Verfahrensgang
VG Leipzig (Aktenzeichen 7 K 208/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Gründe
Die Kläger begehren aus abgetretenem Recht die Rückübertragung eines bebauten Grundstücks. Das dort errichtete, aus der Barockzeit stammende Gebäude wird nach einem Umbau in den Jahren 1983 bis 1985 außer durch ein dort schon früher vorhandenes Kabarett durch die Nationale Forschungs- und Gedenkstätte Johann Sebastian Bach (jetzt: Stiftung Bach-Archiv Leipzig) sowie die Neue Bachgesellschaft genutzt (neben Büroräumen für die Mitarbeiter insbesondere Bachmuseum mit Ausstellungsräumen, Forschungsbereich mit Archiv und Magazin, Veranstaltungsräume). Durch Bescheid vom 7. März 1995 stellte die Beklagte fest, dass die Rechtsnachfolger der früheren Eigentümer Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes seien, lehnte eine Rückübertragung des Grundstücks aber ab, weil ein Anspruch auf Rückübertragung gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ausgeschlossen sei. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.
Die Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Die Rechtssache hat nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Kläger werfen sinngemäß die Frage auf,
ob § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG einschränkend dahin auszulegen ist, dass nicht jegliches öffentliches Interesse an der neuen Nutzung eines Grundstücks oder Gebäudes den Restitutionsanspruch ausschließt, sondern nur ein öffentliches Interesse von besonderer existenzieller Bedeutung, wie beispielsweise eine geänderte Nutzung des Grundstücks durch eine Einrichtung, die der Daseinsvorsorge dient.
Zur Klärung der aufgeworfenen Frage bedarf es nicht der Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens. Eine einengende Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG, wie die Kläger sie für richtig halten, ist nicht geboten, um eine sonst anzunehmende Verfassungswidrigkeit der Norm zu vermeiden. Auch ohne Eingrenzung der öffentlichen Interessen auf solche von besonderem, gar „existenziellem” Gewicht ist die Vorschrift mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, den der Gesetzgeber nicht nur bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern auch dann zu beachten hat, wenn er im Rechts- und Sozialstaatsgedanken wurzelnde Wiedergutmachungsansprüche näher ausgestaltet. Dies folgt unmittelbar aus dem Zweck der Vorschrift und der zu ihr bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Ausschlusstatbestände des § 4 Abs. 1 Satz 1 und des § 5 Abs. 1 VermG sollen nach der verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorstellung des Gesetzgebers die widerstreitenden Interessen der Alteigentümer einerseits und der Verfügungsberechtigten sowie der Allgemeinheit andererseits in einen sozialen, auf die Schaffung von Rechtsfrieden gerichteten Ausgleich bringen, indem sie in der Zeit der DDR entstandene Fakten nicht rückgängig machen und die Betroffenen auf Entschädigungsansprüche verweisen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, VIZ 1999, 468, 469). Dieser angestrebte Interessenausgleich wird in den Fällen des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG nicht erst dann erreicht, wenn an der weiteren Nutzung in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung veränderter Grundstücke ein existenzielles öffentliches Interesse im Sinne der Kläger besteht. Der rechtfertigende Grund für den Ausschluss der Restitution in diesen Fällen liegt nicht allein in dem öffentlichen Interesse an der weiteren Nutzung des Grundstücks, sondern auchin der ihr vorangegangenen Veränderung des Grundstücks und dem dafür getätigten Aufwand. Der Gesetzgeber hat den Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG von der Erfüllung besonderer baulicher Anforderungen abhängig gemacht. Er wollte mit dieser Vorschrift die Rückgabe solcher Vermögenswerte ausschließen, an deren geänderter Nutzung gerade wegen der dafür getätigten baulichen Investitionen ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht. Die Weiterführung öffentlicher Einrichtungen soll nicht durch die Rückgabe der von ihnen genutzten Anwesen gefährdet