz. 1
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil kein zwingender Annahmegrund nach § 93a BVerfGG vorliegt und auch sonst kein Grund für ihre Annahme ersichtlich ist.
Rz. 2
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer die Möglichkeit der Verletzung in Art. 3 Abs. 1 GG durch den angegriffenen Beschluss des Sozialgerichts nicht entsprechend den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen dargelegt hat.
Rz. 3
1. Danach muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 ≪171≫). Bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫; 108, 370 ≪386 f.≫). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫; 140, 229 ≪232 Rn. 9≫).
Rz. 4
2. Eine Gerichtsentscheidung kann den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot verletzen. Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes oder fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird (vgl. BVerfGE 87, 273 ≪278 f.≫; 89, 1 ≪13 f.≫; 96, 189 ≪203≫; stRspr).
Rz. 5
3. Ausgehend hiervon legt der Beschwerdeführer die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht substantiiert dar. Er verweist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde lediglich auf den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2023 (1 BvR 311/22). Dem angegriffenen Beschluss liege ein vergleichbarer Fall zugrunde. Die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG sei daher evident. Dieser Verweis genügt alleine jedoch nicht den Anforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde, da es insbesondere an der gebotenen Auseinandersetzung mit der Begründung der angegriffenen Entscheidung fehlt.
Rz. 6
4. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot liegt auch nicht derart auf der Hand, dass ausnahmsweise auf die aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde verzichtet werden könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Mai 2022 - 1 BvR 326/22 -, Rn. 11 m.w.N.). Es kann damit dahingestellt bleiben, ob die Begründung auch in einem solchen Fall noch eine Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und deren Begründung erfordern würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 -, Rn. 45 m.w.N.).
Rz. 7
Eine derart offenkundige Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG folgt insbesondere nicht aus dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Februar 2023. Das Bundesverfassungsgericht hat dort eine vom Sozialgericht angenommene generelle Obliegenheit eines Klägers, sich vor Erhebung der Untätigkeitsklage noch einmal an die Behörde zu wenden, für willkürlich erklärt. In der hier angegriffenen Entscheidung hat das Sozialgericht hingegen ausgehend von den in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entwickelten Kriterien im Einzelfall unter Heranziehung unterschiedlicher Gesichtspunkte nach seinem Ermessen entschieden (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Mai 2018 - B 8 SO 44/17 B -, juris, Rn. 2). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch bei einer zulässigen und begründeten Untätigkeitsklage im Übrigen nicht ausgeschlossen ist, dass das Gericht in pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens aus Gründen der Billigkeit gleichwohl eine Kostenerstattung ablehnt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2023 - 1 BvR 311/22 -, Rn. 14).
Rz. 8
Es liegt damit jedenfalls nicht derart auf der Hand, dass das Sozialgericht bei der von ihm vorgenommenen Kostenquotelung das ihm eingeräumte Ermessen in dem angegriffenen Beschluss in nicht mehr nachvollziehbarer Weise und damit willkürlich ausgeübt hätte, dass eine Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung zur Begründung der Verfassungsbeschwerde entbehrlich gewesen wäre.
Rz. 9
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Rz. 10
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI16009868 |