werden, wenn diese bereits eine entsprechende bauliche Prägung erfahren haben (BVerwGE 100, 70, 75 f.). Geschützt ist mithin nicht die geänderte Nutzung um ihrer selbst willen, sondern im Blick auf den dafür betriebenen Aufwand; dieser Aufwand soll nicht wegen der Rückgabe der Immobilie nutzlos werden, sofern diese eine ihrer gegenwärtigen Nutzung entsprechende bauliche Prägung erfahren hat (vgl. Beschluss vom 8. März 2000 – BVerwG 7 B 181.99 –). Die Kläger verkennen demnach mit ihrer Forderung nach einer Abstufung des öffentlichen Interesses an der Weiterführung der bisherigen Nutzung den Sinn und Zweck des Restitutionsausschlusses nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG. Da der von der Vorschrift bezweckte Schutz des öffentlichen Interesses den Schutz erheblicher baulicher Investitionen einschließt, ist ein „existenzielles” Gewicht des öffentlichen Nutzungsinteresses weder unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit noch aus sonstigen Gründen verfassungsrechtlich geboten.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 1996 (BVerfGE 95, 48, 58; vgl. ferner Bundesverfassungsgericht, 1. Kammer des Ersten Senats, ZOV 1999, 23; Bundesverfassungsgericht, 1. Kammer des Ersten Senats, VIZ 1999, 468) ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht geht vielmehr in Übereinstimmung mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich davon aus, dass die Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz den Schutz des Art. 14 GG genießen. Wie dargelegt, musste das Verwaltungsgericht daraus aber nicht die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG im Sinne der Kläger ableiten.
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts weicht auch nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 1995 (BVerwGE 100, 70) ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Kläger entnehmen jener Entscheidung den Rechtssatz, dass für die Frage des erheblichen baulichen Aufwandes im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG insbesondere Kosten, Art und Umfang der Baumaßnahme maßgebende Beurteilungsgesichtspunkte sind. Sie geben damit den entscheidungstragenden Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts verkürzt wieder. Für die Frage, ob ein baulicher Änderungsaufwand erheblich im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ist, kann nach der genannten Entscheidung weder ausschließlich auf die Kosten im Verhältnis zum Einheitswert noch allein auf die Änderung des Erscheinungsbildes abgestellt werden. Vielmehr ist eine vergleichende Betrachtung des Hauses oder Grundstücks in seinem früheren oder in dem veränderten Zustand geboten. Ergibt diese Betrachtung, dass die beanspruchte Sache nach der Verkehrsanschauung infolge der Baumaßnahmen und der hiermit verbundenen Nutzungsänderung nicht mehr dieselbe ist, soll sie nicht mehr zurückgegeben werden müssen. Bei dieser Gegenüberstellung haben die Kosten, der Umfang und die Art der Baumaßnahmen ebenso indizielle Bedeutung wie die Veränderungen im Erscheinungsbild des Gebäudes, ohne dass einer dieser Faktoren für sich gesehen ausschlaggebend sein müsste.
Zu diesen Rechtssätzen setzt sich das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht in Widerspruch. Es geht vielmehr ausdrücklich von diesem qualitativen Maßstab für die Erheblichkeit baulichen Änderungsaufwandes aus. Aus Art und Umfang der Baumaßnahmen und den daraus resultierenden Veränderungen des Erscheinungsbildes des Gebäudes hat das Verwaltungsgericht bereits gefolgert, dass es sich bei dem Gebäude nach Abschluss der Veränderungen nicht mehr um dieselbe Sache gehandelt habe wie vorher. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, zumal das Verwaltungsgericht den Kosten für die baulichen Änderungen nicht jede Bedeutung abgesprochen hat. Das Verwaltungsgericht hat lediglich davon abgesehen, die Kosten im Einzelnen zu beziffern, weil die Baumaßnahmen, die auf die hier relevante Nutzungsänderung entfielen, nach Art und Umfang den Schluss zuließen, dass durch sie erhebliche Kosten verursacht worden waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Gödel, Neumann
Fundstellen